Verfahrensgang

OLG München (Urteil vom 31.10.1973)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 31. Oktober 1973 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Rosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Beklagte ist eine Holdinggesellschaft in der Form einer GmbH mit einem Stammkapital von 11,2 Mio. DM. An ihr sind die beiden Familienstämme Otto Wa., zu denen der Kläger mit rund 15,85 % des Gesamtkapitals gehört, und Marie E. zu je 50 % beteiligt. Der Geschäftsanteil der Frau Marie E. ist 1971 auf deren Erben übergegangen.

Am 17. Februar 1972 fand in Anwesenheit der beiden Geschäftsführer Dr. B. und Dr. W. eine außerordentliche Gesellschafterversammlung der Beklagten statt. In dieser Versammlung vertrat Dr. B., gestützt auf eine ihm von der Erblasserin erteilte Vollmacht, die noch ungeteilte Erbengeneinschaft nach Marie E. Der als Gast ebenfalls anwesende Miterbe Dr. Alexander Wa. erklärte, er könne die Erbschaft nur annehmen, wenn die ihn treffenden Nachlaßverbindlichkeiten, insbesondere die Erbschaftssteuer, in der voraussichtlichen Höhe von mehreren Millionen DM aus Mitteln der Gesellschaft beglichen würden. Daraufhin faßte die Gesellschafterversammlung gegen den Widerspruch des Klägers mit den Stimmen der übrigen anwesenden oder vertretenen Gesellschafter folgenden Beschluß:

„Die Gesellschafterversammlung ermächtigt die Geschäftsführung, Herrn Dr. Alexander Wa. die Gewährung eines Darlehens zur Wegfortigung von Verbindlichkeiten aus den Anfall der Erbschaft nach Frau Marie E. unter folgenden Voraussetzungen zuzusagen:

  1. Herr Dr. Alexander Wa. darf die Erbschaft nicht ausgeschlagen haben,
  2. die Darlehenszusage erstreckt sich unbedingt auf die Erbschaftssteuerverbindlichkeiten, die auf Herrn Dr. Alexander Wa. aus dem Anfall der Erbschaft zukommen,
  3. Darlehensgewährung für weitere Nachlaßverbindlichkeiten bedarf eines Antrages des Herrn Dr. Alexander Wa. und der weiteren Zustimmung der Gesellschafterversammlung,
  4. die Darlehen sind banküblich zu verzinsen,
  5. das Darlehen ist seitens des Herrn Dr. Wa. jederzeit zurückzahlbar. Es kann seitens der Gesellschaft ebenfalls jederzeit mit einer Frist von 1 Monat zum Ende eines jeden Monats gekündigt werden. Erfolgt die Rückzahlung durch Herrn Dr. Wa. nicht in bar, so erfolgt in Falle der Kündigung die Abdeckung in Haupt- und Nebensache

    1. durch jederzeit mögliche Aufrechnung der Gesellschaft gegen die Ansprüche des Herrn Dr. Wa. auf Gewinnausschüttungen und Auseinandersetzungsguthaben, wobei eine Aufrechnung insoweit ausgeschlossen ist, als Gewinnausschüttungen zur Abdeckung von Steuern bei Herrn Dr. Wa. dienen,
    2. durch jederzeit mögliche Verwertung der Gesellschaftsanteile des Herrn Dr. Wa.

      aa) entweder durch Abtretung solcher Gesellschaftsanteile an die Gesellschaft gemäß § 24 der Satzung oder

      bb) durch Einziehung der Gesellschaftsanteile, wobei eine evtl. erforderliche Satzungsänderung zu diesem Zwecke durchgeführt werden soll und Herr Dr. Wa. bereits heute sein Einverständnis mit der Einziehung von Anteilen zu diesem Zwecke erklärt. Das zur Verrechnung kommende Entgelt für die Übertragung der Anteile oder die Abfindung im Falle der Einziehung bemißt sich nach dem der Erbschaftssteuer zugrunde gelegten Steuerkurswert für die Anteile.

    3. Herrn Dr. Wa. soll bei Abtretung oder Einziehung jedoch eine Option zum Rückerwerb der Anteile eingeräumt werden, nämlich

      aa) im Falle von b) aa) das Recht, die an die Gesellschaft übertragenen Anteile zurückzuerwerben oder

      bb) im Falle b) bb) das Recht, zu dem besonderen Zweck neuzubildende Anteile zu erwerben.”

