Leitsatz (amtlich)

Der Einsatz eines Femtosekundenlasers bei Durchführung einer Katarakt-Operation ist nach Nr. 1375 des Gebührenverzeichnisses der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ), zu welcher der Zuschlag nach Nr. 441 GOÄ für die Anwendung eines Lasers bei ambulanten operativen Leistungen ggf. hinzukommt, zu honorieren und nicht zusätzlich nach den Nr. 5800 und 5855 GOÄ analog abrechenbar.

 

Normenkette

GOÄ § 4 Abs. 2a, § 6 Abs. 2; GOÄ Gebührenverzeichnis Nr. 441; GOÄ Gebührenverzeichnis §§ 1375, 5800, 5855

 

Verfahrensgang

LG Düsseldorf (Urteil vom 16.07.2020; Aktenzeichen 9 S 50/17)

AG Düsseldorf (Entscheidung vom 03.08.2017; Aktenzeichen 43 C 157/15)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil der 9. Zivilkammer des LG Düsseldorf vom 16.7.2020 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Revisionsrechtszugs zu tragen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Rz. 1

Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Erstattung der Kosten einer Katarakt-Operation unter Verwendung eines Femtosekundenlasers.

Rz. 2

Der Kläger unterhält bei der Beklagten einen privaten Krankheitskostenversicherungsvertrag. Am 11. und 13.11.2013 unterzog er sich in einer fachärztlichen Praxis für Augenheilkunde operativen Eingriffen unter Einsatz eines Femtosekundenlasers. Je Auge wurden eine Katarakt-Operation (Behandlung des Grauen Stars) sowie eine Astigmatismus-Operation (Korrektur von Hornhautverkrümmungen) ausgeführt. Die unter dem 26.11.2013 erstellte Rechnung wies einen Gesamtbetrag von 6.528,62 EUR aus, wobei neben den Nr. 1345 (Hornhautplastik) und 1375 (extrakapsuläre Operation des Grauen Stars) des Gebührenverzeichnisses der Gebührenverordnung für Ärzte (im Folgenden: Nummer ... GOÄ) zusätzlich die Nr. 5800 GOÄ (Erstellung eines Bestrahlungsplans) und 5855 GOÄ (interoperative Strahlenbehandlung mit Elektronen) analog zum Ansatz gebracht wurden. Die Beklagte, die eine Analogberechnung der Nr. 5800 und 5855 GOÄ als nicht gerechtfertigt ansah, erstattete dem Kläger unter Zubilligung eines Zuschlags für die ambulante Laseranwendung nach Nr. 441 GOÄ 4.746,54 EUR. Ein Betrag von 1.782,11 EUR ist Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits.

Rz. 3

Der Kläger hat geltend gemacht, bei dem Einsatz eines Femtosekundenlasers handele es sich nicht um eine bloße Zuschlagposition, sondern um einen von der herkömmlichen Katarakt-Operation abzugrenzenden eigenständigen Eingriff. Die Methode sei bei Abfassung der GOÄ noch nicht bekannt gewesen, weshalb eine Abrechnung in Analogie zu Nr. 5855 GOÄ gerechtfertigt sei.

Rz. 4

Das AG hat die auf Zahlung des vorgenannten Differenzbetrags (nebst Zinsen und Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten) gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg gehabt. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt er seine Klageanträge weiter.

 

Entscheidungsgründe

Rz. 5

Die zulässige Revision ist unbegründet.

I.

