Entscheidungsstichwort (Thema)

Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung

 

Normenkette

BGB § 2046 Abs. 1, §§ 2325, 1990

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten und die Anschlußrevision der Kläger wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 6. Februar 1987 aufgehoben, soweit der Klage stattgegeben, soweit sie in Höhe von 4.354,99 DM nebst Zinsen abgewiesen und soweit über die Kosten entschieden worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

Die Parteien sind Geschwister. Ihr im Jahre 1974 vorverstorbener Vater wurde von ihrer Mutter allein beerbt. Erben der am 22. Dezember 1981 verstorbenen Mutter (Erblasserin) sind aufgrund Erbvertrages vom 10. April 1964 die Parteien je zu einem Drittel. In dem Erbvertrag haben die Eltern durch Teilungsanordnung bestimmt, daß das damals im Miteigentum beider Eltern stehende Hausgrundstück in Aurich zum Verkehrswert an die Beklagte fallen und daß diese ihre Geschwister nach Tilgung der Nachlaßschulden zu gleichen Teilen auszahlen sollte. Dieses Hausgrundstück veräußerte die Erblasserin durch notariellen Kaufvertrag vom 5. Februar 1980 an die Beklagte. Der dort genannte Kaufpreis von 120.000 DM wurde nur in Höhe von 27.313,01 DM bar bezahlt und sollte nach dem Inhalt des Kaufvertrages im übrigen durch Verrechnung mit Darlehensansprüchen der Beklagten gegen die Erblasserin, durch Übernahme von sonstigen Verbindlichkeiten der Erblasserin und eines bestehenden Wohnrechts zugunsten der Kinder der Beklagten sowie durch die Einräumung eines Wohnrechts an die Erblasserin abgedeckt sein.

Die Beklagte nahm die Erbschaft in Besitz. Der unstreitige Nachlaß ist bis auf einen Restbetrag von 3.000 DM unter die Parteien aufgeteilt. Diese Summe hat die Beklagte zurückgelegt und will sie für die Pflege der Gräber der Eltern der Parteien verwenden. Die Kläger sind damit nicht einverstanden und verlangen davon je 1.000 DM für sich.

Außerdem sind die Kläger der Auffassung, der Kaufpreisanspruch der Erblasserin gegen die Beklagte aus dem Kaufvertrag vom 5. Februar 1980 sei noch nicht vollständig erfüllt, weil die in dem Kaufvertrag genannten Verrechnungsposten zum großen Teil niemals bestanden oder den Kaufpreisanspruch jedenfalls nicht verringert hätten. Der Restanspruch gehöre zum Nachlaß und sei im Wege der Auseinandersetzung unter die Parteien so aufzuteilen, daß sie von der Beklagten je ein Drittel des Restbetrages verlangen könnten. Außerdem handele es sich bei dem Kaufvertrag um eine verdeckte gemischte Schenkung, so daß sie von der Beklagten wegen des geschenkten Teiles des Hausgrundstücks sowie wegen der Schenkung eines Ackergrundstücks durch die Erblasserin an die Beklagte im Jahre 1977 Pflichtteilsergänzung zu beanspruchen hätten.

Das Landgericht hat angenommen, aus dem Kaufvertrag vom 5. Februar 1980 bestehe noch ein Restkaufpreisanspruch der Erbengemeinschaft gegen die Beklagte in Höhe von 107.575,41 DM. Es hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt, dem von den Klägern vorgelegten Teilungsplan zuzustimmen, wonach die Beklagte an beide Kläger noch je 35.858,47 DM als Kaufpreis und je 1.000 DM aus der Grabpflegerückstellung zahlen sollte. Ferner hat es die Beklagte unter Abweisung des weitergehenden Zahlungsantrages zur Zahlung von je 7.243 DM nebst Zinsen an beide Kläger aus dem Gesichtspunkt der Pflichtteilsergänzung verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten und die Anschlußberufung der Kläger hat das Berufungsgericht die Beklagte nach Änderung der Klageanträge verurteilt, an beide Kläger je 24.367,02 DM nebst Zinsen (die Zahl 24.267,02 DM und der Zinsbeginn am 2. September 1983 sind offenbar unrichtig) zu zahlen, und hat die Klage im übrigen abgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren, die Klage ganz abzuweisen, weiter. Die Anschlußrevision der Kläger richtet sich dagegen, daß das Berufungsgericht die Klage in Höhe von je 4.354,99 DM nebst Zinsen für jeden Kläger abgewiesen hat.