(Es folgen Bestimmungen über Rückerwerbspreis und Befristung des Optionsrechts).

Der Kläger hat geltend gemacht, dieser Beschluß verletze § 47 Abs. 4 Satz 1 und 2, § 53 Abs. 2 und 3 GmbHG, § 243 Abs. 2 AktG sowie § 7 Abs. 1 der Satzung, der folgenden Wortlaut hat:

„Die entgeltliche oder unentgeltliche Veräußerung oder Verpfändung eines Geschäftsanteils oder von Teilen eines solchen ist nur mit Genehmigung der Gesellschaft zulässig. Die Genehmigung darf von der Gesellschaft nur erteilt werden, wenn die Gesellschafterversammlung einstimmig die Erteilung der Genehmigung beschlossen hat.”

In diesem Zusammenhang interessiert weiter § 24, der in der Fassung vom 21. Dezember 1961 folgendes bestimmt:

„Die Gesellschaft darf eigene voll einbezahlte Geschäftsanteile erwerben. Solange sich diese in ihrem Eigentum befinden, ruht jedes Stimm- und Gewinnanteilsrecht solcher Geschäftsanteile. Sie können durch Beschluß der Gesellschafterversammlung jederzeit eingezogen werden. Der Beschluß bedarf derselben Mehrheit wie die Änderung des Gesellschaftsvertrages (§ 23).”

Einen Satzungsverstoß erblickt der Kläger darin, daß der Beschluß die Geschäftsführer in Wirklichkeit nicht nur zu einer Darlehensgewährung an Dr. Wa., sondern zu einer Vorauszahlung für dessen Geschäftsanteile ermächtige, die einen Zwang zum Erwerb dieser Anteile zur Folge haben müsse und dadurch sein Vetorecht nach § 7 Abs. 1 aushöhle.

Aus diesen Gründen hat der Kläger unter anderem den jetzt noch allein interessierenden Antrag gestellt, den Gesellschafterbeschluß von 17. Februar 1972 für nichtig zu erklären.

Beide Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt der Kläger seine Anfechtungsklage weiter.

 

Entscheidungsgründe

Das Berufungsgericht erachtet die Anfechtungsklage unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt für begründet. Diese Entscheidung hält nicht in allen Punkten den Angriffen der Revision stand.

I. Ohne Erfolg wendet sich die Revision allerdings gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, der Geschäftsführer Dr. B. sei durch § 47 Abs. 4 Satz 1 und 2 GmbHG nicht gehindert gewesen, bei dem Beschluß vom 17. Februar 1972 als Vertreter der Erbengemeinschaft nach Frau Marie E. mitzustimmen.

1. Nach den zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts war dieser Beschluß schon deshalb kein Entlastungsbeschluß im Sinne von § 47 Abs. 4 Satz 1 GmbHG, weil er nicht die nachträgliche Billigung der Geschäftsführung zum Inhalt hatte, sondern lediglich die Einstellung der Gesellschafter zu einer bestimmten künftigen Geschäftsführungsmaßnahme zum Ausdruck brachte. „Entlastet wird die vergangene Geschäftsführung, nicht die zukünftige” (Scholz, GmbHG 5. Aufl. § 46 Anm. 10). Dabei ist es gleichgültig, ob die Geschäftsführer, wie dem Wortlaut des Beschlusses „ermächtigt”) entspräche, noch einen Spielraum für eigenverantwortliches Handeln haben sollten oder ob die Gesellschafter, wie die Revision meint, sie in Wirklichkeit angewiesen haben, das Darlehen zu den beschlossenen Bedingungen auszuzahlen. Ein Entlastungsbeschluß betrifft den Geschäftsführer persönlich. Er bringt die Billigung seiner Geschäftsführung und das Vertrauen in sie zum Ausdruck und wirkt bei der GmbH darüber hinaus wie ein Verzicht auf erkennbare Ersatzansprüche (Urt. d. Sen. v. 30.10.58 – II ZR 256/56, LM GmbHG § 46 Nr. 4). Damit unterscheidet er sich der Sache und Wirkung nach wesentlich von einem Beschluß, mit dem die Gesellschafter in der Form einer Weisung oder Einwilligung von ihrem Recht Gebrauch machen, über ihnen wichtig erscheinende oder von den Geschäftsführern unterbreitete Angelegenheiten selbst zu entscheiden. Es liefe auf eine ungerechtfertigte Verkürzung mitgliedschaftlicher Rechte hinaus, wenn etwa ein Gesellschafter-Geschäftsführer in einer solchen gemeinsamen Angelegenheit, auch wenn sie seine persönlichen Interessen nicht berührt, nicht mitentscheiden dürfte, nur weil er das Beschlossene hinterher als Geschäftsführer auszuführen hat.

