Leitsatz (amtlich)
Der Verlust der Gesellschaftereigenschaft hat bei einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts keinen Einfluß auf das Fortbestehen der an dieses Rechtsverhältnis anknüpfenden materiell-rechtlich notwendigen Streitgenossenschaft.
Im Streit zwischen mehreren Forderungsprätendenten um die Freigabe eines hinterlegten Betrags ist allein die Berechtigung im Außenverhältnis zum Schuldner entscheidend.
Normenkette
ZPO § 265 Abs. 2, § 62; BGB § 372
Verfahrensgang
OLG Dresden (Beschluss vom 01.04.1998; Aktenzeichen 8 U 250/93) |
KreisG Grimma (Aktenzeichen C 125/91) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Teilurteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 1. April 1998 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Kläger sind Rechtsnachfolger dreier ehemaliger landwirtschaftlicher Produktionsgenossenschaften (LPG), die eine Milchviehanlage als Kooperative Einrichtung betrieben hatten. In einer auf den 1. Juli 1990 datierten privatschriftlichen Vereinbarung räumten sie der Beklagten ein befristetes, unwiderrufliches Optionsrecht zum Erwerb der vorhandenen „Liegenschaften” und die Berechtigung zu deren Weitervermietung ein. Das Besitzrecht sollte mit der Zahlung eines Kaufpreises von 3,2 Mio. Mark/DDR beginnen und mit dem Entstehen der Kaufpreisrückzahlungsverpflichtung in Höhe von dann 1,6 Mio. DM enden. Der Kaufpreis war bereits am 29. Juni 1990, also unmittelbar vor dem Inkrafttreten der Wirtschafts- und Währungsunion, vollständig in Mark/DDR entrichtet worden. Seine Rückerstattung sollte im Falle des Scheiterns eines Grundstückskaufvertrages bzw. bei Eintritt eines Eigentumsübertragungshindernisses erfolgen.
Die Beklagte baute die ihr überlassenen Gebäude und Anlagen im wesentlichen zu Lager- und Verkaufshallen um und vermietete sie – teilweise unter Einschaltung ihrer Streithelferin – an verschiedene Unternehmen. Wegen eines später entstandenen Streits über die weitere Durchführung der Vereinbarung haben die LPG'en gegen die Beklagte im Juli 1991 Klage auf Räumung und Herausgabe erhoben und die Mieter veranlaßt, die Mietbeträge ab August 1991 zu hinterlegen. Daraufhin hat die Beklagte gegen die LPG'en auf Freigabe der hinterlegten Mieten geklagt.
Beide Verfahren sind zunächst getrennt geführt worden. Die Klage auf Freigabe der hinterlegten Beträge hat in den Tatsacheninstanzen Erfolg gehabt, jedoch hat die Revision der Klägerseite zur Aufhebung und Zurückverweisung geführt (Senatsurt. v. 14. Juli 1995, V ZR 45/94, NJW 1995, 2627 ff). Im Räumungs- und Herausgabeverfahren haben die Kläger in erster Instanz nur einen Teilerfolg erzielt, nämlich die Verurteilung zur Herausgabe Zug um Zug gegen Zahlung von 1,6 Mio. DM. Das in der Folgezeit ebenfalls mit diesem Verfahren befaßte Berufungsgericht hat den zwischenzeitlich zurückverwiesenen Rechtsstreit bezüglich der Freigabe der hinterlegten Mieten mit dem Räumungs- und Herausgabeprozeß verbunden und die Freigabeklage als Widerklage behandelt.
Nachdem sich in der letzten Berufungsverhandlung herausgestellt hatte, daß die Beklagte den Besitz an den überlassenen Gebäuden und Anlagen zwischenzeitlich verloren hatte, haben die Kläger ihr ursprüngliches Herausgabe- und Räumungsbegehren aufgegeben und zuletzt die Feststellung beantragt, daß der Beklagten keine Eigentums- und Besitzrechte zustünden.