 

Entscheidungsgründe

Revision und Anschlußrevision führen im Umfang ihrer Anträge zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

1.

Das Berufungsgericht ist der Auffassung, zum Nachlaß gehöre außer der Grabpflegerücklage von 3.000 DM noch ein Restkaufpreisanspruch gegen die Beklagte in Höhe von 60.262,40 DM. Daraus errechnet es für jeden Kläger einen "Erbauseinandersetzungsanspruch" von 21.087,47 DM und billigt ihnen entsprechende Zahlungsansprüche zu. Bei einer derartigen Fassung der Urteilsformel (und entsprechend des Klageantrages) hat die Entscheidung, obwohl sie das nicht ausdrücklich ausspricht, in Bezug auf die Restkaufpreisforderung zweierlei zum Gegenstand, nämlich einmal die Aufteilung des Restkaufpreises (und der darauf gerichteten Forderung der Erbengemeinschaft) unter die drei Miterben (§§ 2042 Abs. 2, 752 BGB - Teilung in Natur) zu je einem Drittel und zum anderen die Erfüllung der dementsprechend den Klägern gebührenden Teile dieser Forderung. Eine solche Zusammenfassung von Auseinandersetzung und Erfüllung der auseinandergesetzten Forderung ist in überschaubaren Fällen - wie hier - rechtlich unbedenklich und kann sogar zu einer gewissen Vereinfachung beitragen.

Dennoch kann das angefochtene Urteil insoweit nicht bestehen bleiben.

2.

In dem Kaufvertrag der Erblasserin mit der Beklagten vom 5. Februar 1980 ist unter anderem vorgesehen, der Kaufpreis in Höhe von 120.000 DM "erfolge" mit einem Teilbetrag von

a)

13.000 DM durch Verrechnung mit einem mit 10 % verzinslichen Darlehen der Beklagten an die Erblasserin vom 1. Oktober 1976, Grundschuld Abteilung III Nr. 5 (Bl. 277, 278 f. d.A.),

b)

10.800 DM durch Verrechnung mit einem mit 8 % verzinslichen Darlehen der Beklagten an die Erblasserin vom 27. September 1978, Grundschuld Abteilung III Nr. 6 (Bl. 277, 282 ff. d.A.),

c)

41.503,20 DM durch Übernahme einer Dienstbarkeit zugunsten der Kinder der Beklagten, Abteilung II Nr. 6 (Bl. 273 d.A.),

d)

5.959,20 DM durch Einräumung eines Wohnungs- und Mitbenutzungsrechts an die Erblasserin.

Hiervon läßt das Berufungsgericht von den Darlehen zu a) und b) nur je 10.000 DM und die Posten zu c) und d) gar nicht gelten. Das beanstandet die Revision mit Recht.

Zu den beiden Darlehen zu a) und b) hat das Berufungsgericht nicht berücksichtigt, daß diese verzinslich waren und daß der Rückzahlungsanspruch der Beklagten daher höher war als die beiden hingegebenen Darlehen. Im Zusammenhang mit der Dienstbarkeit zu c) hat das Berufungsgericht außer Acht gelassen, daß dieses Recht bereits seit 1965 im Grundbuch eingetragen ist und als solches nichts mit dem Kaufvertrag zu tun hatte. Auch wenn es sich insoweit um eine Schenkung an die Kinder der Beklagten handeln sollte, dann würde dieser Umstand nicht geeignet sein, über die im Vertrag vom 5. Februar 1980 getroffenen Vereinbarungen hinaus einen entsprechenden Restkaufpreisanspruch gegen die Beklagte zu begründen. Inwiefern die Übernahme des bestehenden Rechts am Grundstück durch die Beklagte eine Schenkung (an die Beklagte?) darstellen soll, ist nicht ersichtlich. Aber selbst eine solche Schenkung wäre nicht geeignet, einen Restkaufpreisanspruch gegen die Beklagte zu begründen. Ebenfalls rechtsfehlerhaft ist es, wenn das Berufungsgericht einen Restkaufpreisanspruch der Erbengemeinschaft daraus ableiten will, daß in der Einräumung des Wohnungs- und Benutzungsrechts (d) an die Erblasserin eine (verdeckte) Schenkung an die Beklagte liege. Auch wenn die Einräumung der Dienstbarkeit an die Erblasserin im Hinblick auf deren Gesundheitszustand nicht ernst gemeint gewesen sein und in Wahrheit eine Schenkung an die Beklagte verdecken sollte, was das Berufungsgericht erneut zu prüfen haben wird, kann sich daraus kein zum Nachlaß gehöriger Restkaufpreisanspruch ergeben.

