Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundstück. Zubehör, Haftungsverband der Grundschuld. Gebäude. Inventar einer Tischlerei. Bauliche Beschaffenheit. Gliederung. Einteilung. Eigenart. Bauart. Ausstattung mit betriebsdienlichen Maschinen. Dauernde Einrichtung für gewerblichen Betrieb. Enger Bezugszusammenhang zwischen Inventar und Betriebsgrundstück
Leitsatz (amtlich)
Ein Gebäude kann nicht nur durch seine Gliederung, Einteilung, Eigenart oder Bauart, sondern auch aufgrund seiner Ausstattung mit betriebsdienlichen Maschinen und sonstigen Gerätschaften als für einen gewerblichen Betrieb dauernd eingerichtet angesehen werden.
Normenkette
BGB § 1192 Abs. 1, §§ 1120, 97, 98 Nr. 1
Verfahrensgang
OLG Oldenburg (Oldenburg) (Urteil vom 31.01.2005; Aktenzeichen 11 U 66/04) |
LG Osnabrück (Urteil vom 23.07.2004; Aktenzeichen 7 O 82/04) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 11. Zivilsenats des OLG Oldenburg vom 31.1.2005 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der W. K. GmbH & Co. KG (im Folgenden: Schuldnerin). Diese betrieb auf dem ihr seit 1971 gehörenden Betriebsgrundstück bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1.9.2003 eine Tischlerei zur Herstellung von Küchenmöbeln. Die Parteien streiten darüber, ob das Inventar der Tischlerei - überwiegend Maschinen zur Holzbearbeitung - als Zubehör in den Haftungsverband der Grundschulden fällt, die zugunsten der Beklagten an dem Grundstück bestellt sind. Das Inventar wurde vom Kläger im Verlauf des ersten Rechtszuges im Einvernehmen mit der Beklagten unter Hinterlegung des Erlöses veräußert und vom Grundstück entfernt.
Das LG hat zu der Behauptung des Klägers, das Betriebsgelände sei nicht speziell auf die Küchenproduktion zugeschnitten, ein Sachverständigengutachten eingeholt mit der Maßgabe, das Inventar nicht in die Begutachtung einzubeziehen. Gestützt auf dieses Gutachten hat es der Klage auf Feststellung, dass die Gegenstände zum Zeitpunkt ihrer Entfernung vom Betriebsgrundstück nicht der Haftung der Grundschulden unterlagen, stattgegeben. Das OLG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Dieses hat gemeint: Die Inventargegenstände seien nicht als Zubehör nach den §§ 97 f. BGB anzusehen und hätten daher zum Zeitpunkt ihrer Entfernung vom Betriebsgrundstück nicht gem. § 1120 BGB für die Grundschulden gehaftet. Nach § 97 BGB sei Voraussetzung der Zubehöreigenschaft, dass die Sache dem wirtschaftlichen Zweck der Hauptsache zu dienen bestimmt sei. Im Falle des § 98 Nr. 1 BGB, der Beispiele für eine solche wirtschaftliche Zweckbestimmung bringe, müssten die Maschinen und sonstigen Gerätschaften zu dem gewerblichen Betrieb bestimmt sein, für den das Gebäude dauernd eingerichtet sei. Bei diesen Betrieben erfordere der Produktionsablauf regelmäßig eine spezifische bauliche Gestaltung und Einrichtung, die dem Betriebsgebäude auf Dauer ein bestimmtes Gepräge gäben. Maßgeblicher Gesichtspunkt sei, ob im Einzelfall durch Gliederung, Einteilung oder Eigenart des Gebäudes im Übrigen oder durch die sonstige bauliche Beschaffenheit einer Anlage schon ein wirtschaftlicher Wert realisiert sei, der nach dem Sinn der weiteren, das rechtliche Schicksal des Zubehörs regelnden Einzelbestimmungen nicht zerschlagen, sondern erhalten bleiben solle.
Die hier zu beurteilenden Baulichkeiten seien nach den vorhandenen Gegebenheiten nicht speziell auf die Küchenproduktion zugeschnitten. Nach den Feststellungen des Sachverständigen bestehe vielmehr die Möglichkeit, dort außer Küchen auch andere Produktionsgüter her- bzw. auszustellen. Das LG verweise zu Recht darauf, dass die §§ 97 f. BGB auf die Beschaffenheit der Hauptsache abstellten und dadurch eine klare, abgrenzbare Regelung gebildet werde. Es komme somit allein auf die Gestaltung und den Ausbau des Gebäudes an. Wenn es - z.B. als Mehrzweckhalle - für vielfältige Zwecke verwendet werden könne, werde kein Vertrauenstatbestand dahingehend geschaffen, dass eine wirtschaftliche Einheit vorhanden sei. Es realisiere sich durch das Vorhandensein des Inventars in dem Gebäude kein besonderer wirtschaftlicher Wert, so dass keine Veranlassung bestehe, das rechtliche Schicksal des Inventars an das des Gebäudes zu koppeln.
