Verfahrensgang
LG Landshut (Urteil vom 30.04.2004) |
Tenor
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Landshut vom 30. April 2004 wird verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil
- im Schuldspruch dahin abgeändert, daß der Teilfreispruch hinsichtlich Ziffer 2 der Anklage entfällt,
- im gesamten Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.
3. Die weitergehende Revision der Staatsanwaltschaft wird verworfen.
4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft, an eine Jugendschutzkammer des Landgerichts Regensburg zurückverwiesen.
Tatbestand
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Mißbrauchs eines Kindes in zwei Fällen und wegen sexuellen Mißbrauchs einer Schutzbefohlenen in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit sexueller Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt und ihn im übrigen freigesprochen.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit einer Verfahrensrüge und der Sachrüge. Seine Revision bleibt erfolglos.
Die Staatsanwaltschaft hat zum Nachteil des Angeklagten Revision eingelegt und die Verletzung materiellen Rechts gerügt. Sie erstrebt im Fall B. IV. der Urteilsgründe eine tateinheitliche Verurteilung wegen Körperverletzung und beanstandet den Teilfreispruch hinsichtlich Ziffer 2 der Anklage sowie die Strafzumessung. Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat teilweise Erfolg.
I.
Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
1. Das Tatopfer ist die am 5. September 1982 geborene leibliche Tochter des Angeklagten.
Fall B. I.:
Zwischen dem 5. September 1993 und dem 4. September 1995 suchte der Angeklagte am Abend seine damals elf oder zwölf Jahre alte Tochter E. in deren Kinderzimmer auf, um ihr – wie üblich – Gute Nacht zu sagen. Sie lag schon im Bett. Plötzlich zog er ihr unter der Bettdecke die Unterhose herunter, führte einen Finger in die Scheide ein und tastete mindestens eine Minute lang innen die Vagina ab. Das Mädchen hatte zu diesem Zeitpunkt bereits eine leichte Schambehaarung.
Er erklärte seiner Tochter, er müsse nachsehen, ob bei ihr am Unterleib alles in Ordnung sei. Das sei ganz normal. Auch andere Väter würden das bei ihren Töchtern tun. Sie glaubte ihm dies. Als sie klagte, daß es weh tue und ihn bat aufzuhören, erwiderte er, daß sie sich den Schmerz nur einbilde. Schließlich hörte er doch auf.
Fall B. II.:
Zwischen dem 5. September 1995 und dem 4. September 1996 kam der Angeklagte ins Badezimmer, als die 13jährige E. in der Badewanne saß und ein Vollbad nahm. Er sagte, er wolle ihr zeigen, wie man sich richtig wäscht. Dann nahm er einen Waschlappen und fuhr ihr damit wiederholt über die Scheide und auch etwas in die Schamlippen hinein. Das ganze war ihr unangenehm und sie dachte, das könne sie ja selber machen.
Fall B. III.:
Zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt zwischen dem 5. September 1995 und dem 4. September 1999 traf die 13, 14, 15 oder 16 Jahre alte E. im Badezimmer auf ihren nackten Vater. Er forderte sie auf, seinen Penis anzufassen, was sie ablehnte. Daraufhin nahm er ihre Hand, führte diese zu seinem Glied, so daß sie das Glied ihres Vaters in der Hand hatte. Als er ihre Hand losließ, ließ auch sie das Glied sofort wieder los. Er lachte, weil sie so „gschamig” sei.
Fall B. IV.:
Im Oktober 1999, als der Angeklagte am Morgen eines Wochenendes mit der 17jährigen E. allein in der Küche war, packte er sie plötzlich von hinten über der Bekleidung an beide Brüste und presste sie an sich. Als sie sich wehrte und versuchte, seine Hände wegzudrücken, faßte er noch fester zu, bezeichnete sie als Zicke und sagte, sie solle sich nicht so anstellen. Schließlich konnte sie sich losreißen, flüchtete weinend aus der Küche an der Mutter vorbei in ihr Zimmer. Die Mutter, die einen normalen Streit vermutete, schickte den Vater zur Aussprache hinterher.
In dem Gespräch sagte er seiner Tochter, „sie sei so geil und er werde sie eines Tages richtig nehmen”. Sie machte ihm klar, daß das so nicht weitergehe und daß für sexuelle Dinge seine Frau zuständig sei. Er reagierte – wie auch sonst, wenn sie ihn zurückwies – mit Ignorieren und behandelte sie über Monate hinweg wie Luft.
In den Jahren 1998 bis 2000 fügte sie sich ca. zehnmal mit einer Einwegrasierklinge mehrere kleine blutende Schnittwunden am Arm zu. Sie wollte sich wehtun, weil sie sich die Schuld an dem gab, was passiert war. Am 17. August 2000 zog sie aus dem Elternhaus aus.
