Leitsatz (amtlich)
Zur Behandlung einer – kollisionsrechtlich nach deutschem Sachrecht zu beurteilenden – Vereinbarung über die Leistung einer Morgengabe.
Normenkette
BGB §§ 157, 305, 780, 1408 ff., § 1569 ff.
Verfahrensgang
OLG Bamberg (Urteil vom 13.02.1997) |
AG Obernburg a.M. |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 2. Zivilsenats – Familiensenat – des Oberlandesgerichts Bamberg vom 13. Februar 1997 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien waren seit dem 31. August 1976 miteinander verheiratet und wurden auf Antrag der Klägerin durch Urteil vom 14. März 1995 – rechtskräftig – geschieden. Die Klägerin ist seit dem 16. Juni 1995 wieder verheiratet. Sie ist deutsche Staatsangehörige. Der Beklagte war bei der Eheschließung syrischer Staatsangehöriger; im Zeitpunkt der Ehescheidung besaß er die deutsche Staatsangehörigkeit.
Am 4. August 1976 schlossen die Parteien im Hinblick auf ihre bevorstehende Eheschließung einen notariellen Ehevertrag, in dem sie unter anderem folgende Vereinbarung trafen:
Ich, Herr A. T., verpflichte mich, meiner zukünftigen Ehefrau, Fräulein B., eine Morgengabe von 20.000 DM (i.W.: zwanzigtausend Deutsche Mark) zu zahlen, 10.000 DM dieser Morgengabe werden fällig nach Eheschließung, weitere 10.000 DM werden fällig, wenn ich, der Erschienene zu 1, der Erschienenen zu 2 Gründe gebe, die sie berechtigen, die endgültige Verstoßung auszusprechen.
Ich, der Erschienene zu 1, bevollmächtige meine zukünftige Ehefrau, die Erschienene zu 2, unwiderruflich in meinem Namen gegen sich selbst die endgültige Verstoßung auszusprechen, wenn
- ich die Ehe mit einer anderen Frau eingehe;
- ich meine ehelichen Verpflichtungen verletze, insbesondere ehewidrige Beziehungen zu einer anderen Frau aufnehme, meinen Unterhaltspflichten nicht nachkomme, meiner Frau das ihr zustehende Bestimmungsrecht über die Kinder beeinträchtige oder wenn sonstige Gründe vorliegen, die meiner zukünftigen Frau nach dem dann gültigen Deutschen Ehegesetz das Recht geben, von mir die Scheidung zu verlangen.
Mit Anwaltsschreiben vom 29. August 1995 forderte die Klägerin den Beklagten auf, die ihr in dem Ehevertrag zugesagte Morgengabe in Höhe von 20.000 DM an sie zu zahlen. Da der Beklagte die Zahlung ablehnte, macht die Klägerin den Anspruch im vorliegenden Rechtsstreit geltend.
Das Amtsgericht wies die Klage hinsichtlich der nach der Eheschließung fällig gewesenen ersten Hälfte der Morgengabe wegen Verwirkung des Anspruchs ab und verurteilte den Beklagten, die nach Auflösung der Ehe geschuldete zweite Hälfte der Morgengabe in Höhe von 10.000 DM an die Klägerin zu zahlen. Die Berufung des Beklagten gegen die Verurteilung blieb ohne Erfolg. Mit der zugelassenen Revision verfolgt er sein Klageabweisungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe
1. Das Oberlandesgericht hat den Anspruch auf die zweite Hälfte der Morgengabe in Höhe von 10.000 DM auf der Grundlage der notariellen Vereinbarung vom 4. August 1976 für begründet gehalten, weil der als Schuldversprechen im Sinne des § 780 BGB zu wertende Ehevertrag wirksam und der Zahlungsanspruch fällig sei. Im einzelnen hat das Gericht dazu ausgeführt:
Der Klageanspruch sei nach deutschem Recht zu beurteilen, obwohl dieses das islamisch-rechtliche Institut der Morgengabe oder ein vergleichbares Rechtsinstitut nicht kenne. Das ergebe sich aus Art. 18 EGBGB – und zwar sowohl aus Abs. 5 als auch aus Abs. 4 als auch schließlich aus Abs. 1 Satz 1 der Vorschrift –, wenn man mit der überwiegend vertretenen Meinung von der unterhaltsrechtlichen Natur der Morgengabe ausgehe. Sehe man hingegen in der Verpflichtung zur Leistung der Morgengabe eine güterrechtliche Wirkung der Ehe, so führe Art. 15 Abs. 1 i.V.m. Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB ebenfalls zur Anwendbarkeit des deutschen Rechts. Die in diesem Fall geltende Formvorschrift des § 1410 BGB sei gewahrt. Ordne man ihr erbrechtliche Bedeutung zu, sei gleichfalls deutsches Rechts anzuwenden.
