Verfahrensgang
OLG Bremen (Urteil vom 17.11.1988) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen vom 17. November 1988 aufgehoben, soweit das Rechtsmittel durch Beschluß des Senats vom 9. Januar 1990 angenommen worden ist. In diesem Umfang wird der Rechtsstreit zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Beklagte zu 1, deren persönlich haftender Gesellschafter der Beklagte zu 2 ist, betreibt eine Holzhandlung und ein Sägewerk. Sie bestellte für ihr Unternehmen im Februar 1984 in zwei aufeinander abgestimmten getrennten Verträgen einerseits eine Computer-Zentraleinheit nebst Zubehör (Hardware) und andererseits mehrere EDV-Programme (Software). Der Software-Vertrag umfaßte bei einem Gesamtpreis von 37.000,– DM zuzüglich MWSt. die Lieferung von fünf verschiedenen Standard-Programmen mit Einarbeitung umfangreicher individueller Änderungen, die in einer dem Vertrag beigefügten Zusatzvereinbarung näher beschrieben waren. Die beiden ersten Programme (Finanzbuchhaltung sowie Lohn- und Gehaltsabrechnung) wurden von der Klägerin mängelfrei geliefert, von den Beklagten abgenommen und mit dem hierfür ausgeworfenen Teilbetrag von 5.000,– DM zuzüglich MWSt. bezahlt. Die Bezahlung der weiteren – von den Beklagten nicht abgenommenen – Programme in Höhe von 32.000,– DM zuzüglich MWSt. ist Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits. Das dritte im Software-Vertrag bezeichnete Programm nebst individuellen Änderungen und Ergänzungen (HBS I – Holz- und Baustoffsystem) lieferte die Klägerin zwar aus, erfüllte ihre Verpflichtungen insoweit aber weder vollständig noch mängelfrei. In welchem Umfang die von den Beklagten erhobenen Rügen berechtigt waren, ist streitig. Die Klägerin stellte die Arbeiten zur mangelfreien Fertigstellung des Programms ein, als die Beklagten die Bezahlung des HBS I-Programms und der unten zu Ziffer 2 bis 5 bezeichneten weiteren Leistungen verweigerten und in größerem Umfang Anforderungen an die Leistungsfähigkeit des HBS I-Programms stellten, die nach Auffassung der Klägerin nicht Vertragsinhalt waren. Die Entgegennahme des vierten im Vertrag vorgesehenen Programms (Rundholzeinkauf) vor einer aus ihrer Sicht befriedigenden Abwicklung des HBS I-Programms lehnten die Beklagten ausdrücklich ab. Die Klägerin hat sich im vorliegenden Prozeß erboten, die vom gerichtlichen Sachverständigen festgestellten Mängel und Unvollständigkeiten zu beseitigen. Die Beklagten haben sich darauf nicht eingelassen und schließlich erklärt, sie seien an weiteren Leistungen der Klägerin nicht mehr interessiert; ein Festhalten am Vertrag sei ihnen nicht mehr zuzumuten.
Die Klägerin verlangt mit der Klage
Restzahlung aus dem Software-Vertrag von Februar 1984 in Höhe von 36.480, – DM (32.000,– DM zuzüglich Mehrwertsteuer).
Die Klägerin hat mit der Klage für von ihr erbrachte Leistungen zusätzlich folgende Zahlungen verlangt, deren Berechtigung die Beklagten bestritten haben:
- Frachtkosten in Höhe von 1.995,– DM für die nach dem Hardware-Vertrag von Februar 1984 gelieferte Ware,
- für die Lieferung weiteren Zubehörs insgesamt 9.296,91 DM,
- für zusätzliche Software-Änderungen gemäß Bestellung vom 20. September 1984 Zahlung in vereinbarter Höhe von 4.560,– DM (4.000,– DM zuzüglich MWSt.),
- für eine Hardware-Reparatur im Dezember 1984 weitere 3.203,40 DM.
