Leitsatz (amtlich)
Wer durch eine unfallbedingte Körperverletzung an der Ausübung seines langjährigen Jagdausübungsrechts zeitweise gehindert ist, kann nicht Ersatz dieser Nachteile als Vermögensschaden verlangen.
Normenkette
BGB §§ 249, 253
Verfahrensgang
OLG Hamm (Urteil vom 14.04.1969) |
LG Münster |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 14. April 1969 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Revision fallen dem Kläger zur Last.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Am 24. Oktober 1964 verschuldete der Zweitbeklagte am Steuer des Personenkraftwagens der Erstbeklagten einen Verkehrsunfall, bei dem der Kläger erheblich verletzt wurde. Zum Ausgleich seines Schadens – auch des nichtvermögensrechtlichen – einigte er sich mit dem Haftpflichtversicherer der Beklagten auf einen Betrag von 40.000 DM. Von dieser Vereinbarung wurden u.a. „Ersatzansprüche wegen der Jagdpacht” ausgenommen.
Der Kläger hatte am 1. April 1962 für 9 Jahre eine 4.800 Morgen große Jagd gepachtet. Diese Jagd konnte er infolge seiner Unfallverletzungen mindestens 1 Jahr lang nicht ausüben. Der Kläger verlangt Ersatz seiner Aufwendungen von 14.806,41 DM nebst Zinsen, die ihm im Jahr nach dem Unfall für Jagdpacht, Jagdsteuer, Versicherung und Revieraufsicht entstanden sind.
Die Beklagten haben um Klageabweisung gebeten. Sie sind der Ansicht, dem Kläger sei insoweit kein ersatzfähiger Vermögensschaden erwachsen.
Das Landgericht hat den Klageanspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Das Oberlandesgericht hat die Klage abgewiesen.
Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Parteien sind sich darüber einig, daß die Beklagten dem Kläger wegen des von dem Zweitbeklagten verschuldeten Verkehrsunfalls nach den Vorschriften der unerlaubten Handlung schadensersatzpflichtig sind. Sie streiten lediglich darum, ob die Aufwendungen des Klägers für die von ihm gepachtete Jagd während des Jahres, in dem er wegen der Unfallverletzungen die Jagd nicht ausüben konnte, als Vermögensschaden zu ersetzen sind. Dar, Berufungsgericht (Berufungsurteil veröffentlicht in: VersR 1969, 762) hat diese Frage sowohl unter dem Gesichtspunkt der Beeinträchtigung der Gebrauchsmöglichkeit wie unter dem fehlgegangener Aufwendungen verneint. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Revision greifen im Ergebnis nicht durch.
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat der Ersatzpflichtige für den vorübergehenden Verlust der Gebrauchsmöglichkeit eines Kraftfahrzeugs grundsätzlich auch dann eine Entschädigung zu leisten, wenn sich der Geschädigte einen Ersatzwagen nicht beschafft hat (BGHZ 40, 345; 45, 212; Urteil vom 7. Juni 1968 – VI ZR 40/67 = LM BGB § 249 A Nr. 22 = NJW 1968, 1778 mit Anm. Martens = VersR 1968, 803 und 1057 mit Anm. Herkner).
Anders als in dieser Fallgruppe ist in dem jetzt zu beurteilenden Sachverhalt nicht der Gegenstand des Gebrauchs beschädigt und es steht nicht in Frage, ob sich die dadurch hervorgerufene Beeinträchtigung der Nutzungsmöglichkeit als ersatzfähiger Vermögensschaden darstellt. Hier ist vielmehr die zum Gebrauch berechtigte Person, der Kläger, körperlich verletzt und dadurch für einige Zeit persönlich an der Ausübung der an sich weiterhin möglichen Nutzung des Gegenstandes gehindert.
