Leitsatz (amtlich)
a) Eine zum Zweck der Archivierung privilegierte Vervielfältigung eines Werkstücks im Sinne des § 53 Abs. 2 Nr. 2 UrhG liegt nicht vor, wenn das Vervielfältigungsstück (auch) zur Verwendung durch außenstehende Dritte bestimmt ist.
b) Die Erstellung von Vervielfältigungsstücken im Rahmen eines Recherchedienstes unterfällt nicht dem Privilegierungstatbestand des § 53 Abs. 2 Nr. 4 a UrhG.
Normenkette
UrhG § 53 Abs. 2 Nrn. 2, 4a
Verfahrensgang
OLG Köln (Urteil vom 02.12.1994) |
LG Köln |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 2. Dezember 1994 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin verlegt u. a. die Wirtschafts- und Finanzzeitung „HANDELSBLATT” und das Wirtschaftsmagazin „WirtschaftsWoche”.
Sie betreibt darüber hinaus eine umfassende Wirtschaftsdatenbank „G.”. Seit 1992 bietet sie auch einen Informationsdienst an, der u. a. auch „individuelle Recherchen” durchführt.
Die Beklagte ist eine Bank. Sie unterhält unter der Bezeichnung „CB-infobank” eine Sammlung von Daten aus der Wirtschaft. Sie greift dabei auf die von ihr bezogenen Fachzeitschriften zurück. Den kurz zusammengefaßten Inhalt der ihr wesentlich erscheinenden Artikel speichert sie mit bibliografischen Angaben in einer elektronischen Datenbank. Daneben sammelt sie in einem Zettelkasten bedeutsam erscheinende Artikel, u. a. aus den Zeitungen der Klägerin. Sie erschließt die Zeitungsausschnitte mit Stichwörtern und katalogisiert sie.
Der Rechtsstreit bezieht sich auf die Weitergabe der Informationen aus dem „Zettelkasten-Archiv” durch die Beklagte an Dritte.
Die Beklagte nutzt ihre „CB-infobank” zwar überwiegend, aber nicht mehr nur hausintern. Sie bietet die Dienste der „CB-infobank” mit ihrem Informationsblatt „Informationsvorsprung statt Informationsflut” auch ihren Kunden an. Gegen Entgelt führt sie Recherchen zu einem bestimmten, vom Kunden vorgegebenen Thema durch. Die Beklagte stützt sich bei den Recherchen auf die in ihrer Datenbank gespeicherten Informationen. Zudem wertet sie die im Zettelkasten gesammelten Zeitungsausschnitte aus. Je nach Wunsch erhält der Kunde nur eine Aufstellung der einschlägigen Artikel oder auch Kopien der recherchierten Beiträge. Die Beklagte fertigt für ihre Kunden auch Kopien der archivierten Artikel aus Zeitungen der Klägerin.
Die Klägerin sieht hierin ein Urheberrechts- und wettbewerbswidriges Verhalten der Beklagten und nimmt diese auf Unterlassung in Anspruch. Sie hat vorgetragen, Inhaberin der Nutzungsrechte zur Vervielfältigung und Verbreitung der in ihren Blättern erscheinenden urheberrechtlich geschützten Artikel zu sein. Die Herstellung und die Versendung der Kopien dieser Werke durch die Beklagte stelle eine unzulässige Vervielfältigung und Verbreitung dar. Die Beklagte gehe mit ihrer Dienstleistung über die Tätigkeit einer bloßen Kopieranstalt hinaus, da sie erst recherchiere, um dann die dem Kunden zuvor unbekannten Artikel in Kopie zur Verfügung zu stellen. Die Beklagte verstoße damit auch gegen § 1 UWG, da sie sich fremde Arbeitsergebnisse in unlauterer Weise aneigne.
Darüber hinaus beeinträchtige die Beklagte die mit ihr im Wettbewerb stehende Datenbank der Klägerin „G.” und nutze deren guten Ruf für eigene wettbewerbliche Zwecke insoweit aus, als sie die Publikationen der Klägerin für ihre „CB-infobank” dadurch auswerte, daß sie Kopien von Beiträgen aus diesen Publikationen weitergebe.
Nachdem die Klägerin sich zunächst gegen die Weitergabe von Kopien von Artikeln aus ihren sämtlichen Zeitschriften gewandt hatte, hat sie nach Durchführung der Beweisaufnahme in der Berufungsinstanz ihr Klagebegehren beschränkt und zuletzt beantragt, unter Abänderung des die Klage abweisenden landgerichtlichen Urteils,
der Beklagten zu verbieten, ohne Zustimmung der Klägerin Teile der Druckwerke oder einzelne Beiträge, die in den Publikationen der Verlagsgruppe Handelsblatt GmbH, nämlich in der Wirtschafts- und Finanzzeitung HANDELSBLATT und dem Wirtschaftsmagazin Wirtschaftswoche veröffentlicht worden sind, im Rahmen der „CB-infobank” für Dritte, insbesondere Kunden, zu vervielfältigen und/oder zu verbreiten und/oder zu vervielfältigen und/oder verbreiten zu lassen.
Hilfsweise hierzu hat sie ihre Klage auf die Feststellung der mangelnden Berechtigung der Beklagten zu dem im Unterlassungsantrag beschriebenen Verhalten gerichtet.