Rz. 6

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

Rz. 7

Im Rahmen der verfahrensgegenständlichen Katarakt-Operation lägen die Voraussetzungen für eine Abrechnung nach den Nr. 5800 und 5855 GOÄ analog nicht vor. Die GOÄ enthalte für den Einsatz eines Femtosekundenlasers keinen ausdrücklichen Gebührentatbestand. Eine Analogberechnung nach den vorgenannten Nummern setze zum einen voraus, dass es sich um eine selbständige ärztliche Leistung i.S.d. § 6 Abs. 2 i.V.m. § 4 Abs. 2, Abs. 2a GOÄ handele, und zum anderen, dass die weiteren Analogievoraussetzungen nach § 6 Abs. 2 GOÄ vorlägen (nach Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertige Leistung). Das AG habe die Voraussetzungen einer selbständigen ärztlichen Leistung zu Recht als nicht erfüllt angesehen. Die Selbständigkeit einer ärztlichen Leistung sei danach zu beurteilen, ob für sie eine eigenständige medizinische Indikation bestehe (Hinweis auf BGH, Urt. v. 21.1.2010 - III ZR 147/09 NJW-RR 2010, 1355). Nach der Rechtsprechung des BGH seien insb. Leistungen nicht abrechenbar, deren Zweck darin bestehe, beim Erreichen des Operationsziels benachbarte Strukturen zu schonen und nicht zu verletzen. Dementsprechend habe das OLG Naumburg (veröffentlicht in VersR 2019, 1348) entschieden, dass für den Einsatz des Femtosekundenlasers keine eigenständige Indikation gegeben sei. Es handele sich vielmehr um eine unselbständige Teilleistung der Zielleistung "Kataraktoperation", die nach dem derzeitigen Stand der GOÄ nicht zusätzlich nach Nr. 5855 GOÄ abgerechnet werden könne. Die erkennende Berufungskammer schließe sich dieser Auffassung an, die auch vielfach in der jüngeren Rechtsprechung der AG und LG sowie der VG vertreten werde. Obwohl der Kläger mit Beschluss vom 23.10.2019 ausdrücklich darauf hingewiesen worden sei, dass die Voraussetzungen einer eigenständigen medizinischen Indikation für den Einsatz eines Femtosekundenlasers nicht dargelegt seien, habe er bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung am 18.6.2020 keine für eine eigenständige medizinische Indikation sprechenden Umstände vorgetragen. Soweit er in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 29.6.2020 erstmals unter Berufung auf einen Operationsbericht vom 11.11.2013 behauptet habe, eine individuelle Indikation zum Lasereinsatz habe jedenfalls für das linke Auge bestanden (sog. "harte Linse"), sei das Vorbringen gem. § 296a Satz 1 ZPO nicht mehr zu berücksichtigen. Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach § 296a Satz 2 i.V.m. § 156 ZPO komme nicht in Betracht.

II.

Rz. 8

Das Berufungsurteil hält den Angriffen der Revision stand.

Rz. 9

Der Einsatz eines Femtosekundenlasers bei Durchführung einer Katarakt-Operation ist nach Nr. 1375 GOÄ, zu welcher der Zuschlag nach Nr. 441 GOÄ für die Anwendung eines Lasers bei ambulanten operativen Leistungen ggf. hinzukommt, zu honorieren und nicht zusätzlich nach den Nr. 5800 und 5855 GOÄ analog abrechenbar. Da der behandelnde Augenarzt diese Gebührenpositionen nicht hätte in Rechnung stellen dürfen, hat der Kläger keinen Erstattungsanspruch gegen die Beklagte aus dem Krankheitskostenversicherungsvertrag i.V.m. §§ 1 Satz 1, 192 Abs. 1 VVG.

Rz. 10

1. Für den Einsatz eines Femtosekundenlasers bei der hier durchgeführten Katarakt-Operation nach Nr. 1375 GOÄ enthält das Gebührenverzeichnis der GOÄ keinen eigenen Vergütungstatbestand. Dieser Umstand allein rechtfertigt es allerdings noch nicht, die Abrechenbarkeit des Lasereinsatzes von vornherein zu verneinen. Die Gebührenordnung für Ärzte vom 12.11.1982 ist am 1.1.1983 in Kraft getreten (BGBl. I 1522). Das dazugehörige Gebührenverzeichnis wurde letztmals im Rahmen der zum 1.1.1996 in Kraft getretenen Vierten Verordnung zur Änderung der Gebührenordnung für Ärzte vom 18.12.1995 (BGBl. I 1861) überarbeitet. Femtosekundenlaser, die mit Infrarotimpulsen im Bereich von Billiardstelsekunden arbeiten, werden seit 2001 in der Augenheilkunde eingesetzt (insb. bei sog. LASIK-Operationen). Die erste klinische Anwendung eines Femtosekundenlasers bei der Katarakt-Chirurgie wurde im Jahre 2008 durchgeführt (vgl. , ZMGR 2021, 145, 146 Fn. 10, S. 150; , GuP 2020, 212, 214; https://de.wikipedia.org/Katarakt [Medizin] und Femtosekundenlaser-Kataraktoperation). Es kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, dass der mit der Bereitstellung einer solchen Technik verbundene Aufwand bei der Bewertung der Katarakt-Operation nach Nr. 1375 GOÄ berücksichtigt worden ist (vgl. Senat, Urt. v. 21.1.2010 - III ZR 147/09, NJW-RR 2010, 1355 Rz. 6 zu der vergleichbaren Situation beim Einsatz einer computerunterstützten Navigationstechnik bei Durchführung einer Totalendoprothese nach Nr. 2153 GOÄ; s. auch OLG Düsseldorf VersR 2021, 246, 247 den Femtosekundenlasereinsatz betreffend).