2. Der Beschluß betraf allerdings ein Rechtsgeschäft mit einem Mitglied der durch Dr. B. vertretenen Erbengemeinschaft. Deshalb war dieses Mitglied für seine Person nach § 47 Abs. 4 Satz 2 GmbHG vom Stimmrecht ausgeschlossen. Auf den ganzen Geschäftsanteil hätte sich der Stimmrechtsausschluß aber nur dann erstreckt, wenn auch bei den anderen Erben in gleicher Weise wie bei Dr. Alexander Wa. zu befürchten gewesen wäre, sie könnten aus persönlichen Gründen ihr Stimmrecht unsachlich, d.h. entgegen dem Gesellschaftsinteresse, ausüben (BGHZ 49, 183, 194; 51, 209, 219). Daß dies der Fall gewesen sei, hat das Berufungsgericht rechtlich fehlerfrei verneint.

II. Rechtlich fehlerfrei hält das Berufungsgericht ferner das Vorbringen des Klägers für unbegründet, der angefochtene Beschluß sei darauf angelegt und geeignet gewesen, Dr. Alexander Wa. Sondervorteile zum Schaden der Gesellschaft oder der anderen Gesellschafter zu verschaffen (vgl. § 243 Abs. 2 AktG). Die Zusage banküblicher Zinsen mache das Darlehen zu einem recht einträglichen Geschäft. Der Entzug flüssiger Mittel und die Einschränkung des Kreditvolumens fielen angesichts der hervorragenden finanziellen Ausstattung der Gesellschaft neben dem zu erwartenden Zinsgewinn nicht ins Gewicht. Darüber hinaus sei das Darlehen vor allem durch die Möglichkeit, Geschäftsanteile zum Steuerkurswert zu erwerben, in einer für die Gesellschaft und die Gesellschafter außerordentlich günstigen Weise abgesichert.

Diese tatrichterlichen Erwägungen kann die Revision nicht durch eine abweichende Würdigung des Sachverhalts ersetzen. Ihre Verfahrensrügen sind insoweit unbegründet, wie mit Rücksicht auf § 565 a ZPO nicht weiter auszuführen ist.

III. Nicht erst mit der Berufungsbegründung, wie die Revisionserwiderung vorbringt, sondern schon in der Klageschrift (S. 25 zu IV) und damit rechtzeitig hat der Kläger weiterhin geltend gemacht, der angefochtene Beschluß verletze § 7 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags, weil er nur dem Namen nach ein „Darlehen”, in Wirklichkeit aber den Erwerb von Geschäftsanteilen gegen ein vorweg auszuzahlendes Entgelt zum Gegenstand habe und deshalb nur einstimmig hätte ergehen dürfen. Das Berufungsgericht verneint auch diesen Anfechtungstatbestand. Insoweit ist die Revision begründet.

1. Das Berufungsgericht geht davon aus, daß § 7 Abs. 1 der Satzung mit dem Erfordernis der einstimmigen Genehmigung auch den Erwerb von Geschäftsanteilen durch die Gesellschaft selbst erfaßt. Dem ist zuzustimmen. Satzungsvorschriften, die eine Abtretung von Geschäftsanteilen gemäß § 15 Abs. 5 GmbHG von der Genehmigung der Gesellschaft oder der Gesellschafter abhängig machen, haben zwar gerade bei einer Familiengesellschaft vor allem den Zweck, das Eindringen Fremder in die Gesellschaft zu verhindern. Darin braucht sich aber ihre Bedeutung nicht zu erschöpfen. Denn auch ein Anteilsübergang unter Gesellschaftern kann die Machtverhältnisse innerhalb der Gesellschaft wesentlich verschieben und deshalb die Interessen der nichtbeteiligten Gesellschafter so stark berühren, daß es schon aus diesem Grunde angebracht sein kann, das Genehmigungserfordernis in der Satzung auf ihn mitzuerstrecken. Das gilt zumal für eine Gesellschaft wie die Beklagte, an der zwei Familienstämme beteiligt sind. Knüpft die Satzung einer solchen Gesellschaft, wie hier in § 7, die Veräußerung von Geschäftsanteilen an die Genehmigung der Gesellschaft und der Gesellschafter und nimmt sie davon die Abtretung an einen Mitgesellschafter nicht allgemein, sondern nur für den Sonderfall der Erbteilung (§ 7 Abs. 2) ausdrücklich aus, so wird in Ermangelung gegenteiliger Anhaltspunkte davon auszugehen sein, daß eine solche allgemeine Ausnahme nicht gewollt ist.

