Entscheidungsstichwort (Thema)

Amtspflicht des Notars

 

Leitsatz (amtlich)

Wenn ein Notar bei der – regelmäßig gebotenen – gewissenhaften Prüfung der Rechtsprechung Zweifel an der rechtlichen Wirksamkeit dessen haben muß, was er beurkunden soll oder den Beteiligten zur Beurkundung vorschlagen zu können glaubt, gebietet ihm seine Amtspflicht, den Beteiligten die Bedenken zu unterbreiten und ihnen zumindest den nach der Rechtsprechung sicheren Weg zu weisen, auch wenn dieser nach seiner Auffassung mit Mehrkosten verbunden ist (Bestätigung und Ausgestaltung von RGZ 148, 321, 325).

 

Normenkette

BNotO § 19; BGB § 839

 

Verfahrensgang

OLG Braunschweig (Urteil vom 09.08.1960)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 9. August 1960 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Beklagte ist für den Kläger als Notar und – wie der Kläger behauptet – auch als Anwalt tätig geworden. Der Kläger macht geltend, daß dem Beklagten hierbei aus Nachlässigkeit einige Fehler unterlaufen seien, durch die der Kläger einen erheblichen Schaden erlitten habe. Diesen Schaden verlangt er von dem Beklagten mit der anhängigen Klage ersetzt. Im einzelnen handelt es sich hierbei um folgendes:

Der Kläger war Eigentümer eines landwirtschaftlichen Anwesens. In den Jahren 1951/52 beabsichtigte er, nach Argentinien auszuwandern, um sich dort anzusiedeln. Aus diesem Grunde wollte er sein Anwesen veräußern. Bei der Beschaffung der Siedlerstelle in Argentinien sollte dem Kläger der damalige Landtagsabgeordnete Druck behilflich sein.

Bei der Suche nach Käufern bediente sich der Kläger der beiden Makler von Bo… sen. und von Bo… jun.. Diese führten ihm als Kaufinteressenten den ostvertriebenen ehemaligen Berufsoffizier S… und dessen damalige Braut Sc… zu. S… war zwar mittellos, hoffte aber auf die Gewährung eines größeren Flüchtlingskredites. Fräulein Sc… hatte erheblichen Grundbesitz, den sie veräußern konnte, um auf diese Weise einen beträchtlichen Teil derjenigen Mittel zu beschaffen, die für den Ankauf des Hofes des Klägers erforderlich waren.

Bevor es zur Beurkundung einer Verhandlung kam, wurde im Büro des als Notar in Anspruch genommenen Beklagten zunächst noch weiter verhandelt. Hierbei wurde erörtert, daß es finanzielle Vorteile mit sich bringen würde, wenn S… nur allein als Käufer auftrete, da er als Flüchtling keinen Lastenausgleich zu zahlen und auch eine Ermäßigung der Grunderwerbssteuer zu erwarten habe. Die Beteiligten waren sich indes darüber einig, daß in einem solchen Falle Fräulein Sc… die selbstschuldnerische Bürgschaft auf den Kaufpreis zur Sicherung des Klägers übernehmen sollte. Die Verhandlungspartner wurden sich schließlich schlüssig, daß in dieser Weise verfahren werden sollte. Mit Rücksicht darauf, daß sich der Kläger aber noch nicht sofort endgültig binden wollte, sollte zunächst nur ein notarielles Kaufangebot abgegeben werden, daß von dem Kläger innerhalb von drei Monaten agenommen werden konnte.

Auf Grund dieser Absprache entwarf der Beklagte eine Urkunde, in der das Kaufangebot und die Bürgschaftsübernahme durch Fräulein Sc… enthalten waren. Nach § 12 des Vertrages sollten die Kosten der Beurkundung und Durchführung im Falle der Annahme des Angebotes von dem Käufer allein getragen werden; für den Fall der Nichtannahme war vorgeschen, daß die Kosten zur Hälfte von dem Kläger mitgetragen werden sollten. Nachdem das Protokoll in dieser Form bereit vorgelesen und genehmigt worden war, äußerste der beklagte Notar, daß durch die Mitbeurkundung der Bürgschaftserklärung zusätzliche Gebühren entständen. Da der Kaufinteressent S… solche zusätzliche Gebühren nicht übernehmen wollte wurde die Frage erörtert, ob die Bürgschaft nicht kostenfrei privatschriftlich von Fräulein Sc… übernommen werden könne. Der Beklagte bejahte das und äußerte auf ausdrückliches Befragen, daß gegen eine privatschriftliche Bürgschaftsübernahme keine rechtlichen Bedenken bestünden. Daraufhin wurde in dem Entwurf die Bürgschaftserklärung gestrichen. Die notarielle Urkunde enthielt nunmehr nur noch das Kaufangebot. Fräulein Sc… gab am gleichen Tage die privatschriftliche Erklärung ab, daß sie die selbstschuldnerische Bürgschaft für den Kaufpreis übernehme.

