Entscheidungsstichwort (Thema)
Erbverzicht
Leitsatz (redaktionell)
Zur Frage der Wirksamkeit eines Erbverzichtsvertrages der im Wege eines Vertretergeschäftes vorgenommen wurde.
Normenkette
BGB § 147 Abs. 1-2, § 177 Abs. 1, § 2347 Abs. 2
Verfahrensgang
OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 08.12.1994) |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 15. Zivilsenats in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 8. Dezember 1994 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger nimmt den beklagten Notar wegen Amtspflichtverletzung in Anspruch.
Der Kläger war – und ist – Kommanditist einer Kommanditgesellschaft. Einen weiteren Kommanditanteil hielt die Schwester des Klägers. Der Vater der Geschwister war – und ist – persönlich haftender Gesellschafter. Im Jahre 1981 ordnete die Familie die gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse neu. Unter anderem schied die Schwester des Klägers aus der Gesellschaft aus. Außerdem beurkundete der beklagte Notar am 18. Dezember 1981 einen Vertrag, in dem die Schwester des Klägers auf die gesetzlichen Erb- und Pflichtteilsrechte nach ihren Eltern (im folgenden auch: Erblasser) verzichtete. Für die nicht persönlich anwesenden Erblasser erklärte der Bürovorsteher des Beklagten die Annahme des Verzichts. Am selben Tage beurkundete der Beklagte einen weiteren Vertrag, in dem der Kläger seiner Schwester mit Rücksicht auf den von ihr erklärten Verzicht das Miteigentum an einem Grundstück unentgeltlich zuwandte. Die Erblasser genehmigten später die in ihrem Namen abgegebenen Erklärungen.
Im Jahre 1986 verstarb die Mutter des Klägers. Sie wurde aufgrund letztwilliger Verfugung von dem Kläger allein beerbt. Dessen Schwester machte keine Pflichtteilsansprüche geltend.
Als Bedenken laut wurden, ob der Erb- und Pflichtteilsverzicht wegen Verstoßes gegen § 2347 Abs. 2 BGB unwirksam sei, ließ der Erblasser am 16. November 1990 nochmals die ausdrückliche Annahme des von seiner Tochter am 18. Dezember 1981 abgegebenen Angebots auf Abschluß eines Erb- und Pflichtteilsverzichtsvertrages beurkunden. Darüber hinaus bot er der Tochter seinerseits den Abschluß eines entsprechenden Vertrages an. Diese reagierte hierauf nicht. Den Kläger als Alleinerben einzusetzen, lehnte der Erblasser mit dem Bemerken ab, er wolle auch seiner Tochter etwas zukommen lassen.
Der Kläger hält den Erb- und Pflichtteilsverzicht von 18. Dezember 1981 für unwirksam und begehrt die Feststellung, daß der Beklagte ihm den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen habe. Nach Klageabweisung in erster Instanz hat das Berufungsgericht den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Mit seiner Revision erstrebt dieser die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg.
A.
Die Klage ist zulässig: sie entbehrt insbesondere nicht des erforderlichen Feststellungsinteresses.
I.
Das Berufungsgericht hat das Feststellungsinteresse damit begründet, daß der Beklagte seine Haftung leugne und der Kläger beabsichtige, die kurze Verjährungsfrist des § 852 BGB zu unterbrechen. Der Kläger könne den Beklagten noch nicht auf eine konkrete (Geld-) Leistung in Anspruch nehmen, da er einen Schaden frühestens nach dem Ableben des Vaters beziffern könne.
II.
Das halt einer rechtlichen Überprüfung jedenfalls im Ergebnis stand.
1. Ob im Zeitpunkt der Klageerhebung die kurze Verjährungsfrist des § 19 Abs. 1 Satz 3 BNotO in Verbindung mit §§ 839, 852 Abs. 1 BGB bereits lief, ist fraglich. Denn die Verjährung beginnt nicht vor Eintritt eines Schadens (BGH, Urt. v. 15. Oktober 1992 – IX ZR 43/92, NJW 1993, 648, 654).
2. Die Klage ist jedoch zulässig, weil der Kläger dargetan hat, daß ihm aus einer Amtspflichtverletzung des Beklagten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit künftig ein Schaden entstehen wird.