Bei einem Erwerb von Geschäftsanteilen durch die Gesellschaft selbst, um den es hier geht, kann § 7 Abs. 1 der Satzung insoweit nicht praktisch werden, als im Vertragsabschluß zugleich die nach Satz 1 erforderliche Genehmigungserklärung der Gesellschaft liegt. Es bleibt aber die Notwendigkeit eines einstimmigen Gesellschafterbeschlusses nach Satz 2, in die nach dem Wortlaut – auch die Abtretung an die Gesellschaft ist eine „Veräußerung” –, vor allem aber nach dem Zweck der Vorschrift, alle Gesellschafter vor unerwünschten Änderungen in den Beteiligungsverhältnissen zu schützen, der Erwerb eigener Anteile mit einzubeziehen ist. Denn er verändert ebenfalls die Stimmanteile zumindest im Verhältnis der beteiligten Stämme zueinander, weil sich daß Ruhen des Stimmrechts für die von der Gesellschaft übernommenen Anteile relativ zu Lasten desjenigen Stammes auswirkt, dem diese Anteile vorher zuzurechnen waren. Dieser Rechtszustand verfestigt sich noch weiter, wenn die Gesellschafter, wie es die Satzung der Beklagten in § 24 Satz 3 und 4 zuläßt, mit satzungsändernder Mehrheit die Einziehung der Anteile beschließen. Wäre die Veräußerung von Anteilen an die Gesellschaft nicht nach § 7 Abs. 1 der Satzung an die einstimmige Genehmigung der Gesellschafterversammlung gebunden, so könnte eine Dreiviertel-Mehrheit auf diesem Umweg jederzeit mit Zustimmung des Berechtigten die Einziehung eines Geschäftsanteiles erreichen, die in der Satzung sonst nur für den Fall der Pfändung (§ 7 Abs. 3) vorgesehen ist. Dies könnte wiederum, wenn nicht zugleich das Stammkapital herabgesetzt wird, für den einzelnen Gesellschafter zu einer erhöhten Ausfallhaftung nach § 24 oder § 31 Abs. 3 GmbHG führen (vgl. Schmidt in Hachenburg, GmbHG 6. Aufl. § 34 Anm. 11, 20 a).

Es wäre hiernach ganz ungewöhnlich, wenn gerade eine Satzung wie die vorliegende, die rechtsgeschäftliche Verfügungen über einen Geschäftsanteil, von der Erbteilung abgesehen, in § 7 Abs. 1 sonst an besonders strenge Voraussetzungen knüpft und die Einziehung von Anteilen nur in den Fällen des § 7 Abs. 3 (Pfändung) und des § 24 Satz 3 und 4 (von der Gesellschaft gehaltene Anteile), im übrigen aber nicht einmal mit Zustimmung des Inhabers zuläßt, den Erwerb eigener Anteile allein dem Ermessen der Geschäftsführer überließe. Eine so unausgewogene Regelung müßte, wenn sie wirklich gewollt wäre, klar zum Ausdruck gekommen sein. Das ist nicht schon deswegen der Fall, weil § 24 Satz 1 der Satzung den Erwerb voll eingezahlter eigener Geschäftsanteile durch die Gesellschaft ausdrücklich erlaubt. Insoweit ist zwar lediglich die nach dem Gesetz (§ 33 Abs. 1 GmbHG) ohnehin bestehende Rechtslage wiedergegeben. Das trifft aber auch auf andere Satzungsbestimmungen zu (vgl. etwa § 11 oder § 25) und rechtfertigt für sich allein nicht den Schluß, die Vorschrift sei über den reinen Wortlaut hinaus als Ausnahme von § 7 Abs. 1 gedacht. Das gilt zumal mit Rücksicht darauf, daß sich an den einleitenden Satz 1 des § 24 weitere Bestimmungen anschließen, die teils im Schrifttum umstrittene Rechtsfragen klären (wie Satz 2), teils über das Gesetz hinausgehen, so daß die Regelung insgesamt eine durchaus eigenständige Bedeutung hat, auch wenn man sie nicht in Zusammenhang mit § 7 Abs. 1 sieht.