Da in der Folgezeit S… den Kaufpreis nicht zahlte und auch nicht bereit war, die Auflassung entgegenzunehmen, obwohl der Kläger das notarielle Kaufangebot vom 2. Januar 1952 am 22. März 1952 durch eine von dem Beklagten beurkundete notarielle Erklärung angenommen hatte, wandte sich der Kläger an den Beklagten um Rat. Der Beklagte verwies ihn an den Rechtsanwalt Dr. Karl M… in B…, bei dem er ihn persönlich einführte. Dieser erhob am 7. August 1952 vor dem Landgericht Braunschweig namens des Klägers Klage gegen S… und dessen Braut mit dem Antrag, S… und Fräulein Sc… als Gesamtschuldner zur Zahlung von 250.000,– DM Zug um Zug gegen Auflassung der im Kaufvertrag vom 2. Januar/22. März 1952 bezeichneten Grundstücke zu verurteilen. Später ging der Kläger, nachdem er ergebnislos eine Frist nach § 326 BGB gesetzt hatte, zur Schadensersatzklage über. Das Landgericht wies die Klage durch Urteil vom 14. Januar 1953 mit der Begründung ab, daß der Kaufvertrag vom 2. Januar/22. März 1952 mangels notarieller Beurkundung der Bürgschaftserklärung nichtig sei. Die von dem Kläger hiergegen – in begrenztem Umfange – eingelegte Berufung blieb ergebnislos; der 2. Senat des Oberlandesgerichts Braunschweig wies die Berufung durch Urteil vom 10. März 1955 im Ergebnis zurück; er führte in den Entscheidungsgründen aus, daß zwar die Bürgschaftserklärung keiner notariellen Form bedurftehabe und der Kaufvertrag daher wirksam sei, daß aber der Kläger aus dem Gesichtpunkt des Mitverschuldens keinen Schadensersatz verlangen könne, weil er das Vertragsangebot angenommen habe, obwohl ihm bekannt gewesen sei, daß sein Vertragspartner den Vertrag nicht erfüllen könne. Die hiergegen eingelegte Revision führte zur Aufhebung des Berufungsurteils durch den Bundesgerichtshof. Dieser billigte in seiner Entscheidung vom 28. November 1956 den vom Oberlandesgericht eingenommenen Rechtsstandpunkt hinsichtlich des mitwirkenden Verschuldens nicht, führte aber weiter aus, daß die Schadensersatzklage gegen S… und Sc… möglicherweise deshalb scheitern müsse, weil der Kaufvertrag mangels notarieller Beurkundung der Bürgschaftserklärung u.U. nicht wirksam zustande gekommen sei; die Bürgschaftserklärung hätte jedenfalls dann der Form des § 313 BGB bedurft, wenn sie ein wesentlicher Bestandteil des Kaufvertrages habe sein sollen. Dies sei von dem Berufungsgericht noch zu klären. Nach eingehender Beweisaufnahme stellte das Oberlandesgericht fest, daß die Bürgschaftsübernahme ein wesentlicher Bestandteil des Kaufvertrages habe sein sollen, und wies demgemäß nunmehr durch Urteil vom 22. August 1957 die Berufung des Klägers zurück. Dieses Urteil hat der Kläger nicht mehr angefochten, sondern rechtskräftig werden lassen.

Der Kläger beziffert die ihm erwachsenen Kosten des Vorprozesses auf insgesamt 28.815,54 DM und meint, daß der Beklagte ihm diesen Betrag ersetzen müsse, weil er ihn falsch beraten habe. Darüber hinaus verlangt er von dem Beklagten noch weitere 7.681,93 DM. Hierbei handelt es sich um Geld, daß der Kläger dem früheren Landtagsabgeordneten D… deshalb vorgeschossen hat, weil D… nach Argentinien reisen und dort Vorpachtverträge für ihn abschließen sollte.

