Verfahrensgang
LG Limburg a.d. Lahn (Urteil vom 03.08.2005) |
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Limburg an der Lahn vom 3. August 2005 mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Tatbestand
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Jugendstrafe von fünf Jahren und vier Monaten verurteilt, zwei sichergestellte Handys sowie Betäubungsmittel und Betäubungsmittelutensilien eingezogen. Dagegen wendet sich die Revision des Angeklagten mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts.
I.
Das Landgericht hat Folgendes festgestellt:
Der Angeklagte ist in Ostanatolien geboren, hat dort die Schule besucht und das Abitur abgelegt. Er kam 2003 mit 17 Jahren nach Deutschland und belegte zunächst einen Deutschkurs in W.. Nachdem er die Aufnahmeprüfung für das von ihm angestrebte Jurastudium in G. nicht bestanden hatte, wurde seine Aufenthaltserlaubnis ab Februar 2005 nicht verlängert. Der Angeklagte, der zunächst ausreiste, kehrte mit Unterstützung eines Bekannten illegal in die Bundesrepublik zurück. Dieser Bekannte, den er nach seinen Angaben zufällig in H. wieder getroffen hat, bot ihm an, für 1000 EUR zuzüglich Fahrkosten eine Drogenkurierfahrt zu unternehmen. Der Angeklagte sollte Heroin und Kokain in W. übernehmen, einen Teil davon einer unbekannt gebliebenen Person in F. übergeben und den Rest nach H. bringen. Der Angeklagte war damit einverstanden. Entsprechend der Vereinbarung brachte am 18. April 2005 ein Überbringer 1003,44 g Heroin (Wirkstoffgehalt 34,3 %) und 181,95 g Kokain (Wirkstoffgehalt 52,7 %) auf einen Parkplatz in W., zu dem ihn der Angeklagte telefonisch gelotst hatte. Als sich der Angeklagte mit dem Rauschgift entfernte, wurde er kurz darauf von der Polizei festgenommen, die den Überbringer und das Treffen observiert hatte.
Entscheidungsgründe
II.
Das Rechtsmittel hat Erfolg.
1. Soweit die Revision allerdings vorträgt, der Angeklagte habe weder von der Art noch von der Menge des zu transportierenden Rauschgifts Kenntnis gehabt, entfernt sie sich von den Urteilsfeststellungen. Danach hatte der Auftraggeber dem Angeklagten mitgeteilt, dass es sich um Heroin und Kokain handeln sollte (UA S. 3). Die Menge konnte dem Angeklagten schon deshalb nicht verborgen geblieben sein, weil ihm die Betäubungsmittel in einer Plastiktüte übergeben worden sind.
2. Zu Recht weist die Revision jedoch daraufhin, dass die Bewertung der Kuriertätigkeit des Angeklagten als täterschaftliches Handeltreiben schon deshalb Bedenken begegnet, weil die Jugendkammer eine hinreichende Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme in den Urteilsgründen nicht vorgenommen hat. Die Annahme täterschaftlichen Handeltreibens versteht sich für die Tätigkeit eines Kuriers, der lediglich Drogen transportiert, nicht von selbst. Zwar kann auch eine eigennützige Förderung fremder Umsatzgeschäfte den Begriff des (täterschaftlichen) Handeltreibens erfüllen, da der weit auszulegende Begriff des Handeltreibens jede eigennützige, den Umsatz fördernde Tätigkeit umfasst. Dies entbindet den Tatrichter jedoch nicht, nach allgemeinen Grundsätzen auf Grund einer wertenden Betrachtung aller von der Vorstellung des Täters umfassten Umstände zu entscheiden, ob dieser als Mittäter oder nur als Gehilfe an der Straftat beteiligt war (BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 25). Dabei sind insbesondere der Grad des eigenen Interesses am Erfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zur Tatherrschaft zu berücksichtigen. Soweit die Jugendkammer hier darauf hingewiesen hat, dass der Angeklagte den Transport der Drogen eigenständig durchführen sollte und zwar zunächst über die Zwischenstation F. …, könnte dies zwar als Hinweis auf seine Tatherrschaft verstanden werden, die für eine täterschaftliche Begehung spräche. Dieser Umstand wird aber möglicherweise dadurch relativiert, dass der Angeklagte sich in F. nicht auskannte – die zunächst für F. geplante Übergabe des Rauschgifts an ihn wurde deshalb nach W. verlegt –, so dass eine Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass ein ständiger Kontakt zwischen dem Auftraggeber und dem Angeklagten während der Kurierfahrt vorgesehen war. Dies wäre ebenso wie der angesichts des Wertes des zu transportierenden Rauschgifts relativ niedrige Kurierlohn in eine – hier nicht vorgenommene – Gesamtwürdigung einzubeziehen gewesen.
Da die Jugendkammer diese dem Tatrichter obliegende Wertung unterlassen hat, kann das Urteil keinen Bestand haben. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Urteil auf diesem Rechtsfehler beruht, auch wenn bei abweichender rechtlicher Würdigung als Teilnahme am Handeltreiben zusätzlich der unerlaubte – hier allerdings nur wenige Minuten dauernde – Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge abzuurteilen wäre, da das Besitzen nur dann ein unselbstständiger im Handeltreiben aufgehender Teilakt des Geschehens ist, wenn das Handeltreiben in Täterschaft begangen wird.
Im Übrigen hätte die Dauer der verhängten Jugendstrafe einer eingehenderen, an den Zwecken des Jugendstrafrechts nachvollziehbar orientierten Begründung bedurft.
Unterschriften
Rissing-van Saan, Bode, Otten, Rothfuß, Fischer
Fundstellen
Haufe-Index 2554922 |
NStZ-RR 2006, 88 |
StV 2006, 184 |