Verfahrensgang
LG Osnabrück (Entscheidung vom 07.12.2022; Aktenzeichen 15 KLs 18/22) |
Tenor
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 7. Dezember 2022 im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
Von Rechts wegen
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, wegen „unerlaubten“ Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in sechs Fällen sowie „unerlaubten“ Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Zudem hat es seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und Einziehungsentscheidungen getroffen. Mit seiner auf die ausgeführte Sachrüge gestützten und auf den Schuldspruch wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (Fall (II) 2) der Urteilsgründe) sowie den gesamten Rechtsfolgenausspruch beschränkten Revision wendet sich der Angeklagte gegen seine Verurteilung. Die zuungunsten des Angeklagten eingelegte, vom Generalbundesanwalt vertretene und ebenfalls mit der ausgeführten Sachrüge begründete Revision der Staatsanwaltschaft soll gemäß deren Erklärung auf die Einzelstrafaussprüche wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in sechs Fällen (unter (II) 1) der Urteilsgründe), den Gesamtstrafenausspruch sowie das Unterbleiben eines Ausspruchs zum Vorwegvollzug beschränkt sein. Beide Rechtsmittel führen zur Aufhebung des Maßregelausspruchs; im Übrigen bleiben sie ohne Erfolg.
Rz. 2
I. Die Strafkammer hat die nachfolgenden Feststellungen und Wertungen getroffen:
Rz. 3
Der Angeklagte verkaufte zwischen November 2020 und Anfang Januar 2021 in zumindest sechs Fällen jeweils mindestens ein Gramm Heroingemisch unbekannten Wirkstoffgehalts zu einem Preis von 35 € gewinnbringend an einen Abnehmer (Fälle (II) 1)). Am 3. Februar 2021 überfielen der Angeklagte und drei unbekannte Mittäter den Abnehmer der Betäubungsmittel in einem Parkhaus in O., um sich für einen vorangegangenen Überfall durch diesen zu rächen und ihm Bargeld und/oder Drogen zu entwenden. Hierbei fügten sie ihm durch Schläge und Tritte sowie den Einsatz eines Teleskopschlagstocks und von Pfefferspray erhebliche Verletzungen zu. Der Angeklagte entnahm dem in der Hosentasche des Abnehmers befindlichen Portemonnaie einen Geldbetrag von 430 €; dieser wehrte sich wegen der Gewaltanwendung nicht (Fall (II) 2)). Anlässlich einer Durchsuchung seiner Wohnung am 23. März 2021 konnten in der Hose des Angeklagten zwei Gramm Heroin aufgefunden und sichergestellt werden (Fall (II) 3) der Urteilsgründe).
Rz. 4
Bei der Strafbemessung hat die Strafkammer hinsichtlich der sechs Fälle des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zwar jeweils das Regelbeispiel gewerbsmäßiger Begehung gemäß § 29 Abs. 3 Satz 1 und 2 Nr. 1 BtMG angenommen, die Einzelstrafen jedoch unter Absehen von der Regelwirkung aus dem Strafrahmen des § 29 Abs. 1 Satz 1 BtMG zugemessen.
Rz. 5
Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt hat das Landgericht unter Zugrundelegung der zum Urteilszeitpunkt geltenden Rechtslage angeordnet. Es hat im Anschluss an die psychiatrische Sachverständige ausgeführt, bei dem Angeklagten bestehe eine derzeit substituierte Opiatabhängigkeit mit Beigebrauch von Heroin und Kokain (ICD-10: F 11.2), weswegen bei ihm ein Hang zu übermäßigem Betäubungsmittelkonsum gegeben sei. Weiter seien sämtliche urteilsgegenständlichen Taten als aufgrund des Hanges begangen anzusehen, weil die Betäubungsmitteldelikte (Fälle (II) 1) und 3)) unmittelbar dem Konsum bzw. der Finanzierung des Konsums von Betäubungsmitteln gedient hätten, die Raubtat (Fall (II) 2)) hingegen als Racheakt gegenüber einem Betäubungsmittelkunden zumindest in der Verwurzelung des Angeklagten in der Drogenszene ihre Ursache gehabt habe. Im Hinblick auf die erforderliche Erfolgsaussicht hat die Strafkammer angenommen, die anzustellende Gesamtwürdigung führe zu dem Ergebnis, dass eine hinreichend konkrete Aussicht bestehe, den Angeklagten durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten. Hieran ändere entgegen der Einschätzung der Sachverständigen auch der Umstand nichts, „dass der Angeklagte nicht an Therapien glaube“.