Der Kläger stützt seine Regreßansprüche einmal darauf, daß der Beklagte seine Amtspflichten als Notar schuldhaft verletzt habe. Zum anderen macht er geltend, daß der Beklagte auch als Anwalt für ihn tätig geworden sei und die ihm als Anwalt obliegenden Sorgfaltspflichten ebenfalls schuldhaft vernachlässigt habe. Der grundlegende Fehler des Beklagten habe darin bestanden, daß er bei der Verhandlung vom 2. Januar 1952 die unrichtige Auskunft gegeben habe, die Beurkundung der Bürgschaftserklärung verursache besondere Kosten. Der schwerwiegendste der zahlreichen weiteren Fehler sei der gewesen, daß er den Beteiligten die falsche Rechtsauskunft gegeben habe, der Kaufvertrag sei auch gültig, wenn die Bürgschaftserklärung nicht in der Form des § 313 BGB abgegeben werde, obwohl ihm bekannt gewesen sei, daß die Bürgschaftserklärung ein wesentlicher Bestandteil des Kaufvertrages habe sein sollen. Außerdem habe der Beklagte in dem Vorprozeß seine, des Klägers, Prozeßbevollmächtigte dahin instruiert, was vorgetragen werden solle. Seine Instruktionen seien aber so unvollständig gewesen, daß die Prozeßbevollmächtigten die Aussichten und Erfordernisse des Rechtsstreits unrichtig beurteilt hätten.

Der Kläger hat demgemäß beantragt, den Beklagten zur Zahlung von 36.497,47 DM nebst Zinsen zu verurteilen. Der Beklagte hat die Abweisung der Klage begehrt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die von dem Kläger hiergegen eingelegte Berufung ist erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Klageanspruch weiter. Der Beklagte bittet um die Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen ausgeführt:

Der Kläger habe den Nachweis dafür, daß der Beklagte bei der Führung des Vorprozesses anwaltschaftlich für ihn tätig geworden sei, nicht geführt. Aber auch aus seiner Tätigkeit als Notar sei er dem Kläger nicht schadensersatzpflichtig. Er habe den Beteiligten am 2. Januar 1952 zwar, wie die damals geltende Bestimmung des § 38 KostO a.F. zeige, eine falsche Auskunft über die Gebührenpflichtigkeit der Bürgschaftserklärung erteilt. Dieser Fehler sei aber keine adäquate Ursache des von dem Kläger geltend gemachten Schadens. Verlange ein Notar für einen notariellen Akt ungerechtfertigt hohe Gebühren, so sei die normale Folge die, daß der Mandant entweder von dem notariellen Akt Abstand nehme oder Gebühren bezahle, zu deren Entrichtung er nicht verpflichtet sei. Daß der Mandant, wie hier, eine Zwischenlösung wähle, indem er sich mit einer minderen Leistung des Notars zufrieden geben und dafür nur einen geringeren Gebührensatz entrichte, entspreche zwar nicht dem normalen Verlauf der Dinge, sei aber nach der Lebenserfahrung auch nicht gänzlich ausgeschlossen. Ein solcher Verlauf führe jedoch generell erfahrungsgemäß nicht dazu, daß der Mandant später mit den Kosten eines verlorenen Prozesses belastet werde, der sich aus dem eingeschränkten Notariatsakt entwickle. Hierfür sei die alleinige adäquate Ursache, daß der Notar einen weiteren – von dem Fehler in der Kostenberechnung völlig unabhängigen – Fehler in der Sache selbst begangen habe. Es lasse sich auch nicht der Standpunkt vertreten, daß die objektive Möglichkeit des späteren Prozeßverlustes durch die falsche Kostenberechnung generell erheblich erhöht worden sei, weil infolge der durch die falsche Kostenberechnung ausgelösten Änderungswünsche des Kaufinteressenten Stettin neue Fehlerquellen eröffnet worden seien. Eine solche Ansicht würde nur dann zutreffen, wenn die falsche Kostenberechnung eines Notars generell dazu führen würde, daß sich der Mandant des Notars zu einer Behelfslösung, wie sie die Beteiligten im vorliegenden Falle gefunden hätten, entschließe. Da das jedoch nicht der Fall sei, müsse davon ausgegangen werden, daß die falsche Kostenberechnung nur deshalb zu dem mit der Klage geltend gemachten Schaden des Klägers geführt habe, weil ganz besonders eigenartige, von der Norm abweichende Umstände zusammengetroffen seien. Adäquate Ursache sei die irrige Rechtsauskunft des Notars bezüglich der Formbedürftigkeit der Bürgschaftserklärung gewesen. Insoweit falle dem Kläger aber kein Verschulden zur Last. Jedenfalls könne er sich zu seiner Entschuldigung darauf berufen, daß der 2. Senat des Oberlandesgerichts in dem Vorprozeß selbst zunächst die Auffassung vertreten habe, die Wirksamkeit des Kaufvertrages sei nach den Umständen des Falles nicht von der notariellen Beurkundung der Bürgschaftserklärung abhängig gewesen. Eine sonstige Amtspflichtverletzung des Beklagten, die den Schadensersatzanspruch begründen könnte, sei nicht ersichtlich. Soweit der Kläger im übrigen die Reisekosten des Zeugen D… als Schaden geltend mache, müsse sein Ersatzanspruch schon an § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB scheitern. Der Kläger habe nicht dargetan, daß ihm insoweit kein anderweiter Ersatzanspruch, nämlich kein Anspruch auf Erstattung des Vorschusses durch D… selbst zustehe. Er habe im Gegenteil selbst vorgetragen, daß er dem Zeugen D… das Geld nur vorgeschossen habe, also einen Rückzahlungsanspruch habe. Zudem lasse sich den Bekundungen des Zeugen D… im Vorprozeß entnehmen, daß der Kläger bisher noch nicht versucht habe, sein Geld von Druck zurückzubekommen. Dafür, daß ein solcher Versuch aussichtslos sei, lägen keine Anhaltspunkte vor. Im übrigen wären die geltend gemachten Ansprüche jedenfalls verjährt. Von seinem Schaden habe der Kläger hinlängliche Kenntnis auf jeden Fall schon durch das erstinstanzielle Urteil des Vorprozesses erhalten, desgleichen von der Person des Ersatzpflichtigen, so daß die Verjährungsfrist des § 852 BGB spätestens am 6. Februar 1953 zu laufen begonnen habe; denn in diesem Zeitpunkt habe der Kläger spätestens von dem genannten Urteil Kenntnis erhalten.

