Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschluss von Herausgabeansprüchen des ausländischen Erben wegen § 1 Abs. 1c VermG
Leitsatz (amtlich)
Zivilrechtliche Ansprüche sind durch § 1 Abs. 1 Buchst. c VermG auch dann verdrängt, wenn die Grundlage der Verwalterbestellung nach dem Erbfall an einen Ausländer entfallen war und das für ausländisches Vermögen geltende Recht einen Verkauf durch den Verwalter nicht vorsah.
Normenkette
VermG § 1 Abs. 1 Buchst. c; DDR: AuslEigVO
Verfahrensgang
Thüringer OLG |
LG Meiningen |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 26. März 1997 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Das im Grundbuch von H. eingetragen gewesene Grundstück Flurstück 2323/5 gehörte den Eltern der 1991 verstorbenen A. A.. Diese hatten 1950 mit ihrer Tochter die DDR unter Einhaltung der polizeilichen Meldevorschriften verlassen. Am 9. Januar 1964 wurde das Grundstück nach § 6 der Verordnung zur Sicherung von Vermögenswerten vom 17. Juli 1952 (GBl. S. 615) unter die vorläufige Verwaltung des Rates der Gemeinde H. gestellt. Frau A. erwarb im Februar 1964 die kanadische Staatsbürgerschaft und wurde am 21. Oktober 1964 als Erbin ihrer Eltern in das Grundbuch eingetragen. Ihr Alleinerbe ist der Vater des Klägers.
Am 9. Dezember 1970 verkaufte der Rat der Gemeinde H. das Grundstück Flurstück 2323/12, das aus dem Flurstück 2323/5 hervorgegangen war, an die Beklagten zu 1 und 2. Diese wurden im Februar 1971 in ehelicher Vermögensgemeinschaft als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen. Im Jahre 1988 teilten sie das erworbene Grundstück in die Flurstücke 2323/13 und 2323/14 auf, behielten das letztere für sich und veräußerten das erste an Schwiegersohn und Tochter, die Beklagten zu 3 und 4. Diese wurden im Februar 1989 als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen.
Der Kläger macht aus abgetrettenem Recht seines Vaters gegen die Beklagten Ansprüche auf Räumung und Herausgabe der Grundstücke sowie auf Bewilligung der Grundbuchberichtigung geltend. Die Klage ist in den Tatsacheninstanzen erfolglos geblieben.
Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Ansprüche fort.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg.
1. Das Berufungsurteil gelangt zutreffend zu dem Ergebnis, daß die Veräußerung der Teilfläche Flurstück 2323/12 an die Beklagten zu 1 und 2 nicht wegen Verstoßes gegen die Vorschriften der DDR über die staatliche Verwaltung des Vermögens gebietsfremder Personen unwirksam war. Dabei kann dahinstehen, ob die gerügten Fehler überhaupt auf die zivilrechtliche Wirksamkeit des Veräußerungsgeschäftes vom 9. Dezember 1970 von Einfluß waren. Sollte dies der Fall gewesen sein, so sind Ansprüche aus dem Frau A. verbliebenen, auf den Vater des Klägers vererbten Eigentum, wovon das Berufungsurteil zu Recht ausgeht, durch den Restitutionstatbestand des § 1 Abs. 1 Buchst. c VermG (Veräußerung durch staatliche Verwalter) verdrängt (Senat BGHZ 118, 34; 130, 231).
a) Mit dem Erwerb des ungeteilten Grundstücks Flurstück 2323/5 durch Frau A. im Wege der Erbfolge nach ihren Eltern bestand allerdings für die vorläufige Verwaltung nach § 6 der Verordnung zur Sicherung von Vermögenswerten keine Rechtsgrundlage mehr. Eine vorläufige Verwaltung von Vermögenswerten nach dieser Vorschrift, die durch die am 11. Juni 1953 erfolgte Aufhebung der Verordnung nicht beendet worden war (vgl. Richtlinie des Staatssekretariats für Innere Angelegenheiten vom 5. August 1953, Fieberg/Reichenbach, Enteignung und offene Vermögensfragen in der ehemaligen DDR, Band II, Dok. 3.5.6), setzte voraus, daß der Inhaber des Vermögenswertes Deutscher war. Eine Verwaltung des Vermögens der kanadischen Erbin hätte, wovon das Berufungsgericht zu Recht ausgeht, nur aufgrund der Verordnung über die Verwaltung und den Schutz ausländischen Eigentums in der DDR vom 6. September 1951 (GBl. S. 839) erfolgen können. Ob der Wegfall der Rechtsgrundlage den Fortbestand der Verwaltung nach § 6 der Verordnung vom 17. Juli 1952 berührt hatte und ob das insbesondere mit dem Zeitpunkt der Fall war, in dem die Stellen der DDR von der kanadischen Staatsangehörigkeit der damaligen Eigentümerin erfuhren (nach den Feststellungen des Berufungsgerichts im November 1995), kann dahinstehen. Die Gleichgültigkeit der DDR-Stellen gegenüber dem Erfordernis, die Verwaltung nunmehr auf die Grundlage der Verordnung über die Verwaltung und den Schutz ausländischen Eigentums zu stellen, ist unrechtstypisch. Der Senat hat dies für den vergleichbaren Fall, daß der Bestellung des Verwalters von vornherein die Rechtsgrundlage fehlte (Berufung auf § 6 der Verwalterverordnung vom 11. Dezember 1968, GBl. II S. 1, als Vorwand zum Zugriff auf beschlagnahmefreies Vermögen) bereits bejaht (Urt. 10. November 1995, V ZR 170/94, WM 1996, 265; vgl. auch BGHZ 130, 231, wo es um der, Verkauf durch eine nicht zum Verwalter bestellte Stelle ging). Unrechtstypische Fehler stehen der Verdrängungswirkung des Vermögensgesetzes, hier dessen § 1 Abs. 1 Buchst. c, nicht entgegen.