Bei der in Form einer BGB-Gesellschaft bestehenden Rechtsnachfolgerin einer der LPG'en kam es im Verlaufe des Prozesses zu einem umfangreichen Gesellschafterwechsel. Das Berufungsgericht hat die in einer Gesellschafterliste vom 3. Februar 1998 genannten Personen im Urteilsrubrum als Kläger Ziff. 3 aufgeführt und die von ihm ermittelten ehemaligen Gesellschafter als Kläger Ziff. 4 bezeichnet. Durch Erlaß eines Teilurteils gegenüber den Klägern Ziff. 1 bis 3 hat das Berufungsgericht der Feststellungsklage unter gleichzeitiger Abweisung der Widerklage entsprochen. Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten. Die Kläger beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht hat den Erlaß eines Teilurteils für zulässig erachtet, weil die als Kläger Ziff. 4 bezeichneten ehemaligen Mitglieder der BGB-Gesellschaft mit dem Verlust ihrer Gesellschafterstellung auch ihre Eigenschaft als notwendige Streitgenossen eingebüßt hätten. In der Sache selbst ist es zu der Auffassung gelangt, daß die an der Vereinbarung vom 1. Juli 1990 beteiligten LPG'en und nicht die von ihnen getragene, mangels Registrierung aber zu keinem Zeitpunkt mit Rechten ausgestattete Kooperative Einrichtung durch die Errichtung von Gebäuden und befestigten Anlagen nach dem damals geltenden LPG-Recht Sondereigentum erworben hätten. Die Rechtsnachfolger der LPG'en hätten dieses Eigentum auch nicht aufgrund späterer Entwicklungen an die Beklagte oder an Dritte verloren. Die Nutzungsregelung vom 1. Juli 1990 könne der Beklagten schon als gemäß Art. 6 Abs. 4 Anlage 1 zum Staatsvertrag vom 18. Mai 1990 nichtiges Umgehungsgeschäft keine Besitzberechtigung verleihen. Jedenfalls habe aber ein etwa bestehendes Besitzrecht spätestens mit der Einreichung der Herausgabeklage am 29. Juli 1991 geendet. Die Beklagte bzw. ihre Streithelferin seien deswegen ab August 1991 zur Gewährung des vertragsgemäßen Mietgebrauchs nicht mehr in der Lage gewesen. Dies führe zu einer Mietzinsminderung auf Null und damit zur Abweisung der Widerklage.
Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.
II.
Das Berufungsgericht hat die Reichweite der zwischen den Mitgliedern einer BGB-Gesellschaft bestehenden notwendigen Streitgenossenschaft fehlerhaft beurteilt und infolgedessen unter Verstoß gegen § 301 ZPO ein unzulässiges Teilurteil erlassen. Dies führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.
1. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß eine BGB-Gesellschaft nicht parteifähig ist und deshalb in einem gegen einen Dritten geführten Rechtsstreit eine gemeinsame Klage aller als materiell-rechtlich notwendige Streitgenossen (§ 62 Abs. 1 2. Alt. ZPO) verbundener Gesellschafter erforderlich ist (BGHZ 30, 195, 197; BGH, Urt. v. 25. September 1990, XI ZR 94/89, NJW 1991, 101). Entsprechendes gilt im Passivprozeß, wenn – wie vorliegend im Rahmen der Widerklage – eine ihrem Gegenstand nach nur von allen Gesellschaftern einheitlich erfüllbare Verpflichtung geltend gemacht wird (BGHZ 131, 376, 379). Das Berufungsgericht hat auch nicht verkannt, daß das Ausscheiden einzelner Gesellschafter aus einer nach wie vor bestehenden BGB-Gesellschaft nicht zur Beendigung des zu einem früheren Zeitpunkt begründeten Prozeßrechtsverhältnisses führt. Bei einer Veränderung des Gesellschafterbestandes greift § 265 Abs. 2 ZPO ein, und zwar sowohl im Falle der Abtretung eines Gesellschaftsanteils (BGH, Urt. v. 9. Februar 1959, II ZR 222/58, LM ZPO § 265 Nr. 7) als auch bei einem zur Anwachsung (§ 738 BGB) führenden Ausscheiden (BGH, Urt. v. 20. September 1962, VII ZR 264/60, WM 1963, 729, 730). Deshalb sind hier die früheren Gesellschafter der BGB-Gesellschaft nach wie vor Prozeßparteien auf der Aktiv- und Passivseite. Nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts sind sie bislang weder durch eine Klagerücknahme noch aufgrund eines Parteiwechsels (§ 265 Abs. 2 S. 2 ZPO) aus dem Prozeß ausgeschieden.