2. Der Angeklagte bestreitet die Taten, ohne sich sonst zur Sache einzulassen.
Dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ist zu entnehmen (UA S. 13, 38 bis 44, 130 bis 132), daß die Strafkammer bei Fall B. I. aufgrund der für glaubhaft erachteten Aussage der Geschädigten in der Hauptverhandlung einen weiteren Teilakt für erwiesen hält, wenn sie ihn auch in die Sachverhaltsschilderung nicht aufgenommen hat. Sie sieht folgende Angaben als erwiesen an:
„So habe sich der Angeklagte eines Abends in ihrem Kinderzimmer vor ihr Bett gekniet, das ziemlich niedrig gewesen sei, habe ihre Beine gespreizt und sei langsam mit seinem Mund zu ihrer Vagina. Dann habe er mit der Hand ihre Schamlippen auseinandergezogen und sei mit der Zunge in die Scheide eingedrungen. Zudem sei er mit der Zunge auch auf ihrer Klitoris auf und ab gefahren. Dazu habe er gesagt, er wolle ihr Gutes tun und sie stimulieren. Ihrer Mutter würde das auch immer gefallen und das sei alles ganz normal. Weh getan habe es nicht. Das Ganze sei ihr aber unangenehm und eklig gewesen” (UA S. 38).
„… sie glaube, der Vorfall mit dem Finger in der Scheide und mit der Zunge in der Scheide sei am gleichen Abend gewesen und das mit dem Finger in der Scheide sei das Erste gewesen. Aus heutiger Sicht komme ihr das Ganze wie ein Vorfall vor” (UA S. 42).
Das Tatgeschehen mit dem Eindringen der Zunge war unter Ziffer 2 der Anklage in Tatmehrheit angeklagt. Die Kammer hat nach der Hauptverhandlung einen einheitlichen historischen Vorgang mit Tat I. als möglich angesehen und meinte unter Berücksichtigung des Grundsatzes „ne bis in idem” den Angeklagten in diesem Punkt aus rechtlichen Gründen freisprechen zu müssen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision des Angeklagten:
1. Die auf § 244 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 244 Abs. 2 StPO gestützte Verfahrensrüge, das Landgericht habe den Beweisantrag vom 1. Dezember 2003 auf Einholung eines Glaubwürdigkeitsgutachtens bezüglich der Geschädigten zu Unrecht mit eigener Sachkunde abgelehnt, hat keinen Erfolg.
Die Beurteilung der Glaubwürdigkeit von Zeugen ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs „ureigenste” Aufgabe des Tatrichters (so schon BGHSt 8, 130). Ein Ausnahmefall ist hier bei der erwachsenen Zeugin nicht gegeben. Die Revision argumentiert auf der Basis einer gravierenden Persönlichkeitsstörung von Krankheitswert. In dem Beweisantrag wurde behauptet, daß die Zeugin ab Juli 2000 an einer solchen leide. Dazu wurde Bezug genommen auf die Aussage der Psychotherapeutin L., die mit der Geschädigten vom 26. Juli 2000 bis zum 25. Oktober 2001 Beratungsgespräche geführt hat. Nach den Urteilsfeststellungen hat die Zeugin L. sich dahingehend geäußert, E. sei das alles sichtlich peinlich gewesen. Sie habe viel geweint und sei sehr aufgewühlt gewesen. Sie habe Angst vor dem Vater, Selbstmordgedanken, Schlafstörungen und Depressionen gehabt (UA S. 62). Dieser Beweisantrag wurde vor der Vernehmung der Geschädigten in der Hauptverhandlung gestellt.
Nach deren Vernehmung beantragte der Verteidiger am 12. März 2004 ein Sachverständigengutachten dazu einzuholen, daß bei der Geschädigten keinerlei psychophysische Ausfallerscheinungen oder Erkrankungen vorliegen, die einen Rückschluß auf einen stattgefundenen sexuellen Mißbrauch zulassen, was die Kammer als wahr unterstellt hat. Damit hat die Verteidigung selbst die Behauptung einer gegenwärtigen Persönlichkeitsstörung fallengelassen.
Weder die Urteilsfeststellungen zum Zustand der Geschädigten während der psychotherapeutischen Behandlung, zu ihrem weiteren Lebenslauf nach dem Auszug aus dem Elternhaus – Abschluß Wirtschaftsschule, erfolgreiche Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau, eigene Wohnung – noch die Unsicherheiten in der zeitlichen Einordnung der Taten ergeben Anknüpfungstatsachen für eine frühere oder derzeit noch bestehende schwere Persönlichkeitsstörung von Krankheitswert oder sonstige besondere Umstände, die die Kammer zur Einholung eines Glaubwürdigkeitsgutachtens bezüglich der Geschädigten gedrängt hätten.