2. Der erkennende Senat hat bereits in BGHZ 45, 212, 219 ausgeführt, eine Entschädigung für entgangene Nutzung eines beschädigten Kraftfahrzeugs scheide jedenfalls aus, wenn der Geschädigte den Wagen während der Reparaturzeit aus unfallunabhängigen Gründen nicht habe benutzen können oder wollen. Sodann hat er im Urteil vom 7. Juni 1968 (VI ZR 40/67 a.a.O.) befunden, daß der Ersatzpflichtige für den vorübergehenden Verlust der Gebrauchsmöglichkeit eines beschädigten Fahrzeugs selbst dann keine Entschädigung zu leisten braucht, wenn der Geschädigte den Wagen in der Reparaturzeit aus unfallabhängigen Gründen – dort: Bettlägerigkeit und volle Arbeitsunfähigkeit infolge der Unfallverletzungen – nicht hätte benutzen können. Die Auffassung des Berufungsgerichts erscheint folgerichtig, auf der Grundlage dieser Wertung einen ersatzfähigen Nutzungsschaden erst recht zu verneinen, wenn wie hier der Nutzungsberechtigte verletzt, der Gegenstand der Nutzung selbst aber unbeschädigt geblieben ist. So hat der erkennende Senat denn auch dort bereits ausgeführt, das Fehlen eines ersatzfähigen Schadens stünde der Entschädigungspflicht wegen Gebrauchsverlusts auch dann entgegen, wenn man ihn als Folge der – ebenfalls unfallbedingten – Körperverletzung zu sehen suche.
3. Der Senat hat ferner in dieser Entscheidung am Schluß angedeutet, daß darüber hinausgehende Gründe einer Ersatzpflicht in Anknüpfung an die Körperverletzung entgegenstehen könnten. Solche Erwägungen werden bei der jetzigen Gestaltung von Belang.
Wird nicht der Gegenstand des Gebrauchs beschädigt, sondern allein der Nutzungsberechtigte körperlich verletzt und dieser deshalb an dem Gebrauch des nicht beeinträchtigten Vermögensgutes zeitweise gehindert, so steht nach Auffassung des erkennenden Senats dem Betroffenen bei einer Sachlage, wie sie hier vorliegt, kein Anspruch auf seine Nachteile als Vermögensschaden zu. Dem entspricht im Ergebnis die überwiegende, wenn nicht einhellige Auffassung (Larenz, Festschrift für Nipperdey 1965 I 489, 494; Festschrift für Oftinger 1969, 151, 163/164; Zeuner AcP 163, 380, 392, 397; Wiese, Der Ersatz des immateriellen Schadens S. 25 ff; Grunsky, Aktuelle Probleme zum Begriff des Vermögensschadens S. 42 ff; Mertens, Der Begriff des Vermögensschadens S. 156, 160; Medicus, Bürgerliches Recht 3.Aufl., § 31 III 2 c S. 319).
a) Es ist bereits nicht ohne Zweifel, ob ein Anspruch auf Zahlung eines Nutzungsentgelts über den Bereich der Regulierung von Kraftfahrzeugschäden hinaus ohne weiteres auch für andere Fälle der zeitweiligen Gebrauchsentziehung, insbesondere wie hier bei der Beeinträchtigung der Nutzung eines Jadpachtrechts anzuerkennen ist (vgl. dazu: Schmidt-Salzer BB 1970, 55, 63 m.w.N.). Jedenfalls gibt es keinen allgemeinen Satz des Inhalts, daß ein körperlich Verletzter einen Vermögensschaden erleide, soweit er sein Vermögen wegen der Verletzung nicht mehr genießen könne. Für den besonderen Fall der Kraftfahrzeugnutzung ist in BGHZ 45, 212 wesentlich auf die Verkehrsauffassung abgestellt worden, nach der sich die Gebrauchsmöglichkeit eines Kraftfahrzeugs als ein nach objektiven Maßstäben feststellbarer Vermögenswert und damit ihre Beeinträchtigung als ein in Geld meßbarerer wirtschaftlicher Schaden darstellt (BGHZ 45, 212, 215, 217). Ob diese Voraussetzungen auch hinsichtlich der hier in Frage stehenden Gebrauchsmöglichkeit zutreffen, mag auf sich beruhen. Denn der Klageanspruch ist jedenfalls aus anderen Erwägungen nicht gerechtfertigt.
