Verfahrensgang
OLG Karlsruhe (Entscheidung vom 01.03.1961) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Karlsruhe vom 1. März 1961 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Beklagte wollte auf dem von ihr erworbenen Ruinengrundstück in M., S.straße ..., ein Wohn- und Geschäftshaus errichten. Für dieses Bauvorhaben sollten öffentliche Mittel in Anspruch genommen werden.
Der Kläger entwarf im Jahre 1956 hierzu Baupläne für ein sechsgeschossiges Haus. Diese wurden von der Beklagten unterzeichnet und dem Bauaufsichtsamt Mannheim zur Genehmigung eingereicht. Da sich die Finanzierungsbemühungen der Beklagten in die Länge zogen, wurde auf ihren Wunsch von einer weiteren Bearbeitung des Baugesuchs abgesehen. Im Herbst 1957 legte der Kläger neue Pläne vor, die nunmehr einen fünfgeschossigen Bau vorsahen; auch diese wurden von der Beklagten unterzeichnet und dem Bauaufsichtsamt eingereicht. Da infolge der Verkehrsplanung der Stadt Mannheim die Verlegung einer Toreinfahrt gewünscht wurde, verzögerte sich die Genehmigung dieser Pläne. Die von dem Kläger nunmehr abgeänderten Pläne wurden von der Beklagten zwar eingesehen, aber nicht unterzeichnet und auch nicht mehr eingereicht. Die damaligen Darlehensverhandlungen der Beklagten mit der Stadt Mannheim und der Badischen Landeskreditanstalt scheiterten, weil der Beklagten nach Auffassung der letzteren die erforderlichen Eigenmittel fehlten.
Der Kläger, der mit der Beklagten Meinungsverschiedenheiten bekam, kündigte mit eingeschriebenem Brief vom 4. Juli 1958 den Architektenvertrag und übersandte ihr am selben Tage seine Honorarrechnung über 4.628 DM.
Mit der Klage begehrt der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung diesen Betrags.
Die Beklagte hat Abweisung der Klage beantragt.
Sie hat dazu vorgetragen, die Parteien seien sich darüber einig gewesen, daß ein etwaiger Honoraranspruch des Klägers nur und erst nach Sicherstellung der Baufinanzierung fällig werden sollte. Die Pläne seien auch mangelhaft und nicht genehmigungsfähig gewesen, da sie insbesondere wegen der Toreinfahrt nicht die Wünsche und Auflagen des Stadtbauamts berücksichtigt hätten. Schließlich stehe der Beklagten auch noch ein Schadenersatzanspruch zu, mit dem sie aufrechne, weil der Kläger einen unzulässigerweise abgeänderten Darlehensantrag eingereicht und dadurch das Scheitern der Finanzierungsbemühungen der Beklagten herbeigeführt habe.
Das Landgericht hat - bis auf die Abweisung eines nicht mehr interessierenden Mehranspruchs an Zinsen - der Klage stattgegeben und die Beklagte zur Zahlung von 4.628 DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 4. Oktober 1958 verurteilt.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt und Widerklage erhoben mit dem Antrag, den Kläger zur Zahlung von 1.500 DM nebst 4 % Zinsen seit Erhebung der Widerklage zu verurteilen. Sie stützte ihren Schadensersatzanspruch nunmehr auch noch darauf, daß der Kläger "zur Unzeit" gekündigt habe und sie deshalb doppelte Kosten für die statische Berechnung, Mehrkosten für die Neuplanung durch einen anderen Architekten und Mietausfälle gehabt habe.
Das Oberlandesgericht hat die Berufung zurückgewiesen und die Widerklage abgewiesen.
Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihre in der Berufungsinstanz zuletzt gestellten Anträge weiter. Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
I.
Der Honoraranspruch des Klägers.
