Leitsatz (amtlich)
Bringt ein vermeintlicher Erbe einen Erbschaftsgegenstand als seine Einlage in eine Kommanditgesellschaft ein, in der er Kommanditist wird, so ist seine Kommanditistenstellung nicht ein Surrogat des Erbschaftsgegenstandes im Sinne von § 2019 Abs. 1 BGB.
Verfahrensgang
OLG Karlsruhe (Entscheidung vom 05.03.1975) |
LG Mannheim |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten werden unter Zurückweisung der weitergehenden Revision das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 5. März 1975 zu I 1 b und c des Urteilsspruchs aufgehoben und die Klage auch insoweit abgewiesen.
Unter Aufhebung der Kostenentscheidung zu III des Urteilsspruchs werden die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger zu 2/3 und der Beklagten zu 1/3 auferlegt.
Tatbestand
Die Mutter des Klägers und die Beklagte sind Töchter der verstorbenen Eheleute Joseph Wilhelm A. und Ida Erna A. Ida A. hat durch Testament vom 26. September 1945 den Kläger zu ihrem Alleinerben eingesetzt. Der Kläger, der zu dieser Zeit noch nicht ganz zwei Jahre alt war (er ist am 15. Dezember 1943 geboren), erfuhr von diesem Testament im Jahre 1971. Das Testament wurde am 22. März 1971 eröffnet und der Kläger durch Erbschein vom 23. April 1971 als Alleinerbe seiner Großmutter Ida Erna A. ausgewiesen.
Joseph und Ida A. hatten durch Ehe- und Erbvertrag die Errungenschaftsgemeinschaft als ihren ehelichen Güterstand vereinbart. Im Jahre 1935 gründeten sie die " E. M. B.". Sie wurde von dem Ehemann Joseph A. geführt. Im Jahre 1941 wurde die Fabrik auf ein anderes Grundstück in M. verlegt, das Joseph A. von seinem Vater geerbt hatte, und im Erdgeschoß des Hauses eingerichtet. Mit Ausnahme des Erdgeschosses wurde das Haus im Jahre 1944 durch Kriegseinwirkungen beschädigt; doch wurde der Schaden noch im gleichen Jahre beseitigt.
Ida Ams verstarb am 26. September 1945, Joseph A. am 15. Dezember 1957. Ihre beiden Töchter, die Mutter des Klägers und die Beklagte, schlossen am 7. Februar 1958 einen schriftlichen Gesellschaftsvertrag, mit dem sie die Weiterführung der Fabrik in der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft vereinbarten. Die Firma erhielt den Namen "Joseph A., E. M. B., Mannheim". Die Fabrik wurde in den bisherigen Geschäftsräumen weiterbetrieben. Die Mutter des Klägers wurde Komplementärin und Geschäftsführerin der Gesellschaft, die Beklagte Kommanditistin. Die Gesellschaftereinlagen wurden auf 45.000 DM festgelegt, wovon die beiden Gesellschafterinnen je 22.500 DM leisteten, und zwar durch Einbringung des Betriebsvermögens der Brezelfabrik (§ 4 des Gesellschaftsvertrages). Am Gewinn und Verlust sollten die Gesellschafterinnen zu je 50 % beteiligt werden. Bis zum Jahre 1971 entnahm die Beklagte der Gesellschaft Gewinne in Höhe von insgesamt 180.358,61 DM.
Der Kläger hat als Erbe seiner Großmutter mütterlicherseits mit der Klage von der Beklagten die Herausgabe von Erbschaftsgegenständen verlangt, die zum Vorbehaltsgut seiner Großmutter gehörten, nämlich Eßzimmer, Speise- und Kaffeeservice, Silberbesteck und Schmuck. Ferner hat er die Herausgabe der Hälfte der Kommanditbeteiligung der Beklagten an der Firma "E. M. B. Joseph A." verlangt sowie die Hälfte des von ihr der Gesellschaft entnommenen Gewinns. Schließlich hat er mit der Behauptung, daß die Instandsetzung und der Ausbau des Hauses, das der Vater geerbt hatte, mit Mitteln des Gesamtguts der Eltern bestritten worden sei, verlangt, daß die Beklagte die Hälfte des sich daraus ergebenden Ausgleichsanspruchs, die er mit 25.750 DM beziffert hat, zu erstatten habe.
