Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufspflichtverletzung
Leitsatz (redaktionell)
Es ist keine anpreisende und berufswidrige Werbung, wenn ein Steuerberater und Rechtsanwalt in Zeitungsanzeigen für eine Vortragsveranstaltung in seinen Kanzleiräumen unter dem Thema Steuerbrennpunkte wirbt. Daß die Durchführung des Informationsabends von der Hoffnung getragen wurde, auf diese Weise die Sozietät des Berufsangehörigen und die Niederlassungsräume Dritten bekanntzumachen und dadurch zu einem späteren Zeitpunkt von diesen auch bei Einzelmandatierungen berücksichtigt zu werden, steht dem nicht entgegen
Normenkette
StBerG § 57 Abs. 1, 3 Nr. 5, Abs. 4 Nr. 1, § 57a
Verfahrensgang
OLG Celle (Urteil vom 17.04.1997; Aktenzeichen 1 StO 1/97) |
Tenor
Auf die Revision des Steuerberaters wird das Urteil des Senats für Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtensachen bei dem Oberlandesgericht Celle vom 17. April 1997 mit den Feststellungen aufgehoben.
Der Steuerberater wird freigesprochen.
Die Steuerberaterkammer trägt die Kosten des Verfahrens und die dadurch dem Steuerberater entstandenen notwendigen Auslagen.
– Von Rechts wegen –
Tatbestand
I.
Der Berufsangehörige ist Rechtsanwalt und Steuerberater. Er betreibt gemeinsam mit seiner Mutter eine Rechtsanwalts- und Steuerberaterpraxis in D. In seinen Büroräumen führte der Berufsangehörige am 1. Februar 1995 eine Informationsveranstaltung durch, bei der er über verschiedene steuerrechtliche Themenkreise allgemein referierte und Fragen der Zuhörer beantwortete. Zur Ankündigung dieser Veranstaltung ließ er am 25. Januar 1995 in zwei regionalen Tageszeitungen zwei Anzeigen gleichen Inhalts (9,5 × 11,5 cm) schalten, in denen unter der Überschrift „Steuerbrennpunkte 1995” auf den Steuerinformationsabend und seine inhaltliche Ausgestaltung sowie den Veranstaltungsort – die Anschrift der Sozietät – hingewiesen wurde. Der Veranstaltungsbeginn war nicht mitgeteilt; ferner wurde „wegen der begrenzten Teilnehmerzahl … um schriftliche Anmeldungen gebeten.”
Die Kammer für Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtensachen des Landgerichts Hannover hat diese Anzeigen für eine unerlaubte Werbung nach §§ 57, 57a Steuerberatungsgesetz (StBerG) erachtet; sie hat dem Berufsangehörigen deshalb einen Verweis erteilt. Seine hiergegen gerichtete Berufung zum Oberlandesgericht Celle blieb ohne Erfolg. Der Senat für Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtensachen hat jedoch die Revision gemäß § 129 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 StBerG zugelassen, weil es bei der Beurteilung von Werbung für Informationsveranstaltungen in den Räumen der beruflichen Niederlassung eines Steuerberaters um Fragen von grundsätzlicher Bedeutung gehe.
Entscheidungsgründe
II.
Der Berufsangehörige wendet sich mit der Sachrüge gegen seine Verurteilung. Die vom Oberlandesgericht vorgenommene Wertung verkenne die inhaltlichen Grenzen, die durch § 57a StBerG weiter als bisher nach den überlieferten Grundsätzen gezogen worden seien; dies sei vom Gesetzgeber entgegen der früheren restriktiven Auslegung zu § 57 Abs. 1 StBerG auch gewollt gewesen. Zumindest sei ihm angesichts dieser neuen Rechtslage ein Verschulden nicht vorzuwerfen.
III.
Die Revision des Berufsangehörigen ist zulässig (§ 129 Abs. 1 Nr. 3 StBerG) und begründet. Die Erwägungen des Berufungsgerichts, mit denen es eine unerlaubte Werbung des Berufsangehörigen nach §§ 57, 57a StBerG bejaht hat, halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. Nach § 57 Abs.1 StBerG haben die Berufsangehörigen ihren Beruf unter Verzicht auf berufswidrige Werbung auszuüben. Diese Blankettnorm wird ausgefüllt durch die Regelung des § 57a StBerG, der zur verfassungsgemäßen Konkretisierung durch das Sechste Gesetz zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes (StBerÄG) vom 24. Juni 1994 (BGBl. I, S.1387) eingefügt worden ist. Danach ist Werbung nur erlaubt, soweit sie über die berufliche Tätigkeit in Form und Inhalt sachlich unterrichtet und nicht auf die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall gerichtet ist.