Rz. 11

2. Gleichwohl kommt eine gesonderte Abrechnung des Einsatzes des Femtosekundenlasers durch die analoge Anwendung eines im Gebührenverzeichnis explizit enthaltenen Gebührentatbestands, insb. die analoge Anwendung der Nr. 5800 und 5855 GOÄ, nicht in Betracht.

Rz. 12

a) Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 GOÄ kann der Arzt Gebühren, die nach Abs. 1 Vergütungen für die im Gebührenverzeichnis genannten ärztlichen Leistungen sind, nur für selbständige ärztliche Leistungen berechnen. Auch soweit das Gebührenverzeichnis eine bestimmte Leistung nicht aufführt, ist die in § 6 Abs. 2 GOÄ vorgesehene Analogberechnung, d.h. die Heranziehung einer nach Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertigen Leistung des Gebührenverzeichnisses, nur für selbständige ärztliche Leistungen eröffnet (BGH, Urt. v. 13.5.2004 - III ZR 344/03, BGHZ 159, 142, 143). Grundvoraussetzung einer gesonderten Abrechnung des Einsatzes des Femtosekundenlasers im Rahmen einer Katarakt-Operation ist somit, dass es sich dabei um eine selbständige ärztliche Leistung i.S.v. §§ 4 Abs. 2 Satz 1, 6 Abs. 2 GOÄ handelt.

Rz. 13

aa) Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats, dass die Selbständigkeit einer ärztlichen Leistung danach zu beurteilen ist, ob für sie eine eigenständige medizinische Indikation besteht. Dies lässt sich nicht ohne Einbeziehung wertender Gesichtspunkte bestimmen. Hierbei ist für die Frage, welche von mehreren gleichzeitig oder im Zusammenhang erbrachten Leistungen selbständig berechnungsfähig sind, neben Berechnungsbestimmungen im Gebührenverzeichnis selbst vor allem das in § 4 Abs. 2a GOÄ niedergelegte Zielleistungsprinzip in den Blick zu nehmen. Nach Satz 1 dieser Bestimmung kann der Arzt für eine Leistung, die Bestandteil oder eine besondere Ausführung einer anderen Leistung nach dem Gebührenverzeichnis ist, eine Gebühr nicht berechnen, wenn er für die andere Leistung eine Gebühr berechnet. Dies gilt nach § 4 Abs. 2a Satz 2 GOÄ auch für die zur Erbringung der im Gebührenverzeichnis aufgeführten operativen Leistungen methodisch notwendigen operativen Einzelschritte. In dem Abschnitt L (Chirurgie, Orthopädie) des Gebührenverzeichnisses wird das Zielleistungsprinzip ausdrücklich anerkannt, wenn es dort heißt, dass zur Erbringung der in Abschnitt L aufgeführten typischen operativen Leistungen in der Regel mehrere operative Einzelschritte erforderlich sind und dass diese Einzelschritte nicht gesondert berechnet werden können, soweit sie methodisch notwendige Bestandteile der in der jeweiligen Leistungsbeschreibung genannten Zielleistung sind. Durch das Zielleistungsprinzip wird somit gewährleistet, dass ein und dieselbe ärztliche Leistung, die zugleich Bestandteil einer vom behandelnden Arzt gleichfalls vorgenommenen umfassenderen Leistung ist, nicht zweimal abgerechnet wird (vgl. BGH vom 13.5.2004, a.a.O., S. 143, 145, 152 f.; v. 16.3.2006 - III ZR 217/05 NJW-RR 2006, 919 Rz. 6; v. 5.6.2008 - III ZR 239/07, BGHZ 177, 43 Rz. 6; v. 21.1.2010 - III ZR 147/09 NJW-RR 2010, 1355 Rz. 7, 10).

