Entscheidungsstichwort (Thema)
Mord
Tenor
I. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Zweibrücken vom 18. April 2000 werden verworfen.
II. Die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft und die hierdurch dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse. Der Angeklagte trägt die Kosten seines Rechtsmittels.
Von Rechts wegen
Gründe
I.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „Mordes in drei Fällen in Tateinheit mit unerlaubter Einfuhr, Besitzes und Führens einer Schußwaffe” zu lebenslanger Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt und die Tatwaffe eingezogen. Dieses Urteil greift die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision nur insoweit an, als das Landgericht eine besondere Schuldschwere im Sinne von § 57 a Abs. 1 Nr. 2 StGB verneint hat. Der Angeklagte wendet sich mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts geltend macht, gegen das Urteil insgesamt. Er beanstandet insbesondere die Annahme von Mord aus niedrigen Beweggründen und greift im übrigen die Schuldfähigkeitsbeurteilung an. Beide Rechtsmittel haben keinen Erfolg.
II.
Der Angeklagte erschoß in der Nacht zum Montag, den 5. Juli 1999, gegen 3.00 Uhr mit seiner Pump-Action-Schrotflinte zunächst seinen früheren Schwiegervater, den 50jährigen W. Z., in der zum Anwesen seiner früheren Schwiegereltern in W. gehörenden Garage. Anschließend verschaffte sich der Angeklagte Zutritt zum Haus und erschoß dabei seine frühere Schwiegermutter, die 48jährige C. Z.. Sodann verfolgte er seine geschiedene Ehefrau, die 31jährige H. Z., und erschoß sie in dem Abstellraum neben dem Bad, in das sie sich geflüchtet hatte. Dem Tatgeschehen vorausgegangenen war eine jahrelange Auseinandersetzung des Angeklagten mit seiner geschiedenen Ehefrau und deren Eltern, nachdem sich seine frühere Ehefrau im Frühjahr 1994 „unter dem Vorwurf der Eifersucht und der zunehmenden Einengung durch den Angeklagten” von ihm getrennt hatte und die Ehe schließlich im September 1995 geschieden worden war. „Sein Frust verwandelte sich nach und nach in Wut, Haß und Rachsucht”, als im Rahmen einer von dem Angeklagten 1997 angestrengten Vaterschaftsklage festgestellt worden war, daß er nicht der leibliche Vater der etwa sechs Monate nach der Eheschließung Ende April 1992 geborenen Tochter J. war, was ihn tief verletzte. Der Angeklagte hatte aber bereits seit der Trennung begonnen, seine Ehefrau und ihre Familie zu „terrorisieren”. Mehrfach drohte er an, „alle zu töten”, und äußerte dabei, „er bringe alle um, ‚bis die ganze Brut und alles drumherum ausgelöscht ist’”. Im September 1995 hatte der Angeklagte eine „scharfe” Pistole erworben, die er mit Munition in seinem Pkw verwahrte. Am 17. September 1995 suchte er mit der Waffe das Anwesen seines Schwiegervaters auf. Zum Gebrauch der Waffe kam es jedoch nicht, weil dieser die Waffe an sich nehmen konnte. Wegen des Waffendelikts wurde der Angeklagte am 6. Februar 1996 zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Gleichwohl fuhr er noch im Frühjahr desselben Jahres nach Frankreich und erwarb dort die spätere Tatwaffe, die er in der Folgezeit stets in seinem Pkw mit sich führte. Darüber hinaus legte er im Zusammenhang mit den Gewaltphantasien, die ihn beschäftigten, in seinem Pkw auch Fesselungswerkzeug und einen Baseballschläger bereit. Am Vorabend der Tat und in der Nacht fuhr der Angeklagte, der nicht alkoholisiert war, mit seinem Pkw zu verschiedenen Zeiten dreimal an dem Haus seiner früheren Schwiegereltern vorbei. Beim vierten Mal – inzwischen war es etwa 2.30 Uhr – stellte er „seinen Pkw in der Nähe des Anwesens Z. ab und beobachtete das Haus”. Gegen 3.00 Uhr sah er seinen früheren Schwiegervater, der zur Arbeit fahren wollte, das Haus verlassen. Als dieser den Angeklagten erkannte und auf ihn zuging, nahm der Angeklagte die Schrotflinte. „Spätestens jetzt (faßte er) den Entschluß, aus Verärgerung und Wut wegen der ständigen Streitereien in der Vergangenheit, des Verhaltens seiner geschiedenen Ehefrau, der Kränkung wegen des ‚untergeschobenen’ Kindes … und aus Rachsucht gegenüber seiner früheren Familie, alle erwachsenen Mitglieder der Familie Z. zu töten”, wie es dann geschah.
