Verfahrensgang

OLG Düsseldorf (Urteil vom 20.02.1969)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Düsseldorf vom 20. Februar 1969 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage in Höhe von 16.432 DM nebst Zinsen abgewiesen worden ist.

In diesem Umfang wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Kläger war gemäß dem schriftlichen Vertrag vom 22. Juni 1961 damit betraut, als Handelsvertreter die Erzeugnisse der Beklagten in einem bestimmten Bezirk zu vertreiben. In § 3 Abs. 1–3 des Vertrags sind je nach der Art der Erzeugnisse und der Höhe der Auftragssummen verschiedene Provisionssätze festgelegt. Die Absätze 8 bis 11 des § 3 haben folgenden Wortlaut:

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Provisionspflichtig sind auch solche Aufträge, die direkt an L., also ohne Vermittlung oder Mitarbeit von Herrn St. erteilt werden.

9

Provisionspflichtig in voller Höhe sind nur solche Aufträge, die im Bezirk von Herrn St. erteilt und ausgeführt werden, also keine Aufträge, die in einem anderen Bezirk vergeben, aber im Bezirk von Herrn St. ausgeführt werden.

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Sollte ein Fall eintreten, in dem die Mitwirkung eines Vertreters aus einem anderen Gebiet zweckmäßig ist, dann wird die Provision zu gleichen Teilen aufgeteilt.

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Aufträge, die im Bezirk von Herrn St. vergeben, aber im Ausland ausgeführt werden, sind nicht provisionspflichtig. In besonders gelagerten Fällen, in denen die Mitarbeit von Herrn St. zweckmäßig ist, sind hinsichtlich einer Provisionszahlung Sondervereinbarungen von Fall zu Fall zu treffen. Generell soll der Provisionssatz jedoch nicht über 50 % der normalen Sätze liegen.

Im Jahre 1962 vermittelte der Kläger der Beklagten einen Auftrag der Wi.-AG in K. für deren Raffinerie in Salzbergen über zwei Kesselanlagen. K. und Salzbergen liegen außerhalb des Bezirks des Klägers. Die Beklagte zahlte dem Kläger für diesen Auftrag die volle in § 3 des Vertrages vorgesehene Provision. Im Jahre 1964 führt die Beklagte einen weiteren Auftrag der Wi.-AG für die Raffinerie Salzbergen aus und im Jahre 1965 einen Auftrag für die Tochtergesellschaft der Wi.-AG, die Bu.-Ka.werke-AG in K., und zwar für deren Werk in G. bei H., das im Bezirk des Klägers liegt. Diese beiden Aufträge hat der Kläger nicht vermittelt. Für sie zahlte die Beklagte ihm nur 50 % der vollen Provision, nämlich im ersten Fall 10.495,50 DM und im zweiten Fall 5.936,50 DM.

Der Kläger hat u.a. die weiteren Provisionshälften für diese beiden Aufträge, nämlich 10.495,50 + 5.936,50, zusammen 16.432 DM nebst Zinsen eingeklagt.

Das Landgericht hat ihm den ersten Betrag aberkannt, den zweiten zugesprochen. Das Oberlandesgericht hat beide Ansprüche abgewiesen.

Mit der Revision verfolgt der Kläger diese Ansprüche weiter. Die Beklagte bittet, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

1. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, bei Auslegung des Vertrages nach Treu und Glauben und bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise sei davon auszugehen, daß der Kläger für die beiden hier streitigen Aufträge, bei denen es sich um sogenannte Nachbestellungen im Sinne des § 87 Abs. 1 Satz 1 2. Fall HGB handele, dem Grunde nach Provisionsansprüche habe.

Diese Ausführungen sind rechtlich nicht zu beanstanden, im übrigen dem Kläger und Revisionskläger günstig.

2. Das Berufungsgericht meint, die Bestimmung der Höhe der Provisionen für diese Aufträge stehe mangels einer die vorliegenden Fälle treffenden vertraglichen Regelung gemäß den §§ 315, 316 BGB dem Kläger zu. Dessen Begehren auf Zahlung der vollen Provision entspreche aber nicht der Billigkeit. Die Bestimmung sei daher durch Urteil zu treffen. Eine Provision von 50 % der vereinbarten normalen Sätze entspreche bei Berücksichtigung der in dem § 3 Abs. 9–11 des Vertrages enthaltenen Bestimmungen billigem Ermessen.

3. Die Anwendung der §§ 315, 316 BGB durch das Berufungsgericht kann nicht gebilligt werden.

Der Revision ist zwar nicht darin zu folgen, daß hier gem. § 87 b HGB auf die übliche Provision hätte abgestellt werden müssen. Das kommt nicht in Betracht, weil die Höhe der regelmäßigen Provision im Vertrag bestimmt ist.

Die Revision weist aber mit Recht darauf hin, daß die §§ 315 ff BGB nur im Zweifel gelten. Die Annahme, daß der Unternehmer sich einer Bestimmung der Höhe der Provision durch den Handelsvertreter unterwerfen wolle, liegt sowohl allgemein als gerade im vorliegenden Fall recht fern.