b) Hieran ändert der Umstand nichts, daß der Verkauf ausländischen Vermögens in der Verordnung vom 6. September 1951 nicht vorgesehen war. Der nach dem Wortlaut der Verordnung bezweckte Schutz der ausländischen Vermögenswerte und deren spätere Rückgabe an die Berechtigten wurde während des Bestehens der DDR zunehmend durch ein System von Verwaltungsvorschriften und Richtlinien unterlaufen. Das verwaltete ausländische Vermögen sollte hinsichtlich seiner ökonomischen Nutzung keine Sonderstellung mehr besitzen. Insbesondere wurde bereits auf der Grundlage der vom Ministerium der Finanzen der DDR herausgegebenen „Grundsätze für die Verwaltung von Ausländergrundstücken” vom 27. Oktober 1958 (näheres bei Mitschke/Werling, ZOV 1993, 12) ausländisches Grundeigentum aufgrund des Aufbaugesetzes in Anspruch genommen. Einer Entschädigung wurde durch die Begründung von Schuldbuchforderungen, später durch Anlegung eines Sonderkontos beim Amt für den Rechtsschutz des Vermögens der DDR vorgebeugt. Ähnliches galt für den rechtsgeschäftlichen Zugriff durch staatliche Verwalter. Hiervon geht auch das Vermögensgesetz aus, das die Verwaltung ausländischen Vermögens von der Verwaltung des Vermögens gebietsfremder Deutscher grundsätzlich nicht abhebt. § 1 Abs. 1 Buchst. c VermG ergänzt § 1 Abs. 4, der (u.a.) die Aufhebung der Verwaltung ausländischen Vermögens und des Vermögens gebietsfremder Deutscher zum Gegenstand hat (im einzelnen §§ 11 ff VermG). Für den Fall, daß die Verwaltung bereits durch das Veräußerungsgeschäft des Verwalters ihr Ende gefunden hatte, ordnet er – jeweils in Verbindung mit § 3 VermG – die Restitution an (Neuhaus in Fieberg/Reichenbach u.a. Vermögensgesetz, § 1 Rdn. 75 ff; Ferber in R/R/B, Vermögen in der ehemaligen DDR, Teil 3 § 1 VermG Rdn. 33).
2. Anderes gilt im Ausgangspunkt für die Rüge, der Beklagte zu 1 sei bei dem Kaufvertrag mit dem staatlichen Verwalter vom 9. Dezember 1970 nicht wirksam vertreten gewesen. Hierbei würde es sich um einen Fehler handeln, der nicht auf seiten des staatlichen Verwalters aufgetreten wäre und mit dem Tatbestand des § 1 Abs. 1 Buchst. c VermG in keinem inneren Zusammenhang stünde (Zusatzmangel). Er könnte von den Zivilgerichten berücksichtigt werden (Senat BGHZ 120, 198 i.V.m. BGHZ 120, 204).
Die Rüge geht indessen inhaltlich fehl.
Allerdings mag zweifelhaft sein, ob § 15 FGB, aus dem die Beklagte zu 2 die Vertretung ihres Ehemannes nach der notariellen Urkunde herleitete, rechtlich zum Zuge kam. Die Vorschrift hatte Verfügungen über Sachen und Vermögenswerte zum Gegenstand, die bereits im gemeinschaftlichen Eigentum der Gatten standen. Hier ging es dagegen um den Erwerb einer Sache, der Teilfläche 2313/12 (Anm. d. Red.: 2323/12), zu diesem Vermögen. Zudem hätten die Eheleute über Häuser und Grundstücke nach Absatz 2 der Vorschrift nur gemeinsam verfügen können. Die Verfügung durch einen von ihnen hätte mithin eine Bevollmächtigung durch den anderen vorausgesetzt.
Die Vertretung des Beklagten zu 1 durch die bei der Notarverhandlung anwesende Beklagte zu 2 ist indessen durch § 11 FGB gedeckt, wonach jeder Ehegatte berechtigt war, den anderen in Angelegenheiten des gemeinsamen Lebens zu vertreten. Zu diesen Angelegenheiten gehörte etwa der Abschluß eines Mietvertrages über die Ehewohnung und der nach den Verhältnissen in der DDR dem nahestehende Erwerb eines Einfamilienhauses, das von der Familie gemeinsam bewohnt, werden sollte (Kommentar zum FGB, Hrsg. Ministerium der Justiz der DDR, 1973, § 11 Anm. 2.1). Für das Vorliegen dieser Voraussetzungen spricht der geringfügige Kaufpreis (1.300 M/DDR) sowie der in den Kaufvertrag aufgenommene Hinweis, die Beklagten hätten bereits auf dem Grundstück Wohn- und Geschäftsgebäude errichtet, sie hätten „praktisch ihre Gebäude, die auf dem Nachbargrundstück liegen, erweitert”.
3. Die Beklagten zu 3 und 4 haben das Eigentum an der Trennfläche Flurstuck 2323/13 wirksam von den Mitbeklagten erworben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 15.05.1998 durch Kanik, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 604923 |
FamRZ 1998, 1229 |
VIZ 1998, 572 |
WM 1998, 1635 |
ZAP-Ost 1998, 462 |
MDR 1998, 1092 |
NJ 1998, 540 |
OVS 1998, 336 |
OVS 1999, 91 |
ThürVBl. 1999, 59 |