Eine derartige Wahrscheinlichkeit behauptet der Kläger ausschließlich im Hinblick auf die Erbfolge nach seinem noch lebenden Vater. Insofern hat der Kläger schon jetzt erbrechtliche Nachteile, falls der Erb- und Pflichtteilsverzicht unwirksam ist. Das Berufungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, daß der Kläger gegebenenfalls in seinem Pflichtteilsrecht beeinträchtigt ist. Er erhält, falls er durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen oder ihm ein Erbteil hinterlassen wird, der geringer ist als die Hälfte des gesetzlichen Erbteils, als Pflichtteil gemäß §§ 2303 Abs. 1, 2305 BGB weniger, als ihm zukäme, wenn der Erb- und Pflichtteilsverzicht wirksam wäre. In diesem Falle wäre er alleiniger gesetzlicher Erbe; ist der Verzicht unwirksam, muß der Kläger die Stellung als gesetzlicher Erbe mit seiner Schwester teilen. Dementsprechend ist dann auch sein Pflichtteil nur halb so groß. Die Stellung als Pflichtteilsberechtigter begründet bereits zu Lebzeiten des Erblassers ein Rechtsverhältnis (vgl. BGHZ 28, 177, 178; BGB-RGRK/Johannsen, 12. Aufl. vor § 2303 Rdnr. 6; Palandt/Edenhofer, BGB 54. Aufl. Überblick vor § 2303 Rdnr. 1). In der daraus folgenden Rechtsstellung ist der Kläger beeinträchtigt.
Allerdings steht nicht fest, ob sich diese Beeinträchtigung jemals zu einem Vermögensschaden entwickeln wird. Die im Jahre 1981 vollzogene und offenbar bis heute nicht rückgängig gemachte Neuordnung der gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse spricht – wie das Berufungsgericht ebenfalls zutreffend ausgeführt hat – dafür, daß die Erblasser das Ziel verfolgt haben und – soweit sie noch leben – weiter – verfolgen, das Familienunternehmen allein dem Vermögen des Klägers zuzuführen. Dann ist es unwahrscheinlich, daß sein eigenes Pflichtteilsrecht jemals praktische Bedeutung erlangen wird. Wesentlich näher liegt, daß er mindestens gesetzlicher Erbe, wahrscheinlich sogar testamentarischer Erbe mit einer seinen gesetzlichen Anteil übersteigenden Quote wird.
In diesem Falle sind seine Aussichten als Gesellschafter und künftiger Erbe durch das gesetzliche Erb – und Pflichtteilsrecht seiner Schwester geschmälert, falls diese nicht wirksam darauf verzichtet hat. Zwar hat der gesetzliche Erbe vor dem Erbfall noch keine gesicherte Rechtsposition (BGB-RGRK/Kregel, Einleitung § 1922 Rdnr. 5; Palandt/Edenhofer, vor § 1922 Rdnr. 5). Die Stellung als zukünftiger Testamentserbe ist – von hier nicht gegebenen Besonderheiten beim gemeinschaftlichen Testament abgesehen – sogar noch unsicherer als die eines gesetzlichen Erben, weil der Erblasser jederzeit anders testieren kann (vgl. BGHZ 12, 115, 118). Indes kann auch die Verantwortlichkeit für erst in Zukunft eintretende Nachteile Gegenstand einer Feststellungsklage sein (BGHZ 4, 133, 135; BGH, Urt. v. 15. Oktober 1992 – IX ZR 43/92, NJW 1993, 648, 653). In einem solchen Falle kann ein rechtliches Interesse an alsbaldiger Feststellung im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO dann angenommen werden, wenn nach der Lebenserfahrung und dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge der Schadenseintritt hinreichend wahrscheinlich ist (BGHZ 28, 225, 234; BGH, Urt. v. 23. April 1991 – X ZR 77/89, NJW 1991, 2707, 2708; v. 26. September 1991 – VII ZR 245/90, NJW 1992, 697, 698; v. 15. Oktober 1992 – IX ZR 43/92, aaO; v. 29. April 1993 IX ZR 109/92, NJW 1993, 2181, 2182). Behauptet der Anspruchsteller die Verletzung einer Norm, die zum Schutze eines absoluten Rechtsguts dient, gehört das zur Begründetheit der Klage (vgl. BGH, Urt. v. 11. Juli 1989 VI ZR 234/88, BGHR ZPO § 256 Abs. 1 – Feststellungsinteresse 12; v. 15. Oktober 1992 – IX ZR 43/92, aaO). Geht es demgegenüber um die Verletzung einer Vorschrift, die – wie der hier in Betracht kommende § 19 Abs. 1 BNotO – das Vermögen im allgemeinen schützt, ist im Interesse des Anspruchsgegners bereits für die Zulässigkeit der Klage zu verlangen, daß der Anspruchsteller die Wahrscheinlichkeit eines – auf die Verletzungshandlung zurückzuführenden – Schadenseintritts dartut (vgl. BGH, Urt. v. 26. September 1991 – VII ZR 245/90, NJW 1992, 697, 698; v. 15. Oktober 1992 – IX ZR 43/92, NJW 1993, 648, 654; v. 29. April 1993 – IX ZR 109/92, NJW 1993, 2181, 2182).