1)
Der Kläger hat nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts mehrere Baupläne und Vorlagen für die Beklagte angefertigt. Seinen Anspruch auf Honorar gem. § 19 Abs. 1 a-c GOA in Höhe von 4.629 DM, dessen Berechnung er lediglich das zuletzt vorgesehene Bauvorhaben (Wohn- und Geschäftshaus mit 5 Geschossen) zugrunde legt, hat das Berufungsgericht für gerechtfertigt erklärt.
2)
Die hiergegen gerichteten Revisionsangriffe der Beklagten sind nicht begründet.
a)
Ihre ursprünglich aufgestellte Behauptung, sie habe mit dem Kläger überhaupt keinen Vertrag abgeschlossen, hat die Beklagte nicht mehr aufrechterhalten. Sie wendet sich mit der Revision lediglich gegen die Feststellungen des Berufungsgerichts über den Inhalt und die Erfüllung des Vertrags.
Die von der Beklagten in der Revisionsinstanz aufgestellte Behauptung, der Kläger habe nicht den Auftrag gehabt, Pläne anzufertigen, bevor nicht die Finanzierung des Bauvorhabens gesichert gewesen sei, hat die Beklagte in den Tatsacheninstanzen in dieser Form nicht vorgetragen. Die Beklagte kann daher schon deshalb damit nicht gehört werden. Im übrigen verkennt sie, daß eine Finanzierung des Baus mit öffentlichen Mitteln überhaupt nur möglich war, wenn die baurechtlich genehmigten Pläne mit Wohnflächenberechnung und Beschreibung der Bauausführung vorlagen, wie sich auch eindeutig aus dem an die Beklagte gerichteten Schreiben der Stadt Mannheim vom 23. August 1957 (Baudarl. Akten der Stadt Mannheim Bl. 137) ergibt. Der umgekehrte Weg, nämlich eine Anfertigung der Pläne erst nach Sicherstellung der Finanzierung, ist nicht gangbar. Deshalb kann der von der Beklagten mit dem Kläger geschlossene Vertrag keinen anderen Inhalt gehabt haben, als daß dieser - unabhängig von der Sicherstellung der Finanzierung - genehmigungsfähige Pläne und die weiter erforderlichen Unterlagen anfertigt.
Im übrigen hat die Beklagte auch nach den Feststellungen im Tatbestand des Urteils diese Pläne durch ihre Unterschrift genehmigt, sich dadurch also mit dem Vorgehen des Klägers einverstanden erklärt. Daß sie die abgeänderten Pläne nicht mehr unterschrieben hat, kann daran nichts mehr ändern.
Die in diesem Zusammenhang erhobenen Revisionsrügen der Beklagten liegen deshalb neben der Sache.
b)
Das Berufungsgericht stellt weiter fest, daß auch nicht vereinbart war, die Bezahlung der Arbeit des Klägers von der Sicherstellung der Finanzierung abhängig zu machen. Diese Feststellung läßt keinen Rechtsfehler erkennen.
c)
Das Berufungsgericht stellt schließlich fest, daß der Kläger seinen Honoraranspruch auch nicht bis zur Fertigstellung des Hausen nach durchgeführter Finanzierung gestundet hat. Jedenfalls hätte aber, so meint das Berufungsgericht, eine etwaige Stundung spätestens mit der "Kündigung" durch den Kläger ihr Ende gefunden.
Auch das läßt keinen Rechtsfehler erkennen. Selbst wenn die Kündigung des Klägers ungerechtfertigt gewesen sein sollte, würde das die Fälligkeit des Honoraranspruchs jedenfalls nicht mehr hindern, nachdem die Beklagte, wie sie selbst vorgetragen hat, den Bau des Hauses durch einen anderen Architekten in Angriff genommen hat und sich damit die vertraglichen Beziehungen zwischen den Parteien erledigt haben. Die Beklagte ist in einem solchen Fall hinreichend dadurch geschützt, daß sie dem Honoraranspruch des Klägers etwaige Schadensersatzansprüche entgegenstellen kann, was sie auch getan hat.
d)
Die Beklagte wandte weiter ein, die Pläne des Klägers seien untauglich und nicht genehmigungsfähig gewesen.
