Leitsatz (amtlich)
›Zum Aussonderungs- und Ersatzaussonderungsrecht eines Mitglieds der International Air Transport Association (IATA) im Konkurs eines IATA-Agenten.‹
Verfahrensgang
LG Darmstadt |
OLG Frankfurt am Main |
Tatbestand
Die Klägerin, ein Luftfahrtunternehmen, ist Mitglied der International Air Transport Association (IATA). Diese hatte namens ihrer Mitglieder, also auch für die Klägerin, mit der Te L -D GmbH (künftig: GmbH oder Gemeinschuldnerin) einen Frachtagenturvertrag geschlossen. Darin heißt es:
"3a) Die Befugnis des Agenten zur Vertretung des Mitglieds der IATA ist auf die Befugnisse beschränkt, die durch diesen Vertrag ausdrücklich eingeräumt sind....
8c) Die an den Agenten gelieferten Luftfrachtbriefe des Mitglieds bleiben dessen alleiniges Eigentum....
9a) Der Agent ist verantwortlich für die Zahlung aller dem Mitglied nach diesem Vertrag geschuldeten Gelder, die sich aus der Ausgabe von Beförderungsdokumenten im Namen des Mitglieds... ergeben, unabhängig davon, ob solche Gelder von dem Agenten eingezogen wurden.
b) Derartige Gelder einschließlich einschlägiger Provisionen, die der Agent nach diesem Vertrag beanspruchen kann, sind und bleiben das Eigentum des Mitglieds und sind von dem Agenten treuhänderisch für das Mitglied oder im Namen des Mitglieds zu halten, bis sie gegenüber dem Mitglied zufriedenstellend abgerechnet sind...
12a) Für die von dem Agenten nach diesem Vertrag erbrachten Leistungen hat das Mitglied gemäß den Frachtagenturregeln Provision zu dem Satz zu zahlen, den das Mitglied von Zeit zu Zeit genehmigt...."
Für den Agenturvertrag und seine Auslegung war die Anwendung deutschen Rechts vereinbart.
Am 6. Dezember 1984 wurde über das Vermögen der GmbH das Konkursverfahren eröffnet und der Beklagte zum Konkursverwalter bestellt.
In den Monaten Oktober, November und (Anfang) Dezember 1984 hatte die GmbH Luftfrachtbeförderungen unter Verwendung der von der Klägerin zur Verfügung gestellten Luftfrachtbriefe abgewickelt. In diesen waren eingetragen:
(1. Gruppe:) ein Dritter als Absender (Shipper), ein anderer als Empfänger (Consignee) und die GmbH als Agentin (Agent) des den Luftfrachtbrief ausgebenden Frachtführers (Carrier);
Gesamtrechnungsbetrag für die Luftbeförderung (ohne Provisionen und Auslagen): 84.658,81 DM,
(2.Gruppe:) die GmbH als Absender, Empfänger und Agent, ohne daß Dritte genannt sind;
Gesamtrechungsbetrag: 13.688,04 DM,
(3. Gruppe:) ein Dritter als Absender, die GmbH als Empfänger und Agent;
Gesamtrechnungsbetrag: 6.808,78 DM
und
(4. Gruppe:) die GmbH als Absender und Agent, ein Dritter dagegen als Empfänger;
Gesamtrechnungsbetrag: 26.854,76 DM.
In allen Fällen waren die Frachtentgelte von insgesamt 132.010,39 DM vom Absender zu bezahlen (mit pp=prepaid im Frachtbrief gekennzeichnet).
Davon setzte die Klägerin Forderungen der GmbH für Provisionen und Auslagen von 31.382,66 DM aus Nachnahmesendungen, die am Bestimmungsort vom Empfänger zu bezahlen waren (mit cc. in den Frachtbriefen gekennzeichnet = 5. Gruppe), sowie bei der Gemeinschuldnerin nicht eingegangene Kundenforderungen (in Höhe von 7.969,20 DM) ab.
