Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterhaltsanspruch der nicht verheirateten Mutter
Leitsatz (amtlich)
a) Das Maß des einer nicht verheirateten Mutter nach § 1615l Abs. 2 BGB zu gewährenden Unterhalts bestimmt sich nach ihrer Lebensstellung (§§ 1615l Abs. 3 S. 1, 1610 Abs. 1 BGB). Diese richtet sich grundsätzlich nach dem Einkommen, das die Mutter ohne die Geburt ihres Kindes zur Verfügung hätte. Dabei wird jedoch die Lebensstellung der Mutter und damit ihr Unterhaltsbedarf durch den Halbteilungsgrundsatz begrenzt.
b) Ob und in welchem Umfang die nach § 1615l Abs. 2 BGB unterhaltsberechtigte Mutter sich ein überobligationsmäßig erzieltes Einkommen auf ihren Unterhaltsbedarf anrechnen lassen muss, ergibt sich aus einer analogen Anwendung des § 1577 Abs. 2 BGB. Danach verbietet sich eine pauschale Beurteilung; die Anrechnung ist vielmehr von den besonderen Umständen des Einzelfalles abhängig (Fortführung des BGH, Urt. v. 29.11.2000 - XII ZR 212/98, BGHReport 2001, 76 = MDR 2001, 510 = FamRZ 2001, 350).
Normenkette
BGB § 1577 Abs. 2, § 1578 Abs. 1, § 1610 Abs. 1, § 1615l Abs. 2, 3 S. 1; MuSchG § 3 Abs. 2, § 6 Abs. 1, § 13
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 17. Zivilsenats - Familiensenat - des OLG München v. 14.4.2003 wird zurückgewiesen.
Auf die Revision des Beklagten wird das vorgenannte Urteil im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zu seinem Nachteil erkannt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das OLG zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin verlangt von dem Beklagten Unterhalt nach § 1615l BGB aus Anlass der Geburt eines Kindes.
Der Beklagte ist Vater der am 4.8.2001 geborenen Tochter der Klägerin. Er hat seine Unterhaltspflicht für das Kind i.H.v. 135 % des jeweiligen Regelbetrages in vollstreckbarer Urkunde anerkannt.
Nach den vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Feststellungen des AG hat die Klägerin vor der Geburt des gemeinsamen Kindes aus mehreren Arbeitsverhältnissen jedenfalls Einkünfte i.H.v. insgesamt monatlich 2.615 EUR erzielt. Seit Ablauf der Mutterschutzfrist erzielt sie nur noch Einkünfte aus einem Arbeitsverhältnis i.H.v. monatlich 1.381 EUR. Der Beklagte erzielt nach den Feststellungen des Berufungsgerichts monatliche Einkünfte i.H.v. 2.321 EUR, die i.H.v. 2.040 EUR aus nicht selbständiger Erwerbstätigkeit und im Übrigen aus Vermietung und Verpachtung stammen.
Mit Anerkenntnis-Teilurteil v. 30.10.2002 wurde der Beklagte verurteilt, an die Klägerin rückständigen Unterhalt für die Zeit von August bis Dezember 2001i.H.v. 1.500 EUR sowie laufenden Unterhalt für die Zeit ab Januar 2002i.H.v. monatlich 300 EUR zu zahlen. Das AG hat die auf weiteren Unterhalt bis zur Höhe von monatlich 1.136,60 EUR gerichtete Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das OLG ihr neben dem anerkannten Betrag weiteren Unterhalt i.H.v. monatlich 157 EUR zugesprochen. Es hat für beide Parteien die Revision zugelassen. Damit verfolgt die Klägerin ihr ursprüngliches Begehren abzgl. der durch Anerkenntnis-Teilurteil zugesprochenen monatlichen 300 EUR weiter. Der Beklagte begehrt Klagabweisung, soweit er die Klagforderung nicht anerkannt hat.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist unbegründet; die Revision des Beklagten hat Erfolg und führt im Umfang der Anfechtung zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.
I.