2. Von Rechtsirrtum beeinflußt ist jedoch die weitere Annahme des Berufungsgerichts, die ehemaligen Gesellschafter hätten als gesetzliche Prozeßstandschafter (§ 265 Abs. 2 ZPO) ihre Stellung als materiell-rechtlich notwendige Streitgenossen eingebüßt. Der Verlust der Gesellschaftereigenschaft hat keinen Einfluß auf das Fortbestehen der an dieses Rechtsverhältnis anknüpfenden materiell-rechtlich notwendigen Streitgenossenschaft, weil auch der Prozeßstandschafter nur zusammen mit den übrigen Gesellschaftern den Feststellungsanspruch weiterverfolgen und im Wege der Widerklage auf Freigabe in Anspruch genommen werden kann. Sind aber die vom Berufungsgericht unter der Bezeichnung „Kläger Ziff. 4” aufgeführten ehemaligen Gesellschafter nach wie vor notwendige Streitgenossen, so war wegen des aus § 62 ZPO folgenden Gebotes einer einheitlichen Gesamtentscheidung der Erlaß eines Teilurteils unter Ausschluß dieser Gesellschafter unzulässig (BGHZ 131, 376, 381 f).
3. Entgegen der Ansicht der Revisionsbeklagten kann dieser Verfahrensfehler nicht durch eine Rubrumsberichtigung behoben werden. Zwar ist in den Fällen, in denen ersichtlich alle Gesellschaftsmitglieder klagen oder verklagt werden, eine Nichtberücksichtigung einzelner Gesellschafter im Urteilsrubrum unschädlich, weil dies nur zu einer durch Berichtigung zu beseitigenden Unvollständigkeit des Rubrums führt (BGH, Urt. v. 10. Oktober 1996, IX ZR 135/95, NJW 1997, 1236; BGH, Urt. v. 12. März 1990, II ZR 312/88, NJW-RR 1990, 867). Das vom Berufungsgericht erlassene Teilurteil ist aber ausdrücklich nicht gegen die während des Prozesses ausgeschiedenen Gesellschafter ergangen und enthält damit keine gemäß § 319 ZPO berichtigungsfähige versehentliche Abweichung vom tatsächlich Gewollten (BGHZ 106, 370, 373). Die von den Revisionsbeklagten angeregte Rubrumsänderung würde deshalb dazu führen, daß die Entscheidung der Vorinstanz entgegen deren Willensrichtung auch den bislang zurückgestellten Prozeßteil betreffen würde, also eine inhaltliche Erweiterung erführe.
4. Der Senat kann den beim Berufungsgericht verbliebenen Teil des Prozesses auch nicht an sich ziehen und den gesamten Rechtsstreit einer Entscheidung zuführen. Zwar hat der Senat aus Gründen der Prozeßwirtschaftlichkeit ein solches, im Berufungsverfahren im Hinblick auf die Bestimmung des § 540 ZPO bereits allgemein anerkanntes Vorgehen (BGH, Urt. v. 12. Januar 1994, XII ZR 167/92, NJW-RR 1994, 379, 381 m.w.N.; BGH, Urt. v. 10. Oktober 1991, III ZR 93/90, NJW 1992, 511, 512 m.w.N.) erwogen. Unabhängig davon, daß hierdurch der Katalog der bislang vom Bundesgerichtshof zugelassenen Fälle der revisionsgerichtlichen Verfahrensfehlerbeseitigung nicht unerheblich erweitert würde, scheitert eine Gesamtentscheidung durch den Senat vorliegend schon daran, daß weitere Feststellungen bezüglich der Identität und Anzahl der zum Zeitpunkt der Umwandlung der LPG in eine BGB-Gesellschaft vorhandenen Mitglieder erforderlich sind. Das Berufungsgericht ist nämlich der Annahme erlegen, die Gesellschafterliste mit Stand vom 31. August 1993 gebe den ursprünglichen Mitgliederbestand wieder, während die zum 3. Februar 1998 aktualisierte Gesellschafterauflistung die derzeitige Gesellschaftszugehörigkeit ausweise und daher Auskunft über die im Verlauf des Prozesses erfolgten Bestandsveränderungen gebe. Dabei wurde übersehen, daß bereits mit Schriftsatz vom 26. Mai 1993 eine frühere, undatierte Mitgliederaufstellung vorgelegt worden ist, die 42 in der zweiten Liste mit dem Stand vom 31. August 1993 nicht mehr in Erscheinung tretende Gesellschafter aufführt. Maßgebend ist aber allein, welche Mitglieder der LPG zum Zeitpunkt der nach Rechtshängigkeit am 18. Februar 1992 erfolgten Umwandlung in eine BGB-Gesellschaft angehörten. Ob dies die in der ersten Auflistung genannten Personen sind, ist bislang mangels entsprechenden Parteivortrages nicht geklärt. Das Berufungsgericht wird daher die notwendigen Feststellungen treffen müssen.