Rz. 14

bb) Im vorliegenden Fall kommt es daher entscheidend darauf, ob - wie die Beklagte geltend macht - die in Nr. 1375 des Gebührenverzeichnisses beschriebene Leistung als eine solche Zielleistung der durchgeführten Operation angesehen werden muss und die femtosekundenlaser-assistierte Katarakt-Operation keine eigenständige neue Operationsmethode, sondern lediglich eine besondere Ausführungsart der in Nr. 1375 beschriebenen extrakapsulären Katarakt-Operation mittels Linsenkernverflüssigung (Phakoemulsifikation) darstellt, die auch ohne Einsatz dieser Technik vorgenommen werden kann. Diese in der Rechtsprechung der Instanzgerichte und in der Literatur unterschiedlich beurteilte Frage ist zu bejahen. Die herkömmliche Katarakt-Operation, zu der als Bestandteil die Linsenkernverflüssigung (Phakoemulsifikation) gehört, wird durch den Lasereinsatz nicht ersetzt, sondern lediglich hinsichtlich einzelner Teilschritte bei der Vorbereitung der Entfernung der getrübten Linse modifiziert, so dass die Voraussetzungen einer "besonderen Ausführung" i.S.d. § 4 Abs. 2a Satz 1 Alt. 2 GOÄ erfüllt sind (gegen die Abrechenbarkeit als selbständige Leistung nach § 6 Abs. 2 GOÄ z.B. OLG Düsseldorf, VersR 2021, 246; OLG Naumburg, VersR 2019, 1348; LG Frankfurt/M., VersR 2019, 1350; LG Wuppertal, Urt. v. 15.10.2019 - 16 S 57/18, juris; LG Heidelberg, Urt. v. 10.12.2019 - 2 S 14/19, juris; LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 23.1.2020 - 2 S 7365/18, juris; LG Frankenthal, Urt. v. 11.3.2020 - 2 S 283/18, juris; LG Freiburg im Breisgau, Urt. v. 8.9.2020 - 3 S 37/19, juris; , VersMed 2018, 83; , VersMed 2019, 70; , VersR 2021, 252; für die Möglichkeit einer Abrechnung nach § 6 Abs. 2 GOÄ i.V.m. Nr. 5855 GOÄ analog insb. LG Köln, Urt. v. 28.2.2018 - 23 O 159/15; vom 15.1.2020 - 23 O 215/17; v. 4.11.2020 - 23 O 94/18; jeweils juris; , ZMGR 2021, 145; , GesR 2018, 755 und GuP 2020, 212; , r+s 2020, 127).

Rz. 15

(1) Die Zielleistung zur Behandlung des Grauen Stars wird in Nr. 1375 GOÄ wie folgt beschrieben:

"Extrakapsuläre Operation des Grauen Stars mittels gesteuerten Saug-Spül-Verfahrens oder Linsenkernverflüssigung (Phakoemulsifikation) - ggf. einschließlich Iridektomie -, mit Implantation einer intraokularen Linse."

Rz. 16

Die Operation mittels Phakoemulsifikation ist heutzutage der gängige Standardeingriff, der darin besteht, dass nach kreisrunder Eröffnung des vorderen Kapselblattes die Linse zerkleinert und abgesaugt wird, wobei zur Zertrümmerung der Linse bei konventioneller Vorgehensweise Ultraschall eingesetzt wird. Anschließend wird in den leeren Kapselsack eine Kunstlinse eingesetzt. Die Operation wird insgesamt "manuell-chirurgisch" ausgeführt.