1. Das Berufungsgericht, dessen Urteil in OLGReport München 2003, 340 (OLG München v. 14.4.2003 - 17 UF 709/03, OLGReport München 2003, 340) veröffentlicht ist, hat der Klage nur teilweise stattgegeben, weil dem Beklagten sein angemessener Eigenbedarf verbleiben müsse, der sich aus seiner eigenen Lebensstellung ergebe, die nach den Umständen des Einzelfalles veränderlich sei. Der Unterhaltspflichtige sei auf Grund eines für das Unterhaltsrecht zu verallgemeinernden Gegenseitigkeitsprinzips nicht verpflichtet, durch seine Unterhaltszahlungen an die Kindesmutter eine Kürzung seines Eigenbedarfs hinzunehmen, die diesen so weit schmälern würde, dass ihm nach Abzug des Kindesunterhalts weniger verbliebe, als die berechtigte Mutter aus eigenen Einkünften und Unterhaltsleistungen zur Verfügung hätte.
2. Das Berufungsgericht hat das bereinigte Einkommen der Klägerin um einen Betreuungsbonus i.H.v. monatlich 300 EUR gekürzt, weil sie "das Kind neben ihrer Berufstätigkeit betreut". Auf dieser Grundlage hat es im Wege der Differenzmethode einen Unterhaltsanspruch der Klägerin i.H.v. insgesamt 457 EUR monatlich errechnet, den es ihr nach Abzug des anerkannten Betrages für die Zeit bis zum 4.8.2004 zugesprochen hat.
II.
1. Revision der Klägerin
Zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass sich ein Unterhaltsanspruch der Klägerin allenfalls in Höhe der hälftigen Differenz der anrechenbaren Einkommen beider Parteien ergeben kann.
a) Das Maß des der Klägerin zu gewährenden Unterhalts bestimmt sich nach ihrer Lebensstellung. Denn nach § 1615l Abs. 3 S. 1 BGB sind auf den Unterhaltsanspruch der nicht verheirateten Mutter die Vorschriften über die Unterhaltspflicht zwischen Verwandten und somit auch § 1610 Abs. 1 BGB entsprechend anwendbar. In Rechtsprechung und Literatur wird deswegen regelmäßig auf das Einkommen der Mutter abgestellt, das sie ohne die Geburt des Kindes zur Verfügung hätte (OLG Celle v. 16.11.2001 - 15 WF 253/01, OLGReport Celle 2002, 19; OLG Köln v. 15.11.2000 - 27 WF 203/00, OLGReport Köln 2001, 165 = FamRZ 2001, 1322; OLG Koblenz v. 10.7.2000 - 13 WF 377/00, OLGReport Koblenz 2001, 87; OLG Düsseldorf EzFamR aktuell 2000, 359; OLG Hamm FF 2000, 137; OLG Zweibrücken v. 21.9.1999 - 5 UF 16/99, OLGReport Zweibrücken 2000, 392; sowie Wendl/Pauling, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Aufl., § 6 Rz. 364; Göppinger/Wax/Maurer, Unterhaltsrecht, 8. Aufl., Rz. 1255; Luthin/Seidel, Handbuch des Unterhaltsrechts, 10. Aufl., Rz. 4219; Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 9. Aufl., Rz. 185; Eschenbruch, Der Unterhaltsprozess, 3. Aufl., Rz. 4015; FA-FamR/Gerhardt, 4. Aufl., Rz. 210; Weinreich/Klein/Schwolow, Kompaktkommentar Familienrecht, § 1615l BGB Rz. 10; Scholz/Stein/Erdrich, Praxishandbuch Familienrecht, K, Rz. 248). Das ist nicht zu beanstanden, wenn der unterhaltsberechtigten Mutter aus eigenen Einkünften und Unterhaltszahlungen jedenfalls nicht mehr zur Verfügung steht, als dem unterhaltspflichtigen Vater verbleibt.
b) In anderen Fällen ist der Unterhaltsbedarf der nicht verheirateten Mutter zusätzlich durch den auch hier anwendbaren Grundsatz der Halbteilung begrenzt. Das folgt aus der weit gehenden Angleichung der Unterhaltsansprüche aus § 1615l Abs. 2 S. 2 BGB mit denen auf nachehelichen Betreuungsunterhalt gem. § 1570 BGB.