II.

Die Revision des Klägers ist begründet.

1. a) Der Beklagte erteilte den an der Beurkundung des Kaufangebotes vom 2. Januar 1952 beteiligten Personen während des Beurkundungsvorganges die mit § 38 Abs. 1 KostO a.F. in Widerspruch stehende, also unrichtige Auskunft, daß die Beurkundung der Bürgschaftserklärung durch ihn besondere Kosten verursache. Er verletzte damit schuldhaft, nämlich zumindest fahrlässig, eine ihm als Notar obliegende Amtspflicht, und zwar auch gegenüber dem Kläger. Es kann zwar zweifelhaft sein, ob der Beklagte nach den damals geltenden §§ 30, 38 DOfNot als Notar von sich aus dazu verpflichtet war, Auskunft über die kostenrechtlichen Folgen der Beurkundung der Bürgschaftserklärung zu geben. Erteilte er sie aber, sei es auf Befragen, sei es ungefragt, so ergab sich für ihn daraus die Amtspflicht zur richtigen Auskunft, zumal die Beteiligten für ihn erkennbar schließlich davon die Entscheidung abhängig machten, ob sie die – nach seiner weiteren Auskunft der Form des § 313 BGB nicht bedürftige – Bürgschaftserklärung notariell beurkunden lassen sollten oder nicht. Erteilt ein Beamter dienstlich eine Auskunft, so muß sie, gleichgültig, ob sie aus einer rechtlichen Verpflichtung zur Auskunftserteilung oder freiwillig abgegeben wird, sachgerecht, also, soweit sie, wie hier, eine Auskunft über einfach gelagerte Rechtsfragen ist, richtig sein. Die dahingehende Amtspflicht beruht auf der hoheitsrechtlichen Fürsorgepflicht gegenüber jedem Dritten, in dessen Interesse die Auskunft erteilt wird (BGHZ 14, 319, 321). Entsprechendes gilt, sei es auf Grund der allgemeinen hoheitsrechtlichen Fürsorgepflicht, sei es auf Grund der besonderen Vorschriften des § 30 oder des § 38 DOfNot für die von dem Beklagten am 2. Januar 1952 während des Beurkundungsgeschäfts erteilten Auskünfte. Insbesondere bestand die Amtspflicht des Beklagten zur richtigen Auskunftserteilung auch gegenüber dem Kläger. Einmal war dieser selbst Beteiligter im Sinne des Beurkundungsrechts, weil er in der Urkunde vom 2. Januar 1952 vor allem seine Erklärung niederlegen ließ, für den Fall der Annahme des Vertragsangebots werde er das Kaufanwesen bis zur Übergabe wie ein Eigentümer bewirtschaften, im Falle der Nichtannahme aber werde er die Hälfte der Kosten des Angebotes tragen. Zum anderen war er nicht nur an der Kostenfrage als solcher, sondern mit Rücksicht darauf, daß S… mit seiner Zustimmung im Hinblick auf die beiden Auskünfte des Notars wegen der Kostenfrage von der notariellen Beurkundung der Bürgschaftserklärung Abstand nahm, auch unter dem Gesichtspunkt des wirksamen Zustandekommens des Kaufangebotes an einer richtigen Kostenauskunft interessiert (vgl. hierzu auch BGHZ 19, 5, 9; 27, 274, 275; 31, 5, 10 und Saage, Bundesnotarordnung – 1961 – § 19 Anm. 4).

b) Nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts war die unrichtige Kostenauskunft des Beklagten in Verbindung mit der weiteren Auskunft, daß der Kaufvertrag zu seiner Wirksamkeit nicht der notariellen Beurkundung der Bürgschaftserklärung bedürfe, die Ursache für den Entschluß der Beteiligten, die Bürgschaftserklärung nur in privatschriftlicher Form niederzulegen, und damit für die spätere Feststellung der Nichtigkeit des Kaufvertrages und der darauf beruhenden Abweisung der Klage des Vorprozesses. Der erkennende Senat tritt der Ansicht des 5. Zivilsenats in der Entscheidung vom 28. November 1956 über die Voraussetzungen der unter § 313 BGB fallenden Formbedürftigkeit einer Bürgschaftserklärung bei. Er teilt weiter die Auffassung des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Braunschweig im Urteil vom 22. August 1957, daß hiernach die Gültigkeit des Kaufvertrages von der Wahrung der Form des § 313 BGB auch hinsichtlich der Bürgschaftserklärung abhängig war, weil diese ein wesentlicher Bestandteil des Kaufvertrages habe sein sollen. Hiernach sind jedenfalls die – von dem Beklagten der Höhe nach bestrittenen – Kosten des Vorprozesses, soweit ihre Aufwendung, was noch zu prüfen sein wird, sachgerecht war, eine natürliche Schadensfolge der schuldhaft irrigen Auskunft des Beklagten über die Gebührenpflichtigkeit der Bürgschaftserklärung; hätte der Notar die zutreffende Auskunft gegeben, daß die Bürgschaftserklärung keine besonderen Gebühren auslöse, oder hätte er, wenn er nicht befragt wurde, darüber überhaupt nichts verlauten lassen, so hätten es die Beteiligten nach den Feststellungen des Berufungsgerichts bei der Hereinnahme der Bürgschaftserklärung in das notarielle Kaufangebot vom 2. Januar 1952 belassen mit der Folge, daß dann der Kaufvertrag wirksam gewesen wäre. Außerdem hätte der Kläger wenigstens nach seiner – bestrittenen – Sachdarstellung sodann den Vorschuß an den Zeugen D… nicht umsonst ausgegeben. Dies hat im wesentlichen auch das Berufungsgericht nicht verkannt.

c) Hingegen kann die Auffassung des Oberlandesgerichts, die Kostenlast des Klägers sei schlechthin nicht eine adäquate Folge der falschen Kostenauskunft des Beklagten, erheblichen Bedenken begegnen.

Des näheren Eingehens hierauf bedarf es jedoch nicht, weil den Beklagten auf jeden Fall auch insoweit ein Verschulden trifft, als er die unrichtige Auskunft gab, die Gültigkeit des Veräußerungsvertrags setze die Hereinnahme der Bürgschaftserklärung in die notarielle Urkunde nicht voraus.