Rz. 17

Beim Einsatz eines Femtosekundenlasers zerfällt die Katarakt-Operation in zwei regelmäßig auch räumlich getrennte Abschnitte. Nachdem der Patient in einem separaten Behandlungsraum liegend unter dem Lasergerät platziert worden ist, übernimmt der Laser im Wesentlichen drei Teilschritte zur Vorbereitung der eigentlichen Operation, nämlich die computergesteuerte Öffnung der Linsenkapsel, die (Vor-)Zerkleinerung der getrübten Linse und die Vorbereitung der Schnittführung des Zugangs in das Auge. Im Anschluss an die Zerkleinerung der Linse kann auch eine Astigmatismus-Korrektur nach Nr. 1345 GOÄ mittels Lasertechnologie vorgenommen werden. Im nächsten manuell-chirurgischen Operationsabschnitt werden die mit dem Laser in der Hornhaut angelegten Zugänge eröffnet. Durch die Vorzerkleinerung der Linse kann die zu ihrer Zertrümmerung sonst benötigte Ultraschallenergie deutlich reduziert und auf sie unter Umständen sogar ganz verzichtet werden. Nach dem Absaugen der zerteilten Linse wird die Kunstlinse eingesetzt (zu allem Vorstehenden s. das vom AG eingeholte Gutachten des Sachverständigen Dr. T. vom 13.10.2015, S. 1-3 = GA I 81-83, und das Ergänzungsgutachten vom 15.7.2016, S. 1 f = GA I 157 f, sowie OLG Düsseldorf, a.a.O., S. 248; , GesR 2018, 755, 757 und GuP 2020, 212, 214; , DÄBl. 2017, Jg. 114, Heft 31-32, A 1498; , a.a.O.; s. auch https://de.wikipedia.org/Phakoemulsifikation, Katarakt [Medizin] und Femtosekundenlaser-Kataraktoperation).

Rz. 18

Für einen davon abweichenden Verlauf des laserunterstützten Eingriffs im vorliegenden Fall bestehen keine Anhaltspunkte. Vielmehr hat der Kläger vorgetragen, dass bei ihm eine "Laser-Refractive-Cataract-Operation" und eine Phakoemulsifikation durchgeführt worden seien (Schriftsatz vom 9.3.2015, S. 1 = GA I 39). Auch der erstinstanzlich tätige Sachverständige Dr. T. hat keine Abweichungen festgestellt.

Rz. 19

(2) Nach alledem kann nicht davon ausgegangen werden, dass bei Verwendung eines Femtosekundenlasers im Rahmen einer Katarakt-Operation eine eigenständige neue Methode zur Beseitigung des Grauen Stars zum Einsatz kommt. Die Zielleistung "extrakapsuläre Operation des Grauen Stars mittels Linsenkernverflüssigung (Phakoemulsifikation)" bleibt unabhängig von der Ausführungsart dieselbe. Die Phakoemulsifikation beinhaltet die Zertrümmerung bzw. Zerkleinerung der Linse, ohne dass dies zwingend durch Ultraschall erfolgen muss (vgl. , MPR 2013, 89, 90; , VersMed 2018, 83, 85). Auch bei Einsatz eines Femtosekundenlasers wird die Linse jedenfalls (vor-)zerkleinert. Entgegen der Auffassung der Revision begründet der Lasereinsatz keinen selbständigen operativen Eingriff mit einem eigenständigen Therapiezweck. Der Femtosekundenlaser modifiziert als Teil des Operationsgeschehens nur einzelne Operationsschritte im Sinne einer unselbständigen Vorbehandlung, indem er einen Zugang zum Operationsgebiet schafft bzw. vorbereitet und den Linsenkörper (vor-)zerkleinert (vgl. OLG Düsseldorf, a.a.O., S. 248). Da die Leistungslegende der Nr. 1375 GOÄ das methodische Vorgehen lediglich als "Linsenkernverflüssigung (Phakoemulsifikation)" beschreibt, ohne das hierfür verwendete Verfahren näher zu spezifizieren, ist es im Rahmen der Zielleistung "Operation des Grauen Stars mit Implantation einer intraokularen Linse" unerheblich, ob einzelne vorbereitende Teilschritte händisch mittels herkömmlicher Schnitt- und Ultraschalltechnik oder unter Zuhilfenahme eines Femtosekundenlasers - als "besondere Ausführung" i.S.d. § 4 Abs. 2a Satz 1 Alt. 2 GOÄ - durchgeführt werden. Der Operateur hat die Wahl: Er kann entweder "manuell-chirurgisch" oder aber "femtosekundenlaser-assistiert" vorgehen. Beide Methoden und Ausführungsarten zielen indes auf dieselbe in der GOÄ abgebildete Zielleistung ab: Operation des Grauen Stars mittels Linsenkernverflüssigung (Phakoemulsifikation) und Einsetzen einer Kunstlinse. Der Einsatz des Femtosekundenlasers ist daher zwar nicht notwendiger Bestandteil dieser Operation (die auch ohne Einsatz dieser Technik vorgenommen werden kann), aber eine besondere (unselbständige) Ausführungsart. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass diese Lasertechnologie bei der Bewertung der unter der Nr. 1375 GOÄ erfassten Leistung durch den Verordnungsgeber noch nicht bekannt war und der Einsatz des Lasers in sachlicher, zeitlicher und räumlicher Hinsicht abgrenzbar ist (vgl. OLG Düsseldorf, a.a.O.; OLG Naumburg, a.a.O., S. 1349; , a.a.O., S. 84 f.; s. auch Senat, Urt. v. 21.1.2010 - III ZR 147/09, NJW-RR 2010, 1355 Rz. 11).