aa) Beim nachehelichen Betreuungsunterhalt bestimmt sich das Maß gem. § 1578 Abs. 1 BGB nach den ehelichen Lebensverhältnissen. Damit erhält die geschiedene Mutter - vorbehaltlich eines dem Unterhaltspflichtigen zu belassenden Erwerbstätigenbonus - grundsätzlich die Hälfte des unterhaltsrechtlich bereinigten (ggf. beiderseitigen) Einkommens. Beiden geschiedenen Ehegatten verbleibt somit in gleichem Maße die zuvor erreichte oder eine durch spätere Veränderungen abgewandelte (vgl. insoweit BGH, Urt. v. 29.1.2003 - XII ZR 92/01, MDR 2003, 695 = BGHReport 2003, 536 = FamRZ 2003, 590 [592]) Lebensstellung. In gleicher Weise wirkt es sich aus, wenn die nicht verheiratete und nicht berufstätige Mutter zuvor mit dem Vater ihres Kindes zusammen gelebt hat. Denn wenn sich ihre Lebensstellung i.S.d. § 1610 BGB allein nach dem (hälftigen) früheren Einkommen richtet, steht auch ihr Unterhalt nur bis zur Grenze der Halbteilung zu (Büttner, FamRZ 2000, 781 [783]).
bb) Aber auch wenn die Mutter des Kindes zuvor nicht mit dem Vater zusammen gelebt hat, begrenzt der sog. Halbteilungsgrundsatz ihren Unterhaltsbedarf.
In solchen Fällen führt der Unterhaltsanspruch nach § 1615l Abs. 2 BGB zwar dazu, dass das um den Kindesunterhalt geschmälerte Einkommen des Vaters auch dazu dient, den zuvor erreichten Lebensstandard der Mutter aufrechtzuerhalten. Dadurch nähern sich die verfügbaren Einkünfte beider Eltern einander an. Dieses findet seinen Grund in der besonderen Verantwortung des Vaters für die Pflege und Erziehung des gemeinsamen Kindes. Der Senat hat in jüngster Zeit wiederholt darauf hingewiesen, dass der Unterhaltsanspruch einer nicht verheirateten Mutter nach § 1615l Abs. 2 BGB dem Anspruch auf nachehelichen Betreuungsunterhalt gem. § 1570 BGB weitgehend angeglichen worden ist (BGH, Urt. v. 17.11.2004 - XII ZR 183/02; v. 1.12.2004 - XII ZR 3/03). In beiden Fällen soll es der Mutter jedenfalls während der ersten drei Lebensjahre möglich sein, das Kind zu pflegen und zu erziehen, ohne auf eine Erwerbstätigkeit angewiesen zu sein. Insoweit unterscheidet sich der Unterhaltsanspruch nach § 1615l Abs. 2 BGB in keiner Weise von dem Anspruch nach § 1570 BGB. Dieser Zweck rechtfertigt auch ohne nacheheliche Solidarität die unterhaltsbedingte Reduzierung der verfügbaren Einkünfte des Vaters bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung des Lebensstandards der Mutter. Denn die Pflege und Erziehung des Kindes ist regelmäßig nur dann sichergestellt, wenn die Mutter nicht auf eine eigene Erwerbstätigkeit angewiesen ist, weil die Unterhaltsleistungen ihren Lebensstandard aufrechterhalten.