Rz. 6
II. Revision des Angeklagten
Rz. 7
1. Die Beschränkung der Revision auf die benannten Beschwerdepunkte ist wirksam, weil der angefochtene Teil der Entscheidung losgelöst vom übrigen Urteilsinhalt selbständig geprüft und beurteilt werden kann und die nach dem Teilrechtsmittel stufenweise entstehende Gesamtentscheidung frei von inneren Widersprüchen bleibt (vgl. BGH, Urteil vom 10. August 2017 - 3 StR 275/17, juris Rn. 8; Beschluss vom 15. Mai 2001 - 4 StR 306/00, BGHSt 47, 32, 35; KK-StPO/Gericke, 9. Aufl., § 344 Rn. 6, jeweils mwN).
Rz. 8
2. Die auf die Sachrüge veranlasste materiellrechtliche Überprüfung des Urteils hat weder mit Blick auf den Schuldspruch zu Fall (II) 2) noch auf den Straf- und den Einziehungsausspruch einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Insbesondere hält die mit der Revisionsbegründung als fehlerhaft beanstandete Beweiswürdigung sachlichrechtlicher Nachprüfung stand.
Rz. 9
3. Hingegen unterliegt der Maßregelausspruch der Aufhebung; denn die Strafkammer hat bei ihrer Unterbringungsentscheidung nach § 64 StGB - seinerzeit zutreffend - die frühere Rechtslage zugrunde gelegt, die durch das seit dem 1. Oktober 2023 geltende Gesetz zur Überarbeitung des Sanktionenrechts - Ersatzfreiheitsstrafe, Strafzumessung, Auflagen und Weisungen sowie Unterbringung in einer Entziehungsanstalt - vom 26. Juli 2023 (BGBl. I Nr. 203) hinsichtlich der tatbestandlichen Anforderungen an eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt verschiedene Verschärfungen erfahren hat. Für die revisionsrechtliche Nachprüfung derartiger „Altfälle“ ist - mangels Eingreifens einer Übergangsregelung - gemäß § 2 Abs. 6 StGB, § 354a StPO die Neuregelung maßgeblich (vgl. BGH, Beschlüsse vom 4. Oktober 2023 - 6 StR 405/23, juris Rn. 6; vom 25. Oktober 2023 - 5 StR 246/23, juris Rn. 2; vom 2. November 2023 - 6 StR 316/23, juris Rn. 6; vom 7. November 2023 - 5 StR 345/23, juris Rn. 2; vom 14. November 2023 - 1 StR 354/23, juris Rn. 5; vom 16. November 2023 - 6 StR 452/23, juris Rn. 2; vom 20. November 2023 - 5 StR 407/23, juris Rn. 2; Urteile vom 12. Oktober 2023 - 4 StR 136/23, NStZ-RR 2024, 13, 14; vom 18. Oktober 2023 - 1 StR 214/23, juris Rn. 10).
Rz. 10
a) Zwar ist auch unter Zugrundelegung der strengeren Maßstäbe des nunmehr geltenden § 64 Satz 1 StGB nF die Annahme des Landgerichts im Ergebnis zutreffend, bei dem Angeklagten bestehe ein Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen. Die derzeit substituierte Opiatabhängigkeit des Angeklagten mit Beigebrauch von Heroin und Kokain stellt nach ihrem in den Urteilsgründen dargestellten Umfang eine Substanzkonsumstörung dar, infolge derer eine dauernde und schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung, der Gesundheit, der Arbeits- oder der Leistungsfähigkeit eingetreten ist und fortdauert (vgl. BT-Drucks. 20/5913, S. 44 ff., 69; BGH, Urteil vom 12. Oktober 2023 - 4 StR 136/23, NStZ-RR 2024, 13, 14; Beschluss vom 14. November 2023 - 6 StR 346/23, juris Rn. 11).