Das Berufungsgericht geht – mit dem Beklagten – davon aus, daß dieser zur Klärung der Rechtsfrage, ob die Bürgschaftserklärung in die notarielle Urkunde aufgenommen werden müsse, ihm zugängliche Erläuterungsbücher zum Bürgerlichen Gesetzbuch pflichtgemäß herangezogen hat. Hierzu bestand aller Anlaß. Dabei mußte der Beklagte, etwa auf Grund der Ausführungen in der 9. Auflage (1951) des Palandt'schen Erläuterungsbuches auf die Entscheidung des Reichsgerichts in RGZ 140, 335 stoßen und ihr Rechnung tragen. Dann aber mußte er – nach der gebotenen Lektüre dieser Entscheidung – zumindest Zweifel an der Richtigkeit der Meinung haben, die Gültigkeit des Kaufvertrages erfordere die notarielle Beurkundung einer Bürgschaft für die Kaufpreisschuld auch dann nicht, wenn die Bürgschaft, wie hier, nach dem Willen der Beteiligten Bestandteil des Veräußerungvertrages sein sollte; insbesondere konnten diese Zweifel nicht dadurch ausgeräumt werden, daß damals einige Erläuterungswerke gerade unter Bezugnahme auf RGZ 140, 335 ohne Begründung diese Auffassung teilten. Unter diesen Umständen mußte sich der Notar, wenn er noch dazu bedachte, wie geringfügig in ihrer Bedeutung die Frage nach besonderen Kosten der Bürgschaftserklärung im Vergleich zu dem Interesse der Parteien an der Wirksamkeit des Kaufvertrages war, für verpflichtet ansehen, die Beteiligten, zumal diese ihn um Auskunft über die einzuhaltende Frage gebeten hatten, auf die Zweifelhaftigkeit der Rechtsfrage hinzuweisen und darauf hinzuwirken, daß die Form des § 313 BGB als der sicherere Veg zur Verwirklichung des Vertragswillens der Beteiligten gewahrt wurde. Auf diese – aus § 30 DOfNot (vgl. jetzt § 31 BNotO) ohne weiteres abzuleitende – Amtspflicht des Notars hatte, was der Beklagte wissen mußte, schon das Reichsgericht wiederholt hingewiesen (vgl. RGZ 148, 321, 325). Sie ist auch von dem erkennenden Senat später öfters hervorgehoben worden (vgl. die Entscheidungen vom 3. November 1955 – III ZR 62/54, insoweit in NJW 1956, 140 nicht abgedruckt, und vom 13. März 1958 – III ZR 197/56 = VersR 1958, 329 und WM 1958, 759). Jedenfalls für den Revisionsrechtszug ist nach dem bisherigen Sachvortrag der Parteien unter Berücksichtigung der Lebenserfahrung davon auszugehen, daß die Beteiligten, wenn sie in der angegebenen Weise belehrt worden wären, auch für die Bürgschaftserklärung, ungeachtet des vermeintlichen Kostenmehraufwandes, die Form des § 313 BGB gewählt hätten.

Das Verschulden des Notars in diesem Punkte kann auch nicht mit dem Hinweis ausgeräumt werden, daß das Oberlandesgericht in den Gründen seines Urteils vom 10. März 1955 die Auffassung vertrat, die Hereinnahme der Bürgschaftserklärung in die notarielle Urkunde sei nicht erforderlich, weil die Bürgschaftserklärung schon geraume Zeit vor der Annahme des Antrags vom 2. Januar 1952 durch den Kläger abgegeben worden sei, der Käufer also seine Verpflichtung zur Beibringung einer Bürgschaft schon vor Abschluß des Veräußerungsvertrages erfüllt gehabt habe. Abgesehen davon, daß dieser Gedankengang, wie sich schon aus den Ausführungen des Bundesgerichtshofs im Urteil vom 28. November 1956 ergibt, dem Erfordernis sorgfältiger Prüfung nicht entspricht – und nur dann ist die Auffassung eines Kollegialgerichts über das Vorliegen einer objektiven Amtspflichtverletzung für die Verschuldensfrage von Bedeutung –, ist in dem Urteil vom 10. März 1955 keinesfalls zum Ausdruck gebracht, daß der Beklagte seine Amtspflicht, den für alle Beteiligten sichersten Weg zu wählen, auch objektiv nicht verletzte.

Der beklagte Notar hat also die Schadensfolgen seiner Amtspflichtverletzung nach Maßgabe des § 21 RNotO in Verbindung mit § 839 BGB zu vertreten.

2. Die Revision rügt weiter die Aufassung des Berufungsgerichts zu Recht, daß der Amtshaftungsanspruch nach § 21 RNotO in Verbindung mit § 852 Abs. 1 Halbs. 1 BGB verjährt sei.