Der Unterhaltsbedarf der nicht verheirateten Mutter ist aber stets auf den Betrag begrenzt, der dem unterhaltspflichtigen Vater selbst verbleibt. Denn der Zweck des Unterhaltsanspruchs nach § 1615l Abs. 2 BGB trägt den Anspruch schon nicht in gleichem Maße, wenn die Mutter wegen ihrer besonders hohen Einkünfte in der Vergangenheit eine höhere Lebensstellung als der Vater erreicht hatte. Dann ist es auch ihr - wie dem Vater - zuzumuten, Abstriche von dem erreichten Lebensstandard in Kauf zu nehmen, ohne sogleich auf eine eigene Erwerbstätigkeit angewiesen zu sein. Wie bei dem Unterhaltsbedarf nach den wandelbaren ehelichen Lebensverhältnissen (BGH, Urt. v. 29.1.2003 - XII ZR 92/01, MDR 2003, 695 = BGHReport 2003, 536 = FamRZ 2003, 590 [592]) beeinflusst die Geburt des Kindes dann auch die Lebensstellung der unterhaltsbedürftigen nicht verheirateten Mutter. Eine durch ein höheres Einkommen der Mutter erreichte höhere Lebensstellung kann deswegen nicht stets im Sinne einer unverändert fortzuschreibenden Lebensstandardgarantie aufrechterhalten bleiben. Das Maß des Unterhalts wird vielmehr zusätzlich durch die Lebensstellung des unterhaltspflichtigen Vaters begrenzt, der zunächst vorrangig dem Kind unterhaltspflichtig ist und dem auch aus verfassungsrechtlichen Gründen jedenfalls ein Anteil seines Einkommens verbleiben muss, der die eigenen Einkünfte der Unterhaltsberechtigten zzgl. des gezahlten Unterhalts nicht unterschreitet.
Für die Begrenzung des Unterhaltsbedarfs im Wege der Halbteilung spricht aber insb. eine - mit Blick auf Art. 6 Abs. 1 GG gebotene - vergleichende Betrachtung des Unterhaltsanspruchs aus § 1615l Abs. 2 BGB mit dem Anspruch auf nachehelichen Betreuungsunterhalt aus § 1570 BGB. Während der nacheheliche Betreuungsunterhalt mit seinem zusätzlichen, auf der fortwirkenden ehelichen Solidarität beruhenden Zweck Unterhaltsleistungen auf der Grundlage der ehelichen Lebensverhältnisse erfasst und damit zugleich die Halbteilung des verfügbaren Einkommens sicherstellt, bezweckt der Unterhaltsanspruch der nicht verheirateten Mutter zunächst eine Sicherung ihrer erreichten Lebensstellung. Dieser grundsätzliche Unterschied entfällt aber, wenn das verfügbare Einkommen des nach § 1615l Abs. 2 BGB unterhaltspflichtigen Vaters so weit reduziert ist, dass ihm nur so viel verbleibt, wie die unterhaltsberechtigte Mutter selbst zu Verfügung hat. Dann ist der Anspruch auch der Höhe nach mit dem Unterhaltsanspruch nach § 1570 BGB vergleichbar. Weil auch Letzterer die Pflege und Erziehung des gemeinsamen Kindes sicherstellen soll und nur zusätzlich auf einer nachehelichen Solidarität beruht, wäre es nicht nachvollziehbar, der nicht verheirateten Mutter einen höheren Anspruch zuzusprechen, als der geschiedenen Mutter auf der Grundlage des Halbteilungsgrundsatzes zusteht. Wenn also selbst der stärker ausgestaltete nacheheliche Betreuungsunterhalt stets durch den Halbteilungsgrundsatz begrenzt ist, muss dieses erst recht für den Unterhaltsanspruch der nicht verheirateten Mutter gelten. Denn die bloße Wahrung des dem Vater stets zu belassenden Selbstbehalts, der regelmäßig etwa hälftig zwischen dem notwendigen und dem angemessenen Selbstbehalt liegt (BGH, Urt. v. 1.12.2004 - XII ZR 3/03), kann die Lebensstellung des Vaters nicht in gleichem Maße sichern, wie es ein durch Halbteilung begrenzter Unterhaltsbedarf vermag.