In einem weiteren, hilfsweise gestellten Unterlassungsantrag werden einzelne, bestimmten Autoren zugeordnete Beiträge bezeichnet, welche nicht ohne Zustimmung der Klägerin vervielfältigt und/oder verbreitet werden sollen; hilfsweise hierzu hat die Klägerin einen entsprechenden Feststellungsantrag gestellt.
In einem weiter hilfsweise gestellten Unterlassungsantrag werden einzelne von namentlich genannten Chefredakteuren im Handelsblatt veröffentlichte Artikel angeführt.
Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Sie hat u. a. eine Nutzungsberechtigung der Klägerin in Abrede gestellt und sich darauf berufen, daß sie gemäß § 53 Abs. 2 Nr. 4 a UrhG berechtigt sei, Kopien zu fertigen, wie dies auch öffentliche Bibliotheken und Kopieranstalten dürften.
Die Klägerin ist mit ihrem Begehren auch in der Berufungsinstanz erfolglos geblieben (OLG Köln GRUR 1995, 265).
Mit der Revision verfolgt die Klägerin die Klageanträge weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Klage sei weder unter dem Gesichtspunkt der Urheberrechtsverletzung noch aus wettbewerbsrechtlichen Gründen gerechtfertigt. Gegen die Zulässigkeit der Klageanträge bestünden keine Bedenken. Sie ließen eindeutig erkennen, daß die Klägerin der Beklagten verbieten möchte, jeglichen Beitrag und sämtliche Teile der Druckwerke, die in ihren Publikationen veröffentlicht worden seien, im Rahmen der „CB-infobank” für Dritte zu vervielfältigen und/oder zu verbreiten, wenn nicht ihre Zustimmung vorliege. Ob der Klägerin ein solcher Anspruch zustehe, bestimme sich ausschließlich nach materiellem Recht und sei für die Frage der Bestimmtheit des Antrags ohne Bedeutung. Die Klage sei aber weder nach dem Hauptantrag noch nach den Hilfsanträgen begründet.
Es sei zwar zweifelhaft, ob die Klägerin die urheberrechtlichen Nutzungsrechte an den jeweiligen Beiträgen, deren Vervielfältigung oder Verbreitung sie untersagen möchte, für sich in Anspruch nehmen könne. Auf die von der Klägerin zu den vertraglichen Vereinbarungen angebotenen Beweise komme es aber nicht an; ebensowenig bedürfe es einer Entscheidung darüber, ob die vorgelegten Manteltarifverträge der angestellten Redakteure der Klägerin ein Recht zur ausschließlichen Nutzung gewährten. Der Beklagten stehe nämlich die Privilegierung des § 53 Abs. 2 Nr. 4 a UrhG zu, wonach es auch ohne Genehmigung des Urheberrechtsberechtigten zulässig sei, einzelne Vervielfältigungsstücke eines Werkes herzustellen oder herstellen zu lassen, sofern dies zum sonstigen eigenen Gebrauch geschehe und es sich bei den zu vervielfältigenden Werken um einzelne Beiträge handele, die in Zeitungen oder Zeitschriften erschienen seien.
Aufgrund des unstreitigen Vorbringens der Parteien und des Ergebnisses der Beweisaufnahme stehe fest, daß die Beklagte lediglich von einzelnen Beiträgen, die in der Wirtschafts- und Finanzzeitung „HANDELSBLATT” und in dem Wirtschaftsmagazin „WirtschaftsWoche” veröffentlicht worden seien, auf Wunsch von Kunden einzelne Vervielfältigungsstücke zu deren eigenen Gebrauch fertige und versende. Die Beklagte schneide von den genannten Publikationen der Klägerin einzelne Artikel aus und bewahre diese Zeitungsausschnitte in einem Archiv unter Stichworten auf. In einem geringen Umfang nehme sie auch Kopien von Beiträgen aus den Publikationen der Klägerin in ihr Archiv auf, wenn ein Artikel unter zwei Stichwörtern archiviert werde. Aber auch für diese Kopie sei ein besonderes Werkstück vorhanden. Die Beklagte habe nämlich zu Zwecken der Archivierung jeweils zwei Exemplare der Publikationen der Klägerin abonniert.
Es stehe somit fest, daß die Beklagte Beiträge aus den Publikationen der Klägerin weder in einer Datenbank speichere noch Fotokopien dieser Beiträge „auf Vorrat” halte. Da zudem weiter feststehe, daß die Beklagte eine Kopie von den bei ihr archivierten Original-Zeitungsausschnitten nur dann fertige, wenn der Kunde dies mit seinem Auftrag ausdrücklich wünsche, handele die Beklagte bei der Herstellung des Vervielfältigungsstückes lediglich wie eine gewerbliche Kopieranstalt oder eine Bibliothek.
Die Herstellung eines Vervielfältigungsstückes im Kundenauftrag stelle nicht ein Herstellen durch die Beklagte, sondern ein Herstellenlassen seitens des Kunden mit der Folge dar, daß diesem der Vervielfältigungsvorgang zuzurechnen sei. Insoweit komme es nicht darauf an, ob die Beklagte für ihre Kopiertätigkeit ein Entgelt verlange. Als Ergebnis der Beweisaufnahme stehe jedoch fest, daß die Beklagte ihre Kopiertätigkeit dem Kunden nicht gesondert in Rechnung stelle; hieraus sei zu folgern, daß die Beklagte gerade nicht zu eigenen Zwecken, sondern lediglich als Dritte für den eigenen Gebrauch des Kunden die Kopien anfertige. Bei den einzelnen Kunden der Beklagten lägen die Voraussetzungen des § 53 Abs. 2 Nr. 4 a UrhG vor. Die Klägerin habe nichts Gegenteiliges behauptet.