Sie verlangte dementsprechend aus der Konkursmasse 92.658,53 DM, nämlich 26.516,41 DM, die nach der Behauptung des Beklagten vor Konkurseröffnung bis 30. November 1984 an die GmbH gezahlt und sofort wieder verausgabt worden waren,
weitere 1.401,19 DM, die unstreitig mit Ausnahme eines ganz geringfügigen Teilbetrages (Bl. 222 GA) nach Konkurseröffnung auf einem Postscheckkonto der Gemeinschuldnerin eingegangen sind, sowie von Kunden auf das allgemeine Konkurskonto überwiesene 64.740,93 DM.
Während die Klägerin Aussonderungsrechte geltend macht, weil der Beklagte als ihr Vertreter und Treuhänder ihr zustehende Forderungen aus den Frachtverträgen eingezogen habe, vertritt dieser die Auffassung, die GmbH sei als Frachtführer Inhaberin der Forderungen gegen ihre Kunden und auch keine Treuhänderin der Klägerin gewesen.
Auf die Berufung gegen das der Klage stattgebende Urteil des Landgerichts verurteilte das Oberlandesgericht den Beklagten, 66.142,12 DM nebst Prozeßzinsen zu zahlen, und wies im übrigen die Klage ab. Mit der Revision erstrebt der Beklagte die volle Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
Im Revisionsrechtszug streiten die Parteien nur noch darum, ob der Beklagte Vergütungen für die Beförderung von Luftfracht, die in Höhe von 64.740,93 DM auf dem allgemeinen Konkurskonto und in Höhe von 1.401,19 DM abweichend von der mißverständlichen Darstellung im Berufungsurteil bis auf ganz geringe Beträge ebenfalls nach Konkurseröffnung auf einem Postscheckkonto der Gemeinschuldnerin eingegangen sind, herausgeben muß.
1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts wurde dadurch, daß die GmbH jene geringen, der Höhe nach nicht festgestellten Beträge vor Konkurseröffnung eingezogen hat, allenfalls eine Konkursforderung, aber kein Ersatzaussonderungsrecht nach § 46 KO begründet (BGHZ 23, 307, 317).
2. Dagegen kommt eine Ersatzaussonderung gemäß § 46 Satz 2 KO wegen unberechtigter Verfügung des Konkursverwalters in Betracht. Geldforderungen können Gegenstand der Aussonderung sein (Kuhn/Uhlenbruck, KO 10. Aufl. § 43 Rdnr. 4; Kilger, KO 15. Aufl. § 43 Anm. 2), wenn sie vom Konkursverwalter in Anspruch genommen werden, aber nicht zum konkursbefangenen Vermögen des Gemeinschuldners gehören. Der Konkursverwalter hat dann nach § 43 KO die zur Geltendmachung der Ansprüche notwendigen Urkunden herauszugeben und die Gläubigerstellung des Aussonderungsberechtigten anzuerkennen. Der Beklagte hat als Konkursverwalter Forderungen aus Frachtverträgen in Anspruch genommen und zur Masse eingezogen. Zu solchen Verfügungen war er trotz der im Agenturvertrag erteilten Vollmacht nicht berechtigt, soweit die Forderungen, wie die Klägerin geltend macht, ihr zustanden. Der Beklagte hätte zwar aufgrund der nach Konkurseröffnung nicht gekündigten, mithin fortwirkenden Vollmacht die Gelder namens der Klägerin einziehen, aber nicht der Masse einverleiben dürfen, sondern sie als Fremdgelder von ihr gesondert bis zur Herausgabe an den berechtigten Vollmachtgeber halten müssen. Die unbefugte Einziehung der Forderung eines Dritten zur Masse gilt als Veräußerung i.S.d. § 46 KO (BGHZ 23, 307, 317; BGH, Urt. v. 30. Oktober 1967 - VIII ZR 176/65, WM 1967, 1121, 1213). Gegenleistung i.S.d. § 46 Satz 2 KO ist dann die Leistung, die den Anspruch erfüllt und zu dessen Erlöschen geführt hat.
