Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorausvermächtnis bei Teilungsversteigerung
Leitsatz (amtlich)
Daß eine Miterbin aufgrund Zuschlags in der Teilungsver steigerung ein zum Nachlaß gehörendes Grundstück erworben hat, ändert nichts an ihrer Verpflichtung aus §§ 2174, 1967, 2058 BGB, das Grundstück zur Erfüllung eines Vorausvermächtnisses einem anderen Miterben zu übertragen.
Normenkette
BGB § 2058
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches OLG (Entscheidung vom 29.10.1996; Aktenzeichen 3 U 22/95) |
LG Kiel (Entscheidung vom 11.01.1995; Aktenzeichen 12 0 211/94) |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 29. Oktober 1996 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Abschreibung eines Grundstückteils und die Feststellung, daß die Beklagte verpflichtet ist, ihm das neu entstandene Grundstück auf ihre Kosten zu übereignen.
Die Parteien sind zusammen mit sechs weiteren Geschwistern gesetzliche Erben ihrer am 10. Juni 1987 verstorbenen Mutter (Erblasserin). Der Nachlaß bestand im wesentlichen aus einem mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstück mit Garten. 1984 war das Grundstück zugunsten der Beklagten mit einer Grundschuld in Höhe von 45.000 DM belastet worden. Das beruhte nach Darstellung der Beklagten auf ihren erheblichen Investitionen in das Haus in den vorangegangenen Jahren.
Die Erblasserin hat ein auf den 23. Januar 1984 datiertes, von ihr unterschriebenes und mit der Überschrift „Testamend” versehenes Schriftstück mit folgendem Inhalt verf aßt:
„Lieber Sohn … (Kläger), ich habe ein gutes Stück Garten eingepflanzt. Das sollst Du behalten, es soll dein sein solange es behalten willst ich schänke es Dir ich schänke es dir lieber Sohn deine Mutter Frau … für immer ich kan es nicht bearbeiten.”
Im Mai 1989 hat eine weitere Miterbin die Teilungsversteigerung des Nachlaßgrundstücks beantragt. Es wurde der Beklagten am 25. Oktober 1993 gegen ein Bargebot von 75.167,37 DM zugeschlagen. Nach dem Zuschlagbeschluß blieb u.a. die zugunsten der Beklagten bestellte Grundschuld bestehen.
Der Kläger ist der Auffassung, die Erblasserin habe ihn hinsichtlich des Gartenanteils des Grundstücks mit einem Vorausvermächtnis bedacht. Er verlangt dessen Erfüllung von der Beklagten als jetziger Alleineigentümerin des Grundstücks.
Das Landgericht hat der Klage im wesentlichen stattgegeben und dem Kläger als Miterben lediglich 1/8 der mit der Abvermessung und Eigentumsumschreibung verbundenen Kosten zugewiesen. Die Berufung der Beklagten wurde zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt sie ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
I.
Das Berufungsgericht beurteilt das Schreiben der Erblasserin vom 23. Januar 1984 als wirksames, den Kläger begünstigendes Vorausvermächtnis (§ 2150 BGB). Der ursprüngliche Anspruch cies Klägers gegen die Miterbengemeinschaft auf Erfüllung dieses Vermächtnisses (§ 2174 BGB) sei wegen Unmöglichkeit erloschen, da der Nachlaß geteilt sei und der Gegenstand des Vermächtnisanspruchs, der Gartenanteil des Grundstücks, der Miterbengemeinschaft nicht mehr zur Verfügung stehe. Der Anspruch des Klägers lasse sich aber auf § 280 BGB stützen. Der Umstand, daß die Beklagte in einem justizförmigen Verfahren originär kraft Hoheitsakts das Eigentum am Nachlaßgrundstück erworben habe, stehe dem nicht entgegen. Entscheidend sei, daß der Eigentumserwerb der Beklagten J.m Wege der Zwangsversteigerung den gegen die Gemeinschaft der Miterben gerichteten Anspruch des Klägers auf Erfüllung des Vermächtnisses unmöglich gemacht habe und daß sich die Beklagte dieser Konsequenz bewußt gewesen sei. Der Anspruch des Klägers werde durch die zugunsten der Beklagten bestehende Grundschuld über 45.000 DM nicht beeinflußt. Das dem Kläger ausgesetzte Vorausvermächtnis sei so auszulegen, daß ihm das Gartenland lastenfrei zur Verfügung gestellt werden solle.
ii.