Für diese urheberrechtliche Beurteilung sei unerheblich, daß die Beklagte die Vervielfältigung im Rahmen einer vom Kunden in Auftrag gegebenen Recherche erstelle. Bei dem Kopiervorgang handele es sich nämlich nicht um eine Hauptleistung, sondern lediglich um eine Zusatzleistung zur Durchführung eines Recherchedienstes. Die Recherche selbst aber stelle keine urheberrechtlich relevante Verwertungshandlung dar. Aus der Verknüpfung der beiden Tätigkeiten lasse sich nicht der Schluß ziehen, die Fertigung von Vervielfältigungsstücken geschehe zum eigenen erwerbswirtschaftlichen Gebrauch der Beklagten. Es gebe Kundenaufträge, die sich nur auf eine Recherche erstreckten. Weiter gebe es Fälle, in denen zunächst nur eine Recherche verlangt werde und der Kunde erst nach Erhalt der Literaturzusammenstellung einen Kopierauftrag erteile. Auch wenn die Kundenaufträge überwiegend Recherche- und Kopierleistung umfaßten, zeigten diese Beispiele, daß es sich um zwei getrennte Aufträge handele.
Die Anwendung von § 53 Abs. 2 Nr. 4 a UrhG erfordere nicht, daß der Auftraggeber der Kopie das Werkstück besitzen müsse. Dementsprechend werde auch das Anfordern von Vervielfältigungsstücken von Bibliotheken oder Dokumentationsstellen allgemein als zulässig erachtet. Die Beklagte suche ebenso wie Bibliotheken im Rahmen der Recherche die Fundstellen heraus und fertige für den Kunden auf dessen Wunsch die entsprechenden Vervielfältigungsstücke.
Da nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme feststehe, daß die Beklagte soviele Werkstücke von „HANDELSBLATT” und „WirtschaftsWoche” zum Zwecke der Archivierung beziehe, wie Ablagen desselben Artikels im Archiv stattfänden, sei es für die rechtliche Beurteilung unerheblich, ob bei einer Archivierung unter zwei Stichwörtern, welche nur in 5 % der Fälle stattfinde, das Werkstück nur einmal ausgeschnitten und dieses sowie eine zusätzliche Kopie davon archiviert würden, solange nur zwei Werkstücke für Archivzwecke vorher erworben worden seien. In einem solchen Fall stellte es eine reine „Förmelei” dar, wollte man eine Kopie der archivierten Kopie nicht zulassen. Die Interessen des Urhebers seien durch den Erwerb der entsprechenden Anzahl von Zeitungen zum Zwecke der Archivierung nämlich gewahrt.
Das Handeln der Beklagten stelle auch keine unzulässige Verbreitung von Vervielfältigungsstücken im Sinne des § 53 Abs. 5 UrhG dar. Es liege weder in der Kopiertätigkeit der Beklagten noch, in dem im Zusammenhang mit dem Recherchedienst abgegebenen Angebot, auch Kopien zu fertigen, ein urheberrechtlich relevantes Verbreiten von Vervielfältigungsstücken im Sinne des § 17 UrhG. Zwar liege in der Ankündigung der Beklagten, dem Kunden auf Wunsch auch Kopien der einschlägigen Literaturstellen zu übersenden, ein Angebot an die Öffentlichkeit im Sinne des § 17 UrhG. Um diesen Tatbestand zu erfüllen, müßten jedoch die kopierten Werkstücke bereits zum Zeitpunkt des Angebots vorhanden sein. Das sei nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme gerade nicht der Fall, da die Beklagte Vervielfältigungsstücke der bei ihr archivierten Artikel erst dann fertige, wenn der Kunde dies ausdrücklich wünsche.
Das Klagebegehren sei auch nicht aus § 1 UWG begründet. Es fehlten besondere Umstände, die das Handeln der Beklagten als wettbewerblich unlauter erscheinen ließen.
Die urheberrechtliche Beurteilung hält den Angriffen der Revision nicht stand.
II. Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
Die Beklagte greift mit der beanstandeten Handlung, die sie im Rahmen einer Recherche in ihrer „CB-infobank” erbringt, in das dem urheberrechtlich Nutzungsberechtigten vorbehaltene Vervielfältigungs- und Verbreitungsrecht gemäß § 16 Abs. 1, § 53 Abs. 5, § 17 Abs. 1 UrhG ein. Die Beklagte handelt rechtswidrig. Ihr Handeln ist nicht von der Zustimmung des urheberrechtlich Berechtigten gedeckt. Auf einen urheberrechtlichen Privilegierungstatbestand kann sie sich entgegen der Beurteilung des Berufungsgerichts nicht berufen. Die Klägerin ist allerdings zur Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs nur berechtigt, wenn sie Inhaberin des beanspruchten ausschließlichen Nutzungsrechts an den urheberrechtlich geschützten Beiträgen der Verfasser der Zeitungsartikel ist (§ 31 Abs. 3, § 97 Abs. 1 UrhG). Hierzu wird das Berufungsgericht, das diese Frage bislang offenlassen konnte, nunmehr weitere Feststellungen zu treffen haben.