Das Landgericht hat der Klage hinsichtlich der Teilforderungen zu Ziffer 2, 3 und 5 stattgegeben und im übrigen mit der Begründung abgewiesen, die Software-Ansprüche seien noch nicht fällig, da die Leistungen der Klägerin insoweit weder vollständig und mängelfrei noch abgenommen seien.
Auf die Berufung beider Parteien hat das Oberlandesgericht das erstinstanzliche Urteil teilweise abgeändert. Es hat die Teilforderung zu Ziffer 2 in vollem Umfang, die Teilforderung zu Ziffer 3 in Höhe von 3.824,91 DM und die Teilforderung zu Ziffer 5 in Höhe von 2.261,76 DM als begründet angesehen; insoweit die Berufung der Beklagten zurückgewiesen, die weitergehende Klage jedoch abgewiesen. Die gegen die Zurückweisung der Berufung der Beklagten eingelegte Revision hat der Senat nicht angenommen.
Die oben zu Ziffer 1 und 4 bezeichneten Teilforderungen hat das Oberlandesgericht im wesentlichen für begründet angesehen, an diesen jedoch einen Abzug in Höhe von 5.376,– DM vorgenommen und der Klage insoweit in einem entsprechend verminderten Umfang stattgegeben. Dagegen richtet sich die vom Senat angenommene Revision der Beklagten.
Entscheidungsgründe
Soweit die Revision angenommen worden ist, führt sie zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht (§ 565 Abs. 1 ZPO). Das betrifft die im Tatbestand dieses Urteils zu 1. und 4. bezeichneten Teilforderungen abzüglich des vom Berufungsgerichts rechtskräftig aberkannten Teilbetrages von 5.376,– DM.
I.
Die Zahlungsansprüche aus dem ursprünglichen Software-Vertrag von Februar 1984 und aus dem Vertrag über zusätzliche Änderungen vom 20. September 1984 werden im angefochtenen Urteil im wesentlichen mit folgender Begründung zugesprochen:
Zwar habe die Beklagte zu 1 die vereinbarten Leistungen nicht abgenommen und die Leistungen seien auch nur unvollständig und mangelhaft erbracht worden. Die geltend gemachten Werklohnansprüche seien jedoch gegenüber der Beklagten zu 1 als Auftraggeberin und gegenüber dem Beklagten zu 2 als persönlich haftendem Gesellschafter der ersteren deswegen begründet und fällig, weil die Beklagten endgültig die Abnahme der noch ausstehenden Leistungen der Klägerin verweigert hätten. Dazu seien sie nicht berechtigt gewesen. Ein Verzug der Klägerin, welcher den Beklagten ein Recht gegeben hätte, vom Vertrag zurückzutreten oder Schadenersatz wegen Nichterfüllung geltend zu machen, habe nicht vorgelegen; zumindest könnten die Beklagten sich darauf nicht berufen.
Die Klägerin habe nämlich weitere Leistungen deswegen zurückgehalten und zurückhalten dürfen, weil die Beklagten ihrerseits nicht nur die Erfüllung berechtigter Zahlungsansprüche aus Lieferung und Reparatur von Hardware verweigert, sondern auch die Abnahme der Software-Leistungen von der Erfüllung unberechtigter zusätzlicher Forderungen abhängig gemacht und damit beharrlich den Vertrag verletzt hätten. Unberechtigt sei insbesondere das Verlangen gewesen, im Rahmen der bestehenden Vereinbarung (ohne zusätzliche Vergütung) ein Programm für die Speditions- und Provisionsabrechnung zu erstellen, ein umfassendes Textverarbeitungsprogramm zu liefern und eine „Auftragsübergabe zum Kapphaus” zu installieren.
Die Klägerin müsse sich in entsprechender Anwendung der §§ 324 Abs. 1 Satz 2, 649 Satz 2 BGB von der vereinbarten Vergütung lediglich die Kosten abziehen lassen, die sie wegen Nichtdurchführung des Vertrages erspart habe. Insoweit hat das Berufungsgericht einen Abzug in Höhe von 5.376,– DM errechnet.