III. Revision des Angeklagten
1. Die auf eine Verletzung von § 261 StPO gestützte Verfahrensbeschwerde ist unbegründet. Mit ihr wendet sich der Beschwerdeführer im Ergebnis allein gegen die Würdigung der zur Schuldfähigkeit erstatteten Gutachten durch das Schwurgericht. Einen Verfahrensfehler zeigt die Revision insoweit nicht auf. Das Vorbringen ist deshalb nur im Rahmen der Sachrüge zu beachten.
2. Die Verurteilung des Angeklagten wegen Mordes (in drei Fällen) hält rechtlicher Nachprüfung stand. Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe aus niedrigen Beweggründen im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB gehandelt, begegnet im Ergebnis weder in objektiver noch in subjektiver Hinsicht durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
a) Die Beurteilung der Frage, ob Beweggründe zur Tat „niedrig” sind, also nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und in deutlich weiter reichendem Maße als bei einem Totschlag als verwerflich und deshalb als besonders verachtenswert erscheinen, hat aufgrund einer Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Faktoren zu erfolgen (st. Rspr.; vgl. BGHSt 35, 116, 127; BGH StV 1996, 211, 212). Das Landgericht sieht die niedrigen Beweggründe darin, daß der Angeklagte „seine geschiedene Frau hin(richtete), weil sie – so seine Worte – ‚sein Leben versaut hatte’, wobei seine Verärgerung und seine Haßgefühle sich auch auf die Schwiegereltern (‚die ganze Brut’) bezog”. Es meint, „auch wenn man ein Motivbündel bei dem Angeklagten … aus selbstsüchtigem Wollen, Verärgerung über erfahrene Kränkungen, Frust, als (Zahl-)vater ausgenutzt worden zu sein”, annehme, stünden „das Hauptmotiv bzw. die vorherrschenden Motive, welche der Tat ihr Gepräge geben – Wut, Haß, Verärgerung, Frust … -”, nach allgemein sittlicher Wertung auf tiefster Stufe.
Gefühlsregungen wie Wut, Zorn, Ärger, Haß und Rachsucht kommen nach der Rechtsprechung allerdings nur dann als niedrige Beweggründe in Betracht, wenn sie ihrerseits auf niedrigen Beweggründen beruhen (Lackner/Kühl StGB 23. Aufl. § 211 Rdn. 5a m.N.). Hierbei war zu bedenken, daß nicht jede Tötung, die geschieht, weil sich der Intimpartner vom Täter abwenden will oder abgewandt hat, deshalb zwangsläufig schon auf niedrigen Beweggründen beruht. Vielmehr können in einem solchen Fall tatauslösend und tatbestimmend auch Gefühle der Verzweiflung, der inneren Ausweglosigkeit und erlittenen Unrechts sein, die eine Bewertung als „niedrig” im Sinne der Mordqualifikation zumal dann als fraglich erscheinen lassen können (BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 18, 32), wenn – wie hier – die Trennung von dem Tatopfer ausgegangen war und sich der Angeklagte nicht nur in seiner Lebensplanung enttäuscht, sondern er sich durch seine frühere Ehefrau – namentlich wegen des „untergeschobenen” Kindes – getäuscht und „betrogen” fühlte.
Gleichwohl ist die Wertung des Schwurgerichts im Ergebnis nicht zu beanstanden. Das nachvollziehbare Gefühl der Demütigung und Kränkung beim Angeklagten betraf zwar unmittelbar nur das Verhältnis zu seiner früheren Ehefrau und könnte die Annahme niedriger Beweggründe in objektiver Hinsicht in bezug auf deren Tötung entfallen lassen. Doch wurde hier dieses Gefühl der Demütigung und Kränkung überlagert von dem Entschluß des Angeklagten, sich an der „ganzen Brut” zu rächen und sie – wie er es zuvor mehrere Male angekündigt hatte – „auszulöschen”. Eine solche „Sippenhaft”, in die der Angeklagte die von ihm Getöteten unterschiedslos genommen hat, rechtfertigt die Einstufung als niedriger Beweggrund durch das Schwurgericht (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 6).