1. Gegen die Zulässigkeit des Unterlassungs(haupt)antrags bestehen entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung keine durchgreifenden Bedenken aus § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Das Berufungsgericht ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, daß die beanstandete Handlung der Beklagten hinreichend bestimmt ist. Ihr soll verboten werden. Teile der Druckwerke oder einzelne Beiträge aus den genannten Publikationen der Klägerin zu vervielfältigen und zu verbreiten. Die genannten Teile der Druckwerke und die einzelnen Beiträge werden durch ihre Zuordnung als Bestandteil der jeweiligen Zeitung der Klägerin hinreichend konkret bestimmt. Einer darüber hinausgehenden Bezeichnung der einzelnen Artikel etwa nach ihrem Erscheinungsdatum oder nach ihrem Titel und dem Autor bedarf es nicht. Der Ansicht der Revisionserwiderung, schon dem Antrag müsse als Kriterium der Bestimmtheit entnommen werden können, ob es sich bei dem einzelnen Beitrag um ein urheberrechtsschutzfähiges Werk handele und ob der Klägerin hieran ein ausschließliches Nutzungsrecht zugeordnet werden könne, kann nicht beigetreten werden. Bei diesen Fragen handelt es sich um Elemente des materiellen Rechts, deren Fehlen die verfahrensrechtliche Zulässigkeit des Antrags nicht berührt. Daß im vorliegenden Fall damit bei einem beanstandeten Verstoß gegen das Unterlassungsgebot die Frage des Urheberrechtsschutzes eines kopierten Artikels im Einzelfall in das Vollstreckungsverfahren verlagert wird, steht in Anbetracht des Umstandes, daß die Beklagte generell für sich in Anspruch nimmt, auch urheberrechtlich geschützte Beiträge bedenkenlos nutzen zu können, der hinreichenden Bestimmtheit des begehrten gerichtlichen Verbots nicht entgegen.
2. Das Berufungsgericht ist des weiteren zu Recht ohne nähere Prüfung im einzelnen vom urheberrechtlichen Schutz der in den Wirtschaftszeitungen der Klägerin veröffentlichten Beiträge ausgegangen.
Für Zeitungsartikel der in Rede stehenden Art kann grundsätzlich der urheberrechtliche Schutz als Schriftwerk gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG in Anspruch genommen werden. Sie beruhen in der Regel auf einer persönlichen geistigen Schöpfung im Sinne des § 2 Abs. 2 UrhG. Ein Schriftwerk genießt dann urheberrechtlichen Schutz, wenn es eine individuelle geistige Schöpfung darstellt. Diese kann sowohl in der von der Gedankenführung geprägten Gestaltung der Sprache als auch in der Sammlung, Auswahl, Einteilung und Anordnung des Stoffes zum Ausdruck kommen (BGH, Urt. v. 21.11.1980 – I ZR 106/78, GRUR 1981, 352, 353 – Staatsexamensarbeit; Urt. v. 27.2.1981 – I ZR 29/79, GRUR 1981, 520, 521 – Fragensammlung; BGHZ 116, 136, 144 – Leitsätze). Es besteht kein Anlaß, die urheberrechtliche Qualität von Zeitungsbeiträgen von vornherein in Zweifel zu ziehen, auch nicht, soweit diese als wissenschaftliche Schriftwerke bezeichnet werden könnten, deren schöpferischer Eigentümlichkeitsgrad vornehmlich in der Form und der Art der Sammlung und Anordnung des dargebotenen Stoffes zu bemessen ist (BGH aaO – Staatsexamensarbeit; Urt. v. 17.4.1986 – I ZR 213/83, GRUR 1986, 739, 741 – Anwaltsschriftsatz; Urt. v. 12.7.1990 – I ZR 16/89, GRUR 1991, 130, 132 – Themenkatalog; Urt. v. 10.10.1991 – I ZR 147/89, GRUR 1993, 34, 36 – Bedienungsanweisung). Zudem enthält erfahrungsgemäß eine Vielzahl von – auch wissenschaftlichen – Beiträgen in Wirtschaftszeitungen tabellarische Darstellungen wissenschaftlicher und technischer Art im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG, an deren urheberrechtliche Qualität nach gefestigter Rechtsprechung keine hohen Anforderungen gestellt werden (BGH. Urt. v. 10.5.1984 – I ZR 85/82, GRUR 1985, 129, 130 – Elektrodenfabrik; Urt. v. 28.2.1991 – I ZR 88/89, GRUR 1991, 529, 530 – Explosionszeichnungen). Auch der Gesetzgeber geht in § 49 UrhG von der grundsätzlichen Werkqualität von Beiträgen in Zeitungen aus, indem er beispielsweise die Vervielfältigung und Verbreitung einzelner, etwa wirtschaftliche Tagesfragen betreffender Artikel aus Zeitungen in anderen entsprechenden Printmedien für zulässig erklärt, wenn sie nicht mit dem Vorbehalt der Rechte versehen sind.
Die materiell-rechtliche Prüfung des hier maßgeblichen urheberrechtlichen Tatbestandes setzt deshalb auch nicht die Kenntnis eines jeden einzelnen Beitrags voraus. Anders kann es sich verhalten – nur insoweit ist der Revisionserwiderung beizutreten –, wenn ein urheberrechtlicher Schutz, wie beispielsweise bei Leitsätzen zu gerichtlichen Entscheidungen, von Gesetzes wegen nicht in der Regel, sondern nur ausnahmsweise in Betracht kommen sollte (vgl. BGHZ – Leitsätze aaO). Das ist hier – wie den in dem zweiten Hilfsantrag wörtlich aufgenommenen Beiträgen zu entnehmen ist – nicht der Fall. Lediglich schlichte Nachrichten oder Mitteilungen tatsächlichen Inhalts (z. B. über aus Agenturmeldungen übernommene Tagesneuigkeiten oder über Personalveränderungen in Unternehmen) würden, sofern sie gelegentlich in das „Zettelkasten-Archiv” aufgenommen werden sollten, von vornherein herausfallen.