2. Die Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge hat ebenfalls keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
Die Beweiswürdigung hält rechtlicher Nachprüfung stand. Die Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Aussage der Geschädigten ist frei von Rechtsfehlern.
Eine vom Fehlen sonstiger Erkenntnisse gekennzeichnete Konstellation von „Aussage gegen Aussage” (BGH NStZ 2004, 635, 636) liegt nicht vor. Es gibt nämlich eine Reihe von Indizien, die die Strafkammer in die Würdigung der zentralen Aussagen der Geschädigten einbeziehen konnte, wie ihre früheren Offenbarungen gegenüber Dritten, der psychische und physische Zustand der Geschädigten in den Tatzeiträumen und danach sowie die Selbstverletzungen. Dies sind objektive Umstände von Gewicht, die die Kammer für die Richtigkeit der Darstellung des Opfers herangezogen hat. Gleichwohl hat sie die Prüfungskriterien aus der Entscheidung BGHSt 45, 164 angewandt. Sie hat eine umfassende Gesamtwürdigung vorgenommen.
Ausführlich hat sie sich damit auseinandergesetzt, ob die Mißbrauchsvorwürfe von der Belastungszeugin erfunden wurden, um häuslichen Pflichten zu entgehen, um vom Vater Unterhalt für ein freies unabhängiges Leben zu erhalten, und ist zu dem nachvollziehbaren Schluß gelangt, daß sämtliche Übergriffe erlebnisfundiert sind und die Angst vor dem angekündigten Geschlechtsverkehr die Tochter aus dem Elternhaus getrieben hat. Die Aussagegenese, die Konstanz, den Detailreichtum und die Originalität in den jeweiligen Bemerkungen des Vaters bei den einzelnen Taten hat die Kammer herausgearbeitet. Sie hat sich weiter für den Erlebnisbezug sämtlicher Vorfälle auf die von Zeugen bestätigten Selbstverletzungen und Selbstvorwürfe der Geschädigten sowie deren freiwillige, von ihren begrenzten finanziellen Mitteln selbst bezahlten psychotherapeutischen Gespräche gestützt. Die Kammer hat sich auch mit den verschobenen Tatzeiträumen im Vergleich zur Anklage in den Fällen B. I., II. und III. und in den früheren Aussagen des Opfers auseinandergesetzt und ist einerseits zum Ergebnis gelangt, daß unabhängig vom Tatzeitraum die Taten unverwechselbar individualisiert seien, selbst bei der Zeitspanne von 1995 bis 1999 im Fall III.. Insoweit befindet sie sich im Einklang mit der Rechtsprechung (BGHR StPO § 267 Abs. 1 Satz 1 Mindestfeststellungen 6). Andererseits sieht sie rechtsbedenkenfrei in den Problemen der Zeugin mit der zeitlichen Einordnung Jahre nach den Taten, die diese selbst mit einem Verdrängungsmechanismus erklärt hat, keinen Anlaß, an der Glaubhaftigkeit der Kernaussagen zu zweifeln. An die Erinnerungsfähigkeit von Zeugen, die Opfer sexueller Serienstraftaten geworden sind (eine Vielzahl wurde eingestellt), dürfen keine überspannten Anforderungen gestellt werden (BGHSt 40, 44, 46).
III.
Die Revision der Staatsanwaltschaft:
1. Die Urteilsfeststellungen tragen die angestrebte tateinheitliche Verurteilung wegen Körperverletzung im Fall B. IV. der Urteilsgründe nicht. Diesen tateinheitlich angeklagten Tatbestand hat das Landgericht nicht als erfüllt angesehen, weil die Geschädigte in der Hauptverhandlung nicht bestätigt hat, daß sie bei diesem sexuellen Übergriff Schmerzen erlitten habe. Ob überhaupt eine negative Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens herbeigeführt wurde, wofür die Staatsanwaltschaft ein Indiz im Weinen der Zeugin sieht, oder ob nur das seelische Wohlbefinden berührt war, kann offenbleiben. Jedenfalls kommt im Falle einer Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens dieser kein selbstständiger Unrechtsgehalt zu, weil es sich hier um nicht mehr als einen zwangsläufigen Begleitumstand der sexuellen Nötigung handelt (BGH, Beschluß vom 2. Juli 2002 – 3 StR 201/02; BGH bei Miebach NStZ 1995, 224).