Rz. 11
b) Auch die nach neuer Rechtslage gesteigerte Anforderung an das Bestehen eines symptomatischen Zusammenhangs, nach der die Tat des Angeklagten „überwiegend“ auf den Hang zurückgehen muss, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, ist vorliegend erfüllt. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll eine bloße Mitursächlichkeit des Hangs für die Tat nur noch dann ausreichen, wenn sie andere Ursachen quantitativ überwiegt. Das Vorliegen eines solchen Kausalzusammenhangs ist durch das Tatgericht - gegebenenfalls unter sachverständiger Beratung - positiv festzustellen (vgl. BT-Drucks. 20/5913 S. 46 ff., 69 f.; BGH, Beschlüsse vom 25. Oktober 2023 - 5 StR 246/23, juris Rn. 3 f.; vom 2. November 2023 - 6 StR 316/23, juris Rn. 8; vom 7. November 2023 - 5 StR 345/23, juris Rn. 2; vom 20. November 2023 - 5 StR 407/23, juris Rn. 2; Urteil vom 18. Oktober 2023 - 1 StR 214/23, juris Rn. 11 ff. mwN). Diesen Anforderungen werden die Ausführungen des Landgerichts gerecht.
Rz. 12
c) Jedenfalls unter Zugrundelegung der gesteigerten Anforderungen des § 64 Satz 2 StGB nF ist jedoch die Erfolgsaussicht nicht tragfähig begründet. Vorausgesetzt wird danach, dass der Behandlungserfolg „aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte zu erwarten“ ist. Durch die Neufassung der Vorschrift sind die Anforderungen an eine günstige Behandlungsprognose „moderat angehoben“ worden, indem nunmehr eine „Wahrscheinlichkeit höheren Grades“ gegeben sein muss; im Übrigen bleibt es dabei, dass die Beurteilung der Erfolgsaussicht im Rahmen einer Gesamtwürdigung der Täterpersönlichkeit und aller sonstigen maßgebenden Umstände vorzunehmen ist (vgl. BT-Drucks. 20/5913 S. 48 f., 70 ff.; BGH, Beschlüsse vom 2. November 2023 - 6 StR 316/23, juris Rn. 11; vom 16. November 2023 - 6 StR 452/23, juris Rn. 5 f.). Hieraus folgt, dass die nach früherer Rechtslage möglicherweise ausreichend gewesene Feststellung des Landgerichts, es bestehe eine hinreichend konkrete Aussicht für einen erfolgreichen Therapieabschluss, das nach der Neufassung nunmehr erforderliche Maß an Prognosesicherheit verfehlt, wonach ein Therapieerfolg „aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte zu erwarten“ sein muss. Derartige Anhaltspunkte lassen sich den Urteilsfeststellungen mit Rücksicht auf die dargelegte ablehnende Haltung des Angeklagten - auch in ihrem Gesamtzusammenhang - nicht zweifelsfrei entnehmen.
Rz. 13
d) Weil das Landgericht den durch die Neufassung des § 64 StGB veränderten und für die Senatsentscheidung nach § 2 Abs. 6 StGB und § 354a StPO maßgeblichen Anordnungsmaßstab noch nicht hat berücksichtigen können und zudem nicht auszuschließen ist, dass es die Möglichkeit, eine dem Angeklagten bislang fehlende Therapiebereitschaft könne noch geweckt werden, mit unangemessen hohem Gewicht in die Gesamtabwägung eingestellt hat, bedarf die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt erneuter Prüfung und Entscheidung. Dies gilt erst recht, wenn anzunehmen ist, dem Tatgericht stehe bei seiner Prognose ein Beurteilungsspielraum zu (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 13. September 2005 - 3 StR 276/05; Urteil vom 28. Mai 2018 - 1 StR 51/18, NStZ-RR 2018, 275, 276, jeweils mwN).