Dem ist im vorliegenden Falle genügt. Daß sich die Eltern des Klägers auf den von seiner Schwester erklärten, seinerzeit für wirksam gehaltenen Erb- und Pflichtteilsverzicht eingelassen haben, spricht – ungeachtet der für die Eltern fortbestehenden Testierfreiheit – dafür, daß sie damals nicht vorhatten, die Schwester des Klägers testamentarisch als Erbin einzusetzen. Denn in diesem Falle wäre der Abschluß des Verzichtsvertrages weitgehend sinnlos gewesen. Auch die etwa gleichzeitig in die Wege geleitete Neuordnung der gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse, die nach dem zutreffenden Verständnis des Berufungsgerichts mit dem erbrechtlichen Vertrag eine wirtschaftliche Einheit bildet, deutet in dieselbe Richtung. Es ist schon im Vorstehenden ausgeführt worden, daß die gesellschaftsvertragliche Regelung das Ziel erkennen läßt, das Familienunternehmen in das Vermögen des Klägers zu überführen. Dieses Ziel würde gefährdet, wenn die Schwester des Klägers Erbin nach ihrem Vater würde. Zwar ist in § 17 Abs. 3 letzter Satz des Gesellschaftsvertrages die Nachfolge in die Gesellschaftsanteile der Eltern so geregelt, daß ihnen der Kläger – nicht als Erbe, sondern als Mitgesellschafter nachfolgt und somit eine Nachfolge der Schwester als Erbin oder ein Abfindungsanspruch, an dem sie beteiligt sein könnte, von vornherein ausgeschlossen ist. Es können in diesem Falle aber Ausgleichsansprüche der Schwester als weichende Erbin oder Pflichtteilsberechtigte mit Rücksicht auf den ihr durch Verfügung auf den Todesfall entgehenden Abfindungsanspruch nach Maßgabe der §§ 2050 ff, 2301, 2316, 2325 BGB entstehen (vgl. MünchKomm-BGB/Ulmer, 2. Aufl. § 727 Rdnr. 35), die möglicherweise nur dadurch befriedigt werden können, daß der Kläger das Gesellschaftsvermögen angreift. Die gesellschaftsvertragliche Nachfolgeregelung ausschließlich zugunsten des Klägers und die Tatsache, daß die Eltern den Erb- und Pflichtteilsverzicht der Schwester gebilligt haben, begründen eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, daß die Schwester – wenn überhaupt. – in wesentlich geringerem Maße an dem Vermögen beteiligt sein sollte, das die Eltern hinterlassen. Aus diesem Grunde ist das Pflichtteilsrecht der Schwester eine ernst zu nehmende wirtschaftliche Größe. Daß der Vater des Klägers nach dessen Vortrag inzwischen geäußert hat, er wolle auch seiner Tochter etwas zukommen lassen, ändert daran nichts.
Die Erwägung der Revision, die Schwester des Klägers könnte schon so hohe Zuwendungen gemäß § 2315 BGB erhalten haben, daß ein Pflichtteilsanspruch nicht wahrscheinlich ist, kann sich nicht auf entsprechenden Tatsachenvortrag stützen und ist deshalb revisionsrechtlich unbeachtlich.
B.
Die Klage ist auch sachlich gerechtfertigt.
I.
Das Berufungsgericht hat dem Beklagten vorgeworfen, er habe am 18. Dezember 1981 die Vorschrift des § 2347 Abs. 2 BGB mißachtet und infolgedessen keinen wirksamen Erb- und Pflichtteilsverzicht beurkundet. Die Amtspflicht, die Rechtslage zu prüfen und die Urkunde rechtlich einwandfrei zu gestalten, habe ihm auch dem Kläger gegenüber oblegen. Der Fehler sei bis heute wirksam, weil die nochmalige Annahmeerklärung des Erblassers vom 16. November 1990 ins Leere gegangen sei. Eine anderweitige Ersatzmöglichkeit habe der Kläger nicht. Es könne nicht davon ausgegangen werden, daß seine Schwester heute noch bereit sei, einen wirksamen Erb- und Pflichtteilsverzicht mit ihrem Vater zu vereinbaren.