5. Soweit das Berufungsgericht im Verlauf des Rechtsstreits 8 hinzugekommene Neugesellschafter als Partei behandelt hat (die in der Aufstellung mit dem Stand vom 31. August 1993 gegenüber der früheren Liste hinzugekommenen 23 Personen wurden dabei nicht eingerechnet), obwohl diese nur im Falle eines – hier nicht erfolgten – Parteiwechsels gemäß § 265 Abs. 2 ZPO Parteieigenschaft erlangen könnten, stellt dies einen weiteren, im Revisionsrechtszug von Amts wegen zu berücksichtigenden Verfahrensmangel dar (BGH, Urt. v. 13. Juli 1993, VI ZR 278/92, NJW 1993, 3067). Das Berufungsgericht wird daher zu klären haben, ob die neu eingetretenen Gesellschafter – wenn überhaupt – als unselbständige Streitgehilfen (vgl. hierzu Zöller/Greger, ZPO 21. Aufl. § 265 Rdn. 8 a) am Rechtsstreit beteiligt sind.
6. Für die erneute Verhandlung und Entscheidung weist der Senat vorsorglich darauf hin, daß einer Feststellungsklage der Gründungsgesellschafter nicht wegen des bei vielen von ihnen eingetretenen Verlustes der Gesellschafterstellung das Feststellungsinteresse (§ 256 Abs. 1 ZPO) abgesprochen werden darf (Musielak/Foerste, ZPO § 265 Rdn. 9; Thomas/Putzo, ZPO 22. Aufl. § 265 Rdn. 12; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO 57. Aufl. § 265 Rdn. 16). Die Gründungsgesellschafter sind jedoch zur Vermeidung einer Klageabweisung gehalten, bei der Fassung ihres Feststellungsantrags offen zu legen, daß die begehrte Feststellung für den aktuellen Gesellschafterbestand getroffen werden soll (BGH, Urt. v. 18. März 1986, X ZR 4/85, NJW-RR 1986, 1182; BGH, Urt. v. 28. September 1982, VI ZR 221/80, WM 1982, 1313). Die Beklagte ist dagegen, sofern sie den Weg einer späteren Titelumschreibung gemäß §§ 727, 731 ZPO wählen will, nicht zur Änderung des Widerklageantrages gezwungen (BGH, Urt. v. 31. Oktober 1974, III ZR 82/72, ZZP 88 [1975], 324, 328).
III.
Ohne Erfolg bekämpft die Revision dagegen die weitere rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts.