Nach dem das deutsche Recht beherrschenden Grundsatz der Vertragsfreiheit könne in Ermangelung einer gesetzlichen Regelung der Morgengabe nur der notarielle Vertrag vom 4. August 1976 als Anspruchsgrundlage herangezogen werden. Gegen dessen Wirksamkeit bestünden keine Bedenken. Nach dem Vertrag werde die zweite Hälfte der Morgengabe erst fällig, wenn der Beklagte der Klägerin Gründe gebe, die sie berechtigten, die endgültige Verstoßung auszusprechen. Diesem dem islamischen Recht entnommenen Terminus stehe aber gleich, daß Gründe vorlägen, die die Klägerin „nach dem dann gültigen Deutschen Ehegesetz” berechtigten, die Scheidung zu verlangen. Diese Voraussetzung sei erfüllt, zumal die Ehe der Parteien inzwischen nach deutschem Recht rechtskräftig geschieden worden sei.
2. Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
a) Allerdings hat das Berufungsgericht rechtlich zutreffend dargelegt, daß im vorliegenden Fall nach allen in Betracht kommenden Kollisionsnormen deutsches Sachrecht berufen ist, nachdem beide Parteien im Zeitpunkt der Ehescheidung deutsche Staatsangehörige waren, ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatten und ihre Ehe zudem nach deutschem Recht geschieden wurde (vgl. dazu etwa Heldrich in IPrax 1983, 64 f.; Firsching/von Hoffmann, Internationales Privatrecht 5. Aufl. § 6 Rdn. 9; von Bar, Internationales Privatrecht 2. Bd. Rdn. 192; Kotzur, Kollisionsrechtliche Probleme christlich-islamischer Ehen S. 108 ff.; Krüger in FamRZ 1977, 114 ff.; Heßler in IPrax 1988, 95, 97, Anm. zu dem Senatsurteil vom 28. Januar 1998 – IVb ZR 10/86 = FamRZ 1987, 463 ff.). Auch die Revision geht davon aus, daß der geltend gemachte Anspruch nach deutschem Recht zu beurteilen ist.
b) Bei der Anwendung des mithin maßgeblichen deutschen Sachrechts kann dem Oberlandesgericht jedoch, wie die Revision zu Recht rügt, nicht darin gefolgt werden, daß die Vereinbarung vom 4. August 1976, auf die die Klägerin den geltend gemachten Anspruch auf die (zweite Hälfte der) Morgengabe stützt, als selbständiges Schuldversprechen i.S. von § 780 BGB zu werten sei.
Ein abstraktes Schuldversprechen i.S. dieser Vorschrift liegt nur dann vor, wenn die mit ihm übernommene Verpflichtung von ihrem Rechtsgrund, d.h. von ihren wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhängen gelöst und allein auf den im Versprechen zum Ausdruck gekommenen Leistungswillen des Schuldners gestellt werden soll. Über diese selbständige Natur des Versprechens müssen sich die Vertragspartner einig geworden sein (vgl. BGH Urteil vom 18. Mai 1995 – VII ZR 11/94 = NJW RR 1995, 1391, 1392 m.w.N.). Ob dies der Fall ist, ist durch Auslegung der getroffenen Vereinbarung anhand der schriftlichen Erklärung zu ermitteln. Eine Vermutung für ein abstraktes Leistungsversprechen besteht dabei nicht. Allerdings stellt es ein gewichtiges Indiz für eine selbständige Verpflichtung dar, wenn der Schuldgrund in der Urkunde nicht oder nur in allgemeiner Form erwähnt wird. Hingegen ist ein selbständiger Verpflichtungswille im Zweifel nicht anzunehmen, wenn in der schriftlichen Erklärung ein bestimmter Schuldgrund angegeben ist (vgl. BGB-RGRK/Steffen 12. Aufl. § 780 Rdn. 10 m.w.N.; auch BGH Urteil vom 1. Oktober 1987 – III ZR 134/86 = BGHR BGB § 780 Abstraktheit 1).