Dem läßt sich auch nicht entgegenhalten, der Erwerb eigener Anteile könne namentlich bei einer drohenden Pfändung dringend geboten sein, um den Übergang auf einen Fremden zu verhindern. Denn den Fall der Pfändung hat die Satzung der Beklagten in § 7 Abs. 3 ausdrücklich geregelt. Dabei kann es nicht darauf ankommen, ob unter den besonderen Umständen, die zu dem vorliegenden Rechtsstreit geführt haben, den Interessen der Gesellschaft mit der von der Mehrheit vorgesehenen Lösung vielleicht besser gedient wäre. Denn eine Satzung ist aus sich heraus und unter generellen Gesichtspunkten auszulegen.

2. Ist hiernach auch der Erwerb eigener Geschäftsanteile an die einstimmige Genehmigung der Gesellschafterversammlung gebunden, so kommt es darauf an, ob der angefochtene Mehrheitsbeschluß eine solche Genehmigung ausspricht oder in seiner tatsächlichen Wirkung vorwegnimmt.

Das Berufungsgericht meint, von einem schon beschlossenen Anteilserwerb mit einer als Darlehen getarnten Vorauszahlung könnte allenfalls dann die Rede sein, wenn ein Rückgewähranspruch der Gesellschaft von vornherein ausgeschlossen worden wäre. Das sei dem Beschluß aber nicht zu entnehmen, selbst wenn alle Beteiligten eine freiwillige Rückzahlung durch Dr. Alexander Wa. für ausgeschlossen gehalten hätten. Den Willen, einen klagbaren Rückzahlungsanspruch der Gesellschaft abzubedingen, hätten die Gesellschafter bei der Ermächtigung der Geschäftsführer zum Ausdruck bringen müssen. Das hätten sie aber gerade nicht getan. Sie hätten vielmehr die Geschäftsführer ganz eindeutig nur ermächtigt, ein Darlehen mit allen sich daraus ergebenden Folgen auszuzahlen. Dazu gehöre auch der in § 607 BGB bestimmte Rückzahlungsanspruch.

Diese Ausführungen sind rechtlich nicht haltbar.

a) Gesellschafterbeschlüsse unterliegen wie alle rechtsgeschäftlichen Erklärungen den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen. Zur Ermittlung ihres Inhalts sind daher neben dem Wortlaut vor allem der Zweck, etwaige Äußerungen der Beteiligten und sonstige bedeutsame Umstände hereinzuziehen. Hiergegen verstößt das Berufungsurteil, indem es sich allein auf den Wortlaut des Beschlusses stützt und diesen zu Unrecht für eindeutig hält.

Im Zusammenhang gelesen, läßt die Fassung des Beschlusses zu Nr. 5 durchaus mehrere Deutungen zu. So heißt es zwar, das Darlehen sei „seitens des Herrn Dr. Wa. jederzeit rückzahlbar”. Auf der anderen Seite ist aber für die Gesellschaft nur ein Kündigungsrecht und nicht ein Rückzahlungsanspruch ausdrücklich festgelegt. Im Anschluß daran werden verschiedene Tilgungsmöglichkeiten für den Fall aufgezählt, daß „die Rückzahlung durch Herrn Dr. Wa. nicht in bar erfolgt”. Das könnte sowohl als bloße Sicherung eines Rückzahlungsanspruchs als auch so zu verstehen sein, daß Dr. Wa. berechtigt sein soll, anstelle einer Rückzahlung des Darlehens in bar wertentsprechende Geschäftsanteile zur Verfügung zu stellen. Allein mit dem Hinweis auf das Wort „Darlehen” und die gesetzliche Bestimmung des § 607 BGB konnte das Berufungsgericht weder eine solche Deutung ausräumen noch dem Vortrag des Klägers gerecht werden, man habe nur der Form halber von einem „Darlehen” gesprochen, in Wahrheit aber eine Vorauszahlung für den Erwerb der Geschäftsanteile gemeint. Dabei ist auch übersehen, daß die Parteien eines Vertrages, mit dem der eine Teil dem anderen vorübergehend Geld zur Verfügung stellt, nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit eine andere Form der Rückgewähr als die Leistung von Sachen gleicher Art, Güte und Menge vereinbaren können.

