Entscheidungsstichwort (Thema)
Untreue
Tenor
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 19. November 1998 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit die Angeklagten freigesprochen worden sind.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten K. wegen Untreue (Ziff. 1 der Anklage) zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 120 DM verurteilt. Vom Vorwurf der Untreue und des Betruges zum Nachteil der O. -GmbH (Ziff. 2 der Anklage) hat es beide Angeklagte freigesprochen. Gegen diesen Freispruch richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft; das Rechtsmittel hat Erfolg.
Nach den Feststellungen war der Angeklagte Kr. faktischer Geschäftsführer der T. -GmbH, formal war seine Ehefrau Alleingesellschafterin und Geschäftsführerin. Diese Gesellschaft erwarb von der Treuhand sämtliche Geschäftsanteile der O. -GmbH, deren Geschäftsführer der Zeuge L. war, und verpflichtete sich, ein Grundstück dieser Gesellschaft an einen Bauunternehmer zum Preis von 1,5821 Millionen DM zu verkaufen, wobei der Erlös zur Begleichung der ca. 1,9 Millionen DM betragenden Altverbindlichkeiten der O. -GmbH verwendet werden sollte. Ursprünglich beabsichtigte der Angeklagte Kr., den Verkaufserlös für die O. -GmbH vorübergehend bis zur Tilgung dieser Verbindlichkeiten bei einer Bank anzulegen. Bei der Abwicklung dieses Grundstücksverkaufs wurde die Firma O. -GmbH von dem mitangeklagten Rechtsanwalt K., der auch mit der Firma T. -GmbH einen Beratungsvertrag hatte, vertreten. Ihm gegenüber erklärte der Angeklagte Kr., er sehe nicht ein, daß die T. -GmbH ihrerseits teure Kredite aufnehmen müsse, während die O. -GmbH bei einer Bankanlage nur eine geringe Rendite erzielen könne. Der Angeklagte K. hielt es für unbedenklich, wenn die O. -GmbH der T. -GmbH das Geld als verzinsliches Darlehen zur Verfügung stelle. Nach Eingang des Verkaufserlöses wies der Angeklagte Kr. den Zeugen L. telefonisch an, 1,5 Millionen DM auf das Anwaltskonto des Angeklagten K. zu überweisen, wobei er ihm erklärte, der Betrag solle „bankmäßig”, genaueres ist hierzu den Urteilsgründen nicht zu entnehmen, mit einem Zinssatz von 15 % angelegt werden (UA S. 13, 20). Tatsächlich beabsichtigte der Angeklagte Kr., diesen Betrag in der T. -GmbH als Darlehen der Tochterfirma O. -GmbH zu belassen. Der Zeuge L. befolgte diese Anweisung, wobei nach den Feststellungen der Strafkammer für ihn allein entscheidend war, daß Kr. als faktischer Geschäftsführer der bestimmenden Gesellschaft ihn dazu aufgefordert hatte; er hätte das Geld der T. -GmbH auch als Darlehen zur Verfügung gestellt, wenn Kr. dies von ihm verlangt hätte. K. leitete den Betrag auf ein Konto der T. -GmbH weiter, das sich zu diesem Zeitpunkt mit ca. einer Million DM im Soll befand. Ein Teilbetrag von 500 000 DM wurde später als Teiltilgung zurückbezahlt, ab Mitte 1993 verschlechterte sich jedoch die finanzielle Situation der T. -GmbH; am 11. April 1994 wurde schließlich das Konkursverfahren über das Vermögen der Gesellschaft eröffnet.
1. Daß die Strafkammer den Tatbestand der Untreue zum Nachteil der O. -GmbH verneint hat, läßt durchgreifende Rechtsfehler nicht erkennen.
Der Angeklagte Kr. hat sich dadurch, daß er den Geschäftsführer der O. -GmbH, den Zeugen L., dazu veranlaßt hat, 1,5 Millionen DM aus einem Grundstücksverkauf an den Mitangeklagten K. weiterzuleiten, die dann entgegen der – nach den Urteilsgründen festgestellten – Behauptung Kr.'s nicht bei einer Bank angelegt, sondern der T. -GmbH als Darlehen zur Verfügung gestellt wurden, nicht wegen Untreue zum Nachteil der O. -GmbH oder wegen Anstiftung bzw. Beihilfe zur Untreue oder wegen versuchten Betruges strafbar gemacht.