II.
Dagegen bringt die Revision nichts Stichhaltiges vor.
1. Daß dem Beklagten im Jahre 1981 infolge von Fahrlässigkeit ein Beurkundungsfehler unterlaufen ist, indem er die Vorschrift des § 2347 Abs. 2 BGB übersah, wird von der Revision nicht in Abrede gestellt. Die Revision nimmt weiter hin, daß die Amtspflicht, bei der Beurkundung des Erbverzichtsvertrages die gesetzlichen Wirksamkeitsvoraussetzungen zu beachten, auch dem Kläger als dem vom Verzicht Begünstigten gegenüber bestand. In beiden Punkten sind Rechtsfehler nicht ersichtlich. Amtspflichten gemäß § 19 BNotO bestehen auch gegenüber den bloß mittelbar Beteiligten, falls deren Interesse durch das Geschäft berührt wird (Seybold/Schippel, BNotO 6. Aufl. § 19 Rdnr. 25 ff). Beurkundet der Notar einen wegen eines Formfehlers unwirksamen Erb- und Pflichtteilsverzichtsvertrag, so liegt eine Amtspflichtverletzung auch gegenüber demjenigen vor, dem der Ausschluß des Verzichtenden als gesetzlicher Erbe und Pflichtteilsberechtigter zugute gekommen wäre. Im vorliegenden Fall ist die Drittgerichtetheit der verletzten Amtspflicht besonders augenfällig, weil der Kläger im Vertrauen auf das ihn begünstigende Ausscheiden seiner Schwester als gesetzliche Erbin dieser das Miteigentum an einem Grundstuck übertrug.
2. Entgegen der von der Revision wieder aufgegriffenen Ansicht des Landgerichts ist der Fehler nicht dadurch geheilt worden, daß der Erblasser am 16. November 1990 zur notariellen Urkunde des Beklagten nochmals – nunmehr unmittelbar – die Annahme des von seiner Tochter am 18. Dezember 1981 abgegebenen Angebots erklärte.
a) Neben dem – durch sofortige Annahme erledigten – Angebot an den Vertreter ist kein Angebot an die Vertretenen (die Eltern des Klägers) ausgesprochen worden, das diese noch hätten annehmen können.
Macht jemand dem (anwesenden) berechtigten Vertreter eines (abwesenden) Dritten ein Vertragsangebot, liegt ein Angebot unter Anwesenden vor, das gemäß § 147 Abs. 1 Satz 1 BGB nur sofort angenommen werden kann. Ob dasselbe auch dann gilt, wenn die Empfangsperson als vollmachtloser Vertreter auftritt, ist umstritten. Eine auf die Rechtsprechung des Reichsgerichts (vgl. SeuffA 59 (1904), 387 f; Gruch 67 (1925), 194, 196) zurückgehende Literaturmeinung (BGB-RGRK/Piper, § 147 Rdnr. 27; MünchKomm-BGB/Kramer, 3. Aufl. § 147 Rdnr. 2; Soergel/Manfred Wolf, BGB 12. Aufl. § 147 Rdnr. 2; AK-Damm, BGB § 130 Rdnr. 6; AK-Hart, § 147 Rdnr. 5) verneint dies. Andere bejahen in einem solchen Falle ein Geschäft unter Anwesenden entweder schlechthin (vgl. Staudinger/Dilcher, BGB 12. Aufl. § 147 Rdnr. 5 f; Erman/Hefermehl, BGB 9. Aufl. § 147 Rdnr. 16; Palandt/Heinrichs, §§ 147, 148 Rdnr. 6; Jauernig/Jauernig, BGB 6. Aufl. § 147 Anm. 3) oder jedenfalls dann, wenn der Empfangsvertreter gleichzeitig als Aktivvertreter aufgetreten ist (vgl. Brinkmann. Der Zugang von Willenserklärungen 1984 S. 104 f). Der Bundesgerichtshof hat, soweit ersichtlich, zu dem Problem noch nicht Stellung genommen.