Wie beim nachehelichen Ehegattenunterhalt muss deswegen auch dem nach § 1615l Abs. 2 BGB unterhaltspflichtigen Vater die Hälfte des zuvor nach den üblichen unterhaltsrechtlichen Maßstäben bereinigten Einkommens verbleiben (so i.E. auch Wever/Schilling, FamRZ 2002, 581 [585 f.]; Praxishandbuch Familienrecht, K, Rz. 248; Weinreich/Klein/Schwolow, Kompaktkommentar Familienrecht, Rz. 20; FA-FamR/Gerhardt, 6. Kap. Rz. 211; Eschenbruch, Der Unterhaltsprozess, 3. Aufl., Rz. 4024; Wendl/Pauling, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Aufl., § 6 Rz. 759).
cc) Die Gegenmeinung weist zwar darauf hin, dass die betreuende Mutter dann "zwar oft weniger als der Vater des Kindes" zur Verfügung haben wird, "aber niemals mehr" (Büttner, FamRZ 2000, 781 [783 f.]; Luthin/Seidl, Handbuch des Unterhaltsrechts, 10. Aufl., Rz. 4219). Das überzeugt als Argument gegen die Geltung des Halbteilungsgrundsatzes aber nicht. Denn nach dem Zweck beschränkt sich der Unterhaltsanspruch aus § 1615l Abs. 2 BGB darauf, der Mutter die Betreuung und Erziehung des gemeinsamen Kindes jedenfalls in den ersten drei Lebensjahren zu ermöglichen. Das ist aber schon dann gewährleistet, wenn ihre frühere Lebensstellung gesichert ist. Einen Anspruch auf Teilhabe an einer höheren Lebensstellung des Vaters, wie dieses beim nachehelichen Betreuungsunterhalt wegen der nachehelichen Solidarität der Fall ist, räumt § 1615l Abs. 2 BGB der Mutter hingegen nicht ein. Das schließt es aber andererseits nicht aus, den Unterhaltsbetrag der Mutter wie bei dem stärker ausgestalteten Anspruch nach § 1570 BGB zu begrenzen, wenn dem unterhaltspflichtigen Vater sonst von seinem Einkommen weniger verbliebe, als ihr zur Verfügung stünde.
dd) Vorbehaltlich eines der Klägerin anrechnungsfrei zu belassenden Betreuungsbonus steht ihr deswegen jedenfalls kein höherer Unterhaltsanspruch zu, als vom Berufungsgericht zugesprochen. Die Differenz der anrechenbaren Einkünfte beider Parteien beträgt nach den Feststellungen des Berufungsgerichts allenfalls 913 EUR. Unter Wahrung des Halbteilungsgrundsatzes beläuft sich der ungedeckte Unterhaltsbedarf der Klägerin also allenfalls auf monatlich 457 EUR, wovon monatlich 300 EUR bereits durch Anerkenntnis-Teilurteil v. 30.10.2002 zugesprochen worden sind.
2. Revision des Beklagten
Den Angriffen der Revision des Beklagten hält das Berufungsurteil nicht stand, soweit das Berufungsgericht von dem anrechenbaren Einkommen der Klägerin pauschal 300 EUR als "Betreuungsbonus" abgesetzt hat.