Eine Strafbarkeit wegen Untreue scheidet nicht schon deshalb aus, weil der Angeklagte Kr. nur faktischer Geschäftsführer der T. -GmbH, nicht aber auch der O. -GmbH war. Der Treubruchtatbestand des § 266 Abs. 1 Alt. 2 StGB knüpft nämlich nicht an die formale Position des Geschäftsführers an, sondern an die tatsächliche Verfügungsmacht über ein bestimmtes Vermögen, wenn damit ein schützenswertes Vertrauen in eine pflichtgemäße Wahrnehmung der Vermögensinteressen verbunden ist (BGH NStZ 1996, 540). Der Angeklagte Kr. hat aber eine solche vermögensbezogene Pflichtenstellung gegenüber der O. -GmbH nicht eingenommen. Er hat sich vielmehr auf die Wahrnehmung der Gesellschafterinteressen der T. -GmbH beschränkt und keine dominierende Position innerhalb des beherrschten Unternehmens ausgeübt; die Leitung der O. -GmbH oblag vielmehr dem Zeugen L. .
Anstiftung bzw. Beihilfe zur Untreue durch den Angeklagten Kr. kommt mangels einer rechtswidrigen Haupttat des Zeugen L., von deren Vorliegen auch die beschwerdeführende Staatsanwaltschaft nicht ausgeht, nicht in Betracht. Dementsprechend kann auch der mitangeklagte Rechtsanwalt K. nicht wegen Beihilfe zu einer Untreuehandlung des Angeklagten Kr., bzw. des Zeugen L. verfolgt werden. Da er bei der Weiterleitung des Geldbetrags von der O. -GmbH an die T. -GmbH nur letztere vertrat und nicht die Vermögensinteressen der O. -GmbH wahrzunehmen hatte, ist auch kein Raum für eine täterschaftliche Untreuehandlung zum Nachteil der O. -GmbH.
2. Dagegen hält das Urteil einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand, soweit die Strafkammer eine Verurteilung der Angeklagten wegen Betrugs bzw. Beihilfe hierzu abgelehnt und insbesondere versuchten Betrug nicht geprüft hat.
Das Landgericht hat einen vollendeten Betrug zum Nachteil der O. -GmbH mit der Begründung verneint, es fehle an einer Kausalität zwischen Irrtumserregung und Vermögensverfügung, da deren Geschäftsführer L. den Geldbetrag auch dann dem Angeklagten Kr. zur Verfügung gestellt hätte, wenn er von vornherein gewußt hätte, daß dieser der T. -GmbH als Darlehen dienen sollte, da für ihn allein die Anweisung des Angeklagten Kr. ausschlaggebend gewesen sei. Die dieser Erwägung zugrundeliegende Beweiswürdigung ist jedoch unklar und lückenhaft. Es wird bereits nicht ausreichend mitgeteilt, was der Angeklagte Kr. dem Zeugen L. bei der telefonischen Zahlungsanweisung Ende Januar 1992 im einzelnen über die vorgesehene Verwendung des Geldbetrages erklärt hatte. Auf UA S. 12, 13 ist nur die Rede davon, das Geld solle zu einem Zinssatz von 15 % „angelegt” werden, wobei der Zeuge L. von einer „bankmäßigen” Anlage ausgegangen sei.
Es ist bereits unklar, was unter einer „bankmäßigen” Anlage zu verstehen ist, bzw. der Zeuge L. hierunter verstanden hatte, nämlich die Anlage bei einer Bank oder wie bei einer Bank, also unter vergleichbaren Bedingungen hinsichtlich Verzinsung, Tilgung, Kündbarkeit u.ä.. Letztgenannte Möglichkeit, wonach der Geldbetrag bei der T. -GmbH wie bei einer Bank, etwa wie Festgeld angelegt werden sollte, hätte insbesondere deswegen in Betracht gezogen werden müssen, weil die Beteiligten, auch der Zeuge L., später – in Kenntnis einer Darlehensgewährung an die T. -GmbH – gleichwohl von einer „Festgeldanlage” gesprochen haben, und dem Mitangeklagten K. von der Strafkammer zugebilligt worden war, er könne unter dem Begriff „Festgeldanlage” lediglich die buchungsmäßige Erfassung des Restdarlehens bei der T. -GmbH verstanden haben. Für eine solche Möglichkeit sprach weiter die bei einer Bank nicht realisierbare Höhe des Zinssatzes von 15 % und der Umstand, daß der Geldbetrag an den Angeklagten Kr. und nicht an die vorgesehene Bank geleitet worden ist.