Die Beklagte hat zunächst Testierunfähigkeit der Erblasserin geltend gemacht. Hilfsweise hat sie bestritten, daß der Ausbau des Hauses mit Mitteln des Gesamtguts geleistet worden sei. Die Herausgabe der Kommanditbeteiligung hat sie wegen Unübertragbarkeit des Gesellschaftsanteils für unzulässig gehalten. Im übrigen hat sie mit ihrem Pflichtteilsanspruch nach der Mutter und dem vom Vater ererbten Pflichtteilsanspruch aufgerechnet.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat festgestellt, daß der Kläger Alleinerbe seiner Großmutter geworden ist (I.2. des Urteilsspruchs). Es hat weiter unter Abweisung der Klage auf Herausgabe des Hausrats und eines Schmuckstücks die Beklagte verurteilt, an den Kläger zwei Schmuckstücke herauszugeben (I. 1. a), ferner die Hälfte ihrer Beteiligung als Kommanditistin samt der Hälfte ihrer Kapitaleinlage mit 11.250 DM und ihrer Guthaben bei dieser Gesellschaft aus Darlehen oder Gewinnen (I. 1. b) sowie die Hälfte der aus ihrer Kommanditbeteiligung gezogenen Gewinne, nämlich 62.054,30 DM nebst Zinsen (I. 1. c), und an den Kläger 24.250 DM nebst Zinsen zu zahlen (I. 1. d).
Mit der Revision begehrt die Beklagte, das Urteil des Berufungsgerichts zu I. 1. b), c) und d) zu ändern und die Klage insoweit abzuweisen.
Entscheidungsgründe
1.
Die Revision hat Erfolg, soweit sie sich gegen die Verurteilung der Beklagten zur Herausgabe der Hälfte ihrer Kommanditbeteiligung an der Firma "E. M. B. Joseph A." nebst der Hälfte ihrer Kapitaleinlage und der entnommenen Gewinne richtet. Allerdings kann der Revision nicht gefolgt werden, soweit sie vorbringt, die Brezelfabrik sei nicht in das Gesamtgut der Errungenschaftsgemeinschaft gefallen, die als Güterstand der Großeltern des Klägers bestanden habe. Der Anteil der Großmutter Ida Ams am Gesamtgut habe deshalb nicht die Brezelfabrik erfaßt. Mit dieser Rüge setzt sich die Revision mit den Feststellungen der Vorinstanzen in Widerspruch sowie mit dem eigenen Vorbringen der Beklagten. Die Beklagte hat mehrfach ausdrücklich zugestanden, daß die Brezelfabrik zum Gesamtgut gehört habe (vgl. ihre Schriftsätze vom 5. November 1973 S. 3 zu III Bl. 91, vom 27. März 1974 S. 11 zu IV 2 Bl. II 51 und vom 27. Mai 1974 S. 2 Bl. II 129 der Akten). Der in der mündlichen Verhandlung gebrachte Sachvortrag der Beklagten, es habe sich bei der Brezelfabrik um ein von dem Vater der Beklagten ererbtes Geschäft des Großvaters der Beklagten gehandelt und nicht um ein von dem Vater gegründetes Geschäft, enthält neues tatsächliches Vorbringen, das im Revisionsrechtszug nicht berücksichtigt werden kann.