b) Das Schwurgericht hat auch die subjektive Tatseite des mordqualifierenden Merkmals ausreichend dargetan. Spielen bei der Tat – wie hier – gefühlsmäßige Regungen eine Rolle, so muß sich der Tatrichter mit der Frage auseinandersetzen, ob der Angeklagte in der Lage war, sie gedanklich zu beherrschen und willensmäßig zu steuern (BGHSt 28, 210, 212; BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 2; Lackner/Kühl aaO § 211 Rdn. 5b m.w.N.). Nach dem normativen Maßstab der Rechtsprechung sind die Anforderungen für die Annahme, der Täter habe seine Antriebe zur Tat nicht mehr gedanklich beherrschen und gewollt steuern können, regelmäßig umso höher, je schwerwiegender die Tötungstat nach ihren – vom Vorsatz des Täters umfaßten und ihm vorwerfbaren – konkreten Umständen und Folgen ist (BGH NJW 1993, 3210, 3211 = StV 1994, 372 m. krit. Anm. Fabricius). Das Landgericht hat ohne Rechtsfehler festgestellt, der Angeklagte habe „die tatsächlichen Umstände, die seinem Motiv zugrundelagen”, gekannt. Unter den hier gegebenen Umständen war eine nähere Erörterung zur subjektiven Tatseite nicht geboten (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 6, 15), zumal sich das Landgericht eingehend mit der affektiven inneren Verfassung des Angeklagten auseinandergesetzt und – sachverständig beraten – eine erhebliche Beeinträchtigung des Angeklagten durch seinen Zustand im Sinne des § 21 StGB ausgeschlossen hat (dazu unter 3.).
3. Auch der Strafausspruch hält rechtlicher Nachprüfung stand. Entgegen den Einwendungen des Beschwerdeführers hat das Schwurgericht ohne Rechtsfehler eine affektbedingte erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit verneint.
Für die Tatbegehung selbst hat das Landgericht – insoweit dem psychiatrischen Sachverständigen Dr. R. folgend – einen rechtlich relevanten Affekt im Sinne einer „tiefgreifenden Bewußtseinsstörung” verneint. Dabei hat es im wesentlichen auf die „gedankliche Vorwegnahme” der Tat (der Angeklagte hatte „bereits lange vor dem eigentlichen Tatgeschehen die Tötung der Familie Z. angekündigt”), die „tatvorbereitenden Handlungen mit Bereitlegen einer Schußwaffe”, den „Tatablauf selbst”, das „geordnete Nachtatverhalten” und seine „detailreichen Schilderungen … zum Tathergang” abgestellt. Danach lagen in der Tatsituation selbst – was die Revision auch nicht in Frage stellt – wesentliche Merkmale vor, die in Psychiatrie und Rechtsprechung als mögliche Indiziengegen einen rechtlich relevanten affektiven Ausnahmezustand gewertet werden (vgl. hierzu BGH StV 1990, 493; 1993, 637; zusammenfassend Salger in Festschrift für Tröndle 1989, 201 f.; Ziegert in Saß ≪Hrsg.≫, Affektdelikte, 1993, S. 43, 46 ff; krit. gegenüber dem Kriterienkatalog u.a. Rasch, Forensische Psychiatrie 2. Aufl., 1999, S. 251 ff., 256).