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht ist von einem unrichtigen Verständnis des Zubehörbegriffes ausgegangen.
1. Nach den §§ 1192 Abs. 1, 1120 BGB erstreckt sich der Haftungsverband der Grundschuld auch auf das Zubehör des Grundstücks mit Ausnahme der Zubehörstücke, die nicht in das Eigentum des Grundstückseigentümers gelangt sind. Gemäß § 97 BGB ist eine bewegliche Sache grundsätzlich dann Zubehör, wenn sie, ohne Bestandteil der Hauptsache zu sein, nicht nur vorübergehend dem wirtschaftlichen Zweck der Hauptsache zu dienen bestimmt ist und zu ihr in einem dieser Bestimmung entsprechenden räumlichen Verhältnis steht. § 98 BGB enthält Beispiele für eine solche wirtschaftliche Zweckbestimmung (BGH, Urt. v. 23.10.1968 - VIII ZR 228/66, NJW 1969, 36 = LM BGB § 98 Nr. 1 unter 2). Nr. 1 der Vorschrift ist zu entnehmen, dass ein Gebäude jedenfalls dann Hauptsache sein kann, wenn es vermöge seiner Bauart und Einteilung oder/und seiner Ausstattung mit den nötigen betriebsdienlichen Gegenständen für einen gewerblichen Betrieb dauernd eingerichtet ist (BGH, Urt. v. 23.10.1968 - VIII ZR 228/66, NJW 1969, 36 = LM BGB § 98 Nr. 1 unter 2). Entscheidend ist, ob sich aus den baulichen Besonderheiten oder/und aus der Ausstattung mit Inventar ergibt, dass das Gebäude einem gewerblichen Betrieb auf Dauer dienen soll (BGH, Urt. v. 23.10.1968 - VIII ZR 228/66, NJW 1969, 36 = LM BGB § 98 Nr. 1 unter 2; RGZ 48, 207 [209]; BayObLG, Urt. v. 24.4.1911, BayObLGZ 12, 306 [313]). Wie die Revision zutreffend ausführt, kann ein Gebäude somit nicht nur durch seine Gliederung, Einteilung, Eigenart oder Bauart, sondern auch aufgrund seiner Ausstattung mit betriebsdienlichen Maschinen und sonstigen Gerätschaften als "für einen gewerblichen Betrieb dauernd eingerichtet" angesehen werden.
2. Von dieser - bereits vom Reichsgericht (RG, Urt. v. 8.5.1912 - V 512/11, RG WarnR 1912 Nr. 286) vertretenen und in der Literatur (Strecker in Planck, BGB, 4. Aufl., § 98 Anm. 2c; Soergel/Baur, BGB, 10. Aufl., § 98 Rz. 3; Holch in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 98 Rz. 5, 7; Staudinger/Jickeli/Stieper, BGB, Bearb. 2004, § 98 Rz. 7; RGRK/Kregel, 12. Aufl., § 98 Rz. 5; AK-BGB/Ott, § 98 Rz. 2; AnwaltKomm/Ring, BGB, § 98 Rz. 11-14; Vieweg in jurisPK-BGB, 2. Aufl., § 98 Rz. 4) auf Zustimmung gestoßenen - Rechtsprechung ist der BGH weder in dem vom Berufungsgericht herangezogenen Urteil vom 14.12.1973 (BGH, Urt. v. 14.12.1973, BGHZ 62, 49 ff.) noch in dem auf diese Entscheidung verweisenden Urteil vom 13.1.1994 (BGH, Urt. v. 13.1.1994 - IX ZR 79/93, BGHZ 124, 380 [392 f.] = MDR 1994, 771) abgerückt. Zwar heißt es dort, es sei für die Beurteilung der Zubehöreigenschaft maßgebend, ob im Einzelfall "durch Gliederung, Einteilung oder Eigenart im Übrigen des Gebäudes oder durch die sonstige bauliche Beschaffenheit einer Anlage" schon ein wirtschaftlicher Wert realisiert sei, der nach dem Sinn der einzelnen Anwendungsbestimmungen nicht zerschlagen, sondern erhalten bleiben solle (BGHZ 62, 49 [53]). Das kann indes nicht die Annahme rechtfertigen, es komme für die Beurteilung, ob ein Gebäude für einen gewerblichen Betrieb dauernd eingerichtet sei, allein auf die bauliche Beschaffenheit des Gebäudes an. Ein solcher Schluss ist deshalb nicht angezeigt, weil im Urteil vom 14.12.1973 (BGH, Urt. v. 14.12.1973, BGHZ 62, 49 [53]) sowohl auf die Entscheidung des BGH vom 23.10.1968 (BGH, Urt. v. 23.10.1968 - VIII ZR 228/66, NJW 1969, 36 = LM BGB § 98 Nr. 1 unter 2) als auch auf das Urteil des RG vom 8.5.1912 (RG, Urt. v. 8.5.1912 - V 512/11, RG WarnR 1912 Nr. 286) zustimmend Bezug genommen wird. In Letzterem wird ausgeführt, der Auffassung, ein Gebäude sei nur dann für einen gewerblichen Betrieb dauernd eingerichtet, wenn der Bau selbst die Bestimmung für diesen Gewerbebetrieb ergebe, könne nicht beigetreten werden.