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war das nicht der Fall, denn die Baubehörde hätte, wie das Berufungsgericht auf Grund einer eingehenden Beweisaufnahme annimmt, auf ihrer Auflage einer Einfahrt nicht bestanden, sondern auch den Wegfall der Einfahrt und die Verlegung des Hauseingangs, wie sie der Kläger in seinen Änderungsvorschlägen vorsah, genehmigt. Wenn diese - abgeänderten - Pläne vom Kläger nicht mehr eingereicht werden sind, so lag das, wie das Berufungsgericht feststellt, daran, daß die Beklagte trotz Aufforderung des Klägers die abgeänderten Plane nicht unterzeichnet hat.
Die Beklagte bemängelt, das Berufungsgericht habe nicht berücksichtigt, daß die Pläne des Klägers außer dem Fehlen der Toreinfahrt noch weitere Mängel aufgewiesen hätten. Sie rügt die Übergehung ihrer in den Schriftsätzen vom 16. April 1959 und 1. Juli 1959 gestellten Beweisanträge.
Diese Rüge ist nicht begründet. Die genannten Beweisanträge waren in der ersten Instanz gestellt worden. Die Beklagte trägt nicht vor, daß sie sie im Berufungsrechtszug wiederholt hätte (BGHZ 35, 103).
e)
Der Anspruch des Klägers auf Honorar nach § 19 Abs. 1 a-c GOA ist somit begründet.
3)
Zur Höhe des Anspruchs beanstandet die Beklagte, das Berufungsgericht habe nicht berücksichtigt, daß ihr Neffe vorher schon maßgeblich an der Plangestaltung mitgewirkt habe.
Dieser Einwand ist nicht begründet. Selbst wenn der Neffe der Beklagten schon vorher Pläne angefertigt haben sollte, so hat der Kläger doch, wie unbestritten ist, seine Pläne selbständig angefertigt und nicht etwa nur schon vorhandene Pläne ergänzt und geändert. Dann steht ihm aber auch der volle Honoraranspruch zu.
Die rechnerische Richtigkeit der Honorarrechnung des Klägers ist im übrigen von der Beklagten nicht beanstandet worden.
II.
Die Gegenansprüche der Beklagten:
1)
Die Beklagte stützte ihren Schadenersatzanspruch ursprünglich darauf, daß der Kläger durch eine unbefugte nachträgliche Abänderung der Pläne schuldhaft die Ablehnung ihres Darlehensgesuchs verursacht habe.
Das Berufungsgericht stellt auf Grund den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens, das auf Veranlassung der Beklagten hierwegen in die Wege geleitet worden war und mit einer Einstellung des Verfahrens endete, fest, daß dies nicht der Fall war.
Revisionsrügen sind insoweit nicht erhoben worden.
2)
a)
Die Beklagte begründet ihren Schadensersatzanspruch weiterhin damit, daß der Kläger "zur Unzeit gekündigt" habe. Zu einer Kündigung des Vertrags sei er überhaupt nicht berechtigt gewesen. Dadurch seien ihr erhöhte Kosten und Mietausfälle entstanden.
b)
Demgegenüber hält das Berufungsgericht die von dem Kläger am 4. Juli 1958 ausgesprochene fristlose Kündigung des Vertrags unter dem Gesichtspunkt der positiven Vertragsverletzung für gerechtfertigt. Es sieht diese Vertragsverletzung einmal darin, daß die Beklagte sich geweigert habe, die von dem Kläger zuletzt geänderten Pläne zu unterzeichnen, zum anderen darin, daß sie am 3. Juli 1958 dem Kläger "auf offener Straße" wegen angeblicher Fehler der Pläne Vorhalte gemacht habe.
c)
Die hiergegen gerichteten Revisionsangriffe der Beklagten sind begründet.