3. Die Ansicht des Berufungsgerichts, das Vervielfältigungsrecht an den in den Publikationsorganen der Klägerin erschienenen Artikeln werde durch die Beklagte nicht verletzt, weil diese im Rahmen des Privilegierungstatbestands des § 53 Abs. 2 Nr. 4 a UrhG handele, ist indessen nicht frei von Rechtsfehlern.
Der festgestellte Sachverhalt trägt nicht die vom Berufungsgericht gezogene rechtliche Folgerung, die Vervielfältigungs- und Verbreitungshandlungen der Beklagten seien deshalb rechtlich zulässig, weil der Empfänger die Kopien der einzelnen Beiträge zu eigenem Gebrauch verwende und diese durch die Beklagte lediglich herstellen lasse. Die Beurteilung des Berufungsgerichts verkennt die Grenzen des Privilegierungstatbestandes des § 53 UrhG.
Die Beklagte greift in das urheberrechtliche Vervielfältigungs- und Verbreitungsrecht ein, weil ihr weder bei der Herstellung der Kopien für ihr Archiv, das sie auch außenstehenden Dritten als Informationsquelle anbietet, noch bei der Fertigung von Kopien der in ihrem „Zettelkasten” im Original als Zeitungsausschnitt enthaltenen Artikel eine Privilegierung nach dem Urheberrechtsgesetz zusteht.
Auf die Schrankenbestimmung des § 53 Abs. 1 UrhG vermag die Beklagte sich nicht zu berufen. Die darin angesprochene Vervielfältigung zum privaten Gebrauch bezeichnet die Verwendung zum persönlichen Gebrauch, wie er lediglich bei natürlichen Personen gegeben sein kann. Bei juristischen Personen kommt nur eine Privilegierung des sonstigen eigenen Gebrauchs in Betracht, der in § 53 Abs. 2 UrhG geregelt ist (BGH, Urt. v. 14.4.1978 – I ZR 111/76, GRUR 1978, 474, 475 – Vervielfältigungsstücke). Dessen Voraussetzungen sind bei den beanstandeten Nutzungshandlungen der Beklagten nicht gegeben.
a) Schon soweit die Beklagte Kopien für ihr als „Zettelkasten” – eine Datenbank im Sinne der Richtlinie 96/9/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 1996 über den rechtlichen Schutz von Datenbanken, ABl. Nr. L 77 vom 27. März 1996, S. 20 ff., Art. 1 Abs. 2 Datenbank-Richtlinie (Ullmann, Festschrift für Brandner, 1996, S. 507, 508 Fn. 2) – bezeichnetes Archiv fertigt, verletzt sie entgegen der vom Berufungsgericht vertretenen Ansicht das urheberrechtliche Vervielfältigungsrecht gemäß § 16 Abs. 1, § 53 Abs. 5 UrhG.
aa) Wie das Berufungsgericht als Ergebnis der Beweisaufnahme festgestellt hat, erstellt die Beklagte von Zeitungsartikeln, die sie unter einem weiteren Stichwort erfaßt, Kopien für ihr Archiv. Hierfür steht der Beklagten der Privilegierungstatbestand des § 53 Abs. 2 Nr. 2 UrhG nicht zu, wonach es zulässig ist, Vervielfältigungsstücke zur Aufnahme in ein eigenes Archiv herzustellen. Die Beklagte benutzt zwar für die Vorlage der Vervielfältigung ein eigenes Werkstück. Die Vervielfältigung beschränkt sich jedoch nicht auf den Zweck der Archivierung der Artikel, seit die Beklagte diese im Rahmen ihrer „CB-infobank” zur Nutzung auch außenstehenden Dritten zur Verfügung stellt.