Auch das einem vollmachtlosen Vertreter mündlich oder fernmündlich unterbreitete Angebot ist unter Anwesenden abgegeben. Für die Abgabe unter Anwesenden ist entscheidend, daß das Angebot an jemanden gerichtet ist, der es vernehmen und – entsprechend dem Erfordernis des § 147 Abs. 1 Satz 1 BGB – sofort annehmen kann. Nicht anders als der berechtigte vernimmt auch der vollmachtlose Vertreter das Angebot und kann sogleich die Annahme erklären. Der Vertrag ist damit geschlossen. Beim Abschluß durch einen vollmachtlosen Vertreter ist er allerdings bis zur Genehmigung durch den Vertretenen schwebend unwirksam (§ 177 Abs. 1 BGB). Verweigert dieser die Genehmigung, ist die Unwirksamkeit endgültig. Die Genehmigung des Vertrages gehört jedoch – wie insbesondere § 182 Abs. 2 BGB zeigt – nicht mehr zum Tatbestand des Abschlusses, setzt diesen vielmehr voraus. Ein noch nicht abgeschlossener Vertrag konnte nicht genehmigt werden. Ware bei Einschaltung eines vollmachtlosen Vertreters die Offerte stets an den (abwesenden) Vertretenen und nicht an den (anwesenden) Vertreter gerichtet, wurde § 177 Abs. 1 BGB nur für den Fall der Aktivvertretung gelten. Eine derartige Einschränkung ist den Gesetz nicht zu entnehmen. Sie wäre auch mit den Bedürfnissen der Praxis nicht zu vereinbaren. Konnte der (abwesende) Vertretene den (durch die Annahmeerklärung des vollmachtlosen Vertreters abgeschlossenen) Vertrag nicht durch formlose (vgl. BGHZ 125, 218, 222 ff) Genehmigung in Kraft setzen, mußte er ihn vielmehr erst durch eine – von ihm selbst oder einem bevollmächtigten Vertreter abzugebende, unter Umständen formbedürftige – Annahmeerklarung zustande bringen, würde das Verfahren in vielen Fällen umständlicher, zeitaufwendiger und teurer. Allerdings geht mit dem Zugang der Willenserklärung bei dem vollmachtlosen Vertreter das Übermittlungsrisiko auf den Vertretenen über. Das ist indessen unbedenklich, weil es der Vertretene in der Hand hat, etwaigen Mißbräuchen dadurch den Boden zu entziehen, daß er die Genehmigung des Geschäfts verweigert.
b) Ein nichtiges Angebot an den (anwesenden) Vertreter, das in ein Angebot an den (abwesenden) Vertretenen umgedeutet werden könnte (§ 140 BGB), liegt nicht vor.
Daß der Erbverzichtsvertrag nicht im Wege eines Vertretergeschäfts wirksam zustande kommen konnte, machte das an den (anwesenden) Vertreter gerichtete Angebot nicht nichtig. Die Wirksamkeit einer Willenserklärung ist von der Wirksamkeit des Geschäfts, auf das die Willenserklärung abzielt, zu unterscheiden. Ware im vorliegenden Fall der Vertretene hinzugekommen, wahrend seinem Vertreter gerade das Angebot gemacht wurde, hatte er sofort die Annahme erklären können, ohne sich des Vertreters zu bedienen. Dann wäre das Geschäft nicht an § 2347 Abs. 2 BGB gescheitert. Dasselbe gilt, wenn der Vertreter – weil er diese Vorschrift kannte und ihre Rechtsfolgen vermeiden wollte – nicht sofort die Annahme des Angebots erklärt, sondern dieses als Empfangsbote dem (abwesenden) Vertretenen überbracht hatte, damit dieser selbst über die Annahme entscheide. Dann wäre das Angebot zwar erloschen (§ 146 BGB), weil es gemäß § 147 Abs. 1 Satz 1 BGB nur sofort angenommen werden konnte; erlöschen kann aber nur ein Angebot, das nicht nichtig ist.
Im übrigen wurde selbst im Falle eines nichtigen Angebots eine Umdeutung daran scheitern, daß das Angebot an beide Elternteile gerichtet war, von denen im Jahre 1990 nur noch einer lebte, der den anderen auch nicht beerbt hat. Der Anbieter ist zudem nicht Erbeserbe des verstorbenen Elternteils.
c) Sogar wenn eine Umdeutung in Betracht käme, könnte nicht davon ausgegangen werden, daß das Angebot fast zehn Jahre später noch angenommen werden konnte.