a) Die Ersatzaussonderung gemäß § 46 Satz 2 KO scheitert, wenn die vom Konkursverwalter vereinnahmten Gelder ununterscheidbar (nicht aussonderungsfähig) in der Konkursmasse aufgegangen sind. Das ist hier nicht der Fall, wie das Berufungsgericht zutreffend dargelegt hat. Die Auflistung der unstreitigen Beträge von 64.740,93 DM und 1.401, 19 DM zeigt, daß aufgrund der Belege und Buchungen jene Frachtvergütungen sich als noch unterscheidbare Guthaben auf dem allgemeinen Konkurskonto und dem Postscheckkonto der Gemeinschuldnerin niedergeschlagen haben (vgl. dazu BGH, Urt. v. 9. Dezember 1970 - VIII ZR 52/69, Warn 1970 Nr. 281 S. 673 f; Kuhn/Uhlenbruck, KO 10. Aufl. § 46 Nr. 14).
b) Im übrigen steht dann, wenn die vom Konkursverwalter unberechtigt zur Masse eingezogenen Beträge mit den übrigen Massebestandteilen untrennbar vermischt worden, also nicht. mehr aussonderungsfähig sind, der zuvor aussonderungsberechtigten Klägerin ein Masseanspruch nach § 59 Abs. 1 Nr. 4 KO zu (BGH, Urt. v. 9. Dezember 1970, aaO; v. 5. Mai 1982 - VIII ZR 162/81, NJW 1982, 1751; Kuhn/Uhlenbruck, aaO). Auch dieser Anspruch ist unabhängig von einem Verschulden des beklagten Konkursverwalters.
3. Der noch offene Anspruch setzt mithin voraus, daß die durch Zahlung an den Konkursverwalter erloschenen Forderungen aus Luftfrachtverträgen nicht zum konkursbefangenen Vermögen gehört, vielmehr der Klägerin bei Konkurseröffnung zugestanden hatten.
a) Dazu führt das Berufungsgericht aus:
Maßgebend für die Rechtsbeziehungen der Klägerin zum Beklagten sei allein das Innenverhältnis, wie es in dem Agenturvertrag niedergelegt sei. Darauf, wie die Gemeinschuldnerin ihre Rechtsbeziehung im Außenverhältnis zu den Versendern als ihren Kunden ausgestaltet habe, könne es in dem Verhältnis der Parteien zueinander nicht ankommen. Es habe außer Betracht zu bleiben, wie die Gemeinschuldnerin Frachtaufträge bei den Versendern hereingeholt habe, sei es durch Sammelladungen oder im Wege des Selbsteintritts oder wie auch immer. Wie ein von Kunden erteilter Speditionsauftrag anschließend ausgeführt worden sei, sei Sache der Gemeinschuldnerin gewesen. Soweit sie die Klägerin als Frachtführerin eingeschaltet habe, habe sie das als IATA-Agentin und damit als Vertreterin für das jeweilige IATA-Mitglied getan. Ihr eigener Kunde habe sie ganz allgemein ermächtigt, den Auftrag einschließlich erforderlicher Folgegeschäfte wie Fracht- oder Lagerhaltung nach fachlich bezogenem Gutdünken auszuführen. Wenn die Gemeinschuldnerin alsdann die Klägerin mit der Durchführung des Frachtgeschäfts beauftragt habe, sei dies nach den vertraglichen Bedingungen abzuwickeln gewesen, die im Innenverhältnis zwischen ihr und der Klägerin vereinbart gewesen seien. Es komme also im vorliegenden Rechtsstreit allein darauf an, welche Pflichten die Gemeinschuldnerin dadurch auf sich genommen habe, daß sie die Klägerin mit der Durchführung des Frachtgeschäfts beauftragt habe. Nach dem Frachtagenturvertrag sei die Gemeinschuldnerin Agentin der Klägerin, zu deren Vertretung berechtigt und als Luftfracht-IATA-Agent in die Verkaufsorganisation der Klägerin eingegliedert gewesen. Sie habe für diese und in deren Namen, wie sich aus der Verwendung ihrer Luftfrachtbriefe ergebe, wie ein Handelsvertreter Frachtverträge vermittelt. Aus solchen Verträgen gegenüber ihren eigenen Kunden gewonnene Rechtspositionen habe die Gemeinschuldnerin treuhänderisch für die Klägerin wahrnehmen müssen. Das sei Nr. 9 des Agenturvertrags zu entnehmen. Danach habe die Gemeinschuldnerin in einem echten Treuhandverhältnis zur Klägerin gestanden. Bei dem durch den Agenturvertrag näher ausgestalteten Treuhandverhältnis handele es sich um eine sogenannte Verwaltungstreuhand. Der Gemeinschuldnerin seien nämlich von der Klägerin nicht einzelne Sachen, Ansprüche oder sonstige Gegenstände wie etwa bestimmte Forderungen treuhänderisch überlassen