Rechtliche Bedenken gegen die Wertung des Landgerichts ergeben sich aber auch nicht mit Blick auf die Tatvorgeschichte, der im Rahmen der notwendigen Gesamtwürdigung zum Bewußtseinszustand des Täters neben dem Tatzeitzustand Bedeutung zukommt. Die Rechtsprechung nimmt an, daß eine schon längere Zeit vor der Tat bestehende ambivalente Täter-Opfer-Beziehung mit chronischen Affektspannungen auch die Annahme begründen kann, daß das Persönlichkeitsgefüge des Täters bei der Tatausführung schwer erschüttert war (BGHR StGB § 21 Affekt 6; BGH StV 1993, 637; zu den einzelnen Phasen Glatzel StV 1993, 220, 223 ff.; ferner u.a. Foerster/Venzlaff in Venzlaff/Foerster ≪Hrsg.≫ Psychiatrische Begutachtung 3. Aufl., 2000, S. 181, 185 f.; Theune NStZ 1999, 273, 275 f.). Unter solchen Umständen einer für eine Partnertötung im Affekt typischen Konfliktentwicklung, deren Opfer im Einzelfall auch Dritte werden können (vgl. BGH NStZ 1988, 268; BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 19), können auch sogenannte „Vorgestalten” der Tat in der Phantasie (dazu eingehend Hoff in Saß aaO S. 95 ff; ferner u.a. Glatzel aaO S. 222; Saß in Saß aaO S. 11), mit einem tatauslösenden affektiven Durchbruch als einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung im Sinne des § 21 StGB vereinbar sein (BGH, Urteil vom 13. August 1997 – 3 StR 189/97; Theune aaO S. 276); das erfaßt auch die Ankündigung der Tat bis hin zu Vorbereitungshandlungen – mithin Umstände, die üblicherweise gegen einen rechtlich relevanten Affekt gewertet werden.
Das Landgericht hat das aber nicht verkannt; vielmehr billigt es dem Angeklagten „aufgrund der erfahrenen Demütigungen und Kränkungen” einen „chronischen Affektzustand” für die Tatvorlaufphase zu. Es übersieht auch nicht, daß es bei dem Angeklagten „im Vorfeld der Tat über einen Zeitraum von mehreren Jahren zu einer gewissen Einengung des Interessenspektrums” gekommen und sich „eine affektive Einengung seines Denkens durch eine affektive Bestimmtheit, in der sich Zorn, Ärger, erlittene Demütigung und Verzweiflung mischen”, entwickelt habe. Es mißt dem aber keine rechtliche Bedeutung zu, weil es – mit dem Sachverständigen Dr. R. – eine „pathologische Entwicklung im Sinne der Manifestation überwertiger Ideen” verneint und auch ein einen Affektdurchbruch begründendes Moment nicht zu erkennen vermag (zur Bedeutung dieses Umstands vgl. BGH, Urteil vom 26. September 1995 – 1 StR 495/95; Theune aaO).
Das angefochtene Urteil läßt – entgegen dem Einwand der Revision – nicht besorgen, das Schwurgericht habe sich, indem es dem Sachverständigen Dr. R. gefolgt ist, dabei davon leiten lassen, daß der als weiterer Sachverständiger gehörte Prof. Dr. G. die Frage, „ob die Affektspannung zu einer Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit des Angeklagten geführt hat”, mit Hinweis darauf offengelassen hat, daß „die Erregung sich einer Quantifizierung unter forensisch psychiatrischem Aspekt entziehe”. Daran ist nämlich richtig, daß es sich bei der Frage, ob eine Verminderung der Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB „erheblich” ist, um eine nach normativen Maßstäben und deshalb vom Richter ohne Bindung an die Auffassung des Sachverständigen zu beantwortende Rechtsfrage handelt (BGHSt 43, 66, 77; BGH NStZ 1999, 395; NStZ 2000, 24). Es ist auch nicht Aufgabe des psychiatrischen Sachverständigen, sich zu der rechtlichen Einordnung der von ihm erhobenen Befunde zu äußern (vgl. Glatzel, Forensische Psychiatrie S. 32, 34 f.; Maatz StV 1998, 279, 280 m.w.N.). Schweigt der Sachverständige dazu, so bedeutet dies zwar nicht, daß es deshalb an einer tatsächlichen Grundlage für die Annahme einer „erheblichen” Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit fehlt. Allerdings gebietet es der hohe Rang des durch §§ 211, 212 StGB geschützten Rechtsguts, die Anforderungen an die schuldmindernde Bewertung der auf die tatauslösende Situation zulaufenden Entwicklung der Beziehung zwischen Täter und Opfer nicht gering anzusetzen (vgl. BGH NJW 1993, 3210, 3211; BGHR StGB § 213 1. Alt. Beleidigung 6 und 8), zumal grundsätzlich zu verlangen ist, daß der geistig gesunde Mensch seine Affekte und sich beherrscht (vgl. BGHR StGB § 20 Ursachen, mehrere 4; Jähnke in LK StGB 11. Aufl. § 20 Rdn. 55). An diesem Maßstab gemessen, hat das Schwurgericht für die Tatbegehung einen rechtlich relevanten psychischen Ausnahmezustand im Sinne des § 21 StGB beim Angeklagten mit Blick auf seine gedankliche Vorbefassung mit dem Tötungsgeschehen, den Umstand, daß er „der Situation trotz Erkennens der Gefahr und der aufgrund seiner intellektuellen Gegebenheiten bestehenden Möglichkeit der Selbstzügelung nichts entgegensetzte”, die Tatvorbereitung und die Gestaltung der Tatsituation selbst ohne Rechtsfehler ausgeschlossen.