Rz. 20

b) Eine eigenständige medizinische Indikation für den Einsatz eines Femtosekundenlasers bei einer Katarakt-Operation ergibt sich auch nicht daraus, dass die Lasertechnologie eine präzisere Schnittführung ermöglicht und durch die Reduzierung der benötigten Ultraschallenergie gegenüber der Standard-Katarakt-Operation für die Gewebestrukturen, die sich im Nahbereich der getrübten Linse befinden, schonender sein soll, insb. aufgrund einer geringeren Belastung des Hornhautendothels (vgl. , ZMGR 2021, 145, 153; , MPR 2020, 8, 9). Nach der Rechtsprechung des Senats sind die angestrebte Schonung benachbarter Strukturen beim Erreichen des Operationsziels und die bloße Optimierung einer bereits in das Gebührenverzeichnis aufgenommenen Zielleistung, sofern die Beschreibung der Zielleistung das methodische Verfahren - wie im Fall der Operation des Grauen Stars "mittels Linsenkernverflüssigung" nach Nr. 1375 GOÄ - nicht nach Techniken und Methoden (z.B. Ultraschall- bzw. Lasereinsatz) spezifiziert, nicht geeignet, eine selbständige ärztliche Leistung zu begründen (Senat, Urt. v. 13.5.2004 - III ZR 344/03, BGHZ 159, 142, 145 und vom 21.1.2010, a.a.O., Rz. 10 f.; s. auch OLG Düsseldorf, a.a.O.; OLG Naumburg, a.a.O.).

Rz. 21

c) Die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG nicht berücksichtigt, dass schon aus der vorgelegten Rechnung des behandelnden Arztes ein erschwerter, aufwendiger Eingriff wegen "harter Linse und tiefer Vorderkammer" eindeutig ersichtlich sei und der Kläger - in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 29.6.2020 - eine individuelle Indikation zum Lasereinsatz mit dem Vorhandensein einer "harten Linse" am linken Auge begründet habe, vermag einen Rechtsfehler nicht aufzuzeigen. Der Kläger legt nicht dar, dass er vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung am 18.6.2020 vorgetragen hat, dass bei ihm wegen einer "harten Linse" der Einsatz des Femtosekundenlasers medizinisch indiziert gewesen sei. Es genügt nicht, dass in der als Anlage K 1 vorgelegten Arztrechnung ein "erschwerter/aufwändiger Eingriff wegen harter Linse und tiefer Vorderkammer" zur Rechtfertigung eines 3,5-fachen Gebührensatzes bei der Nr. 1375 GOÄ aufgeführt ist. Anlagen können zwar zur Konkretisierung und Erläuterung schriftsätzlichen Vortrags dienen; sie ersetzen diesen aber nicht (BGH, Urt. v. 17.3.2016 - III ZR 200/15 NJW 2016, 2747 Rz. 19 m.w.N.). Den erstmaligen Vortrag zum Vorliegen einer eigenständigen medizinischen Indikation aufgrund einer "harten Linse" am linken Auge in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 29.6.2020 hat das Berufungsgericht zu Recht gem. § 296a Satz 1 ZPO unberücksichtigt gelassen. Denn das Gericht hatte den Kläger bereits mit Beschluss vom 23.10.2019 darauf hingewiesen, dass keine konkrete medizinische Indikation im Einzelfall für den Einsatz des Femtosekundenlasers vorgetragen sei. Es bestand daher kein Anlass, aufgrund des nicht nachgelassenen Schriftsatzes vom 29.6.2020 die mündliche Verhandlung nach § 296a Satz 2 i.V.m. § 156 ZPO wieder zu eröffnen.