II.
Die gegen das Berufungsurteil gerichteten Angriffe der Revision sind zum Teil begründet und nötigen im Ergebnis zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.
1. Zutreffend geht das Berufungsurteil davon aus, daß der vorliegende Software-Vertrag im Hinblick auf die vereinbarten umfangreichen individuellen Änderungen und Ergänzungen der Programme nach Werkvertragsrecht zu beurteilen ist, daß die Fälligkeit des werkvertraglichen Vergütungsanspruchs nach §§ 632, 641 BGB grundsätzlich die Abnahme der Werkleistung voraussetzt, daß diese Voraussetzung im vorliegenden Fall nicht erfüllt ist und die Leistung der Klägerin in der vorliegenden Form auch weder vollständig noch frei von wesentlichen Mängeln und daher nicht abnahmefähig ist.
Das wird auch von den Parteien in der Revisionsinstanz nicht in Frage gestellt.
2. Im Ergebnis zutreffend geht das Berufungsgericht in seinen weiteren Überlegungen davon aus, daß die Fälligkeit eines Vergütungsanspruchs der Klägerin deswegen nicht mehr von einer etwaigen mängelfreien Vollendung und Abnahme der geschuldeten Werkleistung abhängen könne, weil die Beklagten weitere Leistungen endgültig abgelehnt hätten, und zwar auch dann noch, als die Klägerin sich im Anschluß an die Beweisaufnahme bereit erklärt habe, die vom gerichtlichen Sachverständigen für erforderlich gehaltenen Ergänzungs- und Verbesserungsarbeiten auszuführen.
Die Revision wendet sich nicht gegen die tatsächliche Feststellung, daß die Beklagten die Entgegennahme weiterer Leistungen der Klägerin endgültig verweigert haben. Sie wendet sich jedoch gegen die daraus gezogene Schlußfolgerung. Sie macht insoweit im wesentlichen geltend: Nach § 641 BGB werde die Vergütung erst nach Abnahme des vollständig und mängelfrei errichteten Werkes fällig. Zwar könne unter Umständen nach Treu und Glauben auch schon vorher eine Vergütung verlangt werden, etwa bei Verweigerung notwendiger Mitwirkung des Bestellers. Ein solcher oder ähnlicher Fall liege hier jedoch nicht vor, insbesondere deswegen nicht, weil sich die Klägerin ihrerseits grob vertragswidrig verhalten habe, da sie das Programm HBS I unvollständig und mangelhaft abgeliefert und die gesamte Vergütung schon zu einem Zeitpunkt fällig gestellt habe, als sie jedenfalls noch nicht in vollem Umfang habe beansprucht werden können. Das Berufungsurteil verkenne, daß die Beklagten nicht minder schutzwürdig seien als die Klägerin, und daß die Klägerin die Beseitigung von Mängeln auch zuletzt nur pauschal angeboten und dabei zugleich weiterhin die Mehrzahl der Mängel bestritten habe. Das beziehe sich zudem nur auf das Programm HBS I. Über die Abnahme und Abnahmefähigkeit der weiteren Programme, für welche die Klägerin ebenfalls eine Vergütung verlange, sei damit noch gar nichts gesagt. Wegen des vertragswidrigen Verhaltens der Klägerin habe den Beklagten schließlich auch ein Zurückbehaltungsrecht gegenüber den Hardware-Ansprüchen der Klägerin zugestanden.
Diese Angriffe der Revision greifen nicht durch. Es ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGHZ 50, 175, 177 und Senatsentscheidung in WM 1986, 73, 74) anerkannt, daß der Unternehmer Bezahlung des Werklohns schon dann vor Fertigstellung und Abnahme des Werks verlangen kann, wenn der Besteller die Erfüllung des Vertrages grundlos ablehnt. Das folgt aus den auch hier zu beachtenden Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Es kann nämlich weder hingenommen werden, daß eine Vertragspartei durch willkürliche Lossagung vom Vertrag sich wirksam ihrer vereinbarten Leistungspflicht entzieht, noch kann es der Gegenseite zugemutet werden, zur Durchsetzung ihres Zahlungsanspruchs zunächst noch weitere Leistungen zu erbringen, von denen von vornherein feststeht, daß sie zurückgewiesen werden und daher sinnlos sind. Ein Zwang zur Fertigstellung der Werkleistung würde letztlich auch den objektiven Interessen des Bestellers zuwiderlaufen, weil damit die Möglichkeit einer Verminderung des Werklohnanspruchs wegen ersparter Aufwendungen entsprechend § 649 Satz 2 BGB versperrt wäre.