IV. Revision der Staatsanwaltschaft
Die Begründung, mit der das Landgericht „eine besondere Schuldschwere i.S.d. § 57 a StGB” verneint hat, hält rechtlicher Nachprüfung stand. Es obliegt dem Tatrichter, unter Würdigung aller hierfür erheblichen Umstände die Schuld des Angeklagten im Sinne des § 57 a StGB zu gewichten; das Revisionsgericht darf seine Wertung nicht an die Stelle derjenigen des Tatrichters setzen, sondern hat nur zu prüfen, ob dieser alle maßgeblichen Umstände bedacht hat (st. Rspr.; BGHR StGB § 57 a Abs. 1 Schuldschwere 11, 18 jew. m.w.N.). Nach diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab weist die tatrichterliche Entscheidung keinen durchgreifenden Rechtsfehler auf.
Das Landgericht hat alle für die Beurteilung der besonderen Schuldschwere maßgeblichen Umstände in die Gesamtwürdigung einbezogen. Dies gilt entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin auch in bezug auf die Tat zum Nachteil der früheren Schwiegermutter des Angeklagten. Insoweit kann ein Umstand von Gewicht noch nicht darin gesehen werden, daß sie, anders als die beiden anderen Tatopfer, dem Angeklagten „nicht in vergleichbar nennenswerter Weise … (eine) tatsächliche Grundlage für seinen Zorn, Wut und Haß geliefert” hatte (RB 2/3, 5). Soweit die Beschwerdeführerin und der Generalbundesanwalt darüber hinaus zur Motivlage die straferschwerende Berücksichtigung vermissen, daß der Angeklagte „die ganze Brut” treffen wollte und ohne Rücksicht auf die Empfindungen des das Tatgeschehen miterlebenden 7jährigen Kindes vorging, dienen diese Umstände bereits zur Begründung der Annahme des Vorliegens niedriger Beweggründe; sie stehen deshalb für die Berücksichtigung im Rahmen der Schuldschwerebeurteilung nicht, jedenfalls nicht mit ihrem vollen Gewicht, zur Verfügung (zur Reichweite des Doppelverwertungsverbots vgl. BGHSt 42, 226).
Das Landgericht hat im Ergebnis auch berücksichtigt, daß bei der Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe – wie hier – als Gesamtstrafe § 57 b StGB eine zusammenfassende Würdigung aller die Gesamtstrafe begründenden Straftaten vorschreibt (vgl. BGHR StGB § 57 b Schuldschwere 2; Tröndle/Fischer StGB 49. Aufl. § 57 b Rdn. 2 m.w.N.). Zwar erwähnt das angefochtene Urteil § 57 b StGB nicht ausdrücklich. Daß das Landgericht die gebotene zusammenfassende Würdigung der drei – vom Landgericht zutreffend als jeweils selbständige Handlungen gewerteten – Mordtaten und der sie prägenden Umstände vorgenommen hat, ergibt sich aber aus dem Hinweis im Urteil, entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft sei „nicht … die ‚Quantität’ entscheidend, wenngleich zu beklagen ist, daß der Angeklagte drei Menschen getötet hat”, und die im Anschluß daran zur inneren Tatseite aufgeführten Besonderheiten. Wenn das Schwurgericht hiernach eine besondere Schuldschwere verneint hat, so hält sich dies – zumal angesichts des engen zeitlichen, örtlichen, situativen und motivatorischen Zusammenhangs der Straftaten (vgl. BGHSt 39, 121, 126; BGHSt-GS- 40, 360, 370) – noch im Rahmen des dem Tatrichter eingeräumten Bewertungsspielraums.
Unterschriften
Meyer-Goßner, Maatz, Kuckein, Solin-Stojanovi[cacute], Ernemann
Fundstellen
Haufe-Index 508032 |
StV 2001, 228 |