Ein Gebäude ist demzufolge für einen gewerblichen Betrieb auch dann dauernd eingerichtet, wenn es mit den dem Betrieb dieses Gewerbes dienenden Gegenständen derart verbunden ist, dass das Ganze erkennen lässt, dazu bestimmt zu sein, dauernd - d.h. für einen nicht von vornherein feststehenden Zeitraum und nicht etwa nur zur Befriedigung der Bedürfnisse des derzeitigen Eigentümers - zum Betrieb dieses Gewerbes genutzt zu werden. Es genügt, wenn die bauliche Beschaffenheit mit Bestimmtheit den dauernden Betrieb des Gewerbes erkennen lässt. Unter "baulicher Beschaffenheit" ist dabei die Beschaffenheit des aus dem Bau und den betriebsdienlichen Gegenständen gebildeten Ganzen zu verstehen (RG, Urt. v. 8.5.1912 - V 512/11, RG WarnR 1912 Nr. 286).
3. Damit ist die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, es komme für die Beurteilung, ob ein Gebäude für einen gewerblichen Betrieb dauernd eingerichtet sei (§ 98 Nr. 1 BGB), allein auf die Gestaltung und den Ausbau des Gebäudes bzw. die Beschaffenheit der Hauptsache an, nicht vereinbar. Es muss vielmehr auch geprüft werden, ob zwischen Inventar und Betriebsgrundstück ein enger Bezugszusammenhang im dargestellten Sinne besteht (BGH v. 2.11.1982 - VI ZR 131/81, BGHZ 85, 234 [238] = MDR 1983, 388; Urt. v. 17.9.1979 - VIII ZR 339/78, MDR 1980, 138 = NJW 1979, 2514, unter III 2). Dieser Prüfung hat sich das Berufungsgericht bislang verschlossen.
Ob ein Gebäude oder eine Gebäudeanlage für einen gewerblichen Betrieb dauernd eingerichtet ist, ist Sache tatrichterlicher Würdigung (BGH v. 13.1.1994 - IX ZR 79/93, BGHZ 124, 380 [392] = MDR 1994, 771; BGHZ 62, 49 [53]; BayObLG, Urt. v. 24.4.1911, BayObLGZ 12, 306 [312]); für das richterliche Ermessen, was im Einzelfall als Zubehör anzusehen ist, besteht ein weiter Spielraum (RGZ 66, 356 [358]; RGZ 51, 272 [274]). Auf der Grundlage des bisherigen Sachverständigengutachtens kann indes keine zutreffende Beurteilung der Rechtslage erfolgen, weil darin lediglich die bauliche Beschaffenheit und Nutzbarkeit bereits geräumter Produktions- und Ausstellungshallen beurteilt wird, während sämtliche bis zu ihrer Veräußerung und Entfernung im Jahre 2004 vorhandenen Inventargegenstände nicht berücksichtigt sind. Es sind daher weitere Feststellungen zu der Frage erforderlich, ob die Beschaffenheit des aus dem Bau und den betriebsdienlichen Gegenständen gebildeten Ganzen den dauernden Betrieb einer Tischlerei zur Herstellung von Küchenmöbeln erkennen lässt. Diese wird das Berufungsgericht nachzuholen haben. Von dem Ergebnis dieser Feststellungen hängt ab, ob darüber hinaus aufzuklären ist, ob und ggf. welche Inventargegenstände vor oder nach der Bestellung der Grundschulden an die im ersten Rechtszug Streitverkündeten sicherungsübereignet wurden.
Fundstellen
Haufe-Index 1480279 |
BGHZ 2006, 261 |