Zu Recht weist das Berufungsurteil in diesem Zusammenhang auch auf den in § 162 BGB zum Ausdruck gekommenen Grundsatz hin, wonach eine Partei sich nicht auf das Fehlen einer Anspruchsvoraussetzung berufen kann, wenn sie deren Eintritt selber wider Treu und Glauben verhindert hat.
Das Berufungsurteil stellt daher mit Recht entscheidend darauf ab, ob die Beklagten sich nach den Umständen des konkreten Falles so vom Vertrage lösen durften, daß zugleich ihre eigene Zahlungsverpflichtung hinsichtlich der noch nicht abgenommenen Leistungen entfiel. In diesem Zusammenhang können dann auch die von der Revision hervorgehobenen Vertragsverletzungen der Klägerin von Bedeutung sein; sie ändern jedoch nichts daran, daß es angesichts der endgültigen Weigerung der Beklagten nicht mehr auf eine noch ausstehende Fertigstellung und Abnahme ankommt.
3. Die Beklagten haben sich zur Rechtfertigung ihres Verhaltens vor allem darauf berufen, daß die Leistungen der Klägerin unvollständig und mangelhaft gewesen seien. Das Berufungsurteil verkennt dies nicht und geht ausdrücklich davon aus, daß die Klägerin zur mängelfreien Fertigstellung des HBS I-Programms und zur weiteren Durchführung des Software-Programms noch Arbeiten in erheblichem Umfang ausführen mußte. Das Berufungsgericht entnimmt jedoch der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs mit Recht, daß der Besteller (oder Käufer) aus der unterbliebenen Fertigstellung und Mängelbeseitigung dann kein Recht zur endgültigen einseitigen Zurückweisung der Leistung ableiten kann, wenn er selber seine Gegenleistung verweigert oder von ungerechtfertigten und unzumutbaren Bedingungen abhängig gemacht und damit der Gegenseite Veranlassung zur Einstellung der noch ausstehenden Arbeiten gegeben hat. In solchen Fällen kann der Unternehmer ungeachtet seiner an sich gegebenen Vorleistungspflicht nach Treu und Glauben seine weitere Tätigkeit verweigern, solange der Besteller auf seinem Standpunkt verharrt (vgl. dazu auch BGHZ 50, 175, 178). Es fehlt dann schon an einem Verzug des Unternehmers, und der Besteller kann schon deshalb nicht nach § 326 BGB wegen unvollständiger Leistung vom Vertrag zurücktreten oder Schadenersatz wegen Nichterfüllung verlangen und sich damit im Ergebnis seiner eigenen weiteren Zahlungspflicht entledigen (vgl. BGH NJW 1971, 1747; 1987, 241, 253). Ein solches Vorgehen wäre auch rechtsmißbräuchlich und daher nach § 242 BGB unzulässig, weil der Besteller dann die Leistungsstörung selber zu vertreten hat (vgl. BGH LM § 346 BGB Nr. 6 Bl. 4; BGH NJW 1984, 869; 1987, 251, 253). Aus den gleichen Gründen kann sich der Besteller dann auch nicht über eine Fristsetzung nach §§ 634, 635 BGB von seiner eigenen Leistungspflicht befreien. Diese allgemeinen Grundsätze stellt die Revision nicht in Frage.