1. Mit dem Berufungsgericht ist davon auszugehen, daß die drei LPG'en an den in den 70er und 80er Jahren errichteten Anlagen gemeinschaftliches Sondereigentum gemäß §§ 27, 26 Abs. 2, 13 LPGG vom 2. Juli 1982 (GBl. DDR I, 443) erworben haben. Die von den drei LPG'en getragene Kooperative Einrichtung hat mangels Registereintragung keine Rechtsfähigkeit erlangt und konnte daher nicht Trägerin des selbständigen Gebäude- und Anlageneigentums werden. Die Erwägungen des Berufungsgerichts zu der nicht bewirkten Registrierung der Kooperativen Einrichtung halten im Ergebnis den Angriffen der Revision stand. Soweit sich die Revision dabei gegen die Annahme des Berufungsgerichts wendet, die Beklagte habe ein wirksames, sich infolge Verfahrensverbindung auf den gesamten Rechtsstreit erstreckendes Geständnis (§ 288 ZPO) über die fehlende Registrierung abgegeben, brauchen die insoweit bestehenden Bedenken keiner endgültigen Klärung zugeführt zu werden. Das Unterbleiben der für die Rechtsfähigkeit einer solchen Einrichtung erforderlichen Registereintragung wurde nämlich durch die im Berufungsverfahren im Vorfeld zur letzten mündlichen Verhandlung beim Registergericht eingeholte amtliche Auskunft bestätigt. Den Inhalt dieser Auskunft hat das Berufungsgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise als Beweisergebnis verwertet. Ob das gewählte Vorgehen noch von § 273 Abs. 2 Nr. 2 ZPO gedeckt war oder einen Beweisbeschluß gemäß § 358 a ZPO erfordert hätte (vgl. hierzu MünchKomm-ZPO/Prütting, § 273 Rdn. 21; Musielak/Foerste, § 273 Rdn. 12) kann dahinstehen. Entgegen der Auffassung der Revision bestand keine Verpflichtung zur Gewährung eines Schriftsatzrechtes für die Beantragung der Ladung der Auskunftsperson. Es ist bereits weder der Anwendungsbereich des von ihr angeführten § 283 ZPO eröffnet noch sind Hinderungsgründe für eine entsprechende Antragstellung in der mündlichen Verhandlung selbst ersichtlich. Dazu kommt, daß eine von der Revision aus § 377 Abs. 3 Satz 3 ZPO abgeleitete Notwendigkeit zur Ladung des Auskunftsgebers nicht bestand. Diese Bestimmung findet wegen der mit der Einholung einer amtlichen Auskunft angestrebten Verfahrensvereinfachung nur eingeschränkt Anwendung (vgl. hierzu auch Hohlfeld, Einholung amtlicher Auskünfte im Zivilprozeß, Diss. 1995 S. 134). Die Ladung der Auskunftsperson war vorliegend entbehrlich, weil die vom Geschäftsführer der Beklagten in der letzten Berufungsverhandlung geäußerten Bedenken gegen die Vollständigkeit des Registers durch die nachträglich eingeholte zweite Auskunft ausgeräumt werden konnten.
2. Dem Berufungsgericht ist auch darin zu folgen, daß die getätigten Umbaumaßnahmen nicht zu einem Eigentumswechsel zugunsten der Beklagten geführt haben. Ein von der Revision angenommener Eigentumserwerb der Beklagten nach dem am 22. Juli 1992 in Kraft getretenen Art. 233 § 2 b Abs. 1 EGBGB kommt nicht in Betracht. Die genannte Regelung zielt nur auf die Entstehung von Gebäudeeigentum von LPG'en und Wohnungsbaugenossenschaften bzw. deren Rechtsnachfolger ab (BGHZ 137, 369, 372). Soweit diese Genossenschaften bereits zuvor, insbesondere nach § 27 LPGG 1982, selbständiges Gebäude- bzw. Anlageneigentum erworben hatten, soll dieses nach Art. 231 § 5 EGBGB fortgeltende Eigentum durch Art. 233 § 2 b EGBGB nur bestätigt bzw. klargestellt werden (BGHZ 120, 357, 359). Daß ein bereits nach § 27 LPGG 1982 entstandenes Sondereigentum durch die Regelung des Art. 233 § 2 b EGBGB nicht aufgehoben, sondern nur beleihungsfähig werden sollte und daher auch dann weiterbesteht, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen der letztgenannten Vorschrift nicht erfüllt sind, ergibt sich insbesondere aus der in Art. 233 § 2 b Abs. 2 EGBGB vorgesehenen Gleichstellung beider Eigentumstatbestände bei der Eintragung im Gebäudegrundbuch. Ob die Kläger zum Stichtag 22. Juli 1992 als Nutzerinnen der betreffenden Anlagen und Gebäude den Tatbestand des Art. 233 § 2 b Abs. 1 EGBGB erfüllten, ist daher unerheblich.