a) Im Ansatz zutreffend ist das OLG zwar davon ausgegangen, dass die Klägerin gem. § 1615l Abs. 2 S. 2 BGB jedenfalls während der ersten drei Lebensjahre des Kindes frei entscheiden kann, ob sie sich in vollem Umfang seiner Pflege und Erziehung widmet oder ob sie (daneben) berufstätig sein möchte. Seit der Neuregelung des § 1615l Abs. 2 BGB durch das Schwangeren- und Familienhilfeänderungsgesetz v. 21.8.1995 (SFHÄndG, BGBl. I, 1050) steht der nicht verheirateten Mutter ein Unterhaltsanspruch bereits dann zu, wenn von ihr wegen der Pflege und Erziehung des Kindes eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann. Zwar ist die Betreuungsbedürftigkeit des Kindes auch hier Voraussetzung. Mit der weit gehenden Angleichung der Anspruchsvoraussetzungen an den für die Betreuung ehelicher Kinder geltenden § 1570 BGB sollte aber die soziale und wirtschaftliche Ausgangslage des nicht ehelichen Kindes mittelbar dadurch verbessert werden, dass die Mutter nicht mehr nachweisen muss, dass sie mangels anderweitiger Versorgungsmöglichkeiten des Kindes nicht erwerbstätig sein kann (Wever/Schilling, FamRZ 2002, 581 f.; Büttner, FamRZ 2000, 781 [782]; Reinecke, ZAP Fach 11, S. 527). Die Erweiterung des Anspruchs auf Betreuungsunterhalt sollte den Vater mehr in die Verantwortung dafür einbeziehen, dass ein nicht eheliches Kind während der ersten drei Lebensjahre in den Genuss der persönlichen Betreuung durch die Mutter kommt, was durch den Unterhaltsanspruch sichergestellt wird (BT-Drucks. 13/1850, 24). Darauf, ob ohne die Kindesbetreuung eine Erwerbstätigkeit ausgeübt würde, ob also die Kindesbetreuung die alleinige Ursache für die Nichterwerbstätigkeit ist, kommt es nicht mehr an (BGH, Urt. v. 17.11.2004 - XII ZR 183/02; v. 21.1.1998 - XII ZR 85/96, MDR 1998, 473 = FamRZ 1998, 541 [543]). Die Klägerin ist deswegen jederzeit berechtigt, eine Berufstätigkeit während der ersten drei Lebensjahre des Kindes aufzugeben und sich ganz dessen Pflege und Erziehung zu widmen.
b) Ob und in welchem Umfang sich die Mutter Einkünfte aus einer Erwerbstätigkeit anrechnen lassen muss, die sie gleichwohl neben der Kindesbetreuung ausübt, lässt sich nicht unmittelbar aus der gesetzlichen Regelung des § 1615l BGB entnehmen. Dabei handelt es sich allerdings nicht um eine bewusste Regelungslücke des Gesetzgebers, weil der besondere Schutz der Ehe und Familie in Art. 6 Abs. 1 GG eine Schlechterstellung der geschiedenen Mutter nicht zulässt und umgekehrt nach Art. 6 Abs. 4 und 5 GG auch die nicht verheiratete Mutter jedenfalls insoweit gleichzustellen ist. Deswegen und wegen der weit gehenden Angleichung des Unterhaltsanspruchs der nicht verheirateten Mutter an den nachehelichen Betreuungsunterhalt (BGH, Urt. v. 17.11.2004 - XII ZR 183/02) ist auf den Unterhaltsanspruch nach § 1615l BGB die für den Ehegattenunterhalt geltende Vorschrift des § 1577 Abs. 2 BGB entsprechend anwendbar (so auch Wever/Schilling, FamRZ 2002, 581 [586 f.]; Büttner, FamRZ 2000, 781 [783], m.w.N.). Entsprechend hat der Senat den Rechtsgedanken des § 1577 Abs. 2 BGB auch schon beim Verwandtenunterhalt, auf den § 1615l Abs. 3 S. 1 BGB verweist, herangezogen (BGH, Urt. v. 25.1.1995 - XII ZR 240/93, MDR 1995, 930 = FamRZ 1995, 475 [477 f.]).