worden. Die Klägerin habe der Gemeinschuldnerin als ihrer Agentin vielmehr im Rahmen der ihr zugebilligten Geschäftstätigkeit treuhänderisch die für sie auszuübende Rechtsmacht übertragen, in Zukunft notwendige rechtsgeschäftliche Erklärungen abzugeben und die entsprechenden Verwaltungstätigkeiten zu entfalten, um Frachtgeschäfte für die Klägerin abzuschließen, die damit zusammenhängenden Maßnahmen, wie Einziehung oder Entgegennahme der Zahlungen von Kunden, zu ergreifen sowie eingegangen sowie eingegangene Gelder zu verwahren und an sie abzuführen. Eine solche Übertragung von Rechtsmacht reiche aus, um ein Treuhandverhältnis zu begründen, das dem Treugeber die vom Treuhänder geschaffenen Rechte und Rechtspositionen verschaffe.
Es bestehe kein Anhaltspunkt für ein abweichendes Verhalten der Gemeinschuldnerin in den streitgegenständlichen Fällen und der Beklagte habe dazu keine näheren nachprüfbaren Tatsachen vorgetragen. Die Globalzession der Gemeinschuldnerin u.a. an die O Volksbank ließen keinen auch nur halbwegs sicheren Schluß darauf zu, die Gemeinschuldnerin habe sich nicht an die im Agenturvertrag übernommenen Pflichten gehalten.
b) Diese Ausführungen tragen die Verurteilung des Beklagten nicht. Ihnen ist nicht mit der gebotenen Klarheit zu entnehmen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die Klägerin die von dem Beklagten eingezogenen Forderungen dadurch erworben hat, daß die GmbH Luftfrachtverträge als Vertreterin der Klägerin abschloß und deren Forderungen treuhänderisch verwaltete, oder ob das Berufungsgericht meint, die GmbH sei als Vertragspartnerin (Spediteurin, Frachtführerin) Inhaberin der Kundenforderungen geworden und dennoch uneigennützige Treuhänderin der Klägerin gewesen.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommt es darauf an, wie die GmbH ihre Rechtsbeziehungen zu ihren Kun den, den Absendern, gestaltet hat, ob sie Luftfrachtverträge als Vertreterin der Klägerin oder im eigenen Namen mit den von ihr geworbenen Kunden (Absendern) geschlossen und dann sich selbst als Absenderin gegenüber der Klägerin bezeichnet hat.
aa) Nach dem Agenturvertrag war die GmbH berechtigt, nicht nur Luftfrachtverträge der Klägerin zu vermitteln, sondern diese auch gegenüber den Absendern zu vertreten. Der Agenturvertrag hat der GmbH aber nicht untersagt, im eigenen Namen Beförderungsverträge einzugehen. Zudem hätte ein Verbot ein Handeln der GmbH im eigenen Namen nicht hindern können. Entgegen der Rechtsübung im angelsächsischen Raum, an der der Agenturvertrag ausgerichtet ist, wurden nach dem hier anwendbaren deutschen Recht gegen Zahlung der tariflichen Vergütung nicht einseitige Ansprüche gegen den Luftfrachtführer auf Beförderung "verkauft", sondern Werkverträge geschlossen, in denen sich der Unternehmer (Frachtführer) zur Beförderung des Gutes gegenüber dem Versender und dieser sich zur Zahlung der Vergütung verpflichtet haben (vgl. BGHZ 62, 71, 74 ff). Luftfrachtführer kann nicht nur ein Luftverkehrsunternehmen sein, das wie die Klägerin die Beförderungsleistung selbst erbringt. Luftfrachtführer wird nach deutschem Recht, wer die Beförderung von Luftfracht als eigene Leistung gegen entsprechende Vergütung verspricht (BGHZ 80, 280, 283 f; 52, 194, 196), auch wenn er dann ein Luftfahrtunternehmen mit der Beförderung beauftragt. Mithin war die GmbH nach dem Agenturvertrag und aus sonstigen Gründen nicht gehindert, im eigenen Namen Luftfrachtverträge oder Speditionsverträge zu einem (tariflich) bestimmten Satz der Beförderungskosten (§ 413 Abs. 1 HGB) mit den Absendern (Versendern) abzuschließen und im eigenen Namen und für eigene Rechnung die Klägerin als (Unter-) Frachtführerin. insbesondere für Sammelladungen i.S.d. § 413 Abs. 2 HGB, einzuschalten oder als beauftragte Spediteurin im eigenen Namen für Rechnung der Versender für die Luftbeförderung durch die Klägerin zu sorgen (§ 407 ff HGB).