Der Zweck eines Archivs im Sinne des § 53 Abs. 2 Nr. 2 UrhG erschöpft sich in einer unter sachlichen Gesichtspunkten geordneten Sammlung vorhandener Werke zum internen Gebrauch. Der Gesetzgeber hat bei dieser Bestimmung insbesondere diejenigen Fälle vom urheberrechtlichen Erlaubnisvorbehalt freistellen wollen, in denen beispielsweise eine Bibliothek ihre Bestände auf Mikrofilm aufnimmt, um Raum zu sparen oder um die Filme an einem vor Katastrophen sicheren Ort aufzubewahren (Amtl. Begr., BT-Drucks. IV/270, S. 73). Von einer – entsprechend dem Gesetzeswortlaut – „zu diesem Zweck (der Archivierung) gebotenen” Vervielfältigung läßt sich indessen nicht sprechen, wenn die Nutzung des Archivs sich nicht auf den internen Gebrauch beschränkt, sondern archivierte Vervielfältigungsstücke zugleich zur Grundlage einer Nutzung durch außenstehende Dritte gemacht werden. Die Grenzen des privilegierten internen Gebrauchs des Vervielfältigungsstücks sind überschritten, wenn dieses (auch) zur Verwendung durch außenstehende Dritte bestimmt ist (v. Gamm, Urheberrechtsgesetz, § 54 Rdn. 10; Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, § 53 Rdn. 17; Katzenberger, GRUR 1973, 629, 633; Raczinski/Rademacher, GRUR 1989, 324, 327; Flechsig, ZUM 1996, 833, 839, 846; BT-Drucks. 10/837, S. 9; vgl. auch OLG Düsseldorf CR 1996, 728, 730). Eine begünstigte Vervielfältigung zum Zwecke der Archivierung ist bereits dann nicht gegeben, wenn das Vervielfältigungsstück zwar im Betrieb verbleibt, aber mit seiner Hilfe die Vervielfältigungsstücke für Dritte hergestellt werden (Ulmer, GRUR 1971, 297, 301; Raczinski/Rademacher, aaO; Katzenberger, Elektronische Printmedien und Urheberrecht. AfP-Praxisreihe, 1996, S. 53 – Rechtsgutachten –; Loewenheim, Urheberrechtliche Grenzen der Verwendung geschützter Dokumente in Datenbanken, AfP-Praxisreihe [1994], S. 64 – Rechtsgutachten –). Für die Zulässigkeit der Vervielfältigung im Rahmen des § 53 Abs. 2 Nr. 2 UrhG kommt es entscheidend auf den gebotenen Zweck der Archivierung an. Nur wenn die Sammlung und Erschließung des Materials ausschließlich der Bestandssicherung und der betriebsinternen Nutzung dient, wird eine hierzu vorgenommene Vervielfältigung von der gesetzlichen Schrankenbestimmung erfaßt. So verhält es sich hier indessen nicht.
Der vom Berufungsgericht – unter einem anderen rechtlichen Blickwinkel – angestellten Erwägung, die Fertigung eines Vervielfältigungsstücks für das Archiv der Beklagten sei schon deshalb nicht zu beanstanden, weil diese auch für die Archivierung eines Artikels unter einem zweiten Stichwort eine weitere Zeitung gerade eben zu diesem Zweck kaufe und damit die Urhebervergütung bezahle, kann nicht beigetreten werden. Es mag in Einzelfällen eine, wie das Berufungsgericht es ausdrückt, „reine Förmelei” sein, das Kopieren eines Artikels als einen Eingriff in das Vervielfältigungsrecht des Urhebers anzusehen, wenn damit keine weitere Beeinträchtigung des Urheberrechts verbunden ist, etwa wenn mit der Kopie das erworbene Werkstück – zur besseren Lesbarkeit – „ersetzt” wird. Ein solcher Gedanke kommt beispielsweise in § 53 Abs. 5 Satz 2 UrhG zum Ausdruck, wonach vom Verbot der Verbreitung (zulässig) vervielfältigter Werkstücke dann eine Ausnahme gemacht wird, wenn die Vervielfältigungsstücke kleine beschädigte oder abhandengekommene Teile ersetzen. Der Streitfall gibt für eine dahingehende Betrachtung aber keinen Anlaß. Es besteht kein rechtfertigender Grund für die Fertigung einer Kopie. Das Vorgehen der Beklagten mag arbeitsrationell sein; das Kopieren eines ausgeschnittenen und aufgeklebten Zeitungsausschnitts erfordert weniger Zeitaufwand als die Wiederholung dieses Arbeitsvorgangs. Für die urheberrechtliche Betrachtung ist es indessen unerheblich, ob das Verhalten des Werknutzers, aus welchen Gründen auch immer, wirtschaftlich vernünftig erscheint.
Auch vermag sich dieser zur Rechtfertigung seines Verhaltens gegenüber dem Verbotsanspruch des Urhebers nicht mit Erfolg darauf zu berufen, zum Ausgleich der wirtschaftlichen Interessen des Urhebers bereits alles getan zu haben. Es steht nämlich allein in der Macht des Inhabers des ausschließlichen Nutzungsrechts, ob, wie und wem er die Nutzung des Werks überlassen möchte.
bb) Im Ergebnis gilt nichts anderes, soweit die Beklagte bei ihrer Kopiertätigkeit im Rahmen ihres „CB-infobank”-Dienstes auf Vervielfältigungen zurückgreifen sollte, die sie – wie vorgetragen – ursprünglich allein zur betriebsinternen Nutzung in das Archiv aufgenommen und demnach in einer gemäß § 53 Abs. 2 Nr. 2 UrhG privilegierten Weise gefertigt hatte. Das Verbot der Vervielfältigung und Verbreitung kopierter Beiträge findet in diesem Fall seine Grundlage in § 53 Abs. 5 UrhG. Danach dürfen Vervielfältigungsstücke, welche zulässigerweise im Rahmen der Privilegierungstatbestände des § 53 Abs. 1 und 2 UrhG hergestellt wurden, nicht verbreitet werden. Die zum persönlichen Gebrauch gefertigten Vervielfältigungsstücke dürfen weder verbreitet noch zur öffentlichen Wiedergabe benutzt werden.
Das Verbotsrecht des § 53 Abs. 5 UrhG dient der Wahrung des Vervielfältigungsrechts (Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht, 3. Aufl., S. 301 zu § 53 Abs. 3 UrhG a.F., der § 53 Abs. 5 Satz 1 UrhG entspricht). Es trägt der Tatsache Rechnung, daß das Vervielfältigungsrecht des Urhebers durch § 53 Abs. 1 und 2 UrhG nur für die Zwecke des persönlichen Gebrauchs eingeschränkt wird. Den Vervielfältigungsstücken ist diese zweckgebundene Beschränkung immanent, was zugleich bedeutet, daß deren (spätere) Verwertung zu anderen Zwecken eine Urheberrechtsverletzung darstellt (Ulmer, aaO).