3.

Darüberhinaus ist die vom Berufungsgericht vorgenommene Auseinandersetzung auch deshalb rechtsfehlerhaft, weil gemäß § 2046 Abs. 1 BGB aus dem Nachlaß zunächst die Nachlaßverbindlichkeiten zu berichtigen sind. Dazu gehören auch die von den Klägern geltend gemachten Pflichtteilsergänzungsansprüche gemäß § 2325 BGB. Solange diese Ansprüche streitig und ungeklärt sind, muß das zu ihrer Tilgung Erforderliche gemäß § 2046 Abs. 1 Satz 2 BGB zurückbehalten werden.

II.

1.

Das Berufungsgericht stellt - sachverständig beraten - fest, das Hausgrundstück, das die Erblasserin aufgrund des Vertrages vom 5. Februar 1980 an die Beklagte übertragen hat, habe damals einen Wert von 155.000 DM gehabt. Demgemäß handele es sich bei jenem Vertrag um eine gemischte Schenkung, deren Schenkungsanteil sich auf 35.000 DM belaufe. Gegen die Feststellung des objektiven Grundstückswertes wendet sich die Revision ohne Erfolg (§ 565a ZPO). Das Berufungsgericht hat nicht übersehen, daß eine gemischte Schenkung, die für § 2325 BGB von Bedeutung ist, nur dann vorliegt, wenn die Beteiligten einig sind, daß ein Teil der Leistung nicht durch die Gegenleistung abgegolten, sondern unentgeltlich zugewendet sein soll. Das ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes in der Regel anzunehmen, wenn zwischen der Leistung des Erblassers und der Gegenleistung ein auffallendes, grobes Mißverhältnis besteht (BGHZ 59, 132, 136). Ein solches Mißverhältnis will das Berufungsgericht hier annehmen. Dies zu beurteilen, fällt in den Bereich, der grundsätzlich dem Tatrichter vorbehalten ist; Rechtsfehler sind in diesem Zusammenhang nicht ersichtlich.

Auf dieser Grundlage legt das Berufungsgericht nach dem Niederstwertprinzip eine Schenkung von 35.000 DM wegen des Hausgrundstücks zugrunde und berücksichtigt für das bereits 1977 geschenkte Ackergrundstück weitere 7.650 DM. Beide Beträge teilt es durch sechs, erhöht das Ergebnis um einen Ausgleich für Kaufkraftschwund bis zum Erbfall, gelangt so zu Pflichtteilsergänzungsansprüchen der Kläger in Höhe von je 8.026,05 DM und billigt den Klägern davon - im Hinblick auf deren eingeschränkten Antrag (BU 21 V) - (7.243 DM + 391,54 DM =) 7.634,54 DM zu. Auch insoweit kann das angefochtene Urteil nicht bestehen bleiben.

2.

Der Pflichtteilsergänzungsanspruch gemäß § 2325 BGB kann nicht einfach dadurch ermittelt werden, daß die Pflichtteilsquote der Kläger von je einem Sechstel auf den maßgebenden Wert der ergänzungspflichtigen Schenkungen bezogen wird. Bei einem solchen Verfahren bliebe unberücksichtigt, daß die Kläger an dem realen Nachlaß zu je einem Drittel beteiligt sind und davon also mehr erhalten oder zu beanspruchen haben als nur ihren Pflichtteil.

Demgemäß schreibt § 2325 Abs. 1 BGB vor, daß die Pflichtteilsergänzung gleich dem Betrag ist, um den sich der (ordentliche) Pflichtteil erhöhen würde, wenn der verschenkte Gegenstand zum Nachlaß gehörte. Das gilt gemäß § 2326 Satz 1 BGB auch für denjenigen Pflichtteilsberechtigten, dem der Erblasser die Hälfte seines gesetzlichen Erbteiles hinterlassen hat. Ist dem Pflichtteilsberechtigten - wie im vorliegenden Fall den Klägern - mehr als die Hälfte hinterlassen, dann ist die Pflichtteilsergänzung gemäß § 2326 Satz 2 BGB um den Wert des mehr Hinterlassenen zu kürzen (vgl. dazu z.B. BGH Urteil vom 8.2.1961 - V ZR 137/59 - LM BGB § 2325 Nr. 2 unter II). Das hat das Berufungsgericht übersehen.