c) Ob ein eigenes Einkommen des unterhaltsbedürftigen Elternteils, das dieser neben der Kindeserziehung erzielt, nach § 1577 Abs. 2 BGB bei der Unterhaltsberechnung zu berücksichtigen ist, lässt sich nach der Rechtsprechung des Senats aber nicht pauschal i.S.d. Zulassungsfrage des OLG beantworten, sondern ist stets von den besonderen Umständen des Einzelfalls abhängig (Wendl/Gerhardt, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Aufl., § 1 Rz. 545 ff., m.w.N.). Eine solche Abwägung lässt das angefochtene Urteil vermissen. Das Berufungsgericht hat sich lediglich pauschal darauf gestützt, dass die Klägerin ihr Kind neben der Berufstätigkeit betreut. Wie die Betreuung während dieser Zeit konkret geregelt ist, welche Hilfen ihr dabei zur Verfügung stehen und ob der Klägerin dafür ggf. zusätzliche Betreuungskosten entstehen, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Die Bemessung eines anrechnungsfrei zu belassenden Teils des Einkommens, die sich auch nach den Leitlinien des Berufungsgerichts (vgl. Ziff. 7 der Süddeutschen Leitlinien) einer schematischen Beurteilung entzieht, wird im Einzelfall aber davon abhängen, wie etwa die Kindesbetreuung mit den konkreten Arbeitszeiten unter Berücksichtigung erforderlicher Fahrzeiten zu vereinbaren ist und ob und ggf. zu welchen Zeiten das Kind anderweit beaufsichtigt wird und insofern zeitweise nicht der Betreuung durch die Klägerin bedarf (BGH, Urt. v. 29.11.2000 - XII ZR 212/98, BGHReport 2001, 76 = MDR 2001, 510 = FamRZ 2001, 350 [352]). Nicht ohne Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, ob die Klägerin seit der Geburt ihrer Tochter aus freien Stücken weiter erwerbstätig ist oder ob die Arbeitsaufnahme durch eine wirtschaftliche Notlage veranlasst war (vgl. zum nachehelichen Betreuungsunterhalt BGH, Urt. v. 21.1.1998 - XII ZR 117/96, FamRZ 1998, 1501 [1502]). Denn die freiwillige Ausübung einer Berufstätigkeit kann ein maßgebendes Indiz für eine vorhandene tatsächliche Arbeitsfähigkeit im konkreten Einzelfall sein (BGH, Urt. v. 23.9.1981 - IVb ZR 600/80, MDR 1982, 213 = FamRZ 1981, 1159 [1161]). Wegen der weit gehenden Angleichung des Unterhaltsanspruchs der nicht verheirateten Mutter nach § 1615l Abs. 2 BGB mit dem Anspruch auf nachehelichen Betreuungsunterhalt nach § 1570 BGB ist auch insoweit eine Gleichbehandlung geboten und deswegen konkret auf die Umstände des Einzelfalles abzustellen. Mit der gegebenen Begründung kann daher das Berufungsurteil nicht bestehen bleiben. Das Urteil war insoweit aufzuheben und die Sache zur Nachholung der erforderlichen Feststellungen und zur erneuten Abwägung an das OLG zurückzuverweisen.
III.
Im Rahmen der erneuten Verhandlung wird das OLG im Übrigen die Bedürftigkeit der Klägerin für die Zeit ihres Mutterschutzes unter Berücksichtigung der §§ 3 Abs. 2, 6 Abs. 1 und 13 des Mutterschutzgesetzes (MuSchG) prüfen müssen. Sollte die Klägerin nach den dort in Bezug genommenen Vorschriften der RVO ihr zuvor erzieltes volles Arbeitsentgelt während der letzten sechs Wochen vor und bis zum Ablauf von acht Wochen nach der Entbindung weiter erhalten haben, wäre dieses im Rahmen der Unterhaltsberechnung zu berücksichtigen und würde ihre Bedürftigkeit entfallen lassen (vgl. Wendl/Pauling, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Aufl., § 6 Rz. 759; Göppinger/Wax/Maurer, Unterhaltsrecht, 8. Aufl., Rz. 1257).
Die Zurückverweisung des Rechtsstreits gibt dem Berufungsgericht auch Gelegenheit, den Unterhaltsanspruch für die Zeit bis August 2004 auf der Grundlage der nunmehr konkret feststehenden Einkünfte des Beklagten an Stelle der bislang auf einer Prognose beruhenden Einkünfte festzusetzen.
Fundstellen
Haufe-Index 1316418 |
NJW 2005, 818 |
NWB 2005, 163 |
BGHR 2005, 431 |
EBE/BGH 2005, 2 |
EBE/BGH 2005, 60 |
FamRZ 2005, 442 |
FamRZ 2007, 427 |
FuR 2005, 174 |
ZAP 2005, 545 |
FPR 2005, 219 |
FPR 2005, 528 |
MDR 2005, 575 |
FamRB 2005, 97 |
NJW-Spezial 2005, 202 |
NJW-Spezial 2005, 251 |
ZErb 2005, 131 |
ZFE 2005, 127 |
JAmt 2005, 258 |