4. Der Tatrichter hätte hiernach prüfen müssen, ob der Kläger die volle für den Regelfall vorgesehene Provision oder im Hinblick auf eine vertragliche Sonderregelung nur einen geringeren Provisionssatz beanspruchen kann. Dabei ist davon auszugehen, daß, wenn im Vertrag bestimmte Provisionen festgelegt sind, diese gelten, soweit nicht für besondere Fälle der Vertrag etwas anderes bestimmt (vgl. Schröder, Recht der Handelsvertreter § 87 b Anm. 2 a).

Der erkennende Senat hätte keine Bedenken gehabt, seiner Entscheidung die Auslegung der Vertragsbestimmungen zugrunde zu legen, die das Berufungsgericht bei der Billigkeitsprüfung nach den §§ 315, 316 BGB vorgenommen hat. Dieses hat aber bei seiner Auslegung, wie die Revision mit Recht rügt, wesentliche Umstände nicht berücksichtigt.

a) Unstreitig war der Kläger sowohl bei Abschluß des Handelsvertretervertrages als zur Zeit der hier streitigen Aufträge der Firma Wintershall der einzige Handelsvertreter der Beklagten. Die Bestimmungen des § 3 Abs. 9 und 10 des Vertrages legen die Annahme nahe, daß die Beklagte im Falle der Beteiligung mehrerer Vertreter am Zustandekommen eines Geschäfts die Zahlung doppelter Provisionen vermeiden wollte. Eine derartige Mehrbelastung der Beklagten kam hier aber nicht in Betracht, da sie keinen anderen Handelsvertreter als den Kläger hatte. Eine den Handelsvertreter unterstützende Tätigkeit des Unternehmers selbst oder seiner Angestellten wird im allgemeinen nicht zu einer Einschränkung des Provisionsanspruchs führen (vgl. dazu Schröder, Recht der Handelsvertreter § 87 b Anm. 2 am Ende).

b) Der § 3 Abs. 11 Satz 1 des Vertrages spricht, wie die Revision ebenfalls zutreffend anführt, nur von im Ausland ausgeführten Aufträgen. Es bedarf der Prüfung, ob Satz 3 des Abs. 11, auf den sich das Berufungsgericht stützt, nicht nur für Auslandsgeschäfte gilt oder ob es auch auf nicht im Bezirk des Klägers erteilte, aber ausgeführte Aufträge anwendbar ist. Das Berufungsgericht hat ferner nicht berücksichtigt, daß in Absatz 11 S. 2 von besonders gelagerten Fällen die Rede ist, in denen eine Mitarbeit des Klägers zweckmäßig sei. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Den ersten Auftrag von Wintershall hat der Kläger hereingebracht; es wird insoweit kaum von bloßer „Mitarbeit” des Klägers im Sinne der Nr. 11 gesprochen werden können. Die Beklagte hat die Tätigkeit des Klägers auch mit der vollen Provision entlohnt. Bei den hier streitigen späteren Aufträgen, hat der Kläger unstreitig nicht mitgewirkt. Er stützt die eingeklagten Provisionsansprüche nicht auf Mitarbeit, sondern darauf, daß es sich um Nachbestellungen von ihm geworbener Kunden im Sinne des § 87 Abs. 1 Satz 1 zweiter Fall handele.

c) Im Schrifttum wird die Auffassung vertreten, auch ein Bezirksvertreter habe, wenn er mit Zustimmung des Unternehmers außerhalb seines Bezirks tätig werde, in der Regel den vollen Provisionsanspruch nach § 87 Abs. 1 HGB (vgl. Schröder, Recht der Handelsvertreter § 87 Anm. 30, 31 c und in Betrieb 1963 S. 541, 542). Nach dieser Vorschrift hat der Handelsvertreter auch ohne Mitwirkung im Einzelfall Anspruch auf Zahlung der vollen vertraglich vereinbarten Provision für Geschäfte, die der Unternehmer mit Kunden abschließt, welche der Handelsvertreter für Geschäfte der gleichen Art geworben hatte. Damit stehen die Ausführungen des Berufungsgerichts (Seite 11), in denen es die fehlende Mitwirkung des Klägers bei den streitigen Aufträgen als wesentlich ansieht, nicht recht in Einklang.

d) Maßgebend ist aber in erster Linie, ob die Parteien die nicht zwingende gesetzliche Regelung durch vertragliche Vereinbarungen abbedungen haben, was erforderlichenfalls durch ergänzende Vertragsauslegung zu ermitteln ist, oder ob die gesetzliche Regelung des § 87 Abs. 1 Satz 1 HGB eingreift.

5. Das angefochtene Urteil ist hiernach im Kostenpunkt und, soweit es mit der Revision angefochten ist, nämlich soweit die Klage in Höhe von 16.432 DM abgewiesen worden ist, aufzuheben. Im Umfang der Aufhebung ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dieses wird auch über die Kosten der Revision zu befinden haben.

 

Unterschriften

Erbel, Vogt, Finke, Mormann, Schmidt

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1237735

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