Bereits das in dem Informationsschreiben der Beklagten enthaltene Angebot, ihren Wirtschaftsinformationsdienst auch auf die zunächst nur für das Archiv zum internen Gebrauch (kopierten) Artikel zu erstrecken – „die hauseigenen Studien und Veröffentlichungen hinzuzuziehen” –, hebt die privilegierende Zweckbindung auf und löst den im Vervielfältigungsrecht (§ 16 UrhG) begründeten Verbotsanspruch aus. Auf das Recht zur Verbreitung (§ 17 UrhG) ist zur Begründung des Verbotsanspruchs aus § 53 Abs. 5 UrhG nicht zurückzugreifen (Ulmer, aaO). Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts spielt es deshalb keine Rolle, daß das vom Kunden angeforderte Vervielfältigungsstück als solches zum Zeitpunkt des Angebots der Dienstleistung der Beklagten nicht vorrätig gehalten wird, sondern erst auf Wunsch gefertigt wird.
b) Auch soweit die Beklagte im Rahmen ihres Kundendienstes auf die als Zeitungsausschnitte im Original archivierten Werkstücke zur Fertigung von Kopien zurückgreift, verletzt sie fremde Urheberrechte. Die im Rahmen des Dienstleistungsangebots „CB-infobank” der Beklagten vorgenommenen Vervielfältigungen haben nicht teil an dem gesetzlichen Privileg des § 53 Abs. 2 Nr. 4 a UrhG, welches dem Nutzer auch dann zukommen kann, wenn er die Vervielfältigungsstücke nicht selbst herstellt, sondern, was nach § 53 Abs. 1 und 2 UrhG zulässig ist, durch einen Dritten herstellen läßt.
aa) Das Berufungsgericht hat im Ausgangspunkt zutreffend angenommen, daß die Anwendung der Schrankenbestimmung des § 53 Abs. 2 Nr. 4 a UrhG es nicht erfordert, daß der privilegierte Nutzer ein eigenes Werkstück als Vorlage für die Vervielfältigung verwendet. Lediglich für den Zweck der erlaubnisfreien Archivierung (§ 53 Abs. 2 Nr. 2 UrhG) fordert das Gesetz, daß ein eigenes Werkstück für die Vervielfältigung genutzt wird. Hieraus ergibt sich im Umkehrschluß, daß § 53 Abs. 2 Nr. 4 a UrhG – wie auch die übrigen Privilegierungstatbestände des § 53 UrhG – nicht daran scheitern, daß ein fremdes Werkstück vervielfältigt wird (Stintzing, GRUR 1994, 871, 878).
bb) Eine Kopiertätigkeit, die von einem anderen als dem privilegierten Nutzer im Sinne des § 53 Abs. 1 und 2 UrhG vorgenommen wird, ist urheberrechtlich als Vervielfältigungshandlung nur zulässig, soweit sie sich auf den technisch maschinellen Vorgang der Vervielfältigung beschränkt. Die von der Beklagten angebotene Dienstleistung, die im Rahmen einer Rechercheanfrage ermittelten Beiträge dem Kunden in Kopie zu überlassen, hat nicht teil an dem Privilegierungstatbestand des § 53 Abs. 2 Nr. 4 a UrhG, der einem (auch gewerblichen) Nutzer zukommen kann, welcher zum sonstigen eigenen Gebrauch einzelne Beiträge, die in Zeitungen oder Zeitschriften erschienen sind, vervielfältigt oder vervielfältigen läßt. Die Freistellung vom urheberrechtlichen Verwertungsverbot nach § 53 Abs. 2 Nr. 4 a UrhG orientiert sich – wie auch die sonstigen Privilegierungstatbestände des § 53 Abs. 1 und 2 UrhG – an den Bedürfnissen des Nutzers der Vervielfältigungsstücke. Die freigestellte Nutzung muß sich innerhalb des gesetzlich festgelegten engen Rahmens halten.
Hieraus folgt zugleich, daß die Vervielfältigungshandlung, soweit sie im Auftrag des privilegierten Nutzers vorgenommen wird, urheberrechtlich allein im Rahmen des beschränkten Nutzungszwecks des privilegierenden Tatbestands freigestellt ist. Die privilegierte Vervielfältigungshandlung selbst bleibt ein zweckgebundener technischer Vorgang, auch soweit der berechtigte Nutzer sie durch einen Dritten vornehmen läßt. Der mit der Herstellung des Vervielfältigungsstücks beauftragte Dritte tritt an die Stelle des Vervielfältigungsgeräts des privilegierten Nutzers. Nur soweit er seine Tätigkeit auf die technisch mechanische Vervielfältigung beschränkt, hat er als „notwendiges Werkzeug” teil an der gesetzlichen Freistellung. Das Verhalten des Dritten muß sich dabei im Rahmen einer konkreten Anweisung zur Herstellung eines bestimmten Vervielfältigungsstücks für den vom Gesetz begünstigten Nutzer halten, um an dessen Privilegierung teilhaben zu können.