Wie sich aus der Begründung der Bundesregierung zum 6. StBerÄG ergibt, war es das Ziel der Novellierung, die Werbebefugnis der freien rechts-, wirtschafts- und steuerberatenden Berufe maßvoll zu erweitern, ohne dabei das Bild der klassischen freien Berufsausübung in der Öffentlichkeit zu beeinträchtigen (BT-Drucks. 12/6753 S. 17). Danach sollte auch das unaufgeforderte Anbieten der eigenen Dienste oder der Dienste Dritter zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen erlaubt werden, soweit die Angaben berufsbezogen, sachlich richtig, objektiv nachprüfbar und nicht irreführend sind. Ein reklamehaftes Anpreisen oder Verwendung von Werbemethoden, wie sie in der gewerblichen Wirtschaft üblich sind, sollten ebenso ausgeschlossen bleiben, wie die auf die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall gerichtete Mandatierungswerbung. Eine Erweiterung der beruflichen Werbung für die genannten Berufsgruppen war demnach im Hinblick auf Artikel 12 GG und die dazu ergangene Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum anwaltlichen Werbeverbot verfassungsrechtlich geboten und – im Hinblick auf die Wettbewerbsfähigkeit im nationalen und internationalen Bereich – politisch gewollt. Die Ausgestaltung der Grenzen im Einzelnen sollte den Standesrechtsregelungen überlassen bleiben.
Die vom Gesetzgeber vorgegebenen Grundsätze sind inzwischen in Abschnitt 4 – zulässige und berufswidrige Werbung – §§ 10 ff., der Berufsordnung der Bundessteuerberaterkammer vom 2. Juli 1997 (BOStB) übernommen worden, ohne daß eine kasuistische Regelung getroffen worden ist. Es bedarf demnach stets einer Abwägung im Einzelfall, die an den vom Gesetz vorgegebenen Maßstäben auszurichten ist.
2. Auf dieser Grundlage ergibt sich, daß die vom Beschwerdeführer veröffentlichten Anzeigen nach Form, Gestaltung, Inhalt und Zielsetzung nicht die vom Gesetz gezogenen Grenzen für eine berufswidrige Werbung überschreiten.
a) Die vom Berufsangehörigen veröffentlichten Anzeigen waren objektiv wie auch ihrer Intention nach Maßnahmen mit Werbecharakter, die darauf abzielten, auf den Steuerberater und seine Kenntnisse aufmerksam zu machen und den interessierten Leser anzuregen, an der angebotenen Informationsveranstaltung in den Praxisräumen teilzunehmen. Die dabei gewählte Form der Werbung enthält zahlreiche Elemente, die jeweils für sich betrachtet unbedenkliche Werbemethoden nach § 57a StBerG darstellen.
aa) Zutreffend ist das Oberlandesgericht davon ausgegangen, daß die in der Anzeige angekündigte Informationsveranstaltung unter dem Begriff der freien Vortragstätigkeit nach § 57 Abs. 3 Nr. 5 StBerG fällt, die ausdrücklich zu den mit dem Beruf vereinbaren Tätigkeiten eines Steuerberaters gezählt wird. Die demnach zulässige Vortrags- und Lehrtätigkeit hat bereits an sich eine gewisse Werbewirksamkeit, die jedoch – von Gesetzes wegen – hingenommen wird, zumal eine entsprechende Betätigung als berufsüblich angesehen wird (Gehre, Steuerberatungsgesetz, 3. Aufl., § 57 Rdn. 23). Weder dem Wortlaut noch dem Sinn und Zweck des Gesetzes ist zu entnehmen, daß derartige Veranstaltungen nicht in den Räumen der beruflichen Niederlassung des Vortragenden durchgeführt werden dürfen. Beschränkungen für derartige Tätigkeiten folgen lediglich aus dem Verbot gewerblicher Betätigung (§ 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG), wie sie etwa in regelmäßiger entgeltlicher Lehr- oder Vortragstätigkeit oder Schulungsveranstaltungen gesehen werden könnten (vgl. Gehre aaO § 57 Rdn. 108; Kuhls/Maxl Steuerberatungsgesetz, § 57 Rdn. 397, 408). Die gelegentliche Durchführung von Informationsveranstaltungen für einen begrenzten Zuhöhrerkreis fällt darunter nicht.
bb) Die Ankündigung derartiger Vortrags- und Lehrtätigkeit darf unter Nennung des Namens und der Berufsbezeichnung des Vortragenden erfolgen (vgl. § 40 Abs. 2 BOStB). Da den Berufsangehörigen auch im übrigen gestattet ist, in Anzeigen allgemein über ihre Tätigkeit zu unterrichten (vgl. § 11 Abs.1 BOStB), ohne daß es eines bestimmten Anlasses für die Werbeaktion bedarf (vgl. OLG Nürnberg DStR 1995, 1566; OLG Dresden DStR 1995, 1567, jeweils mit Anmerkung Mittelsteiner; Kuhls/Maxl aaO § 57a Rdn. 15), bestehen auch keine Bedenken, die Ankündigung einer Vortragsveranstaltung im Rahmen einer Anzeige in der Tagespresse zuzulassen. Derartige Anzeigen müssen sich allerdings an den Vorgaben messen lassen, die das Gesetz auch im übrigen für werbewirksame Maßnahmen eines Berufsangehörigen vorsieht, das heißt sie müssen nach Inhalt und Form sachlich und nicht auf die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall gerichtet sein (§ 57a StBerG; vgl. auch § 40 Abs. 2 BOStB). Diese Grundsätze hat das Oberlandesgericht nicht verkannt.