3. Auch an der von der Beklagten im Jahre 1990 zusätzlich errichteten Halle 2 entstand bislang kein Eigentum der Beklagten. Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, daß diese Halle als wesentlicher Bestandteil der bereits früher errichteten Hallen 1 und 3 bzw. der Halle 3 deren rechtliches Schicksal teilt. Sofern die neue Halle nach dem 3. Oktober 1990 errichtet worden sein sollte, folgt diese Bewertung aus den §§ 93, 94 Abs. 2 BGB, denn die vom Berufungsgericht rechtsfehlerfrei angenommene feste Verbindung von Alt- und Anbau zu einer Einheit hat Vorrang vor der Verbindung des Neubaus mit dem Grundstück (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 31. Oktober 1986, V ZR 168/85, Umdruck S. 8). Entsprechendes gilt nach den den §§ 93, 94 BGB weitgehend entsprechenden Vorschriften der §§ 295 Abs. 1, Abs. 2, 467 Abs. 2 ZGB (BGH, Urt. v. 24. Januar 1997, V ZR 172/95, WM 1997, 779, 780) für den Fall einer früheren Errichtung der Halle.
IV.
Ebenfalls vergeblich wendet sich die Revision gegen die Ablehnung eines aus der getroffenen Vereinbarung hergeleiteten Anspruchs auf erneute Inbesitznahme der Anlagen. Eine Besitzberechtigung kann sich nur aus dieser vertraglichen Abrede ergeben, denn die von der Revision herangezogene Vorschrift des Art. 233 § 2 a Abs. 1 a EGBGB regelt ausdrücklich nur ein hier nicht in Frage stehendes Besitzrecht an Grundstücken.
1. Das Berufungsgericht hat die mit Datum vom 1. Juli 1990 niedergelegte Vereinbarung zutreffend an der Regelung des Art. 6 Abs. 4 Anlage 1 zum Staatsvertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion vom 18. Mai 1990 (BGBl. 90 II 537 ff) gemessen, nach der Umgehungsgeschäfte nichtig sind. Mit Recht hat es dabei der Frage, ob diese Abrede nicht bereits einige Tage früher getroffen wurde, keine Beachtung geschenkt. Die genannte Bestimmung greift vorliegend nämlich trotz des Umstandes ein, daß der Staatsvertrag vom 18. Mai 1990 in der Bundesrepublik am 30. Juni 1990 und in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik sogar erst Mitte August 1990 in Kraft getreten ist. Der Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Staatsvertrages ist für die rechtliche Beurteilung des Streitfalles unerheblich, weil sich der hier maßgebliche Art. 6 Abs. 3, Abs. 4 Anlage 1 zum Staatsvertrag auch auf zeitlich davor liegende Sachverhalte erstreckt. Die in Art. 6 Abs. 3 Anlage 1 zum Staatsvertrag enthaltene Stichtagsregelung, die die vor dem 1. Januar 1990 angehäuften Guthaben privilegiert, dient der Verhinderung von nicht gerechtfertigten Spekulationsgewinnen im Zusammenhang mit der Währungsumstellung (BVerfG, ZIP 1991, 469 ff; OVG Berlin, VIZ 1998, 349, 350). Bei Guthaben, die im Zeitraum vom 1. Januar 1990 bis zum 30. Juni 1990 entstanden sind, bestand nämlich eine solche Gefahr, weil ab 1. Januar 1990 der angeordnete Umtauschkurs von 1:1 auf 1:3 abgeändert und dadurch die Anhäufung größerer Beträge in Mark/DDR ermöglicht wurde (BVerfG aaO 470). Da solche Guthaben auch nach der Schaffung der Währungsunion wiederum nur im Verhältnis 3:1 in DM umgestellt werden sollten, mußten Maßnahmen zur Vermeidung von Manipulationen getroffen werden. Hier greift Art. 6 Abs. 4 Anlage 1 zum Staatsvertrag vom 18. Mai 1990 ein, der Mißbräuchen bei der Währungsumstellung durch die Sanktion der Nichtigkeit von Umgehungsgeschäften begegnen und daher auch den hierfür besonders anfälligen Zeitraum vom 1. Januar 1990 bis 30. Juni 1990 erfassen soll.