2. Die Staatsanwaltschaft beanstandet zu Recht den Teilfreispruch hinsichtlich Ziffer 2 der Anklage.
Das Landgericht, das nach der Hauptverhandlung eine Tat im Rechtssinne zwischen dem Tatgeschehen aus Ziffer 2 der Anklage und Fall B. I. der Urteilsgründe als möglich annimmt, hat den Zweifelssatz zu Gunsten des Angeklagten zutreffend auf die Konkurrenzen angewendet (BGHR StGB § 52 Abs. 1 in dubio pro reo 1 bis 4; BGH StV 1992, 54). Dann hätte aber bei dem für erwiesen erachteten Sachverhalt kein Teilfreispruch ergehen dürfen (BGHSt 44, 196). Vielmehr erhöht der zweite Teilakt – das Eindringen mit der Zunge in die Scheide – den Schuld- und Unrechtsgehalt im Fall B. I. nicht unerheblich. Er hätte bei der Strafrahmenwahl und der Strafzumessung im engeren Sinne berücksichtigt werden müssen.
3. Der Tatrichter hat § 176a Abs. 1 Nr. 1 StGB i.d.F. des 6. StrRG fehlerhaft ausgelegt und daraus fehlerhafte Schlüsse auf das als mildestes Gesetz anzuwendende Tatzeitgesetz (§ 2 Abs. 3 StGB) im Fall B. I. gezogen.
Das Eindringen mit dem Finger in die Scheide erfüllt den Tatbestand des schweren sexuellen Mißbrauchs von Kindern im Sinne der zitierten Vorschrift (BGH NJW 2000, 672). In der irrigen Annahme, dieses Geschehen könne einen solchen schweren sexuellen Mißbrauch nicht begründen, hat das Landgericht „aus dem gleichen Grund” einen unbenannten besonders schweren Fall im Sinne des Tatzeitgesetzes nach § 176 Abs. 3 Satz 1 StGB in der bis zum 31. März 1998 geltenden Fassung des 4. StrRG verneint (UA S. 113).
4. Die Strafzumessung zu Fall B. I., für den das Landgericht eine Einzelstrafe von einem Jahr und drei Monaten verhängt hat, ist danach mit zwei Rechtsfehlern behaftet. Der Oralverkehr blieb völlig unberücksichtigt und das Eindringen mit dem Finger wurde falsch bewertet.
Die aufgezeigten Mängel führen im Ergebnis nicht nur zur Aufhebung der eher milden Einzelstrafe für die Tat B. I., sondern auch zur Aufhebung der übrigen Einzelstrafen und der Gesamtstrafe. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann bei Tatmehrheit die Aufhebung eines Einzelstrafausspruchs zur Aufhebung der übrigen Strafaussprüche führen, wenn nicht auszuschließen ist, daß diese durch den Rechtsfehler im Ergebnis beeinflußt sind (BGH NJW 1979, 378; NJW 1981, 2204, 2206; NStZ 2001, 323). Dies kann insbesondere dann gelten, wenn es sich bei der rechtsfehlerhaft festgesetzten Einzelstrafe um die höchste Einzelstrafe handelt oder wenn die abgeurteilten Taten in einem engen inneren Zusammenhang stehen. Beides ist hier der Fall. Hinzu kommt, daß es sich bei der fehlerhaften Einzelstrafe um diejenige für die erste Tat handelt. Der Senat hat daher den Strafausspruch insgesamt aufgehoben.
5. Weitere den Angeklagten begünstigende Rechtsfehler hat die Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge der Staatsanwaltschaft nicht ergeben.
IV.
Der Senat sieht Anlaß zu folgenden Hinweisen:
1. Entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft hat der Tatrichter – wie hier geschehen – grundsätzlich drei unterschiedliche Strafmilderungsgründe zu bedenken:
- Langer zeitlicher Abstand zwischen Tat und Urteil
- Belastungen durch lange Verfahrensdauer
- Verletzung des Beschleunigungsgebots nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK (vgl. BGH NStZ 1999, 181).
Dies gilt sowohl für die Festsetzung der Gesamtstrafe als auch für die Festsetzung der Einzelstrafen (BGH NStZ 2003, 601).
2. Eine Verletzung des Beschleunigungsgebots hat das Landgericht hier darin gesehen, daß das Verfahren über elf Monate nicht gefördert worden ist. Eine gewisse Untätigkeit während eines bestimmten Verfahrensabschnitts führt aber nicht ohne weiteres zu einer derartigen Verletzung (BGH NStZ 2003, 384). Es ist auf die Gesamtdauer des Verfahrens abzustellen, deren Angemessenheit sich nach einer Gesamtwürdigung bestimmt, in die neben Umfang und Schwierigkeit des Verfahrens auch das Verhalten des Beschuldigten und seines Verteidigers einzubeziehen ist.
Ob Umstände vorliegen, die eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung oder deren fehlerhafte Annahme begründen, kann das Revisionsgericht allerdings nur auf eine entsprechende Verfahrensrüge überprüfen (BGH NStZ 2000, 418; StV 1999, 205).
Unterschriften
Nack, Wahl, Kolz, Elf, Graf
Fundstellen
Haufe-Index 2556135 |
NStZ-RR 2007, 195 |