b) Wird eine Person körperlich verletzt und dadurch wie hier an dem Gebrauch eines Vermögensgegenstandes gehindert, so steht die Beeinträchtigung der Nutzung ersichtlich nicht als Folge einer unmittelbaren Einwirkung auf den Nutzungsgegenstand, sondern als Folge der Einwirkung auf die körperliche Integrität in Frage. Das allein spricht allerdings noch nicht gegen die Qualifizierung des Nachteils des Betroffenen als ersatzfähigen Vermögensschaden. Denn Vermögensschäden sind auch dann auszugleichen, wenn sie sich als adäquate Folge eines Eingriffs in die Persönlichkeitssphäre darstellen (Larenz, Festschrift für Oftinger 1969, 151, 163). Entscheidend ist vielmehr etwas weiteres. Zwar ist der Kläger durch seine körperliche Verletzung hier gehindert, sein Vermögensgut persönlich zu nutzen. Auch nach dem Unfall bestand aber an sich die Möglichkeit ungeschmälert fort, von dem nicht beeinträchtigten Jagdausübungsrecht Gebrauch zu machen. Daher war der Kläger trotz seiner Körperverletzung nach wie vor in der Lage, über die Nutzung zu verfügen. Mit Ausnahme des persönlichen Gebrauchs standen die Übrigen Gebrauchsmöglichkeiten zu seiner Verfügung, indem er z.B. den Gebrauch entgeltlich oder unentgeltlich Dritten überließ. Das zeigt, daß er lediglich in seiner Dispositionsfreiheit (Grunsky a.a.O. S. 44) beeinträchtigt, dagegen nicht die Gebrauchsmöglichkeit selbst ausgeschlossen war. Darin, daß er den an sich möglichen Gebrauch nicht wie gewohnt auszuüben vermochte, ist aber kein zu ersetzender Vermögensschaden zu erblicken. Dieser Nachteil kann nur beim Ersatz immateriellen Schadens berücksichtigt werden, der nicht Gegenstand dieses Rechtsstreits ist (Wiese a.a.O.; S. 26 f; Grunsky a.a.O.; S. 43 f; vgl. ähnliche Erwägungen, wenn auch in anderem Zusammenhang, bei Mertens a.a.O. S. 160 N.61).
Allenfalls wenn und soweit ein Betroffener durch die Verletzung gehindert wird, durch eine irgendwie geartete Nutzung des Gegenstandes vermögenswirksam tätig zu werden, kann ein ersatzfähiger Vermögensschaden als Erwerbsschaden bejaht werden, eine Wertung, die auch in § 842 BGB zum Ausdruck kommt (vgl. Wiese, a.a.O. S. 25 ff; Grunsky a.a.O. S. 43 f).
Hier ist dem verletzten Kläger dagegen nicht die Verfügungsmöglichkeit über das Vermögensstück selbst verloren gegangen. Demnach fehlt es, selbst wenn die Möglichkeit, die Jagd auszuüben, nach der Verkehrsauffassung als Vermögenswert zu qualifizieren sein sollte, hier an einem ersatzfähigen Vermögensschaden.
c) Die Frage der Ersatzfähigkeit des vom Kläger geltend gemachten Nachteils ist ebenso zu beantworten, wenn man in den Fällen des Gebrauchsverluste den zu ersetzenden Schaden in dem durch die Beeinträchtigung hervorgerufenen Geldbedarf erblickt (Zeuner AcP 163, 390, 397; Medicus a.a.O.; § 31 III 2 besonders zu c); vgl. auch BGH Urteil vom 7. Juni 1968 – VI ZR 40/67 = a.a.O.). Ein ersatzfähiger Vermögensschaden ist auf dieser Grundlage schon deshalb zu verneinen, weil hier ein geldmäßiger Bedarf zur Beschaffung eines entsprechenden Ersatzes gar nicht erst erwachsen ist. An einem solchen Ersatzbedarf mangelte es – ohne Rücksicht auf den hier nicht im Vordergrund stehenden Umstand, daß der Kläger infolge seiner Körperverletzung zur Ausübung nicht in der Lage war – entscheidend schon deshalb, weil die Nutzung des Jagdausübungsrechts dem Kläger wie vor dem Unfall offen stand.
4. Zutreffend hat das Berufungsgericht den Klageanspruch ebenfalls nicht unter dem rechtlichen Gesichtspunkt nutzlos gewordener Aufwendungen als gerechtfertigt angesehen.
Im Meueren Schrifttum wird im Anschluß an von Tuhr (Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts Bd. I S. 320 N. 33 a) bei Erörterung der Gebrauchsbeeinträchtigung verschiedentlich ein ersatzfähiger Vermögensschaden dann bejaht, wenn der Betroffene Vermögensaufwendungen gemacht hatte oder weiterhin zu erbringen hat, die infolge des Schadansereignisses ihren Zweck verfehlen und deshalb nutzlos geworden sind (Larenz, VersR 1963, 312, 313; Schuldrecht I 10.Aufl. § 29 II c S. 348; Festschrift für Oftinger 1969 S. 151, 161 ff; Löwe, VersR 1963, 307, 310 f und NJW 1964, 701, 704; Boehmer MDR 1964, 453, 454; Mertens a.a.O. S. 159 f; Esser Schuldrecht I 4.Aufl. § 41 II 4 a S. 276). Die nutzlos gewordenen Aufwendungen, so wird eingeräumt, seien zwar, weil freiwillig erbracht, kein Schaden, sie seien aber wie ein Schaden zu werten, da sie als zwecklose Aufwendungen nicht gewollt waren und als solche nicht gemacht worden wären.