So liegt der Fall hier. Denn in der Vereinbarung vom 4. August 1976 ist der der Klägerin zugesagte Betrag nicht nur ausdrücklich als „Morgengabe” bezeichnet, sondern es sind darüber hinaus auch bestimmte – dem islamischen Recht entlehnte – Voraussetzungen aufgeführt, an die die Verpflichtung des Beklagten zur Leistung der Morgengabe geknüpft wurde. Damit ist der Schuld- bzw. Verpflichtungsgrund für das Zahlungsversprechen des Beklagten in dem Vertrag in derart präziser, „konkreter” Form angegeben, daß die Wertung der Vereinbarung als „abstraktes” Schuldversprechen schon aus diesem Grund fernliegt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte festgestellt oder ersichtlich, welche die Annahme rechtfertigen, die Parteien hätten trotz der vorgenommenen differenzierten Regelung über die Zahlung einer „Morgengabe” gleichwohl ein von diesem genannten Schuldgrund losgelöstes selbständiges Zahlungsversprechen des Beklagten vereinbaren wollen.
Damit kann die angefochtene Entscheidung mit der gegebenen Begründung nicht bestehenbleiben.
3. Die Entscheidung stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar.
Da das Berufungsgericht den Vertrag – wie dargelegt rechtsfehlerhaft – als abstraktes Schuldversprechen angesehen hat, hat es sich mit dieser Beurteilung den Blick verstellt für die Auslegung der in dem Vertrag getroffenen Vereinbarung der Morgengabe und für die Ermittlung der hiermit verbundenen Vorstellungen der Parteien über die Zahlungspflicht des Beklagten. Diese Auslegung hätte das Berufungsgericht vornehmen müssen, um feststellen zu können, ob die Voraussetzungen für die Zahlung der (zweiten Hälfte der) Morgengabe nach den am 4. August 1976 von den Parteien getroffenen Abmachungen unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich eingetretenen Entwicklung erfüllt waren.
Bei der gebotenen Auslegung war davon auszugehen, daß die Parteien eine Verpflichtung des Beklagten – der zum damaligen Zeitpunkt syrischer Staatsangehöriger war und zu dem die Klägerin bereits seit Jahren Beziehungen unterhalten hatte – zur Zahlung einer „Morgengabe” vereinbart und damit ein aus dem islamischen Recht stammendes Rechtsinstitut in den Ehevertrag aufgenommen hatten. Das könnte bedeuten, daß hiermit nach der Vorstellung der Parteien das gesamte Spektrum der Funktionen umfaßt werden sollte, die der Morgengabe in den islamischen Rechtsordnungen zukommt (vgl. dazu oben unter 1. und 2. a). Ebenso könnte in Betracht kommen, daß die Parteien ausschließlich oder in erster Linie eine unterhaltsrechtliche Regelung treffen und jedenfalls mit der Zahlung der zweiten Hälfte der Morgengabe im Falle des Scheiterns ihrer Ehe eine Sicherstellung des Lebensbedarfs der Klägerin für bestimmte vorgestellte Zeiträume nach der Scheidung erreichen wollten (vgl. auch Henrich, Internationales Familienrecht, § 5 IV 2 b S. 145). In diesem Fall könnte dem Umstand einer Wiederverheiratung des unterhaltsberechtigten Ehegatten Bedeutung zukommen. Die Auslegung des Ehevertrages wäre unter diesem Gesichtspunkt auch – ggf. ergänzend – darauf zu erstrecken gewesen, ob und ggf. welche Rechtsfolgen sich nach dem – mutmaßlichen – Willen der Parteien für die Morgengabevereinbarung daraus ergeben sollten, daß die Klägerin bereits drei Monate nach der Scheidung eine neue Ehe eingegangen ist.
Das Berufungsgericht hat indessen als Folge des von ihm gewählten unzutreffenden rechtlichen Ansatzes rechtsfehlerhaft die gebotene umfassende tatrichterliche Auslegung der Vereinbarung über die Zahlung der Morgengabe unterlassen. Damit hat es sich zugleich den Blick auf mögliche Einwände der Parteien verstellt, die u.U. rechtliche Hinweise erfordert hätten.
4. Aus den dargelegten Gründen ist die Sache nach alledem zur neuen Prüfung nach ggf. ergänzendem Sachvortrag der Parteien und zur neuen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dabei bietet die neue Verhandlung dem Beklagten Gelegenheit, auf sein Vorbringen in der Revisionsbegründung zurückzukommen, daß ein in dem Scheidungstermin vor dem Familiengericht am 14. März 1995 vereinbarter gegenseitiger Unterhaltsverzicht der Parteien Einfluß auf die Verpflichtung zur Zahlung der Morgengabe habe.
Unterschriften
Blumenröhr, Krohn, Gerber, Sprick, Weber-Monecke
Fundstellen
Haufe-Index 1130435 |
NJW 1999, 574 |
FamRZ 1999, 217 |
NJWE-FER 1999, 76 |
Nachschlagewerk BGH |
JA 1999, 446 |
MDR 1999, 162 |
ZNotP 1999, 31 |