Verfahrensgang
LG Hannover (Urteil vom 01.06.2011) |
Tenor
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hannover vom 1. Juni 2011 wird verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt. Seine hiergegen gerichtete Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat keinen Erfolg.
Rz. 2
1. Mit seiner Beanstandung des Verfahrens zeigt der Angeklagte keinen durchgreifenden Rechtsfehler auf.
Rz. 3
a) Er hat in der Hauptverhandlung den Antrag gestellt, zum Beweis der Tatsache, dass er bei der Tat ohne Schuld oder jedenfalls im Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit gehandelt habe, ein psychiatrisches Sachverständigengutachten einzuholen. Er hat außerdem seinen Verteidiger in einem anderen Strafverfahren als Zeugen dafür benannt, dass er in der dortigen Hauptverhandlung unangemessen aggressiv reagiert habe.
Rz. 4
Das Landgericht hat den Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens als Beweisantrag behandelt und mit der Begründung abgelehnt, da dem Sachverständigen die erforderlichen Anknüpfungstatsachen nicht mitgeteilt werden könnten, sei dieser ein völlig ungeeignetes Beweismittel.
Rz. 5
b) In der Ablehnung des Antrags auf Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens liegt entgegen der Revision kein Verstoß gegen § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO.
Rz. 6
Diese Vorschrift benennt Gründe, aus denen ein Beweisantrag abgelehnt werden darf. Bei dem Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens handelte es sich indes – ebenso wie bei dem Antrag auf Vernehmung des Verteidigers aus dem anderen Verfahren – nicht um einen Beweisantrag; denn er bezeichnete lediglich die vom Sachverständigen erwartete Schlussfolgerung, aber nicht – auch nicht mittels des Verweises auf ein hohes Aggressionspotential des Angeklagten – die konkreten Tatsachen, an die die Bewertung anknüpfen sollte (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Juli 1999 – 1 StR 207/99, NStZ 1999, 630, 631; Beschluss vom 18. August 1999 – 1 StR 186/99, NStZ 1999, 632, 633; Urteil vom 13. Juni 2007 – 4 StR 100/07, NStZ 2008, 52, 53; Urteil vom 2. September 2010 – 3 StR 273/10, NStZ 2011, 106, 107). Es lag daher lediglich ein Beweisermittlungsantrag vor, so dass § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO den Maßstab nicht ergibt, an dem sich der ablehnende Beschluss des Landgerichts messen lassen muss (BGH, Beschluss vom 16. Juni 1971 – 4 StR 450/70, VRS 41 [1971], 203, 206; Urteil vom 28. November 1997 – 3 StR 114/97, BGHSt 43, 321, 332). Über den Antrag war demgemäß allein unter dem Gesichtspunkt der Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) zu befinden.
Rz. 7
Dass es diese geboten hätte, dem Antrag nachzugehen, hat der Angeklagte mit der Aufklärungsrüge nicht geltend gemacht. Im Übrigen ist die unzureichende Bezeichnung der Anknüpfungstatsachen, in der das Landgericht die völlige Ungeeignetheit des Beweismittels gesehen und die es, soweit der Angeklagte Zeugenvernehmung beantragt hat, rechtlich zutreffend als nicht hinreichend konkretisierte Beweisbehauptung eingeordnet hat, zugleich maßgeblich dafür, ob sich dem Landgericht die Erforderlichkeit einer Begutachtung des Angeklagten hätte aufdrängen müssen. Das war weder nach den im Antrag des Angeklagten mitgeteilten Umständen noch nach seinem Revisionsvorbringen der Fall, so dass eine Aufklärungsrüge auch in der Sache keinen Erfolg gehabt hätte.
Rz. 8
2. Das Urteil weist auch keinen sachlich-rechtlichen Fehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Insbesondere hat der Strafausspruch entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts Bestand. Das Landgericht hat bei der Bemessung der Strafe zugunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass er ein Teilgeständnis abgelegt, sich bei dem Nebenkläger entschuldigt und in einem Vergleich zusammen mit seinem Mittäter zur Leistung eines Schmerzensgeldes von 4.000 EUR verpflichtet hat. Dass das Landgericht von der weitergehenden Prüfung abgesehen hat, ob aus diesen Gründen der Strafrahmen nach § 46a Nr. 1 StGB zu mildern sei, stellt keinen Rechtsfehler dar; denn die Voraussetzungen dieser Vorschrift lagen nicht nahe. Das Landgericht hat – über den Befund des für sich nicht hinreichenden Zustandekommens eines Vergleichs hinaus – einen kommunikativen Prozess zwischen dem Angeklagten und dem Nebenkläger nicht festgestellt (vgl. Fischer, StGB, 58. Aufl., § 46a Rn. 10a). Das vereinbarte Schmerzensgeld liegt wegen der schweren Kopfverletzungen des Nebenklägers an der unteren Grenze (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Juni 1998 – 1 StR 249/98, BGHR StGB § 46a Nr. 1 Ausgleich 2). Die Feststellungen des Landgerichts zu den wirtschaftlichen Verhältnissen ergeben, dass der Nebenkläger mit einer Leistung kaum wird rechnen können.
Rz. 9
3. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Unterschriften
Becker, Pfister, Hubert, Mayer, Menges
Fundstellen
Haufe-Index 2885511 |
NStZ 2012, 280 |
StV 2013, 481 |