Entscheidungsstichwort (Thema)
schwerer Raub
Tenor
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 16. August 1999, soweit es die Angeklagten K. R. und U. R. betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe
Das Landgericht hat die Angeklagten K. R. und U. R. jeweils wegen schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt, und zwar den Angeklagten K. R. zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und den Angeklagten U. R. zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren. Darüber hinaus hat es die Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Gegen dieses Urteil wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer Revision. Die Beschwerdeführerin beanstandet mit sachlichrechtlichen Einwendungen, daß das Landgericht die Angeklagten nicht auch wegen versuchten Mordes statt lediglich wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt hat. Das – vom Generalbundesanwalt vertretene – Rechtsmittel hat Erfolg.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts beschlossen die Angeklagten sowie die frühere Mitangeklagte P. deren Freund, G., in dessen Wohnung mit Arzneimitteln zu betäuben, ihm Geld, nämlich die Tageseinnahmen aus der von ihm betriebenen Gaststätte „T.”, wegzunehmen und sich davon Heroin für ihren Eigenkonsum zu beschaffen. In Ausführung des Tatplans rührte P. ein Mittel in den Kakao, den sie G. zu trinken gab. Dieser fiel aber nicht, wie erhofft, in einen tiefen, sondern nur in einen leichten Schlaf. Um ihren Plan dennoch zu verwirklichen, beschlossen die Angeklagten, „nicht mehr lange zuzuwarten, sondern G. mit Messern zu bedrohen und etwaigen Widerstand notfalls auch durch Messerstiche in den Leib zu brechen”. Der Angeklagte U. R. hatte ein eigenes Messer bei sich; der Angeklagte K. R. nahm sich aus der Küche ein Messer und legte weitere Messer bereit. Nachdem P. aus der Jacke des G. eine Geldbörse mit 1.000 DM an sich gebracht hatte, wachte G. auf. „Den Angeklagten war jetzt klar, daß sie, ohne die Messer einzusetzen, nicht an das Geld aus dem ‚T.’ gelangen würden” (UA 10 f.). „Um mit G. leichteres Spiel zu haben”, brachte P. dessen Hund, einen Rottweiler, aus der Wohnung. Währenddessen hielten sich die beiden Angeklagten in der Wohnung verborgen; sie waren sich „einig …, G. notfalls auch in die Gefahr des Todes zu bringen”. Als G. erneut aufstand und in den unbeleuchteten Flur kam, „griffen ihn die Angeklagten R. unvermittelt an. Beide schlugen und traten auf ihn ein. G. setzte sich zur Wehr. Daraufhin zog einer der beiden – wer, ist unklar – sein Messer und stach im Dunkeln mehrfach auf G. ein. Dabei nahm er in Kauf, sein Opfer tödlich zu verletzen”. G. erlitt tiefe Schnittverletzungen am Rücken und am Hals, konnte sich aber befreien und hilferufend ins Treppenhaus retten. Die Angeklagten flüchteten.
Die Angeklagten haben die Tat gestanden, sich der Messerstiche aber gegenseitig bezichtigt. Einen bedingten Tötungsvorsatz haben sie in Abrede gestellt; sie hätten sich „lediglich mit der Gefahr seines Todes abgefunden”, aber „auf einen glücklichen Ausgang vertraut”.
2. Das Landgericht hat die Angeklagten (neben tateinheitlich begangenem schweren Raub) jeweils lediglich der gefährlichen Körperverletzung für schuldig befunden, obwohl es „nach Zahl, Richtung und der durch die Verletzungsfolgen belegten Wucht der Stiche und Schnitte” davon ausgegangen ist, daß der Messereinsatz mit bedingtem Tötungsvorsatz erfolgte. An einer Verurteilung wegen eines versuchten Tötungsdelikts hat es sich deshalb gehindert gesehen, weil es nicht feststellen konnte, daß beide Angeklagten ihre Messer gegen G. geführt haben bzw. wer von ihnen auf G. eingestochen hat. Zwar hat die frühere Mitangeklagte P. angegeben, beide Angeklagten hätten ihr gegenüber den Messereinsatz zugegeben. Das Gericht hat sich aber nicht von der Glaubhaftigkeit der Aussage zu überzeugen vermocht. Dies weist für sich keinen Rechtsfehler auf. Was die Beschwerdeführerin hiergegen einwendet, erschöpft sich in dem unzulässigen Versuch, die tatrichterliche Würdigung durch eine eigene zu ersetzen.
Doch kann das Urteil nicht bestehen bleiben, denn die Ansicht des Tatrichters, derjenige der Angeklagten, der nicht selbst zugestochen hat, habe zwar an dem Raub ein Interesse gehabt und auch die gewaltsame Überwindung des Widerstands des Opfers gewollt, nicht jedoch auch dessen Tod in Kauf genommen, ist nicht nachvollziehbar (vgl. BGHR StGB § 25 Abs. 2 Tatinteresse 5); die Annahme, der konkrete Messereinsatz sei ein vom gemeinsamen Tatplan nicht umfaßter Exzeß, wird den getroffenen Feststellungen nicht gerecht. Ihr liegt zudem ein zu enges Verständnis der Zurechnung eines Taterfolgs bei mittäterschaftlichem Verhalten zugrunde:
a) Einer auf gemeinsamem Willen beruhenden Mittäterschaft steht mangelnde Eigenhändigkeit, und zwar auch bei Tötungsdelikten, nicht entgegen (BGH NJW 1999, 2449 m.w.N.; BGH StV 1998, 540; BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 16, 18). Das Landgericht hat seine rechtliche Bewertung deshalb schon dadurch im Ansatz verkürzt, daß es bei der Prüfung einer Beteiligung an dem versuchten Tötungsdelikt allein auf die unmittelbare Tatausführung beim Zustechen abgestellt hat. Die Annahme von Mittäterschaft erfordert jedoch nicht zwingend auch eine Mitwirkung am Kerngeschehen (zu einem vergleichbaren Sachverhalt BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 26).