Die dreijährige Verjährungsfrist beginnt, wie das Berufungsgericht gleichfalls dargelegt hat, in dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Geschädigte die Tatsachen kennt, die es ihm ermöglichen, gegen den Schädiger mit einiger Aussicht auf Erfolg wenigstens auf Feststellung der Schadensersatzpflicht zu klagen, mag auch die Klage noch mit einem gewissen Risiko belastet und die unbedingte Sicherheit des Erfolgs der Feststellungsklage noch nicht gegeben sein (BGH VersR 1959, 274; RGZ 119, 207; 142, 348).

Der Kläger mag hiernach, wie das Berufungsgericht angenommen hat, schon nach Erlaß des landgerichtlichen Urteils im Vorprozeß, durch daß eine Klage gegen S… und Sc… wegen Formnichtigkeit des Kaufvertrages abgewiesen wurde, hinreichende Kenntnis von dem schon eingetrotenen oder ihm doch drohenden Schaden gehabt haben. Es kann auch zweifelhaft sein, ob die Auffassung der Revision, von einer einigermaßen ausreichenden Erfolgsaussicht wenigstens einer Feststellungsklage gegen den Beklagten im Zeitpunkt nach Erlaß des landgerichtlichen Urteils im Vorprozeß könne im Hinblick auf die Gründe des oberlandesgerichtlichen Erkenntnisses vom 10. März 1955 nicht gesprochen werden, nicht eine zu mißbilligende Ausweitung des oben wiedergegebenen Rechtsgrundsatzes über den Beginn des Laufs der dreijährigen Verjährungsfrist des § 852 BGB darstellt (vgl. BGH VersR 1957, 181/2). Entscheidend ist, daß dem Kläger solange die Erhebung auch nur einer Feststellungsklage gegen den Beklagten nicht zumutbar war, als er keine hinlängliche Kenntnis davon hatte, daß das Verschulden des Notars festgestellt werden könnte; denn auch davon hing der Erfolg seiner Amtshaftungsklage ab (vgl. RGZ 168, 214, 221 f). Unter diesem Gesichtspunkt bot aber eine Amtshaftungsklage gerade nach dem Urteil des Landgerichts im Vorprozeß keine hinlängliche Aussicht auf Erfolg; denn das Landgericht führte damals in den Gründen seiner Entscheidung aus, daß den Notar kein Verschulden treffe. Dafür, daß der Kläger schon drei Jahre vor Erhebung der gegenwärtigen (am 17. Dezember 1957 eingereichten und am 2. Januar 1958 zugestellten) Klage ausreichende Kenntnis von den Umständen hatten, die die Feststellung des Verschuldens des Notars rechtfertigen würden, fehlen gegenwärtig Anhaltspunkte.

Aber selbst wenn der Amtshaftungsanspruch verjährt wäre, so ergäbe sich doch die – auf Grund des Tatsachenvertrages der Parteien von Amts wegen aufzuwerfende – weitere Frage, ob die Berufung des Beklagten auf den Ablauf der Verjährungsfrist nicht gegen Treu und Glauben verstieße. Die Revision rügt insoweit mit Recht, daß das Berufungsgericht die noch im Berufungsverfahren (vgl. Berufungsbegründungsschrift vom 11. Oktober 1958 S. 1-2) unter Beweis gestellte Behauptung des Klägers nicht würdigte, der Beklagte habe ihn nach Kenntnisnahme von dem landgerichtlichen Urteil vom 14. Januar 1953 unter Vorlage einer für die Klage günstigen Rechtsauskunft seines Versicherers geradezu dazu veranlaßt, gegen das Urteil Berufung einzulegen. Die dahingehende Behauptung des Klägers ist durch dessen weiteren Sachvortrag, wie sich u.a. aus den Schriftsätzen vom 19. Januar 1960 (S. 12, 13 u. 17) und vom 4. April 1960 (S. 8 u. 9) ergibt, nicht gegenstandslos geworden. Der Kläger hat damit schlüssig einen Sachverhalt vorgetragen und unter Beweis gestellt, der die Einrede der Verjährung als arglistig erscheinen läßt, auch wenn der Beklagte den Kläger zur Berufung nicht im Rahmen anwaltschaftlicher Beratung oder in Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Fürsorgepflicht als Notar, sondern ausschließlich im eigenen Interesse ohne anwaltschaftliche Bindung veranlaßte (vgl. hierzu RG DNotZ 1937 Nr. 261).