Rz. 14
4. Der Senat hebt die zugehörigen Feststellungen auf, um dem neuen Tatgericht widerspruchsfreie neue Feststellungen zu ermöglichen. Durch die Aufhebung der Unterbringungsentscheidung wird zugleich der hier ohnehin lediglich in den Urteilsgründen vorgenommenen Bemessung des Vorwegvollzugs eines Teils der Strafe vor der Maßregel die Grundlage entzogen.
Rz. 15
III. Revision der Staatsanwaltschaft
Rz. 16
1. Die erklärte Beschränkung der Revision auf die benannten Beschwerdepunkte ist entsprechend den Darlegungen in der Zuschrift des Generalbundesanwalts insoweit unwirksam, als sie den Maßregelausspruch lediglich im Hinblick auf die unterbliebene Anordnung des Vorwegvollzugs zum Gegenstand der Anfechtung macht. Die Revision erfasst über die Beschränkungserklärung hinaus den gesamten Maßregelausspruch, weil die Unterbringungsanordnung nach § 64 StGB nF - wie bereits ausgeführt - rechtsfehlerhaft ist (hierzu oben II. 3.). Bei dieser Sachlage lässt sich ein angemessener Zeitraum für eine Therapie nicht bestimmen, so dass der Beschwerdepunkt nach dem inneren Zusammenhang des Urteils nicht losgelöst von dem nicht angefochtenen Teil des Maßregelausspruchs beurteilt werden kann (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. Februar 2022 - 3 StR 458/21, juris Rn. 19; vom 18. Dezember 2007 - 3 StR 516/07, BGHR StPO § 344 Abs. 1 Beschränkung 18 Rn. 6; jeweils mwN).
Rz. 17
2. Der Strafausspruch hält sachlichrechtlicher Überprüfung stand.
Rz. 18
a) Die Bemessung der Einzelstrafen hinsichtlich der sechs Fälle des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln mit jeweils drei Monaten Freiheitsstrafe lässt einen Rechtsfehler zugunsten des Angeklagten nicht erkennen. Entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft ist die gewerbsmäßige Begehung der Taten hinreichend belegt. Trotz des Vorliegens des Regelbeispiels gewerbsmäßiger Begehung gemäß § 29 Abs. 3 Satz 1 und 2 Nr. 1 BtMG durfte das Landgericht die Einzelstrafen unter Absehen von der Regelwirkung aus dem Strafrahmen des § 29 Abs. 1 Satz 1 BtMG zumessen. Im Einzelnen:
Rz. 19
aa) Bei benannten besonders schweren Fällen - wie hier § 29 Abs. 3 Satz 1 und 2 Nr. 1 BtMG - gibt das Gesetz selbst durch die Regelbeispiele Anhaltspunkte für die Würdigung vor. Sind die Voraussetzungen des Regelbeispiels gegeben, besteht eine Vermutung dafür, dass der Fall insgesamt als besonders schwer anzusehen ist, mit der Folge, dass es, wenn keine Anhaltspunkte für ein Abweichen vorliegen, keiner zusätzlichen Prüfung mehr bedarf, ob die Anwendung des erhöhten Strafrahmens geboten ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. September 2003 - 4 StR 193/03, NStZ 2004, 265 Rn. 3; vom 31. März 2004 - 2 StR 482/03, NJW 2004, 2394, 2395; Fischer, StGB, 71. Aufl., § 46 Rn. 91). Diese indizielle Bedeutung kann aber im Rahmen einer Gesamtbewertung durch andere Strafzumessungsfaktoren kompensiert werden, so dass dann nur auf den normalen Strafrahmen zurückzugreifen ist (vgl. BGH, Urteile vom 21. April 1970 - 1 StR 45/70, BGHSt 23, 254, 257; vom 18. November 1971 - 4 StR 410/71, BGHSt 24, 248, 249; Beschluss vom 11. September 2003 - 4 StR 193/03, NStZ 2004, 265 Rn. 4 mwN). Hält ein Gericht die Indizwirkung eines Regelbeispiels für widerlegt, so hat es die Besonderheiten, auf die es das Abweichen von dem modifizierten Strafrahmen stützt, in den Urteilsgründen darzulegen (Schönke/Schröder/Kinzig, StGB, 30. Aufl., Vor §§ 38 ff. Rn. 48 mwN). Dabei ist es - wie auch sonst - lediglich verpflichtet, die für die Strafzumessung bestimmenden Umstände anzuführen (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO); eine erschöpfende Aufzählung aller Strafzumessungserwägungen ist weder vorgeschrieben noch möglich. Die Begründung des Urteils muss erkennen lassen, dass die wesentlichen Gesichtspunkte gesehen und in ihrer Bedeutung sowie ihrem Zusammenwirken vertretbar gewürdigt wurden; nur in diesem Rahmen kann das Gesetz verletzt sein (§ 337 Abs. 1 StPO; BGH, Urteil vom 20. Oktober 2021 - 1 StR 136/21, juris Rn. 6 mwN).