bb) Die GmbH hat dann nicht im eigenen Namen, sondern für die Klägerin als deren Vertreterin mit den Absendern Frachtverträge abgeschlossen, wenn sie diese ausdrücklich im Namen der Vertretenen eingegangen ist oder die Umstände ergeben, daß sie im Namen der Vertretenen ihre zum Vertrag führenden Erklärungen gegenüber den Absendern abgegeben hat (§ 164 Abs. 1 BGB).
Für das Vorliegen dieser Voraussetzungen ergibt sich nichts aus dem Agenturvertrag. Welche rechtsgeschäftlich erheblichen Erklärungen die Versender und die GmbH durch ihre Geschäftsführer oder Bevollmächtigten bei dem Abschluß der Frachtverträge abgegeben haben, kann auch nach dem Vortrag der Parteien, den Luftfrachtbriefen, die von den bevollmächtigten Angestellten der GmbH unterzeichnet worden sind, entnommen werden. Sie sind Urkunden, aus denen sich die Vereinbarungen der am Luftbeförderungsvertrag Beteiligten ergeben, insbesondere wer als Absender oder als Frachtführer oder als Empfänger anzusehen ist. Das hat das Berufungsgericht nicht genügend beachtet. Nach Art. 11 Abs. 1 des Warschauer Abkommens in der Fassung des Haager Protokolls erbringt der Luftfrachtbrief den (widerlegbaren) Beweis für den Abschluß des Vertrags; er ist Beweisurkunde i.S.d. § 416 ZPO.
Wie auch der Beklagte nicht bestreitet, beruhen die von ihm nach Konkurseröffnung eingezogenen Forderungen in Höhe von annähernd 66.142, 12 DM auf Luftfrachtverträgen, die in der Zeit von Oktober 1984 bis zur Konkurseröffnung ausgeführt worden und die in der Anl. K 11 durch vier Gruppen von Luftfrachtbriefen dokumentiert sind. Den Inhalt dieser Luftfrachtbriefe hat das Berufungsgericht nicht durch Auslegung ermittelt. Deshalb und weil keine der Parteien dargelegt hat, daß die Absender, die GmbH und die Klägerin andere Erklärungen als die in den Frachtbriefen festgehaltenen abgegeben haben, und im übrigen eine weitere Aufklärung nicht erwartet werden kann, ist der erkennende Senat befugt, den Erklärungsinhalt der Luftfrachtbriefe festzustellen (Senatsurt. v. 13. Oktober 1983 - IX ZR 70/82, ZIP 1984, 193). Im übrigen handelt es sich bei den Frachtbriefen um ein überregional, ja international verwendetes Formular(vgl. Senatsurt. v. 14. Februar 1985 - IX ZR 76/84, ZIP 1985, 525, 527).
(1) Die Luftfrachtbriefe der Gruppe 2 bezeichnen die GmbH als Absender, Agent und Empfänger. Sie sind von Repräsentanten der GmbH unterschrieben. Danach kommt eine Forderung der Klägerin auf Vergütung für die Beförderung der in diesen Luftfrachtbriefen bezeichneten Güter gegen Kunden GmbH nicht in Betracht. Allein die GmbH hat als Versender die Klägerin als Luftfrachtführer beauftragt. Ob sie das wegen als Sammelladung zu befördernder Frachtgüter oder als Spediteur nach § 413 HGB getan hat, ist unerheblich. Die Forderung der Klägerin aus diesen mit der GmbH geschlossenen Luftfrachtverträgen ist nur Konkursforderung und kann daher kein Ersatzaussonderungsrecht begründen.