Das Berufungsurteil hält den Angriffen der Revision im Ergebnis stand. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf lastenfreie Übertragung des als Garten genutzten Teils des Grundstücks.
1. Die von der Revision gegen die Wirksamkeit der letztwilligen Verfügung erhobenen Bedenken hat der Senat geprüft und nicht für durchgreifend erachtet. Von einer Begründung wird abgesehen (§ 565a ZPO).
2. Die Auslegung der letztwilligen Verfügung der Erblasserin als Vorausvermächtnis zugunsten des Klägers ist nicht zu beanstanden. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats ist die vom Erblasser gewollte wertmäßige Verteilung des Nachlasses der wichtigste Gesichtspunkt, der bei der Abgrenzung zwischen Vorausvermächtnis und Teilungsanordnung zu beachten ist. Es kommt darauf an, ob der Erblasser den betreffenden Miterben wertmäßig begünstigen wollte (Senat, Urteile vom 7. Dezember 1994 – IV ZR 281/93 – NJW 1995, 721 unter 1 2 und vom 27. Juni 1990 – IV ZR 104/89 – NJW-RR 1990, 1220 unter 11 2). Die für den Erbfall gedachte Zuwendung begünstigt allein den Kläger. Den anderen Miterben, über deren gesetzliches Erbrecht die Mutter nach dem Sachvortrag der Parteien nicht im Unklaren gewesen sein kann, wird weder etwas zugewendet, noch wird eine Pflicht des Klägers zum Wertausgleich begründet. Wenn der Tatrichter aus diesen Umständen schließt, die letztwillige Verfügung stelle ein Vorausvermächtnis dar, so ist diese Auslegung möglich und nicht revisibel.
Der Vermächtnisanspruch des Klägers bestE ist nicht wegen Unmöglichkeit erloschen.
a) Beim Vermächtnisanspruch handelt es sich um eine Nachlaßverbindlichkeit, für welche die Erben als Gesamtschuldner haften (§§ 1967 Abs. 2, 2058 BGB). Im vorliegenden Fall ist durch die abgeschlossene Teilungsversteigerung des einzigen wesentlichen Nachlaßgegenstandes der Nachlaß zwar geteilt. Aber auch nach der Teilung des Nachlasses bleibt die gesamtschuldnerische Haftung der Miterben bestehen (MünchKomm/Dütz, BGB 3. Aufl. 2060 Rdn. 1 und 2; Staudinger/Marotzke, BGB 13. Aufl. 2060 Rdn. 1; Soergel/M. Wolf, BGB 12. Aufl. § 2060 Rdn. 1). Wenn die Nachlaßverbindlichkeiten nicht gemäß 2046 BGB vor der Teilung ccies Nachlasses berichtigt worden sind, haftet dem Nachlaßgläubiger nunmehr das gesamte Eigenvermögen der Miterben, soweit keine der Ausnahmen der §§ 2060, 2061 BGB eingreift; das ist hier nicht der Fall.
Die Beklagte ist Alleineigentümerin des Grundstücks und damit in der Lage, das Vermächtnis zu erfüllen. Es bedarf daher hier nicht der bei einer Gesamtschuldklage, die vor Teilung des Nachlasses erhoben wird, anerkannten Einschränkung, daß nicht die gemäß § 2040 Abs. 1 BGB nur allen Erben gemeinschaftlich mögliche Auflassung selbst, sondern lediglich deren Herbeiführung erstrebt werde (vgl. BGH, Urteil vom 24. April 1963 – V ZR 16/62 – LM BGB § 2058 Nr. 4). Die Beklagte kann sich auch nicht auf die für die anderen Miterben bestehende Unmöglichkeit berufen (§ 425 Abs. Z BGB). Deshalb kommt es auf die vom Berufungsgericht und von der Revision erörterte Frage nicht an, ob die Beklagte eine solche Unmöglichkeit zu vertreten hätte.
b) An der Verpflichtung der Beklagten zur Erfüllung des Vermächtnisses ändert der Umstand nichts, daß sie durch den Zuschlagsbeschluß originär Alleineigentum am Grundstück in einem justizförmigen Verfahren erworben hat. Zwar ist sie nicht Rechtsnachfolgerin der Erbengemeinschaft als der früheren Grundstückseigentümerin geworden (vgl. Zeller/Stöber, ZVG 14. Aufl. § 90 Rdn. 2.1). Die Beklagte schuldet aber die Erfüllung des Vermächtnisanspruchs als Miterhin vom Erbfall an unabhängig vom Erwerb des Eigentums an dem Grundstück und anders als ein Nichterbe, der das Grundstück hätte ersteigern können.