3. Das angefochtene Urteil läßt sich auch nicht mit anderer Begründung halten.

Dies gilt insbesondere hinsichtlich des Anspruchs auf Ersatz der Reiseauslagen an D… in Höhe von 7.681,93 DM. Der Kläger hat vorgetragen, daß er diesen Vorschuß an D… im Vertrauen auf die Gültigkeit des Kaufvertrages geleistet hat und daß weiterhin dieser Vorschuß sich für ihn gelohnt hätte, wenn der Kaufvertrag hätte vollzogen werden können. Gewiß gab der Kläger dem Zeugen D… den Betrag zunächst nur, wie das Berufungsgericht hervorhebt, vorschußweise. Die daraus vom Oberlandesgericht gezogene Folgerung, der Kläger habe deshalb gegen D… einen Erstattungsanspruch und müsse sich demzufolge, wenn überhaupt ein Schaden eingetreten sein sollte, die Vorschrift des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB entgegenhalten lassen, ist aber nicht frei von sachlich-rechtlichem Irrtum.

Allerdings vermag der erkennende Senat die Auffassung der Revision nicht zu billigen, § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB könne überhaupt nicht zur Anwendung kommen, weil die Verletzung der Betreuungspflicht nach § 26 RNotO in Betracht komme und deshalb gemäß § 21 Abs. 1 Satz 3 RNotO die Vorschrift des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht anwendbar sei; denn von der Betreuung durch Beratung im Sinne des § 26 RNotO kann, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, dann nicht die Rede sein, wenn die Beratung, sei es auf Befragung, sei es von Amts wegen, aus Anlaß einer Beurkundung erfolgt, also nicht ein davon völlig gelöster selbständiger Auftrag hierzu vorliegt (ebenso Seybold-Honig-Lemmens, Reichsnotarordnung, 3. Aufl. Anm. I 1 u. 3 zu § 26 RNotO). Wohl aber hat das Berufungsgericht § 670 BGB unbeachtet gelassen. Der Kläger hat vorgetragen und unter Berufung auf die Aussage des Zeugen D… im Vorprozeß im Wege des Urkundenbeweises unter Beweis gestellt – das Berufungsgericht hat sich selbst auf die Aussage des Zeugen D… bezogen –, daß D… seinen Auftrag ausgeführt habe. War dies der Fall, so hatte D… nach § 670 BGB einen Anspruch auf Ersatz seiner Reisekosten mit der weiteren Folge, daß der nach § 669 BGB von dem Kläger geleistete Vorschuß verbraucht war. D… selbst hat bekundet (vgl. S. 6 der Niederschrift vom 29. Juni 1957 Bd. III Bl. 431 R der Akten 2 O 145/52 LG Braunschweig), daß er im Falle der klageweisen Geltendmachung eines Rückzahlungsanspruchs durch den Kläger wohl einwenden werde, daß er den ihm erteilten Auftrag ausgeführt habe.

Ebensowenig ist nach dem derzeitigen Sachvortrag der Parteien ein Anhalt dafür vorhanden, daß dem Kläger gegen seine Prozeßbevollmächtigten im Vorprozeß wegen schuldhafter Verletzung der anwaltschaftlichen Beratungspflicht ein Anspruch auf Ersatz aller Kosten des Vorprozesses erwachsen ist mit der Folge, daß insoweit jedenfalls nach § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB kein Ersatzanspruch gegen den beklagten Notar besteht. Sollte das Berufungsgericht zu der Auffassung gelangen können, daß der Kläger ganz oder zum Teil an sich einen anderweiten Anspruch gegen seine Prozeßbevollmächtigten erworben hat, so hätte es insbesondere zu prüfen, ob dessen Berücksichtigung nicht insoweit gegen Treu und Glauben verstoßen würde, als der Beklagte dem Kläger zur Führung des Vorprozesses geraten haben sollte.

Hiernach ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, ohne daß es des Eingehens darauf bedürfte, ob, wie die Revision weiter geltend macht, die Auffassung des Berufungsgerichts, der Beklagte sei nur als Notar, nicht aber als Anwalt für den Kläger tätig geworden, frei von Verfahrensverstößen – wie die Revision rügt – ist.

 

Unterschriften

Dr. Pagendarm, Dr. Kreft, Gähtgens, Keßler, Schäfer

 

Fundstellen

Haufe-Index 1384493

NJW 1962, 586

DNotZ 1962, 263

VerwRspr 1962, 191

VerwRspr 1962, 689

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