Rz. 20
bb) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe deckt die Revision einen Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten nicht auf. Zwar verhält sich das angefochtene Urteil im Rahmen der anzustellenden Gesamtwürdigung nur pauschal zu den - einschlägigen - Vorbelastungen des Angeklagten, ohne auf die hohe Rückfallgeschwindigkeit und einen Bewährungsbruch im Einzelnen ausdrücklich einzugehen; die Erwägungen des Landgerichts machen indes deutlich, dass es maßgeblich auf „den Handel mit Kleinstmengen zur Finanzierung des Eigenkonsums“ abgestellt hat; konkret handelte es sich um Mengen von jeweils einem Gramm Heroingemisch unbekannten Wirkstoffgehalts. Die hohe Rückfallgeschwindigkeit - der Angeklagte ist jeweils wegen Betäubungsmitteldelikten am 6. Mai 2020 zu einer Geld- und am 31. August 2020 zu einer Freiheitsstrafe zur Bewährung verurteilt worden - stellt vorliegend keinen - etwa zu gesteigerten Darlegungsanforderungen führenden - bestimmenden Strafzumessungsgrund dar. Zwar hat der Senat in anderer Sache entschieden, dass dieser Strafzumessungstatsache im Einzelfall bestimmende Bedeutung dann zukommen kann, wenn der Angeklagte einschlägige Straftaten wenige Wochen nach Verbüßung einer langjährigen Haftstrafe begeht, er auch während der Haft mit der Begehung von Straftaten aufgefallen ist und er zudem unter Führungsaufsicht stand (BGH, Urteil vom 4. April 2019 - 3 StR 31/19, BGHR § 46 Abs. 2 Vorleben 36 Rn. 16 f. mwN). Diese Voraussetzungen liegen indessen nicht vor; der Angeklagte hat vor den beiden genannten Verurteilungen weder Strafhaft verbüßt, noch stand er unter Führungsaufsicht. Bei dieser Sachlage begegnet die zum Absehen von der Regelwirkung führende Annahme strafmildernder Umstände von Gewicht im Ergebnis keinen durchgreifenden Bedenken.
Rz. 21
b) Der für sich genommen rechtsfehlerfreie Gesamtstrafenausspruch hat damit gleichfalls Bestand.
Rz. 22
3. Soweit es den Maßregelausspruch betrifft, ist dessen Aufhebung mit den zugehörigen Feststellungen auch auf die Revision der Staatsanwaltschaft auszusprechen (§ 301 StPO).
Rz. 23
4. Sollte das neue Tatgericht wiederum die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt anordnen, wird es die Dauer des Vorwegvollzugs nach § 67 Abs. 2 Satz 3, Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 StGB nF ausgehend vom Zweitdritteltermin zu berechnen haben.
VRiBGH Prof. Dr. Schäfer befindet sich im Urlaub und ist deshalb gehindert zu unterschreiben |
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Fundstellen
Dokument-Index HI16193307 |