b) Das Berufungsgericht geht zugunsten des Klägers davon aus, daß alle an dem Gesellschafterbeschluß Beteiligten vor allem mit Rücksicht auf die Höhe des Darlehens und die kurze Kündigungsfrist eine freiwillige Rückzahlung in Geld nicht in Betracht gezogen haben. Es unterstellt darüber hinaus den unter Beweis gestellten Vortrag des Klägers als richtig, Dr. Alexander Wa. habe in der Gesellschafterversammlung vom 17. Februar 1972 unter Hinweis auf die Höhe der ihn treffenden Nachlaßverbindlichkeiten und seine beschränkten finanziellen Möglichkeiten eine Rückzahlung des von der Gesellschaft zu gewährenden Kredits ausdrücklich ausgeschlossen, stattdessen die Hergabe seiner Beteiligung in entsprechender Höhe vorgeschlagen und verlangt, daß die Beklagte sich zu deren Übernahme verpflichte; dem hätten alle Anwesenden mit Ausnahme des Klägers zugestimmt. Bei diesem Sachverhalt läge die Folgerung nahe, alle Versammlungsteilnehmr einschließlich der ebenfalls anwesenden Geschäftsführer hätten den folgenden Beschluß so verstanden, daß der Rückgewähranspruch der Gesellschaft auf die unter Nr. 5 zu a und b angeführten drei Möglichkeiten habe beschränkt sein sollen. Dem hat das Berufungsgericht für die Auslegung des Beschlusses rechtsirrig keine Bedeutung beigemessen, weil es allein auf den vermeintlich eindeutigen Wortlaut abgestellt hat, obwohl der übereinstimmend geäußerte Wille der Beteiligten dem Wortlaut vorgeht.

3. Selbst wenn aber der Gesellschafterbeschluß so aufzufassen wäre, daß der Vertrag mit Dr. Alexander Wa. rechtlich weder einen Anspruch der Gesellschaft auf Rückzahlung des Darlehens in bar ausschließen noch Dr. Wa. die Befugnis geben soll, den Rückgewähranspruch anstatt in Geld durch Hergabe von Geschäftsanteilen zu erfüllen, könnte das tatsächliche Vorbringen des Klägers entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts erheblich sein. Unterstellt man nämlich als richtig, daß an eine Barrückzahlung wirtschaftlich nicht ernstlich zu denken war und auch nicht gedacht wurde und daß ferner die unter 5 a des Beschlusses genannte Aufrechnungmöglichkeit wegen der langen Rückzahlungsdauer praktisch ebenfalls von vornherein ausschied, so wäre die Gesellschaft nach einer Kündigung des ausgezahlten Darlehens tatsächlich allein auf eine rechtsgeschäftliche Übernahme von Geschäftsanteilen angewiesen, die nach der Satzung der einstimmigen Genehmigung der Gesellschafterversammlung bedarf. Denn die als weitere Möglichkeit aufgeführte Anteilseinziehung hängt von einer Satzungsänderung ab, die wegen der damit verbundenen Gefahr einer erhöhten Ausfallhaftung der verbleibenden Gesellschafter gemäß § 53 Abs. 3 GmbHG wiederum nur mit Zustimmung sämtlicher Gesellschafter beschlossen werden könnte (vgl. BGHZ 9, 157, 160 m.w.N.). Daraus kann sich folgendes ergeben:

a) In dem Beschluß könnte bereits eine im voraus erklärte Einwilligung zu dem in Aussicht genommenen Anteilserwerb durch die Beklagte wie auch zu einer etwaigen Rückabtretung gemäß Nr. 5 c des Beschlusses liegen. Denn wenn der Beklagten im Falle der Kündigung des ausgezahlten Darlehens mindestens aus wirtschaftlichen Gründen ohnehin nichts anderes übrig bliebe, als die Geschäftsanteile des Darlehensnehmers zu verwerten, und wenn sie ferner auf Verlangen zur Rückabtretung der verwerteten Anteile zu ebenfalls bereits festgelegten Bedingungen vertraglich verpflichtet sein soll, hätte es möglicherweise wenig Sinn, hierüber noch einmal die Gesellschafter förmlich Beschluß fassen zu lassen.