2. Ohne Erfolg beanstandet die Revision die vom Berufungsgericht getroffene Feststellung, zumindest die Beklagte habe mit der getroffenen Vereinbarung die Vorschriften über die Währungsumstellung umgangen. Ob ein währungsrechtliches Umgehungsgeschäft vorliegt, beurteilt sich danach, ob der in Frage stehende Geldtransfer objektiv betrachtet wirtschaftliche Plausibilität besitzt (OVG Berlin, VIZ 1998, 349, 350; vgl. auch Masing, VIZ 1998, 593, 595 m.w.N.). Mit dem Berufungsgericht ist davon auszugehen, daß es nicht den üblichen Gepflogenheiten des kaufmännischen Geschäftsverkehrs entspricht, einen Kaufpreis in Höhe von 3,2 Mio. Mark/DDR bei ungewissem Entstehen einer solchen Zahlungsverpflichtung übereilt und ohne Vereinbarung von Sicherheiten zu erbringen. Die Revision rügt insoweit erfolglos, das Berufungsgericht habe sowohl die von der Beklagten in Angriff genommene Verwirklichung des Investitionsvorhabens als auch die Tatsache, daß diese nicht von sich aus die Rückforderung der erbrachten Kaufpreiszahlung betrieben habe, außer Betracht gelassen. Diese Gesichtspunkte verleihen der erfolgten Kaufpreiszahlung keinen schlüssigen wirtschaftlichen Hintergrund, sondern zeigen allenfalls, daß die Erzielung eines im Staatsvertrag nicht vorgesehenen günstigeren Umtauschverhältnisses nicht alleiniger Vertragszweck war.
V.
Die gegen die Abweisung der Widerklage gerichteten Angriffe der Revision bleiben ebenfalls ohne Erfolg.
1. Das Berufungsgericht hat der Beklagten mit Recht einen Anspruch auf Abgabe einer Freigabeerklärung aus § 812 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. BGB versagt.
a) Bei einem Streit zwischen zwei Forderungsprätendenten über die Auszahlung von hinterlegten Geldbeträgen steht dem wirklichen Rechtsinhaber gegen den anderen Prätendenten ein bereicherungsrechtlicher Anspruch auf Einwilligung in die Auszahlung zu, denn letzterer hat durch das vom Schuldner gewählte Vorgehen auf Kosten des wahren Gläubigers rechtsgrundlos die Stellung eines Hinterlegungsbeteiligten erlangt (BGHZ 35, 165, 170; BGHZ 109, 240, 244; BGH, Urt. v. 26. April 1994, XI ZR 97/93, NJW 1994, 847; BGH, Urt. v. 13. November 1996, VIII ZR 210/95, NJW-RR 1997, 495 ff). Dies gilt auch dann, wenn – wie hier – wegen der rechtlichen Verschiedenheit der von beiden Prätendenten geltend gemachten Ansprüche kein Hinterlegungsgrund gemäß § 372 Satz 2 BGB vorlag (BGH, Urt. v. 22. Oktober 1980, VIII ZR 334/79, WM 1980, 1383, 1384 m.w.N.).
Für die Frage der Freigabepflicht ist die Gläubigerstellung gegenüber dem hinterlegenden Schuldner und nicht das Innenverhältnis zwischen den Prätendenten maßgebend (BGH, Urt. v. 13. November 1996, VIII ZR 210/95, NJW-RR 1997, 495 ff). Das Berufungsgericht hat daher zu Recht der Frage, ob dem klagenden Prätendenten tatsächlich eine Forderung gegen den hinterlegenden Schuldner zusteht, entscheidende Bedeutung beigemessen. Dabei hat es zutreffend erkannt, daß durch die rechtskräftige Abweisung einer solchen Klage anders als umgekehrt bei Klagestattgabe nicht zugleich unter Rechtskrafterstreckung die Anspruchsberechtigung des anderen Prätendenten festgestellt wird. Dies verbietet sich schon deshalb, weil die Rechtskraftwirkung eines klagabweisenden Urteils durch den Inhalt der Entscheidungsgründe bestimmt wird (vgl. BGH, Urt. v. 1. Juli 1986, VI ZR 120/85, NJW 1987, 71 m.w.N.)
b) Dem Berufungsgericht ist auch darin zu folgen, daß die Mietzinsansprüche der Beklagten gemäß den §§ 541, 537 BGB auf Null gemindert sind. Die Revision verkennt insoweit bei ihrer auf § 551 Nr. 7 ZPO gestützten Rüge, das Berufungsgericht habe unzulässigerweise zur Untermauerung seines rechtlichen Standpunktes auf in der mündlichen Verhandlung erörterte, jedoch nicht in den Akten befindliche Entscheidungen anderer Gerichte Bezug genommen, daß eine solche Bezugnahme zulässig ist (BGHZ 39, 333, 346 m.w.N.).