Ob im Einzelfall die Verhältnisse so liegen, daß der Auftraggeber sich nicht wegen unvollständiger Leistung des Unternehmers seinerseits von weiteren Verpflichtungen lossagen kann, ist eine Frage der tatrichterlichen Würdigung, die nur eingeschränkt der revisionsrechtlichen Überprüfung unterliegt. Im vorliegenden Fall beruht die rechtliche Beurteilung des angefochtenen Urteils entscheidend auf der Annahme, die Beklagten hätten in den nachstehend zu a bis c behandelten Punkten hartnäckig erhebliche Mehrleistungen verlangt, die sämtlich unberechtigt gewesen seien. Das ist nicht frei von Rechtsfehlern.
a) Nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsurteils war das von den Beklagten verlangte Programm für die Speditions- und Provisionsabrechnung nicht Gegenstand der vertraglichen Vereinbarungen. Das Berufungsgericht führt hierzu im wesentlichen aus: Ein solches Programm gehöre grundsätzlich nicht zu einem standardisierten Branchenprogramm, wie es das den Beklagten angebotene HBS I-Programm sei. In der Nachtragsvereinbarung vom 20. September 1984 sei lediglich die Möglichkeit der Lieferung durch Spedition und die Errechnung der Gesamtkubikmeter im Rechnungsfuß vorgesehen; das sei auch realisiert worden. Die von den Beklagten weitergehend geforderte Speditionsabrechnung mit Auflistung der Kubikmeter und DM-Beträge pro Spediteur sei auch mit der Nachtragsvereinbarung nicht erfaßt. Soweit die Beklagten unter Berufung auf den Zeugen E. (Prokurist der Klägerin) behaupteten, dieser habe bei den Vertragsverhandlungen die gewünschte Abrechnung als selbstverständlich bezeichnet, übersähen sie möglicherweise, daß die Möglichkeit der Eingabe eines Spediteurs überhaupt erst mit der Nachtragsvereinbarung vom 20. September 1984 in Auftrag gegeben worden sei.
Die Revision rügt demgegenüber, das Berufungsgericht habe den unter Beweis gestellten Vortrag der Beklagten nicht übergehen dürfen, daß der Prokurist E. der Klägerin bei den Vertragsverhandlungen erklärt habe, die gewünschte Speditionsabrechnung sei „selbstverständlich”. Selbst wenn das nicht Vertragsbestandteil geworden sei, hätten die Beklagten doch jedenfalls darauf vertrauen dürfen, daß er Vertragsinhalt geworden sei. Zumindest habe ihnen nach den Grundsätzen über das Verschulden bei Vertragsschluß ein Rücktrittsrecht zugestanden, da sie den Vertrag nicht abgeschlossen hätten, wenn sie zutreffend über die Leistung der angebotenen Programme informiert worden wären, und da die Klägerin für das schuldhafte Verhalten ihres Prokuristen E. einstehen müsse.
Aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden ist die Feststellung des Berufungsurteils, daß die Möglichkeit einer Speditions- und Provisionsabrechnung nicht Gegenstand des im Februar 1984 abgeschlossenen maßgeblichen schriftlichen Vertrages war, da solche Abrechnungen weder üblicherweise noch im besonderen Fall der Klägerin Bestandteil eines standardisierten Branchenprogramms nach Art des in Streit stehenden HBS I-Programms waren und auch nicht als Sonderleistung in den Vertrag aufgenommen wurden. Daran würde sich auch dann nichts ändern, wenn der Prokurist E. der Klägerin bei den Vertragsverhandlungen fälschlich abweichende Erklärungen über die Leistungsfähigkeit des Programms gemacht haben sollte, zumal unter Nr. 6 des Vertrages ausdrücklich bestimmt ist, daß nur der schriftliche Vertrag für die Rechtsbeziehungen maßgebend sein solle.