b) Läßt sich eine förmliche Zustimmung der Gesellschafter zu einer späteren Anteilsveräußerung dem Beschluß nicht entnehmen, so könnte die Ermächtigung der Geschäftsführer zur Darlehensgewährung unter den festgelegten Bedingungen für den Fall, daß die Beklagte sich zur Kündigung des Darlehens genötigt sieht, dazu führen, daß die Gesellschafter jedenfalls tatsächlich gezwungen wären, einem Anteilsübergang auf die Beklagte zuzustimmen, weil sie sich sonst dem Vorwurf einer Schädigung der Gesellschaft und damit einer Verletzung der gesellschaftlichen Treuepflicht aussetzen würden. Das verkennt auch das Berufungsgericht nicht. Es meint aber, mit Rücksicht auf die theoretische Möglichkeit eines eigenverantwortlichen Handelns der Geschäftsführer dem vorliegenden Ermächtigungsbeschluß nicht dieselbe Bedeutung beimessen zu können wie einem Beschluß, der erst durch ein Handeln der Geschäftsführer aufgrund der Ermächtigung im Einzelfall erforderlich werden könne. Dem kann nicht gefolgt werden. Hätten die Geschäftsführer einen Darlehensvertrag von solcher Bedeutung eigenmächtig abgeschlossen und dadurch die den Gesellschaftern vorbehaltene Entscheidung über den Erwerb eigener Anteile praktisch im voraus festgelegt, so hätten sie pflichtwidrig gehandelt (vgl. § 49 Abs. 2 GmbHG). Die theoretische Möglichkeit eines solchen Verhaltens entkräftet nicht das Bedenken, daß der Gesellschafterbeschluß vom 17. Februar 1972 so, wie er vorliegt, wegen der Zwangslage, in die durch ihn die Gesellschafter geraten können, einen Genehmigungsbeschluß gemäß § 7 Abs. 1 der Satzung tatsächlich vorwegnimmt. Dieses Bedenken würde sich noch verstärken, wenn die Übernahme der Anteile durch die Gesellschaft, wie der Kläger geltend gemacht hat, von vornherein in Aussicht genommen und nur deshalb nicht sogleich unmittelbar vereinbart worden wäre, weil die genaue Höhe der auf Dr. Wa. entfallenden Nachlaßverbindlichkeiten noch unbekannt war und auch die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft noch ausstand.

c) Damit liefe der Beschluß in der Tat auf eine Umgehung des in § 7 Abs. 1 der Satzung aufgestellten Erfordernisses der einstimmigen Genehmigung hinaus, die ihn in gleicher Weise anfechtbar machen würde, wie wenn die Gesellschafter die Genehmigung gegen die Stimme des Klägers unmittelbar beschlossen hätten. Dem steht nicht die Erwägung des Berufungsgerichts entgegen, eine Ausnahmeregelung wie das Erfordernis erhöhter Stimmenmehrheit sei einer erweiternden Auslegung und Anwendung grundsätzlich nicht fähig. Selbst wenn ein solcher allgemeiner Grundsatz bestünde, käme er jedenfalls dann nicht zum Zuge, wenn es sich, wie hier, nicht um eine Ausdehnung der Vorschrift auf einen anderen als den ausdrücklich normierten Tatbestand, sondern darum handelt, dessen Umgehung im Interesse der durch die Vorschrift geschützten Gesellschafter im Einzelfall ebenso zu bewerten wie eine unmittelbare Verletzung.

IV. Die Entscheidung hängt demnach von einer erneuten tatrichterlichen Würdigung des Sachverhalts im Hinblick darauf ab, ob der angefochtene Beschluß aus den vom Kläger behaupteten Gründen die Zustimmung der Gesellschafter zu einer Anteilsveräußerung mindestens tatsächlich vorweggenommen hat. Die Sache ist daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

 

Unterschriften

Stimpel, Fleck, Dr. Bauer, Bundschuh, Dr. Skibbe

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1778291

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