Rz. 22

Ungeachtet dessen vermag allein eine "harte Linse" keine eigenständige Indikation des Femtosekundenlasers zu begründen. Auch bei harten Linsen kann die Katarakt-Operation auf herkömmliche Weise ohne Lasereinsatz durchgeführt werden (s. LG Heidelberg, Urt. v. 10.12.2019 - 2 S 14/19, juris Rz. 26; , VersR 2021, 252, 254 f.). Bei besonders harten Linsen wird der Einsatz von Ultraschallenergie sogar als sinnvoll angesehen (vgl. , ZMGR 2021, 145, 150). Gebührenrechtlich unterscheidet die Leistungslegende der Nr. 1375 GOÄ ebenfalls nicht nach verschiedenen Härtegraden der Linse. Fällt bei harten Linsen ein zusätzlicher Aufwand an, kann dem ggf. bei Bemessung des Steigerungsfaktors nach § 5 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 GOÄ Rechnung getragen werden (, a.a.O., S. 255), wie dies im Streitfall auch erfolgt ist.

Rz. 23

Ob der Einsatz des Femtosekundenlasers bei Kindern oder Patienten mit verlagerten Linsen individuell eigenständig medizinisch indiziert sein kann, wie das OLG Naumburg erwogen hat (a.a.O. S. 1349; dies verneinend , a.a.O., S. 254), kann dahinstehen, da ein solcher Ausnahmefall hier nicht vorliegt bzw. dafür nichts vorgetragen ist.

Rz. 24

d) Auch eine Vergütung durch den doppelten Ansatz der Nr. 1375 GOÄ (direkt und analog) statt der Berechnung der Nr. 5855 GOÄ, wie sie die Revision unter Bezugnahme auf das Senatsurteil vom 13.5.2004 (, BGHZ 159, 142, 152 f.) in den Raum stellt, kommt nicht in Betracht. Der seinerzeit vom Senat entschiedene Fall betraf eine hochspezialisierte und komplexe Operation (systematische Kompartmentausräumung mit weitgehender Freilegung von Blutgefäßen und Nervenbahnen im Zusammenhang mit einer Radikaloperation der bösartigen Schilddrüsengeschwulst), die von der einschlägigen Nr. 2757 GOÄ nur unvollkommen erfasst wurde. Aufgrund des medizinischen Fortschritts war der zeitliche Aufwand für die Durchführung der Operation auf das Zwei- bis Vierfache des Aufwands bei Erlass der GOÄ angewachsen. Das eingeholte Sachverständigengutachten hatte zum Ergebnis, dass die Gebührennummer 2757 nur eine Teilmenge der vorgenommenen ärztlichen Leistungen erfasste und dass weitere erhebliche Leistungen im Bereich anderer Gebührennummern erbracht worden waren. Der Senat hielt es deshalb ausnahmsweise für zulässig, die entstandene Regelungslücke durch eine weitere den Gebührenrahmen ausschöpfende Berechnung der Gebührennummer 2757 nach § 6 Abs. 2 GOÄ zu schließen.