Aus einem anderen rechtlichen Grunde rügt die Revision jedoch mit Erfolg, das Berufungsurteil habe unter Verstoß gegen § 286 ZPO wesentlichen Streitstoff außer Betracht gelassen. Die Beklagten hatten nämlich ausdrücklich vorgetragen und unter Beweis gestellt, daß zumindest die von den Beklagten besonders gewünschte Speditionsabrechnung, darüber hinaus aber auch die Speicherung wesentlicher Daten für die Provisionsabrechnung mit den Maklern, bei den Vertragsverhandlungen von dem Prokuristen E. der Klägerin ausdrücklich als „selbstverständlich” bezeichnet worden sei (Bl. 197 GA), und daß es nie und nimmer zu einem Vertragsschluß gekommen wäre, wenn die Beklagten wahrheitsgemäß über die tatsächliche Leistungsfähigkeit der angebotenen Programme aufgeklärt worden wären (Bl. 276 GA). In der Berufungsinstanz haben sich die Beklagten hierauf durch Verweisung auf ihr erstinstanzliches Vorbringen berufen. Eine allgemeine Inbezugnahme war deswegen zulässig, weil die Beklagten wegen der jetzt noch in Streit stehenden Teilforderungen in erster Instanz obsiegt hatten. Auf der Grundlage eines solchen Sachverhalts hätten die Beklagten von der Klägerin, die nach § 278 BGB für das Verschulden ihres Prokuristen E. einzustehen hat, Schadenersatz wegen Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflicht verlangen können; sie hätten dann so gestellt werden müssen, wie wenn es nicht zum Abschluß des in Streit stehenden Vertrages gekommen wäre. Die Revision verweist insoweit zutreffend auf die in ZIP 1984, 962, 965 (= NJW 1984, 2938) veröffentlichte BGH-Entscheidung vom 6. Juni 1984. Dann durften die Beklagten die Klägerin auch vor die Wahl stellen, entweder eine Rückabwicklung des Vertrages zuzulassen oder den Vertrag im Sinne der Beklagten nachzubessern. Sie durften dann auch weitere Zahlungen letztlich von der Erfüllung ihrer Wünsche abhängig machen, soweit der Prokurist E. bei den Vertragsverhandlungen entsprechende Erklärungen abgegeben hat.
Das Berufungsgericht durfte einer weiteren Sachaufklärung nicht mit Rücksicht darauf ausweichen, daß auch in der Nachtragsvereinbarung vom 20. September 1984 lediglich die Möglichkeit der Eingabe eines Spediteurs und der Eingabe des Frachtsatzes vorgesehen war, mit dem die Gesamt-cbm des Rechnungsfußes multipliziert werden sollte, nicht aber die in Streit stehende weitergehende Möglichkeit der Speditions- und Provisionsabrechnung. Dieser Umstand mag gegen die Darstellung der Beklagten sprechen, schließt sie aber nicht aus. Eine Verwechslung des Zeitpunkts der behaupteten Besprechung durch die Beklagten sieht das Berufungsurteil lediglich als Möglichkeit, nicht aber als feststehende Tatsache an. Der Umstand, daß die Möglichkeit einer Provisions- und Speditionsabrechnung nicht Gegenstand der Nachtragsvereinbarung war, könnte u. U. den Verzicht auf weitergehende Ansprüche der Beklagten enthalten; dazu fehlt es jedoch an entsprechenden tatrichterlichen Feststellungen. Das vom Berufungsgericht als kaufmännisches Bestätigungsschreiben gewertete Schreiben der Klägerin betrifft nur die Vereinbarung am 20. September 1984 und enthält keine unmittelbare Aussage zu den bereits im Februar 1984 getroffenen Vereinbarungen und Besprechungen, auf welche die Beklagten sich berufen.