b) Bei der Beurteilung des Einzelfalls hat der Tatrichter allerdings im Rahmen der vorgenommenen Gesamtwürdigung einen zu strengen Maßstab angelegt. Weder von der Größe, noch von der äußeren Gestaltung her ist bei den vom Beschwerdeführer veröffentlichten Anzeigen ein Widerspruch zu dem Gebot der Sachlichkeit zu sehen.
aa) Trotz einer gewissen Auffälligkeit der Anzeigen, die auf den zur Verfügung stehenden Anzeigenseiten der Presseorgane die Aufmerksamkeit auch eines flüchtigen Lesers hervorrufen können, sind diese weder reißerisch noch reklamehaft im Sinne gewerblicher Werbung.
Auf Inhalt und Aufmachung der weiteren dort plazierten Anzeigen kann es jedenfalls dann nicht ankommen, wenn der Berufsangehörige – wovon hier auszugehen ist – darauf keinen Einfluß hat. Da Werbung der Berufsangehörigen in dem aufgezeigten Umfang auch mittels Anzeigen grundsätzlich zugelassen worden ist, muß in Kauf genommen werden, daß die Anzeigen im Kontext mit gewerblicher Werbung veröffentlicht werden. Denn dem Berufsangehörigen stehen in der Regel nur die üblichen Werbeträger zur Verfügung, will er die Öffentlichkeit erreichen; diese Werbeträger aber werden auch von Dritten für ihre werblichen Maßnahmen genutzt. Es kann demnach nur auf die Beurteilung der einzelnen veröffentlichten Anzeige des Berufsangehörigen im Rahmen der Gesamtabwägung abgestellt werden.
bb) Inhaltlich ist die Ankündigung der Vortragsveranstaltung mit der Aufzählung der anzusprechenden Themenkreise sachlich und fachlich vertretbar. Weder werden dadurch besondere Fähigkeiten des Vortragenden angepriesen, noch läßt die Auswahl der abgedeckten Themen notwendigerweise auf einen überragenden Fachmann des Steuerrechts schließen. Die aufgeführten Fragenkomplexe sind vergleichbar den Tätigkeitsschwerpunkten, die von dem Berufsangehörigen auf der Grundlage der neu gefaßten Regelung des § 57a StBerG nunmehr als Teilgebiete ihrer beruflichen Tätigkeit öffentlich bekanntgegeben werden dürfen (vgl. auch § 19 BOStB) und denen eine entsprechende Werbewirksamkeit ebenfalls nicht abgesprochen werden kann.
cc) Die Anzeigen waren auch nicht unmittelbar auf die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall gerichtet. Vielmehr wendet sich das Angebot eines Informationsabends über zahlreiche steuerliche Themen zunächst allgemein an einen unbeschränkten Kreis von interessierten Lesern. Die aus den organisatorischen Notwendigkeiten sich ergebende Beschränkung der Teilnehmerzahl veränderte den Charakter der Werbemaßnahme nicht. Daß die Durchführung des Informationsabends von der Hoffnung getragen wurde, auf diese Weise die Sozietät des Berufsangehörigen und die Niederlassungsräume Dritten bekanntzumachen und dadurch zu einem späteren Zeitpunkt von diesen auch bei Einzelmandatierungen berücksichtigt zu werden, steht dem nicht entgegen. Denn eine solche Absicht ist jeder Werbemaßnahme mittelbar zu eigen, sie ist die eigentliche Triebfeder für Werbung überhaupt. Auch der Veröffentlichung von Tätigkeitsschwerpunkten und der Mitteilung von freien Praxiskapazitäten, die für unbedenklich erachtet werden, ist die Intention zu eigen, interessierte Leser als Mandanten zu gewinnen.
Da demnach im Blick auf die gewollte maßvolle Erweiterung der standesrechtlichen Werbemöglichkeiten keine berufswidrige Werbung vorliegt, ist der Beschwerdeführer freizusprechen.
Unterschriften
Laufhütte, Harms, Nack, Lingelbach, Färber
Fundstellen
DB 1998, 620 |
DStRE 1998, 154 |
NJW 1998, 1965 |
Anwaltsreport 1998, 10 |
WPK-Mitt. 1998, 164 |