Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im übrigen wegen sexuellen Mißbrauchs eines Kindes in sechs Fällen sowie wegen sexueller Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt.
Gegen diese Verurteilung wendet sich die Revision des Angeklagten mit Verfahrensrügen und der Sachrüge. Seine Revision ist hinsichtlich der Rüge der Verletzung materiellen Rechts sowie den Verfahrensrügen I und III bis VI der Revisionsrechtfertigungsschrift unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 6. Mai 1998 Bezug genommen.
Einer Erörterung bedarf nur die Verfahrensrüge II, mit der beanstandet wird, daß der Tatrichter zwei Zeugen nicht vernommen hat. Auch mit dieser Rüge hat die Revision des Angeklagten jedoch keinen Erfolg.
Die Rüge, die §§ 244 Abs. 3 Satz 2, 244 Abs. 2 StPO seien verletzt, weil die Strafkammer den Antrag auf Vernehmung der Zeugen S. und L. rechtsfehlerhaft zurückgewiesen habe und ihrer diesbezüglichen Aufklärungspflicht nicht nachgekommen sei, ist unbegründet.
1. Bei den Zeugen S. (Diplompsychologe) und (Diplom-Sozialpädagogin) handelt es sich um Mitarbeiter des Sozialdienstes Katholischer Frauen e.V. in Köln, der dem Gesamtverband der Katholischen Kirchengemeinden der Stadt Köln angehört. An diese hatte sich die Mutter des Opfers der Sexualdelikte des Angeklagten gewandt, um sich beraten zu lassen. Die Zeugen waren vor dem erkennenden Gericht erschienen und hatten die Aussage verweigert. Zum einen war ihnen von ihrem Dienstvorgesetzten keine Aussagegenehmigung erteilt worden, zum anderen waren sie selbst der Überzeugung, sie könnten gemäß §§ 53, 53 a StPO das Zeugnis verweigern. Die Kammer verhängte gegen beide Zeugen Ordnungsgelder, weil ihnen "kein Aussageverweigerungsrecht" zustehe. Der Dienstvorgesetzte der beiden Zeugen lehnte auch auf Gegenvorstellung der Kammer die Erteilung einer Aussagegenehmigung aus Rechtsgründen ab. Die Strafkammer hob zunächst die Ordnungsgeldbeschlüsse auf. Im Hinblick auf die erneute Nichterteilung einer Aussagegenehmigung durch ihren Dienstvorgesetzten verweigerten die Zeugen in Beistand ihres Rechtsanwaltes wiederum die Aussage und erklärten, daß sie sich weder durch Ordnungsgeld noch durch Beugehaft zur Aussage zwingen ließen. Das Landgericht verhängte gleichwohl erneut Ordnungsgelder, sah aber von der Verhängung von Beugehaft ab, weil "die beiden Zeugen sich durch die Weigerung des Stadtkirchenverbandes, ihnen eine Aussagegenehmigung zu erteilen, in einem für sie nicht auflösbaren Konflikt befinden. So haben beide Zeugen auch ersichtlich erklärt, auch im Falle von Verhängung von Beugehaft nicht aussagen zu wollen".
Der Angeklagte stellte sodann einen Beweisantrag auf Vernehmung dieser beiden Zeugen unter anderem zur Problematik sexueller Übergriffe des Vaters des Tatopfers.
Diesen Antrag wies das Landgericht zurück, "weil die beiden genannten Personen als Beweismittel völlig ungeeignet sind (§ 244 Abs. 3 Satz 2 StPO). Die beiden Zeugen haben trotz Verhängung eines Ordnungsgeldes bei drei Vernehmungsversuchen an drei verschiedenen Verhandlungstagen die Aussage verweigert. Sie haben übereinstimmend und glaubhaft erklärt, daß sie aus prinzipiellen Gründen selbst dann keine Aussage machen würden, wenn die ihnen angedrohte Beugehaft verhängt und vollzogen würde. Daß sich an dieser Einstellung seit dem gestrigen Verhandlungstag etwas geändert haben könnte, ist nicht ersichtlich".
2. Die Ablehnung des Beweisantrages ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Im vorliegenden Fall durften die Zeugen vom Tatrichter als völlig ungeeignete Beweismittel angesehen werden.
Hat der Tatrichter sich unter sorgfältiger Berücksichtigung der besonderen Umstände die durch Tatsachen belegte Überzeugung verschafft, daß eine Beweisperson nicht zu verwertbaren sachdienlichen Angaben bereit sein werde, so ist es kein Rechtsfehler, wenn er diese als völlig ungeeignetes Beweismittel im Sinne der Rechtsprechung erachtet, die eine solche vorherige, Würdigung wegen des gänzlichen Unwerts des Beweismittels und damit der völligen Nutzlosigkeit seiner Verwendung ausnahmsweise zuläßt (vgl. BGH MDR 1983, 4 m.w.N.).