3.

Nicht rechtsfehlerfrei ist das angefochtene Urteil aber auch insofern, als es der Beklagten das ausdrücklich geltend gemachte (vgl. Bl. 255 f., 337 d.A.) Verweigerungsrecht aus § 2328 BGB versagt. Die Beklagte ist selbst ebenso pflichtteilsberechtigt wie die Kläger und kann deshalb die von den Klägern beanspruchte Pflichtteilsergänzung (aus dem Nachlaß) soweit verweigern, daß ihr selbst der eigene Pflichtteil einschließlich einer etwa ihr gebührenden Pflichtteilsergänzung verbleibt (vgl. BGHZ 85, 274, 286 f., 288). Wenn das Berufungsgericht demgegenüber auf § 2329 BGB verweist, dann ist das schon deshalb unzureichend, weil ein Anspruch aus dieser Vorschrift nicht schlicht auf Zahlung gerichtet ist, sondern auf Duldung der Zwangsvollstreckung in das Geschenk wegen eines bezifferten restlichen Pflichtteils geht.

Darüberhinaus kann die Beklagte sich durchaus auch auf ihre Rechte aus § 1990 BGB berufen. Seine gegenteilige Auffassung hat das Berufungsgericht nicht begründet. Nach dem unstreitigen Sachvortrag der Parteien betrug der bereits verteilte Nachlaß 13.318,20 DM. Was der Beklagten davon verblieben ist, dürfte auch unter Hinzurechnung der Grabpflegerücklage und bei Berücksichtigung von § 2328 BGB bei weitem nicht ausreichen, um daraus die von den Klägern beanspruchte Pflichtteilsergänzung zu erfüllen. Nach Auskehr des restlichen Nachlasses, auf den die Kläger Zugriff nehmen können, an die Kläger wären die Anordnung der Nachlaßverwaltung und die Eröffnung des Nachlaßkonkurses untunlich im Sinne von § 1990 Abs. 1 Satz 1 BGB. Es dürfte sich deshalb empfehlen, die praktischen Schwierigkeiten, die sich in diesem Zusammenhang ergeben könnten, dadurch zu vermindern, daß das Berufungsgericht der Beklagten die Beschränkung ihrer Haftung gemäß § 780 Abs. 1 ZPO im Urteil vorbehält. Unterbliebe auch ein derartiger Vorbehalt, dann liefe die Beklagte Gefahr, daß die Kläger nicht nur in den der Beklagten verbliebenen Teil des Nachlasses und das Hausgrundstück, sondern auch in ihr sonstiges Eigenvermögen vollstreckten. Das entspräche nicht der materiellen Rechtslage.

III.

Aber auch die Anschlußrevision der Kläger hat Erfolg.

Das Berufungsgericht hat den Klägern je 21.087,47 DM als "Erbauseinandersetzungsanspruch" (oben unter I.) und 7.634,54 DM als Pflichtteilsergänzung einschließlich Kaufkraftausgleich (oben unter II.) zugebilligt und davon bei beiden Klägern je 4.354,99 DM wieder abgezogen, weil die Kläger diesen Betrag bereits aus dem Nachlaß unstreitig erhalten hätten. Diese Abzüge beanstandet die Anschlußrevision mit Recht. Das Berufungsgericht hat hier nicht beachtet, daß es sich bei der Zahlung der genannten Beträge an die Kläger um das Ergebnis einer bereits erledigten Teilauseinandersetzung handelt, die mit der jetzt noch umstrittenen restlichen Auseinandersetzung wegen der beiden letzten Nachlaßposten (Grabpflegerücklage und Restkaufpreisforderung) nichts zu tun hat, und die auch die Höhe etwaiger Pflichtteilsergänzungsansprüche der Kläger nicht beeinflussen kann.

 

Unterschriften

Dr. Hoegen

Rottmüller

Dehner

Dr. Schmidt-Kessel

Dr. Zopfs

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1456297

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