Das gilt ebenso für die Luftfrachtverträge der Gruppe 4. Hier ist die GmbH wiederum als Absender bezeichnet und so gegenüber der Klägerin aufgetreten. Der Frachtvertrag ist auch in diesen Fällen zwischen der GmbH als Absender und der Klägerin als Frachtführer zustande gekommen. Der Repräsentant der GmbH hat für diese und als Vertreter der Klägerin unterzeichnet oder die Klägerin hat das Angebot der GmbH auf Abschluß eines Luftfrachtvertrags durch Entgegennahme des Luftfrachtbriefs und des Gutes angenommen.
Die GmbH oder der beklagte Konkursverwalter waren mithin befugt, von den Kunden, die die GmbH als Spediteur oder Frachtführer beauftragt hatten, der Gruppe 2 (13.688,91 DM) und der Gruppe 4 (26.854,76 DM) zuzurechnende Forderungen zur Masse einzuziehen. Die GmbH hatte diese ihr zustehenden Ansprüche nicht an die Klägerin zur Sicherheit, insbesondere auch nicht im voraus abgetreten. Eine Abtretung an die Klägerin ist weder vorgetragen noch dem Agenturvertrag zu entnehmen.
An diesen Ansprüchen der GmbH gegen ihre Kunden hat die Klägerin auch keine treuhänderische Berechtigung erlangt.
Eine solche ergibt sich nicht aus dem Agenturvertrag. Dort ist nur davon die Rede, daß die GmbH die Ansprüche treuhänderisch zu verwalten und einzuziehen hat, die der Klägerin als Frachtführer gegen Dritte zustehen. Daß die Klägerin der GmbH die Rechtsmacht, sie zu vertreten, übertragen hat, schafft entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts noch kein Treuhandverhältnis. Die GmbH war nicht gehindert, im eigenen Namen und für eigene Rechnung Geschäfte abzuwickeln. Selbst wenn die GmbH als verdeckte Stellvertreterin in Erfüllung eines im Agenturvertrag erteilten Auftrags jene Kundenforderungen erworben hätte, gehörten diese zur Konkursmasse. Die Klägerin hätte lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch auf Abtretung gehabt, der nur als Konkursforderung hätte geltend gemacht werden können (vgl. Kuhn/Uhlenbruck, aaO § 43 Nr. 21).
(2) Anders liegen die Dinge, soweit Luftfrachtbriefe die Frachtverträge der 1. Gruppe dokumentieren. Diese Frachtbriefe sind in Vollzug des Agenturvertrags von Repräsentanten der GmbH als Agentin (Handelsvertreterin) der Klägerin in deren Namen ausgefertigt und unterschrieben worden. Das war den Repräsentanten der GmbH auch bewußt. Der Absender, dem eines der drei Stücke des Frachtbriefs (das zweite erhält das die Beförderung durchführende Unternehmen, das dritte der Empfänger) ausgehändigt wurde, konnte und mußte aus dem Luftfrachtbrief erkennen, daß sein Vertragspartner nicht der Agent der Klägerin, sondern diese selbst als Frachtführer war. Eine andere Auslegung lassen die Luftfrachtbriefe der Gruppe 1 nicht zu..