Ob solcher Sicht im Grundsatz überhaupt zu folgen ist (vgl. dagegen: Zeuner a.a.O. S. 394; Wiese a.a.O. S. 228; Stoll JuS 1968, 504, 507; Bötticher, VersR 1966, 301, 309), braucht hier nicht entschieden zu werden. Denn auch die Befürworter einer derartigen Beurteilung verkennen nicht die Gefahr einer unübersehbaren Ausdehnung der Ersatzpflicht, sofern sämtliche Aufwendungen zu Nutzungsmöglichkeiten zu ersetzen wären, von denen der Berechtigte infolge seiner Verletzung zeitweise keinen persönlichen Gebrauch machen kann (vgl. diese Bedenken auch bei Medicus a.a.O.). Sie setzen daher besonders für die Fallgruppe der durch eine Körperverletzung vermittelten Schäden (vgl. Larenz, Festgabe für Oftinger S. 163) Grenzen der Ersatzfähigkeit, die hier überschritten sind. So unterschendet Larenz a.a.O. zwischen den laufenden Aufwendungen für die gewöhnliche Lebenshaltung des Verletzten und dem besonderen Aufwand für einen bestimmten einmaligen Zweck, wobei er auf eine Reise und einen bestimmten Kunstgenuß hinweist und die Ersatzpflicht auf die letzte Gruppe beschränkt. In ähnlicher Weise bejaht Mertens (a.a.O. S. 160) eine Ersatzpflicht nur dann, wenn der Berechtigte ein „Lebensziel” konkret ergriffen und zu dessen Erreichung endgültige Aufwendungen gemacht hat, z.B. für eine Theater- oder Flugkarte; dagegen verneint er sie für die Fälle, in denen allgemein die Möglichkeiten des Lebensgenusses an Hand der vorhandenen Vermögensgüter infolge einer Störung des subjektiven Bereichs herabgesetzt sind, wie z.B. bei einem Wochenendhaus, bei einem Tennisplatz oder einer Jagd. Man weist in diesem Zusammenhang auch darauf hin, daß es bei einem langfristig und dauernd verfügbaren Gut durchaus üblich ist, die Nutzung gelegentlich zu unterbrechen (Steindorff JZ 1964, 423, 424). Dieser Gesichtspunkt wird nach dieser Auffassung dadurch verdeutlicht, daß man vom Standpunkt des Geschädigten aus fragt, ob er die Aufwendungen auch gemacht hätte, wenn er den Unfall und damit seine zeitweilige persönliche Behinderung in Rechnung gestellt hätte (Steindorff a.a.O.; vgl. auch Mertens a.a.O. S. 160), Fragen, die hier ersichtlich zu bejahen sind.
5. Zurückhaltung gegenüber einer unbegrenzten Bejahung der Ersatzfähigkeit solcher Nutzungsschäden ist nach Auffassung des Senats auch deshalb geboten, weil sich bei Bejahung im Bereich der Körper- und Gesundheitsverletzungen neben den herkömmlich anerkannten Ersatzpflichten Lasten unübersehbaren Umfangs ergeben können, so z.B. bei Ersatz der Wohnungsmiete während eines Krankenhausaufenthalts oder der vergeblich aufgewendeten Berufsausbildungskosten. Es entspricht nicht dem Sinngehalt der in Frage stehenden Haftungsnormen, dem Schädiger einen so weit gehenden Ausgleich für verhinderte Nutzung unter dem Gesichtspunkt zu ersetzenden Vermögensschadens aufzubürden.
6. Nach alledem war die Revision mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.
Unterschriften
Pehle, Dr. Bode, Bundesrichter Dr. Weber ist urlaubsabwesend und deshalb verhindert zu unterschreiben. Pehle, Nüßgens, Scheffen
Fundstellen
Haufe-Index 1502188 |
BGHZ |
BGHZ, 146 |
NJW 1971, 796 |
Nachschlagewerk BGH |
MDR 1971, 470 |