Ob der Angeklagte Kr. daher bei seiner telefonischen Anweisung ausdrücklich oder sinngemäß, jedenfalls aber bewußt wahrheitswidrig, erklärt hatte, er wolle das Geld bei einer Bank anlegen, oder ob der Zeuge L. seine Erklärungen lediglich in diesem Sinne verstanden haben könnte, bleibt unklar. Diese Unklarheit wird auch durch die pauschalen Ausführungen der Strafkammer im Rahmen der Beweiswürdigung, der Angeklagte Kr. habe die „bankmäßige” Anlage vorgespiegelt, was auch durch die Aussage des Zeugen L. bestätigt werde (UA S. 20), nicht beseitigt, da abgesehen von der oben dargelegten Mehrdeutigkeit des Begriffes „bankmäßige Anlage” weder mitgeteilt wird, was der Angeklagte Kr. konkret eingeräumt, noch was der Zeuge L. konkret bestätigt hat.
Die Beweiswürdigung zu dieser Frage ist auch deswegen lückenhaft, weil sich die Strafkammer in diesem Zusammenhang nicht mit Umständen auseinandergesetzt hat, deren Erörterung sich aufgedrängt hätte. So fehlt es an einer Erörterung, welchen Sinn die Vorspiegelung einer Geldanlage bei einer Bank gehabt haben kann, wenn der Zeuge L. ohnehin allein auf Anweisung des Angeklagten Kr. den Geldbetrag – auch als Darlehen an die T. -GmbH – zur Verfügung gestellt hätte und welche Erklärung der Angeklagte Kr. hierzu abgegeben hat, zumal Anhaltspunkte dafür, dieser habe seine dominierende Rolle gegenüber dem Zeugen L. nicht erkannt, nicht mitgeteilt werden. In diesem Zusammenhang fehlt es auch an einer näheren Darstellung zu den vertraglichen Abmachungen mit der Treuhand über die Behandlung des Verkaufserlöses.
Ein weiterer Erörterungsmangel liegt darin, daß die Strafkammer ihrer Beweiswürdigung ohne weiteres zugrunde gelegt hat, der Zeuge L. sei als Geschäftsführer der O. -GmbH davon ausgegangen, der Geldbetrag werde von dem Angeklagten Kr. bei einer Bank zu einem Zinssatz von 15 % angelegt werden, wobei im Schreiben dieses Zeugen vom 8. Oktober 1992 der Begriff „Festgeldanlage” gebraucht wird, ohne sich damit auseinanderzusetzen, daß eine solche Vorstellung einer bei einer Bank 1992 zu erzielenden Guthabensverzinsung von 15 % – insbesondere als Festgeld – derart irreal ist, daß sie bei einem im Geschäftsleben stehenden GmbH-Geschäftsführer kaum vorstellbar erscheint. Dabei hätte sie weiter zu bedenken gehabt, daß der Sinn, eine solche Bankanlage nicht direkt durch die O. -GmbH vorzunehmen, sondern den Betrag zunächst an den Angeklagten Kr. zu leiten, nicht erkennbar ist. Hätte dieser auf die Art der Geldanlage bei einer Bank Einfluß nehmen wollen, hätte er dies auch durch eine entsprechende Weisung erreichen können.
3. Wie der Generalbundesanwalt zu Recht dargelegt hat, liegt ein weiterer, zur Aufhebung des Freispruchs nötigender Rechtsfehler darin, daß die Strafkammer, die davon ausgeht, die angenommene Täuschung sei für die Vermögensverfügung nicht kausal gewesen, das Verhalten der Angeklagten nicht unter dem Gesichtspunkt eines versuchten Betrugs geprüft hat.
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat daraufhin, daß es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genügt, wenn die Täuschung für die Vermögensverfügung des Getäuschten wenigstens mitbestimmend gewesen war; ein solcher Beweggrund büßt seine rechtliche Bedeutung nicht deswegen ein, weil daneben ein anderer bestand, der von dem Irrtum nicht berührt wurde und für sich allein zu demselben Entschluß geführt hätte (BGHSt 13, 13).
Unterschriften
Kutzer, Rissing-van Saan, Miebach, Winkler, Pfister
Fundstellen
Haufe-Index 540494 |
NStZ 1999, 558 |
wistra 1999, 419 |
StV 2000, 486 |