b) Das Berufungsurteil sieht eine wesentliche unberechtigte Forderung der Beklagten ferner darin, daß diese noch die Lieferung eines Textverarbeitungsprogramms ohne zusätzliche Berechnung verlangt haben. Nach den auf die Aussage des gerichtlichen Sachverständigen gestützten tatrichterlichen Feststellungen enthält das den Beklagten übergebene HBS I-Programm ein kleines Textprogramm, mit dem etwa Werbebriefe mehrfach unverändert abgerufen werden können. Die Beklagten haben demgegenüber weitergehend die Lieferung eines kompletten Textverarbeitungsprogramms verlangt, mit dem auch Textbausteine in eine individuelle Korrespondenz eingearbeitet werden können. Hierzu führt das angefochtene Urteil in tatrichterlicher Würdigung aus, dem Vorbringen der Beklagten lasse sich nicht entnehmen, daß die Lieferung eines kompletten Textverarbeitungsprogramms und nicht nur des kleinen Programms vereinbart worden sei, zumal ein komplettes Programm zwischen 4.000,– und 5.000,– DM koste, und nur kleinere Programme der auch hier gelieferten Art üblicherweise als Serviceleistung angeboten würden.
Ähnlich wie in der Frage der Speditions- und Provisionsabrechnung rügt die Revision demgegenüber, das Berufungsgericht habe in unzulässiger Weise eine Beweiswürdigung vorweggenommen statt zunächst die Zeugen zu dem Vorbringen der Beklagten zu hören, wonach das verlangte Textprogramm bereits bei den Vertragsverhandlungen detailliert besprochen und durch den Prokuristen der Klägerin als Selbstverständlichkeit in Aussicht gestellt worden sei (Bl. 195 GA, vgl. auch Bl. 253 GA), und daß es bei zutreffender Aufklärung nicht zu dem Vertragsschluß gekommen wäre (Bl. 276 GA).
Ohne Rechtsfehler stellt das Berufungsurteil zunächst fest, daß die Lieferung des verlangten Textverarbeitungsprogramms an sich nicht Vertragsgegenstand war. Im Leistungsverzeichnis des schriftlichen Vertrages ist ein solches Programm nicht erwähnt. Soweit sich die Klägerin zur Lieferung des Programms HBS I verpflichtet hat, umfaßt dies nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht auch die Lieferung eines kompletten Textverarbeitungsprogramms in dem von den Beklagten gewünschten Sinn, weil die kostenlose Beifügung eines solchen Programms – auch wegen seiner Kosten in Höhe von 4.000,– bis 5.000,– DM – nach den Darlegungen des gerichtlichen Sachverständigen weder allgemein bei standardisierten Branchenprogrammen noch speziell bei der Klägerin üblich ist und daher auch nicht von der Programmbezeichnung HBS I erfaßt wird; das Programm HBS I umfaßt vielmehr nur ein kleines Textprogramm. Insoweit vermag die Revision einen Rechtsfehler nicht aufzuzeigen.
Soweit sich die Beklagten auf abweichende Erklärungen des Prokuristen E. der Klägerin während der Vertragsverhandlungen berufen, vermißt das Berufungsurteil einen hinreichend klaren Sachvortrag dazu, ob damit das im Prozeß von den Beklagten reklamierte komplette Textverarbeitungsprogramm gemeint war oder nur ein kleineres, zum wiederholten Abruf von Werbetexten geeignetes Programm, wie es im tatsächlich gelieferten Programm enthalten ist. Da die Sache aus den vorstehend zu a) genannten Gründen ohnehin erneut vor dem Berufungsgericht zu verhandeln ist, haben die Beklagten Gelegenheit, ihren Vortrag insoweit klarzustellen. Sie mögen dann zugleich auch klarstellen, ob bei den Vertragsverhandlungen nicht nur von der Möglichkeit der Lieferung eines kompletten Textprogrammes, sondern auch davon gesprochen worden ist, daß dieses bereits Bestandteil des Standardprogramms HBS I sei und nicht gesondert berechnet werde. Nach entsprechender Klarstellung des Vortrags der Beklagten wird das Berufungsgericht aus den vorstehend zu a) genannten Gründen gegebenenfalls auch insoweit zunächst die von den Beklagten benannten Zeugen vernehmen müssen.