Gemäß § 147 Abs. 2 BGB kann der einem Abwesenden gemachte Antrag nur bis zu dem. Zeitpunkt angenommen werden, in welchem der Antragende den Eingang der Antwort unter regelmäßigen Umständen erwarten darf. Da die Schwester des Klägers das Verzichtsangebot an den Bürovorsteher des Beklagten als Vertreter ihrer Eltern gerichtet hat, ist anzunehmen, daß ihr die Vorschrift des § 2347 Abs. 2 BGB nicht bekannt war. Gegenteiliges ist jedenfalls nicht vorgetragen. Dann hielt sie den Vertrag mit der Annahme ihres Angebots durch den Vertreter für abgeschlossen und mit der Genehmigung durch die Eltern für wirksam und erwartete hernach nichts mehr.
3. Die – unter Beweis gestellte – Behauptung des Beklagten, die Schwester des Klägers sei ebenso wie ihr Vater bereit, den Erbverzichtsvertrag nochmals abzuschließen, ist ersichtlich „aus der Luft gegriffen”. Der Beweis brauchte deshalb nicht erhoben zu werden (vgl. BGH, Urt. v. 23. April 1991 – X ZR 77/89, NJW 1991, 2707, 2709; v. 25. Februar 1992 – X ZR 88/90, BGHR ZPO § 286 Abs. 1 – Beweisantrag, Ablehnung 6).
4. Entgegen der Auffassung der Revision ist die Schwester dem Kläger gegenüber auch nicht verpflichtet, den Erbverzichtsvertrag nochmals abzuschließen.
Eine Verpflichtung zum Erbverzicht kann dem zwischen dem Kläger und seiner Schwester abgeschlossenen Schenkungsvertrag nicht entnommen werden. Dieser setzt das Zustandekommen eines wirksamen Erbverzichts voraus. Da es daran fehlt, mag der Kläger den Schenkungsgegenstand von seiner Schwester (z.B. wegen Fehlens der Geschäftsgrundlage oder wegen Zweckverfehlung nach § 812 BGB) zurückfordern können. Die Schwester hat sich aber, indem sie das Geschenk annahm, nicht dazu verpflichtet, den Erbverzicht zu erklären.
5. Für ein schuldrechtliches Kausalgeschäft zu dem Erbverzichtsvertrag, aus dem dem Erblasser ein Anspruch auf nochmalige Abgabe der Verzichtserklärung erwachsen könnte, ist in den Tatsacheninstanzen nichts vorgetragen worden. Es kann deshalb offenbleiben, ob ein derartiges Verpflichtungsgeschäft nicht auch der notariellen Form des § 2348 BGB bedürfte (vgl. KG OLGZ 74, 263; Palandt/Edenhofer, § 2348 Rdnr. 2; Damrau NJW 1984, 1163 f; a. M. Kuchinke NJW 1983, 2358 ff; derselbe, in: Lange/Kuchinke, Erbrecht 3. Aufl. S. 128).
C.
Da das angefochtene Urteil keine Rechtsfehler zum Nachteil des Beklagten aufweist, ist die Revision zurückzuweisen.
Für den Fall, daß der Kläger Leistungsklage erhebt, ist zu berücksichtigen, daß ein von dem Beklagten zu ersetzender Schaden nicht schon dann vorliegt, wenn der Schwester des Klägers aus dem Nachlaß etwas zufließt. Da ein wirksamer Erbverzicht den Erblasser nicht daran gehindert hatte, sie testamentarisch zu bedenken, ergibt sich ein auf die Amtspflichtverletzung des Beklagten zurückzuführender Schaden des Klägers nur dann, wenn seine Schwester aufgrund des wider Erwarten noch bestehenden gesetzlichen Erb- und Pflichtteilsrechts mehr aus dem Nachlaß erhält, als ihr der Erblasser bei wirksamem Erbverzicht testamentarisch zugewandt hatte. Daß der Erblasser die Schwester bei Wirksamkeit ihres Erbverzichts mit weniger bedacht hätte, als sie jetzt aufgrund des Notarfehlers als gesetzliche Erbin oder Pflichtteilsberechtigte erhalt, hat der Kläger darzulegen und notfalls zu beweisen.
Unterschriften
Brandes, Kreft, Stodolkowitz, Zugehör, Ganter
Fundstellen
Haufe-Index 1122698 |
NJW 1996, 1062 |