Die Revision kann auch nicht mit der Behauptung gehört werden, das Geschäft sei im Januar des Jahres 1945 aufgrund der damaligen Kriegsereignisse stillgelegt und vor dem Tode der Mutter der Beklagten (September 1945) nicht wieder eröffnet worden. Als der Vater nach dem Ableben seiner Frau das Geschäft wieder begonnen habe, habe er sein Geschäft und nicht ein zum Gesamtgut gehörendes Geschäft weitergeführt. Die Stillegung des Betriebes ist eine neu behauptete Tatsache, die im Revisionsverfahren nicht berücksichtigt werden kann. Im übrigen würde eine vorübergehende kriegsbedingte Stillegung des Geschäftsbetriebes noch nicht die Auflösung des Unternehmens bedeuten und nicht der Annahme entgegenstehen, daß mit der Aufnahme des Geschäftsbetriebs das frühere, zum Gesamtgut gehörende Unternehmen fortgeführt worden ist. Auch die Präambel des Gesellschaftsvertrages, in der es heißt, Alleininhaber der Brezelfabrik sei der am 15. Dezember 1957 verstorbene Joseph A. gewesen, steht nicht entgegen. Diese Bemerkung kann besagen, daß Joseph A. die Brezelfabrik allein geführt habe, was als richtig unterstellt werden kann. Sollte sie besagen, daß die Fabrik in seinem Alleineigentum gestanden habe, dann handelt es sich um eine irrtümliche Rechtsansicht. Gehörte nämlich die Brezelfabrik zum Gesamtgut der Eheleute Joseph und Ida A., dann gehörte nach dem Tode der Ehefrau deren Anteil am Gesamtgut zu ihrem Nachlaß. Es galten die Vorschriften der §§ 1519 ff BGB a.F. weiter (Art. 8 Abschn. I Nr. 7 GleichberG). Nach diesen trat im Falle der Beendigung der Errungenschaftsgemeinschaft, die hier mit dem Tode der Ehefrau stattfand, keine fortgesetzte Gütergemeinschaft ein (die für die Gütergemeinschaft geltende Vorschrift des § 1483 BGB a.F. war auf die Errungenschaftsgemeinschaft nicht anwendbar, §§ 1519 Abs. 2, 1546 BGB a.F.). Bis zur Beendigung der Auseinandersetzung bestand weiterhin eine Gemeinschaft zur gesamten Hand, und zwar zwischen Joseph A. und dem Kläger als dem Erben von Ida A. Die Brezelfabrik gehörte also nicht dem Vater Joseph A. allein. Nach dem Tode des Vaters stand die Fabrik als Gegenstand des Gesamtguts bis zur Auseinandersetzung der Beklagten und der Mutter der Klägerin als Erben ihres Vaters mit einer Beteiligung von je 1/4 und dem Kläger als Erben seiner Großmutter mit einer Beteiligung von 1/2 als Gemeinschaft zur gesamten Hand zu.
Die Revision ist jedoch begründet, soweit sie sich dagegen wendet, daß das Berufungsgericht die Surrogationsvorschrift des § 2019 Abs. 1 BGB angewendet hat. Das Berufungsgericht hat hierzu ausgeführt, bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise hätten die Beklagte und die Mutter des Klägers ihre Anteile an der Kommanditgesellschaft mit Mitteln der Erbschaft erworben. Sie hätten sich im Gesellschaftsvertrag verpflichtet, das vermeintlich von ihnen allein geerbte Geschäft in die Kommanditgesellschaft einzubringen. Die Anteile an der Kommanditgesellschaft hätten an die Stelle der bisherigen Miterbengemeinschaft an dem Geschäft treten sollen.
Der Senat verkennt nicht, daß der vom Kläger gewählte und vom Berufungsgericht gebilligte Weg, mit Hilfe des Rechtsgrundsatzes der Surrogation die Beteiligung des Klägers am Gesamtgut, zu dem die Brezelfabrik gehörte, in eine Beteiligung des Klägers an der mit Mitteln des Gesamt gut Vermögens gegründeten Kommanditgesellschaft umzuwandeln, als wirtschaftlich vernünftig erscheinen mag. Er vermeidet eine Zerschlagung des Unternehmens der Brezelfabrik, wie sie bei dem Verlangen auf Herausgabe des Unternehmens an die Gesamtgutgerneinschaft zum Zwecke der Auseinandersetzung über das Gesamtgut eintreten könnte, und ist daher dazu angetan, das Unternehmen als Einheit in der Familie zu erhalten. Doch läßt sich dieser Weg einer Beteiligung des Klägers an der Kommanditgesellschaft ebenso wie eine Abfindung des Klägers nur durch Vereinbarung aller Beteiligten erreichen. Es ist rechtlich nicht möglich, den Eintritt des Klägers in die Kommanditgesellschaft als Surrogationsfolge anzusehen und ihm einen Anspruch auf Herausgabe des Kommanditanteils zuzubilligen.