c) Schließlich sieht das angefochtene Urteil eine unberechtigte Forderung darin, daß die Beklagten die „Auftragsübergabe zum Kapphaus” ohne zusätzliche Berechnung verlangt haben. Damit gemeint ist die Fernübertragung von Daten aus dem Holzhandel der Beklagten zu dem Optimierungscomputer in dem von ihnen betriebenen Sägewerk (Kapphaus). Insoweit führt das Berufungsurteil aus, eine solche Leistung sei zwar in der Zusammenstellung vom 4. Februar 1984 enthalten, offensichtlich aber nicht in den endgültigen schriftlichen Vertrag übernommen worden und könne daher nicht verlangt werden. Die Beklagten hätten aber gleichwohl ihre eigene Bereitschaft zur Vertragserfüllung davon abhängig gemacht, daß die Klägerin auch diese Leistung erbringe.
Die Revision rügt demgegenüber, die Auftragsübergabe zum Kapphaus habe nach dem Inhalt der Vertragsverhandlungen Vertragsinhalt werden sollen und sei deswegen ausdrücklich in das von dem Prokuristen E. der Klägerin unterzeichnete „Protokoll” vom 4. Februar 1984 aufgenommen worden. Das Berufungsgericht habe auch dazu die von den Beklagten benannten Zeugen hören müssen; die Auftragsübergabe zum Kapphaus sei daher zumindest nach den Vorstellungen der Beklagten aufgrund der Festlegung im Protokoll vom 4. Februar 1984 auch Vertragsinhalt geworden.
Diese Rüge greift nicht durch. Das Berufungsurteil geht in Übereinstimmung mit dem Vortrag der Beklagten davon aus, daß bei der Vorbesprechung am 4. Februar 1984 zunächst auch eine Auftragsübergabe zum Kapphaus als zusätzliche Leistung der Klägerin vorgesehen war, was sich auch aus dem Protokoll vom 4. Februar 1984 entnehmen läßt. Es bedurfte daher nicht der Vernehmung der hierzu benannten Zeugen. Wie aber auch die Revision nicht verkennt, ist es am 4. Februar 1984 noch nicht zu einer verbindlichen Vereinbarung gekommen. Das geschah erst einige Zeit später mit der beiderseitigen Unterzeichnung des schriftlichen Vertrages, in dem auch eine Reihe von Sonderwünschen der Beklagten ausdrücklich berücksichtigt ist, aber eben gerade nicht die Auftragsübergabe zum Kapphaus, die im Protokoll vom 4. Februar 1984 besonders herausgestellt war und die nach dem Vorbringen der Beklagten im Prozeß für eine Rationalisierung des Betriebsablaufs von besonderem Interesse gewesen wäre, die aber nach den auf die Stellungnahme des gerichtlichen Sachverständigen gestützten Feststellungen des Berufungsgerichts auch besonders aufwendig gewesen wäre. Es ist naheliegend und aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, wenn das Berufungsgericht hieraus den Schluß gezogen hat, daß die zunächst vorgesehene „Auftragsübergabe zum Kapphaus” dann letztlich nicht vereinbart worden ist. Es ist auch nicht ersichtlich, was die Beklagten vernünftigerweise hätte veranlassen können, den endgültigen schriftlichen Vertrag anders zu verstehen.
d) Wenn das Berufungsgericht die vorstehend zu a) und b) behandelten bisher noch offen gebliebenen Fragen geklärt hat, wird es abschließend neu die Frage zu prüfen haben, ob es den Beklagten verwehrt war, sich wegen der unvollständigen und mangelhaften Leistungen der Klägerin und unter Berücksichtigung der vorvertraglichen Erklärungen zur Leistungsfähigkeit der angebotenen Programme endgültig von ihren vertraglichen Zahlungspflichten loszusagen. Wenn das Berufungsgericht allerdings wiederum zu dem Ergebnis kommt, daß die Beklagten in den im angefochtenen Urteil besonders herausgestellten drei Punkten unbegründete zusätzliche Forderungen gestellt und davon die Erfüllung ihrer Zahlungspflicht abhängig gemacht hat, dann wäre die daraus gezogene Schlußfolgerung aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
Fundstellen
Haufe-Index 749260 |
NJW 1990, 3008 |