Verfahrensgang
LG Zweibrücken (Urteil vom 12.12.2016) |
Tenor
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Zweibrücken vom 12. Dezember 2016 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte freigesprochen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Tatbestand
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls in zwei Fällen unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts P. vom 11. Februar 2016 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten und wegen Brandstiftung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Von den Vorwürfen der besonders schweren Brandstiftung und der Brandstiftung in einem weiteren Fall hat es ihn aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Gegen die Freisprüche wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer Revision, mit der sie die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.
I.
Rz. 2
Nach der Anklage soll der Angeklagte in der Nacht vom 29. auf den 30. Oktober 2015 gegen 23.20 Uhr auf dem Gelände der ehemaligen Baustoffhandlung M. in P. unter Nutzung von Brandbeschleuniger die dort befindliche Lagerhalle in Brand gesetzt haben. Bei den Löscharbeiten brach einer der Feuerwehrmänner durch das Dach der brennenden Lagerhalle und erlitt einen Wirbelbruch. Weiter soll der Angeklagte in den frühen Morgenstunden des 30. Oktober 2015 gegen 0.45 Uhr auf dem Parkplatz W. straße in P. zwei Personenkraftwagen in Brand gesetzt haben, die vollständig ausbrannten.
Entscheidungsgründe
II.
Rz. 3
1. Das Urteil wird bereits den formellen Voraussetzungen nicht gerecht, die gemäß § 267 Abs. 5 Satz 1 StPO an die Begründung eines freisprechenden Urteils zu stellen sind. Zudem erweist sich die Beweiswürdigung als durchgreifend rechtsfehlerhaft.
Rz. 4
Bei einem Freispruch aus tatsächlichen Gründen muss das Urteil so abgefasst sein, dass das Revisionsgericht überprüfen kann, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind oder der Freispruch auf rechtlich einwandfreien Erwägungen beruht. Deshalb muss der Tatrichter regelmäßig in einer geschlossenen Darstellung zunächst die Tatsachen feststellen, die er für erwiesen hält, bevor er in der Beweiswürdigung darlegt, aus welchen Gründen die für einen Schuldspruch erforderlichen – zusätzlichen – Feststellungen nicht getroffen werden können (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 5. Februar 2013 – 1 StR 405/12, NJW 2013, 1106, und vom 27. November 2014 – 3 StR 334/14, Rn. 4, jeweils mwN; Meyer-Goßner in Meyer-Goßner/ Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 267 Rn. 33).
Rz. 5
Die Urteilsgründe lassen eine diesen Anforderungen genügende vollständige und geordnete Darstellung des festgestellten Sachverhalts vermissen. Das Landgericht würdigt nach der Wiedergabe des Tatvorwurfs sowie der Einlassung des Angeklagten jeweils gesondert die für und die gegen eine Täterschaft des Angeklagten sprechenden Umstände. Die Erwägungen, mit denen es einzelnen Umständen eine Beweisbedeutung zu- oder abspricht, sind (auch) wegen fehlender Feststellungen nicht tragfähig.
Rz. 6
a) Soweit das Landgericht als Indiz gegen eine Täterschaft des Angeklagten bei der Brandlegung in der Baustoffhandlung gewertet hat, er habe bei der Kontrolle durch Polizeibeamte in der Nähe des Brandortes keinen – bei der Brandlegung wohl eingesetzten – Brandbeschleuniger mit sich geführt, ist in Ermangelung entsprechender Feststellungen zur Tatzeit und zum Kontrollzeitpunkt nicht nachvollziehbar, ob es dem Angeklagten vor seiner Kontrolle zeitlich möglich gewesen wäre, entsprechende Behältnisse mit Brandbeschleuniger zu entsorgen oder zu verstecken. Es bleibt in diesem Zusammenhang insbesondere unklar, ob an dem Brandort aufgefundene Kanister (UA 18) der Brandlegung zuzuordnen waren. Wären die bei Brandlegung benutzten Behältnisse mit Brandbeschleuniger am Ort der ersten Brandlegung verblieben, wäre dem Indiz, dass der Angeklagte bei seiner Kontrolle keinen Brandbeschleuniger bei sich führte, der Boden entzogen.
Rz. 7
b) Die weiteren gegen die Täterschaft des Angeklagten sprechenden Beweisanzeichen hat das Landgericht überdies bereits für sich genommen nicht tragfähig begründet.
Rz. 8
aa) Bei dem von Polizeibeamten berichteten und vom Landgericht zur Entlastung des Angeklagten herangezogenen Umstand, der Angeklagte habe sich am Brandort der Baustoffhandlung nicht versteckt, sondern sei aufgefallen, weil er näher ans Feuer habe herantreten wollen, hat sich die Strafkammer nur unzureichend mit der naheliegenden Möglichkeit auseinandergesetzt, dass der Angeklagte wegen einer von ihm verspürten Anziehungskraft von Feuer den Brand gelegt haben könnte. Denn bei dem zweiten Brand in derselben Nacht hielt sich der Angeklagte nach Schilderungen weiterer Polizeibeamter ebenfalls am Brandort auf und beobachtete das Feuer. Für eine Empfänglichkeit des Angeklagten für Feuer könnte schließlich auch sprechen, dass er sich nur wenige Monate nach der Entlassung aus der Untersuchungshaft wegen der Tatvorwürfe der Brandstiftung in der Nacht vom 29. auf den 30. Oktober 2015 an seiner früheren Lebensgefährtin durch die Legung eines Brandes an ihrem Fahrzeug rächte (Tat II.1. der Urteilsgründe). Die Erwägung des Landgerichts, dass eine Neigung des Angeklagten zur Brandstiftung nicht angenommen werden könne, weil keine noch früheren Brandstiftungen feststellbar seien, greift deshalb zu kurz.