Nachdem die Mieter von den drei LPG'en unter Berufung auf ihre tatsächlich bestehende alleinige Rechtsinhaberschaft zur Hinterlegung der streitbefangenen Mieten bewegt worden waren, lag ein nach Abschluß der Mietverträge eingetretener vollständiger Entzug des Mietgebrauchs vor, der gemäß §§ 541, 537 ZPO zu einer Mietzinsminderung auf Null führte (vgl. hierzu auch BGH, Nichtannahmebeschluß v. 28. Januar 1998, XII ZR 287/96 – nicht veröffentlicht -). Für das Vorliegen eines solchen Rechtsmangels reicht die Androhung des Rechtsinhabers, sein Recht geltend zu machen, aus (BGH, Urt. v. 18. Januar 1995, XII ZR 30/93, NJW-RR 1995, 715 m.w.N.; BGH, Urt. v. 2. November 1988, VIII ZR 7/88, NJW-RR 1989, 77, 78), eine Besitzaufgabe der Mieter ist nicht erforderlich (BGH, Urt. v. 4. Oktober 1995, XII ZR 215/94, NJW 1996, 46, 47; BGHZ 63, 132, 138). Bei dieser Sachverhaltsgestaltung findet die im Senatsurteil vom 14. Juli 1995, V ZR 45/94 (NJW 1995, 2627 ff) dargelegte bereicherungsrechtliche Saldierung keine Anwendung. Die Revision übersieht, daß dieses Saldierungsgebot nur für den Fall angesprochen wurde, daß der Beklagten die Mietzinsbeträge und damit auch ein Freigabeanspruch zustehen, daß andererseits aber die Kläger wegen eines späteren Wegfalls des Besitzrechts die Herausgabe gezogener Nutzungen verlangen und dies gemäß § 242 BGB dem Freigabeanspruch der Beklagten entgegenhalten können.
2. Ein Anspruch auf Zustimmung zur Auszahlung der hinterlegten Beträge ergibt sich auch nicht aus dem zwischen den Parteien bestehenden Abwicklungsschuldverhältnis, das gemäß den §§ 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt., 818 Abs. 1, Abs. 2 BGB bzw. nach den §§ 988, 818 Abs. 1, Abs. 2, 994 ff BGB die Saldierung der gewährten Leistungen, gezogenen Nutzungen und getätigten Verwendungen gebietet (vgl. BGH, Urt. v. 11. November 1994, V ZR 116/93, NJW 1995, 454, 455). Im Falle eines zu ihren Gunsten bestehenden Saldoüberschusses könnte die Beklagte nur Zahlung des Überschußbetrages, nicht jedoch die Einwilligung in die Auszahlung der hinterlegten Mieten verlangen. Die Freigabeverpflichtung ist nämlich nicht Teil der internen Abwicklung, sondern entspringt einem anderen Rechtsverhältnis (vgl. Mankowski, EWiR 1997, 393, 394). Forderungen aus dem Abwicklungsverhältnis können daher allenfalls gemäß § 242 BGB einem Freigabeanspruch anspruchsmindernd entgegengesetzt werden. Da die Widerklage aber nur auf Einwilligung zur Auszahlung der Mietbeträge und nicht auf Zahlung gerichtet ist, hat sich das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei mit der Frage einer Saldierung nicht befaßt.
Unterschriften
Wenzel, Vogt, Schneider, Krüger, Klein
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 15.10.1999 durch Kanik, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 538895 |
BB 1999, 2532 |
DB 2000, 139 |
NJW 2000, 291 |
BGHR |
NZG 2000, 137 |
Nachschlagewerk BGH |
VIZ 2000, 51 |
WM 1999, 2420 |
ZAP 1999, 1238 |
ZIP 1999, 2009 |
ZMR 2000, 162 |
ZfIR 1999, 949 |
AgrarR 2000, 235 |
MDR 2000, 46 |
RdL 2000, 278 |
LL 2000, 161 |