Das gleiche hat für die Beförderungsverträge der 3. Gruppe zu gelten, wie sich aus den zugehörigen Luftfrachtbriefen ergibt. Auch diese hatten die Repräsentanten der GmbH bewußt entsprechend den Regeln des Agenturvertrags ausgefertigt; die GmbH ist dabei als Agentin und Vertreterin der die Luftfracht ausführenden Klägerin aufgetreten. Das hatten die Absender aus dem ihnen übergebenen Stück des Luftfrachtbriefs erkannt oder hätten es zumindest erkennen können und müssen. Unerheblich ist, daß in den Frachtbriefen dieser Gruppe die GmbH als Empfänger des zu befördernden Gutes bezeichnet ist. Den im Frachtgeschäft versierten Geschäftsführern der GmbH und ihren Bevollmächtigten war bekannt, daß der Empfänger den Auftrag zur Beförderung nicht erteilt. Unstreitig hat die GmbH als Empfänger keine Zahlungen geleistet, weil es sich hier um Fälle handelte, die als prepaid (vom Absender bezahlt) im Frachtbrief gekennzeichnet und so auch abgewickelt worden sind (im Gegensatz zur Kennzeichnung cc, wonach mit der Nachnahme auch die Frachtkosten vom Empfänger durch den Frachtführer, die Klägerin, zu erheben waren = 5. Gruppe).
Danach hatte die Klägerin Kundenforderungen in Höhe von (84.658,81 DM + 6.808,78 DM =) 91.467,59 DM erworben, die aus der Konkursmasse nach § 43 KO hätten ausgesondert werden können.
4. Soweit die Schuldner dieser in den Gruppen 1 und 3 zusammengefaßten Forderungen zu deren Tilgung nach Konkurseröffnung auf das Postscheckkonto und das allgemeine Konkurskonto Zahlungen geleistet haben, steht der Klägerin mithin ein Ersatzaussonderungsrecht nach § 46 Satz 2 KO oder ein Anspruch gegen die Masse nach § 59 Abs. 1 Nr. 4 KO zu. Es mag sein, daß nur Schuldner der Klägerin (Absender der ersten und dritten Gruppe) an den beklagten Konkursverwalter die insgesamt 66.142,12 DM geleistet haben und deshalb in dieser Höhe ein aus der Masse vorweg zu befriedigender Anspruch begründet ist, soweit nicht geringe Beträge schon vor Konkurseröffnung auf dem Postscheckkonto der GmbH eingegangen waren. Das steht aber nicht fest. Es ist möglich, daß die Schuldner der GmbH deren Forderungen (2. und 4. Gruppe) durch Überweisungen auf das Postscheckkonto und das Konkurskonto in Höhe von 13.688,04 DM und von 26.854,76 DM getilgt haben; insoweit würde weder ein Ersatzaussonderungsrecht der Klägerin noch eine Masseschuld bestehen. Davon hat das Revisionsgericht mangels Aufklärung des Sachverhalts in den Vorinstanzen auszugehen.
Auch in Höhe des Restbetrags von 25.599,32 DM kann die Verurteilung nicht aufrechterhalten bleiben. Die Klägerin räumt Forderungen der GmbH wegen Provisionen und Auslagen ein, die die Klägerin von Empfängern in Höhe von 31.382,66 DM eingezogen hat. Es ist ungeklärt, ob die Klägerin gegen diese Forderung der GmbH mit ihren aus der Masse vorweg zu befriedigenden Ansprüchen oder mit bisher nicht festgestellten Konkursforderungen ohne Verstoß gegen § 55 Nr. 1 oder 2 KO aufgerechnet hat. Die Darlegungen der Klägerin im Schriftsatz vom 16. Juli 1986 und in dem beigefügten Schreiben der Klägerin vom 8. Juli 1986 (Anl. K 11) sind keine tragfähige Grundlage für eine abschließende Entscheidung des Revisionsgerichts darüber, welche Ansprüche der Klägerin auf Ersatzaussonderung oder nach § 59 Abs. 1 Nr. 4 KO noch bestehen oder durch Aufrechnung untergegangen sind.
5. Nach alledem müssen das angefochtene Urteil, soweit es zum Nachteil des Beklagten erkannt hat, aufgehoben und der Rechtsstreit an das Berufungsgerichts zur weiteren Aufklärung und Nachholung der erforderlichen Feststellungen zurückverwiesen werden.
Fundstellen
Haufe-Index 2992965 |
DB 1989, 723 |
BGHR KO § 46 Ersatzaussonderung 2 |
DRsp IV(438)217e |
NJW-RR 1989, 252 |
WM 1989, 225 |
ZIP 1989, 118 |
MDR 1989, 350 |