Rz. 9
bb) Soweit der Tatrichter einen nicht ermittelten dritten Täter nicht auszuschließen vermocht hat, erlauben die lückenhaften Feststellungen nicht die Überprüfung, ob es sich um mehr als eine hypothetische Möglichkeit handelt. Es fehlen jegliche Feststellungen zum Hintergrund der von einem Polizeibeamten geschilderten weiteren Brandmeldung in der Tatnacht in der A.-Straße in P., insbesondere was auf welche Weise dort angesteckt worden ist.
Rz. 10
cc) Auch die Erwägungen, mit denen das Landgericht die Einlassung des Angeklagten zur Herkunft eines von fünf Polizeibeamten in der Tatnacht geschilderten Benzingeruchs an seinen Händen für nicht widerlegbar gehalten hat, entbehren einer ausreichenden Tatsachengrundlage. Das Urteil teilt nicht mit, was die Zeugin V. zu einer vom Angeklagten als Erklärung für den Geruch behaupteten Betankung ihres Fahrzeugs mittels Benzinkanisters am Tattag bekundet hat. Für die vom Landgericht zudem erwogene Möglichkeit, dass fünf Polizeibeamte einem unbewussten gruppendynamischen Prozess unterlegen seien und sich einen Benzingeruch an den Händen des Angeklagten nur eingebildet hätten, fehlen jegliche Anhaltspunkte.
Rz. 11
2. Ein weiterer Rechtsfehler liegt darin, dass das Landgericht die erforderliche Gesamtwürdigung aller für und gegen die Täterschaft des Angeklagten sprechenden Indizien (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 24. Juni 2004 – 4 StR 15/04, wistra 2004, 432; vom 1. Februar 2007 – 4 StR 474/06, Rn. 15; vom 11. August 2011 – 4 StR 191/11, Rn. 10, und vom 11. Oktober 2016 – 5 StR 181/16, NStZ 2017, 600, 601; Meyer-Goßner, aaO, § 267 Rn. 33) nur formelhaft vorgenommen hat.
Rz. 12
3. Der Senat hebt die Freisprüche daher auf und verweist die Sache insoweit an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurück. Die Gesamtfreiheitsstrafe kann bestehen bleiben. An der in seinem Urteil vom 26. November 1998 (4 StR 207/98, insofern nicht abgedruckt in StV 1999, 153) geäußerten Rechtsauffassung, wonach im Fall der Aufhebung eines Teilfreispruchs auf Revision der Staatsanwaltschaft auch die in demselben Verfahren für nicht angefochtene Taten verhängte Gesamtfreiheitsstrafe der Aufhebung unterliegt, hält der Senat nicht mehr fest (vgl. zum vergleichbaren Fall der Aufhebung eines Teilfreispruchs auf Nebenklagerevision Senatsurteil vom heutigen Tag – 4 StR 45/17).
Rz. 13
Wenn der Angeklagte im neuen Rechtsgang wegen weiterer Fälle verurteilt werden sollte, so wird gleichwohl eine neue Gesamtstrafe zu bilden sein (vgl. BGH, Urteil vom 10. November 1976 – 2 StR 572/76 und Beschluss vom 26. Januar 1999 – 4 StR 556/98 mwN). Insoweit weist der Senat auf Folgendes hin: Sollte die Geldstrafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts P. vom 14. August 2015 vor der Verurteilung durch das Amtsgericht P. am 11. Februar 2016 erledigt worden sein, wäre die bisherige Gesamtstrafe aufzulösen und eine neue Gesamtstrafe aus den Einzelstrafen der bisherigen Gesamtstrafe und den neuen Einzelstrafen zu bilden. Sollte die Erledigung der Strafe aus dem Strafbefehl vom 14. August 2015 erst nach der Verkündung des Urteils vom 11. Februar 2016 oder bisher gar nicht eingetreten sein (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Juli 2007 – 4 StR 266/07, NStZ-RR 2007, 369, 370), wäre wegen der dann bestehenden Zäsurwirkung der früheren Verurteilung vom 14. August 2015 eine weitere Gesamtstrafe aus den neuen Einzelstrafen mit der Einzelstrafe aus der Verurteilung unter II.1. der Urteilsgründe zu bilden; in die bisher ausgeurteilte Gesamtstrafe wäre die Geldstrafe aus dem Strafbefehl vom 14. August 2015 einzubeziehen. Der neue Tatrichter wird die Anrechnung von Leistungen, die der Verurteilte zur Erfüllung der Bewährungsauflagen aus dem Urteil vom 11. Februar 2016 erbracht hat (§ 58 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 56f Abs. 3 Satz 2 StGB), im Urteilstenor zum Ausdruck zu bringen haben (BGH, Beschluss vom 18. Juli 2007 – 2 StR 256/07).
Unterschriften
Sost-Scheible, Roggenbuck, RiBGH Cierniak ist im Urlaub und daher gehindert zu unterschreiben. Sost-Scheible, Franke, Bender
Fundstellen
Haufe-Index 11373515 |
NStZ-RR 2019, 265 |