Der schuldrechtliche Anspruch auf die Erfüllung des Vermächtnisses erlischt auch nicht durch den Zuschlagsbeschluß. § 52 Abs. 1 Satz 2 ZVG betrifft Verpflichtungen schuldrechtlicher Art nicht (Zeller/Stöber, § 52 Rdn. 2.4). Vielmehr beendet die Teilungsversteigerung lediglich die gesamthänderische Berechtigung der Miterben an dem versteigerten Grundstück (und das darauf beruhende Vorkaufsrecht der Miterben: BGH, Urteil vom 19. April 1972 – IV ZR 117/70 – LM BGB § 2034 Nr. 9). Nur insofern tritt der Versteigerungserlös an die Stelle des Grundstücks (BGHZ 4, 84, 87, 90; Urteil vom 28. April 1983 – IX ZR 1/82 – NJW 1983, 2449, 2451 unter 11 2). Davon bleibt der Anspruch eines Miterben auf Erfüllung eines Vorausvermächtnisses unberührt.
c) Das bedeutet freilich nicht, daß der Kläger den von ihm vereinnahmten Versteigerungserlös nicht ganz oder zum Teil der Beklaaten zu erstatten brauchte. Wie die Auseinandiersetzung unter den Miterben zu erfolgen hat und welche Ausgleichsansprüche der Beklagten gegen die Miterben zustehen, bedarf im vorliegenden Verfahren jedoch keiner Entscheidung. Die Beklagte hat ein Zurückbehaltungsrecht nicht geltend gemacht.
4. Das Berufungsgericht hat mit Recht den Anspruch des Klägers auf lastenfreie Übertragung bejaht.
a) Durch die reale Teilung des Nachlaßurundstücks in ein Haus- und ein Gartengrundstück würde sich die derzeit zu Gunsten der Beklagten bestehende Eigentümergrundschuld in eine Gesamtgrundschuld an den beiden neu entstehenden Grundstücken verwandeln, §§ 1192 Abs. 1, 1132 BGB (MünchKomm/Wacke, BGB 3. Aufl. 890 Rdn. 18 und MünchKomm/Eickmann, § 1132 Rdn. 22). Nach § 2165 Abs. 1 Satz 1 steht dem Kläger als Vermächtnisnehmer im Zweifel ein Anspruch auf Beseitigung der dinglichen Belastung nicht zu; er soll grundsätzlich nur das erhalten, was dem Erblasser selbst zustand. Diese Auslegungsregel gilt allerdings nur, solange kein anderer, auf lastenfreie Übertragung gerichteter Wille der Erblasserin feststeht (MünchKomm/Schlichting, BGB 3. Aufl. § 2165 Rdn. 5). Das Berufungsgericht hat einen solchen Willen der Erblasserin bejaht, weil die Grundschuld sich auf behauptete Aufwendungen auf das Haus bezieht, während Gegenstand des Vermächtnisses der Garten ist, der dem Kläger nach dem Wortlaut des Testaments in jeder Hinsicht unbeschränkt habe zustehen sollen. Diese tatrichterliche Auslegung läßt Rechtsfehler nicht erkennen.
b) Auch die Revision räumt ein, daß die unbelastete Übertragung des Obstgartens dem Willen der Erblasserin entsprochen haben mag, meint aber, allenfalls die Erbenqemeinschaft könne ursprünglich verpflichtet gewesen sein, die Grundschuld abzulösen. Nicht ersichtlich sei, weshalb nun die Beklagte allein hierfür aufkommen solle. Die Beseitigung der Belastung des Vermächtnisgegenstandes ist aber ebenso Nachlaßverbindlichkeit wie das Vermächtnis selbst. Für ihre Erfüllung kann daher auf die Aus unter 11 3 verwiesen werden.
führungen
Unterschriften
Dr. Schmitz, Dr. Zopfs, Dr. Ritter, Römer, Dr. Schlichting
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 15.10.1997 durch Luttkus Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 604914 |
DB 1998, 572 |
NJW 1998, 682 |
FamRZ 1998, 227 |
KTS 1998, 509 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 1998, 659 |
ZEV 1998, 23 |
DNotZ 1998, 832 |
MDR 1998, 108 |
ZNotP 1998, 28 |