In Fällen einer angekündigten Aussageverweigerung muß der Tatrichter alle gebotenen Schritte unternehmen, um sich von der Irrtumsfreiheit, Ernsthaftigkeit und Endgültigkeit der Weigerung zu überzeugen (vgl. auch BGHSt 21, 12, 13). Dazu wird es regelmäßig erforderlich sein, bei bedeutsamen Beweisthemen und gewichtigen Tatvorwürfen zulässige Erzwingungsmaßregeln nicht nur zu verhängen, sondern auch zu vollstrecken.
Das Revisionsgericht hat zu überprüfen, ob dem Tatrichter bei seiner Überzeugungsbildung Rechtsfehler unterlaufen sind.
Das ist hier nicht der Fall.
Auf die Frage, ob die Zeugen "andere Personen des öffentlichen Dienstes" im Sinne des § 54 Abs. 1 StPO sind und ob ihnen gemäß §§ 53, 53 a StPO ein Zeugnisverweigerungsrecht zusteht (vgl. hierzu u.a. Stromberg MDR 1974, 892 ff.), kommt es dabei nicht an.
Die Zeugen waren als Beweismittel völlig ungeeignet, weil sie unter keinen Umständen bereit waren, als Zeugen auszusagen. Zum einen hatten sie von ihrem Dienstvorgesetzten ausdrücklich keine Aussagegenehmigung erhalten und hielten sich an die Verweigerung gebunden. Da auch auf Gegenvorstellung des Tatrichters (vgl. hierzu BGHR StPO § 244 Abs. 2 Aussagegenehmigung 1) der Dienstvorgesetzte bei seinem Rechtsstandpunkt blieb, war nicht zu erwarten, daß eine Aussagegenehmigung noch erteilt werden würde. Zum anderen gingen die Zeugen selbst davon aus, daß ihnen ein Zeugnisverweigerungsrecht gemäß §§ 53, 53 a StPO zusteht. Die Zeugen haben unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, unter keinen Umständen - auch nicht der Verhängung von Beugehaft - bereit zu sein, vor Gericht auszusagen.
Weiter war zu beachten, daß das Landgericht die im Beweisantrag enthaltenen Tatsachenbehauptungen ohnehin als erwiesen angesehen und seinen Feststellungen zugrunde gelegt hat. Soweit auf eine "sexuelle Übergriffsproblematik" des Vaters und der beiden Mädchen abgestellt wird, fehlt es an einem hinreichend bestimmten Beweisthema. Die beiden Zeugen hätten nur zu den Angaben der Mutter der Mädchen, die ohnehin bereits als Zeugin vernommen worden war, aussagen können. Zu den Taten des Angeklagten konnten die Zeugen aus eigener Wahrnehmung nichts bekunden, auch nicht zu angeblichen Übergriffen des Vaters des Mädchens.
Der Tatrichter war danach - auch im Hinblick auf den Tatvorwurf - nicht gehalten, Erzwingungshaft anzuordnen (die Zulässigkeit hier unterstellt) und zu vollstrecken, um eine weitere Bestätigung seiner rechtsfehlerfrei gewonnenen Überzeugung herbeizuführen.
Unter den gegebenen besonderen Umständen durfte der Tatrichter danach von völliger Ungeeignetheit des Beweismittels ausgehen (vgl. auch BGH NStZ 1982, 126).
3. Auch die Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) ist nicht verletzt.
Unterläßt das Gericht Maßregeln nach § 70 StPO, so kann darin zwar ein Verstoß gegen die Aufklärungspflicht aus § 244 Ms. 2 StPO liegen. Ein solcher Verstoß ist hier jedoch nicht ersichtlich. Es war nicht zu erwarten, daß die Zeugen, die auch durch die erneute Verhängung von Ordnungsgeld nicht zur Aussagebereitschaft gebracht wurden, aussagen würden. Die Aufklärungspflicht zwingt den Tatrichter nicht dazu, ein völlig ungeeignetes Beweismittel heranzuziehen. Nach dem Verhalten der Zeugen, die sich zur Aussage weder berechtigt noch verpflichtet fühlten und endgültig und eindeutig eine Aussage selbst für den Fall der Beugehaft verweigert hatten, brauchte sich das Gericht von Zwangsmaßnahmen keinen Erfolg zu versprechen (vgl. BGH, Urt. v. 5. Juni 1956 - 5 StR 116/56 dort S. 7).
Auch im Hinblick auf die weitgehende Unerheblichkeit des Beweisthemas und die Tatferne der Zeugen mußte sich der Tatrichter nicht gedrängt sehen, Aussagen der Zeugen herbeizuführen.
Die Verfahrensrüge bleibt daher erfolglos.
Fundstellen
Haufe-Index 2993561 |
JR 1999, 427 |
NStZ 1999, 46 |
StraFo 1999, 85 |