b) An sich hat das Landgericht dies auch nicht verkannt; denn es hat beide Angeklagten auch hinsichtlich der gefährlichen Körperverletzung als Mittäter verurteilt und ihnen dabei – wie die Liste der angewandten Vorschriften der §§ 224 Abs. 1 Nrn. 2, 4 und 5, 250 Abs. 2 Nrn. 1, 3 a) und b), 25 Abs. 2 StGB belegt – auch den lebensgefährlichen Messereinsatz als vom gemeinsamen Entschluß getragen angelastet. Zu Recht hat es sich daran nicht dadurch gehindert gesehen, daß „angesichts der Dunkelheit, die auf dem Flur herrschte, nicht einmal zu beweisen” war, daß „der, der nicht selbst das Messer gegen G. führte, … den Einsatz eines Messers durch den anderen überhaupt sah”.
Bei dieser Sachlage fehlt es für die Annahme des Landgerichts, der bedingte Tötungsvorsatz sei „allein dem nachzuweisen, der das Messer gegen G. führte”, an einer nachvollziehbaren Begründung. Zwar zwingt nicht jeder objektiv lebensgefährliche Einsatz eines Messers zur Annahme zumindest bedingten Tötungsvorsatzes (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 11, 13, 22, 24). Angesichts der beide Angeklagten beherrschenden Motivation, unbedingt – auch um den Preis, daß G. durch Messerstiche in den Leib in Todesgefahr geriet – an dessen Geld zu gelangen, um sich davon Heroin zu besorgen, liegt es hier aber nahe, daß beiden das Schicksal des Opfers jedenfalls gleichgültig war. Schon dies läßt entgegen der Annahme des Landgerichts auch auf eine Billigung des tödlichen Erfolges durch beide Angeklagten schließen (BGH NStZ 1998, 511, 513 m.w.N.).
Das Landgericht stützt sich für seine gegenteilige Annahme allein auf die Einlassung der beiden Angeklagten, die jeder für sich geltend machen, sie hätten sich zwar mit der Gefahr des Todes für das Opfer abgefunden, aber auf einen glücklichen Ausgang vertraut. Es hat aber diese Einlassung hinsichtlich desjenigen der Angeklagten, der selbst zugestochen hat, zu Recht für widerlegt erachtet. Das hat jedoch auch Bedeutung für den anderen Angeklagten.
Irgendwelche Hinweise, wie nach der gemeinsamen Vorstellung der Angeklagten sichergestellt sein sollte, daß der Messereinsatz zwar notfalls das Leben des Geschädigten in Gefahr bringen, der Eintritt des Todes aber abgewendet werden sollte, enthält das Urteil nicht. Von einem kontrollierten Messereinsatz, bei dem es die Angeklagten in der Hand hatten, welche Körperstellen des Geschädigten getroffen wurden (vgl. BGH, Urteil vom 13. Mai 1992 – 3 StR 28/92), kann schon angesichts ihres überfallartigen Vorgehens in dem zudem dunklen Flur nicht ausgegangen werden. Nach der Art des vom gemeinsamen Willen beider Angeklagten getragenen Messereinsatzes, der auch Stiche in den Bereich lebenswichtiger Organe des Opfers einschloß, konnte auch derjenige von ihnen, der nicht selbst zugestochen hat, allenfalls vage – aber nicht ernsthaft – darauf vertrauen, G. werde trotz der von ihnen bewußt in Kauf genommenen Lebensgefahr nicht zu Tode kommen (BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 2, 3; BGH, Urteil vom 16. September 1998 – 2 StR 341/98). Schließlich ist auch keinerlei Grund ersichtlich, weshalb derjenige, der selbst zugestochen hat, dabei nach Art und Intensität der Stiche über den von beiden verfolgten Zweck hinausgegangen sein und sich allein, nicht aber auch der andere Angeklagte, mit dem Tod des Opfers abgefunden haben sollte. Das Verhalten des Tatopfers gibt dafür nichts her, denn daß es sich zur Wehr setzte, war nach dem gemeinsamen Tatplan gerade der Anlaß zum Messereinsatz.
3. Der aufgezeigte Rechtsfehler betrifft nur die rechtliche Bewertung der im übrigen zur objektiven und subjektiven Tatseite beider Angeklagten rechtsfehlerfrei und vollständig getroffenen Feststellungen. Auf dieser Tatsachengrundlage sind die Angeklagten jeweils des – gemeinschaftlich begangenen – versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (BGHSt 44, 196) in weiterer Tateinheit mit schwerem Raub schuldig. Obwohl schon die unverändert zugelassene Anklage den Angeklagten auch jeweils versuchten Mord (aus Habgier) zur Last gelegt hat, sieht sich der Senat gehindert, die Schuldsprüche entsprechend zu ändern, weil die Frage, ob die Angeklagten vom Versuch des Tötungsdelikts nach § 24 StGB mit strafbefreiender Wirkung zurückgetreten sind, der Prüfung bedarf. Dabei wird zu erörtern sein, ob der Versuch fehlgeschlagen war, nachdem es G. „irgendwie” gelang, den Angeklagten zu entkommen und ins Treppenhaus zu flüchten (vgl. BGHSt 35, 90, 94; 39, 221, 228).
Unterschriften
Meyer-Goßner, Maatz, Athing, Solin-Stojanovi[cacute], Ernemann
Fundstellen
Haufe-Index 540732 |
JA 2001, 194 |