Rz. 25

Diese Gründe können auf den Einsatz des Femtosekundenlasers im Rahmen der Katarakt-Operation nicht übertragen werden. Während in der damaligen Fallkonstellation bei wertender Betrachtung nicht nur eine besondere Ausführungsart der Operation nach Nr. 2757 GOÄ vorlag, weil in erheblichem Umfang zusätzliche Leistungen aus anderen Gebührennummern erbracht worden waren, dient der Einsatz des Femtosekundenlasers - wie ausgeführt - lediglich der Vorbereitung der herkömmlichen Operation des Grauen Stars, so dass eine besondere Ausführung der Leistung vorliegt, die von der Gebührennummer 1375 erfasst wird, zu welcher der Zuschlag nach Nr. 441 GOÄ für die Anwendung eines Lasers bei ambulanten operativen Leistungen i.H.v. 67,49 EUR hinzukommt (vgl. OLG Düsseldorf, a.a.O., S. 249). Unabhängig vom Einsatz des Femtosekundenlasers ist die ärztliche Maßnahme für den Patienten die gleiche und keine weitergehende: Die vom Grauen Star betroffene Linse wird durch eine Kunstlinse ersetzt (s. auch , a.a.O., S. 255).

Rz. 26

e) Dass die Honorierung einer Katarakt-Operation bei Einsatz eines Femtosekundenlasers nach den Nr. 441, 1375 GOÄ selbst bei Ausschöpfung des Gebührenrahmens gem. § 5 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 GOÄ das Grundrecht des behandelnden Arztes aus Art. 12 GG verletzen würde, weil die Vergütung nicht "auskömmlich" wäre (s. dazu Senatsurteil vom 13.5.2004, a.a.O., S. 149 m.w.N.), lässt sich auf der Grundlage des klägerischen Vorbringens, dessen gehörswidrige Nichtberücksichtigung durch das Berufungsgericht die Revision rügt, nicht feststellen. Die Beurteilung, dass die Vergütung objektiv weder leistungsgerecht noch auskömmlich ist, setzt voraus, dass der mit dem Einsatz des Femtosekundenlasers verbundene Aufwand und die diesbezüglichen Kostenstrukturen substantiiert offengelegt werden. Es genügt nicht, unter Bezugnahme auf die Geräteanschaffungskosten (ca. 350.000 EUR bis 450.000 EUR laut Ergänzungsgutachten des Sachverständigen Dr. T. vom 15.7.2016, S. 3 = GA I 159) zu behaupten, bei Zugrundelegung eines 2,3-fachen Steigerungssatzes und 1.000 Operationen im Jahr sei ein kostendeckender Geräteinsatz nicht möglich. Ein Arzt, der die Anschaffung eines solchen Lasers in Erwägung zieht, muss Überlegungen zur Wirtschaftlichkeit anstellen. Dabei ist insb. von Bedeutung, bei wie vielen Operationen ein Lasereinsatz in Betracht kommt. Dementsprechend muss die durchschnittliche Kalkulation für die einzelne Femtosekundenlaser-Anwendung dargetan und angegeben werden, welche Umsätze erreichbar sind. Erforderlich sind Ausführungen zur Nutzungsdauer, zur Auslastung im Rahmen der Katarakt-Operationen und zu weiteren Einsatzgebieten des Lasers z.B. bei Durchführung sog. LASIK-Operationen (vgl. Senatsurteil vom 13.5.2004, a.a.O., S. 149 f.; , a.a.O., S. 255). Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass jedenfalls bei komplizierteren Katarakt-Operationen, deren Durchführung durch den Einsatz des Lasers erleichtert wird, der Gebührenrahmen der Nr. 1375 GOÄ gem. § 5 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 GOÄ ausgeschöpft werden kann. Durch die Steigerung vom 2,3-fachen auf den 3,5-fachen Gebührensatz und den gleichzeitigen Ansatz der Nr. 441 GOÄ verteuert sich die Katarakt-Operation um gut 300 EUR je Auge (OLG Düsseldorf, a.a.O., S. 250). Vor diesem Hintergrund kann nicht davon ausgegangen werden, dass das auf der Basis der Nr. 441, 1375 GOÄ berechnete Arzthonorar für eine insgesamt weniger als einstündige Operation (Ergänzungsgutachten des Sachverständigen Dr. T. vom 15.7.2016, S. 3 = GA I 159) von vornherein nicht auskömmlich ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 14955402

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