Die Surrogationsvorschrift des § 2019 Abs. 1 BGB ist nicht anwendbar. Die Beklagte hat ihre Stellung als Gesellschafterin (Kommanditistin) durch den mit ihrer Schwester am 7. Februar 1958 geschlossenen Gesellschaftsvertrag erworben, nicht durch Einbringung des Geschäftsunternehmens der Brezelfabrik in die Kommanditgesellschaft. Ihre gesellschaftsrechtliche Stellung mit den sich daraus nach Gesetz und Gesellschaftsvertrag ergebenden Rechten und Pflichten war nicht rechtsgeschäftlicher Erwerb oder Gegenleistung für die Einbringung des Unternehmens der Brezelfabrik als Kapitaleinlage. Die Leistung der Kapitaleinlage bewirkte lediglich den Wegfall der persönlichen Haftung der Beklagten als Kommanditistin (§ 171 Abs. 1 HGB). Ein Austauschgeschäft, wie es zum Vorgang der Surrogation gehört, hat nicht stattgefunden. Überdies ist die Gesellschafterstellung, auch die eines Kommanditisten, grundsätzlich nicht übertragbar. Erwerbsgegenstand einer Surrogation kann aber nicht ein nicht übertragbares Recht oder eine nicht übertragbare Rechtsstellung sein. Nach alledem kann der Kläger sein Herausgabeverlangen nicht auf die Vorschrift des § 2019 Abs. 1 BGB stützen.
Da eine andere Rechtsgrundlage für das Verlangen auf Herausgabe der Hälfte der Kommanditbeteiligung nebst den aus ihr gezogenen Nutzungen (Gewinne) nicht ersichtlich ist, mußte die Klage insoweit (Urteilsausspruch des Berufungsurteils zu I. 1. b) und c) abgewiesen werden. Im übrigen ist zu bemerken, daß die Herausgabe einer Kommanditbeteiligung, also einer Gesellschafterstellung, nur verlangt werden könnte, wenn sie im Gesellschaftsvertrag zugelassen ist oder wenn alle Gesellschafter zustimmen (BGHZ 13, 179, 182; Wiedemann, Die Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten bei Handelsgesellschaften, 1965, 58 ff). Der Gesellschaftsvertrag vom 7. Februar 1958 enthält keine Klausel über die Übertragung von Gesellschaftsanteilen, und eine Zustimmung der Gesellschafter liegt nicht vor. Zwar hat die Mutter des Klägers in der im Berufungsrechtszug überreichten Erklärung vom 30. November 1974 (Bl. II 239 d.A.) der Übertragung der Hälfte des Kommanditanteils der Beklagten auf den Kläger zugestimmt. Jedoch fehlt die Zustimmung der den Klageanspruch gerade bekämpfenden Beklagten, die auch nach dem Klageverlangen noch zur Hälfte ihrer Kommanditbeteiligung Gesellschafterin bleiben soll, also, selbst wenn die Vorschrift des § 2019 Abs. 1 BGB anwendbar wäre, ihre Zustimmung zur Abtretung geben müßte.
2.
Die Revision kann dagegen keinen Erfolg haben, soweit sie sich gegen die Verurteilung zur Zahlung von 24.250 DM nebst Zinsen wendet (Urteilsspruch des Berufungsurteils zu I.1. d). Es kann dahinstehen, ob die Aufrechnung, die die Beklagte erklärt hat (vgl. Schriftsatz der Beklagten vom 27. März 1974 S. 17, Bl. II 63 d.A.), sich auch gegen diesen Urteilsausspruch (Ausgleichsanspruch) richten sollte. Insoweit wäre, wenn es darauf angekommen wäre, eine Klarstellung nach § 139 ZPO in Betracht gekommen. Doch stand der ererbte Pflichtteilsanspruch des Vaters, mit dem die Beklagte aufrechnen will, nicht der Beklagten allein, sondern der aus ihr und ihrer Schwester bestehenden Erbengemeinschaft zu. Vor Auseinandersetzung dieser Erbengemeinschaft kann der Anspruch, worauf die Revisionserwiderung zutreffend hinweist, nicht von der Beklagten allein geltend gemacht werden. Dem Berufungsgericht ist deshalb im Ergebnis darin zu folgen, daß die Aufrechnung nicht durchgreift.
Fundstellen
Haufe-Index 3018721 |
DB 1977, 490 (Volltext mit amtl. LS) |
NJW 1977, 433 |
NJW 1977, 433 (Volltext mit amtl. LS) |
MDR 1977, 478-479 (Volltext mit amtl. LS) |
GmbHR 1977, 84 (Volltext mit amtl. LS) |