Das Gesetz sieht beim Werkvertrag - anders als beim Dienstvertrag - eine Kündigung des Vertrags aus wichtigem Grund durch den Unternehmer nicht ausdrücklich vor. Dennoch kann eine solche, wie das Berufungsgericht insoweit zutreffend annimmt, wegen positiver Vertragsverletzung gerechtfertigt sein, wenn der Besteller (Beklagte) durch sein Verhalten das Vertragsverhältnis so gestört hat, daß dem Unternehmer (Kläger) dessen Fortsetzung nicht mehr zuzumuten ist.
Die Voraussetzungen hierfür sind jedoch - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - bisher nicht dargetan.
aa)
"Vorhaltungen auf offener Straße" sind für sich allein noch nicht ein so schwerwiegendes schuldhaftes Verhalten des Vertragsgegners, daß schon daraus ein Recht hergeleitet werden könnte, sich einseitig von dem Vertrag zu lösen. Sie können es allerdings sein, wenn sie unter Umständen oder in einer Form geschehen, daß sie eine erhebliche Kränkung des anderen bedeutet, so wenn sie z.B. mit Beleidigungen verbunden sind oder so laut erfolgen, daß sie auch zu Gehör anderer Personen dringen. Daß dies der Fall war, kann dem bisherigen Vortrag des Klägers und den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht entnommen werden.
bb)
Auch die Verweigerung der Unterschrift unter die abgeänderten Plane kann für sich allein noch nicht eine fristlose Kündigung des Vertrags rechtfertigen. Dieser Fall, nämlich die Weigerung des Bestellers, eine zur Herstellung des Werks erforderliche Handlung vorzunehmen, ist für den Werkvertrag in den §§ 642, 643 BGB ausdrücklich geregelt. Danach genügt aber für das Recht zur Kündigung nicht eine einfache Aufforderung des Unternehmers, die Handlung vorzunehmen; erforderlich ist vielmehr, daß der Unternehmer dem Besteller zur Vornahme der Handlung eine angemessene Frist bestimmt, mit der Erklärung, daß er den Vertrag kündige, wenn die Handlung nicht bis zum Ablauf der Frist vorgenommen wird (§ 643 BGB).
Das ist nicht geschehen. Die Karte des Klägers vom 1. April 1958 enthält nicht mehr als die Mitteilung, daß die abgeänderten Pläne beim Kläger liegen, und die Bitte, sie zu unterzeichnen. Dem von dem Berufungsgericht angeführten Schreiben vom 2. Mai 1958 ist - entgegen der Meinung des Berufungsgerichts - nicht einmal eine Mahnung zu entnehmen, geschweige denn eine Fristsetzung und Kündigungsandrohung.
Die Voraussetzungen für eine Kündigung nach § 643 BGB waren demnach nicht gegeben. Es verbietet sich insoweit auch, auf den Gesichtspunkt des Annahmeverzugs oder der positiven Vertragsverletzung zurückzugreifen, denn § 643 BGB enthält eine Sonderbestimmung, die das für die Regel ausschließt. Das Vorliegen besonderer Umstände, die ausnahmsweise etwa dazu führen könnten, ein anderes anzunehmen, hat der Kläger nicht behauptet.
3)
Der Kläger hat somit, wenn man die bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts zugrunde legt, durch die fristlose Kündigung schuldhaft seine Vertragspflichten gegenüber der Beklagten verletzt.
Da die Möglichkeit nicht auszuschließen ist, daß der Beklagten dadurch auch ein Schaden entstanden ist, kann das Urteil mit der von dem Berufungsgericht gegebenen Begründung nicht aufrecht erhalten werden.
III.
Das angefochtene Urteil ist deshalb aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dieses wird die Berechtigung der von dem Kläger ausgesprochenen Kündigung erneut zu prüfen und gegebenenfalls festzustellen haben, ob und in welcher Höhe der Beklagten durch die Kündigung des Klägers ein Schaden entstanden ist. Dabei wird auch die Möglichkeit einer schuldhaften Schadensmitverursachung durch die Beklagte (§ 254 BGB) zu erwägen sein.
Fundstellen