Dahin ging auch die Vorstellung des Gesetzgebers des Jahres 1965. Nach dessen Willen sollte das „Herstellenlassen” durch Dritte nämlich deshalb erlaubt sein, weil sonst diejenigen Personen, welche sich die Anschaffung eines Vervielfältigungsgeräts nicht leisten könnten, benachteiligt würden; aus diesem Grund seien auch gewerbliche Kopierunternehmen berechtigt, auf Bestellung diese Vervielfältigungen vorzunehmen (BT-Drucks. IV/270, S. 74). Der Senat teilt nicht die Ansicht der Revisionserwiderung, die Äußerung des Gesetzgebers aus dem Jahre 1965 sei unbeachtlich, weil dieser bei der Novellierung des Urheberrechtsgesetzes im Jahre 1985 die Schrankenbestimmung des § 53 Abs. 1 und 2 UrhG ohne eine sachliche Änderung im wesentlichen beibehalten habe, obschon bereits damals nicht nur der Kopienversand durch Bibliotheken, sondern auch durch Informationsdienste bekannt und zudem absehbar gewesen sei, daß das Informationsbedürfnis der Allgemeinheit weiterwachsen werde. Aus dem Umstand, daß der Gesetzgeber eine nach Ansicht der Revisionserwiderung im Jahre 1985 gegebene Kopiertätigkeit im Rahmen von Informationsdiensten nicht zum Anlaß genommen habe, die Privilegierung durch eine Änderung des Gesetzes einzuschränken, kann nicht hergeleitet werden, dieser habe eine Kopiertätigkeit in dem hier streitigen Rahmen bewußt geduldet. Der Gesetzgeber des Jahres 1985 hatte lediglich festgestellt, daß die Zahl der urheberrechtlich bedeutsamen Vervielfältigungen weit über das hinausgehe, was der Gesetzgeber vergütungsfrei habe zulassen wollen (BT-Drucks. 10/837, S. 10). Er hat deshalb die Vergütungsregelung des § 54 (a.F.) UrhG geschaffen, um den Urheber wirtschaftlich angemessen an der neuen und gesteigerten Nutzung teilhaben zu lassen. Im übrigen jedoch heißt es in der Amtlichen Begründung zur Urheberrechtsnovelle 1985, daß für die Berechtigung zur Vervielfältigung „im wesentlichen am geltenden Recht” festgehalten werde (BT-Drucks. 10/837, S. 11 unter I 4).
Dem von der Revisionserwiderung hervorgehobenen Anliegen des Gesetzgebers „ein gut ausgebautes, schnell funktionierendes und wirtschaftlich arbeitendes Informationswesen” zu gewährleisten (BT-Drucks. 10/837, S. 20), steht die Wahrung der Urheberrechte im hier streitigen Umfang nicht entgegen. Die Betrachtung der Revisionserwiderung hebt einseitig auf ein Interesse der Allgemeinheit an frei zugänglicher Information ab und vernachlässigt die urheberrechtlichen Interessen. § 53 UrhG stellt nur in einem eng begrenzten Rahmen den Nutzer urheberrechtlich geschützter Werke von der Ausschließlichkeit des Urheberrechts des Werkschaffenden frei. § 53 UrhG ist eine Ausnahmevorschrift zu den §§ 15 ff. UrhG und als solche innerhalb des 6. Abschnitts des ersten Teils des Urheberrechtsgesetzes „Schranken des Urheberrechts” angesiedelt. Diese Vorschrift trägt zunächst der Tatsache Rechnung, daß ein Verbot von Vervielfältigungen im privaten Bereich praktisch kaum durchsetzbar ist. Zudem berücksichtigt sie, daß der Urheber mit seinem immateriellen geistigen Eigentum in die Sozialpflichtigkeit der Eigentumsordnung gemäß Art. 14 Abs. 1 GG eingebunden ist (BVerfGE 31, 229, 241 f.; 79, 1, 25). Das Interesse der Allgemeinheit, im Rahmen der Entwicklung der modernen Industriegesellschaft, zu vorhandenen Informationen und Dokumentationen einen unkomplizierten Zugang haben zu müssen, spielt dabei eine gewichtige Rolle. Die Angemessenheit der vom Gesetzgeber zum Ausgleich der widerstreitenden Interessen gefundenen Regelung, einzelne Verwertungshandlungen von der urheberrechtlichen Erlaubnis freizustellen (§ 53 UrhG), sie zugleich aber einer an die Nutzung der Geräte zur Vervielfältigung verknüpften Vergütungspflicht zu unterwerfen (§§ 54, 54 a bis h UrhG), darf indessen nicht durch eine ausdehnende Auslegung des Privilegierungstatbestands aufgehoben werden. Die zugelassene Vervielfältigung darf weder die normale Auswertung des Werks noch die berechtigten Interessen des Urhebers unzumutbar beeinträchtigen (Art. 9 Abs. 2 RBÜ – Pariser Fassung).
Das Verständnis der privilegierenden Norm hat sich somit vor allem an den technischen Gegebenheiten der Information im Zeitpunkt der Einführung des Privilegierungstatbestands zu orientieren (vgl. BGHZ 17, 266, 282 – Grundig-Reporter).
Der Gesetzgeber selbst hat bei der Begründung der Privilegierungstatbestände des § 53 UrhG und der Gerätevergütung nach § 54 UrhG keinen Zweifel daran gelassen, daß die zur persönlichen Nutzung geschaffene Vergünstigung nicht jede neue Nutzungsmöglichkeit zulasse, es sei vielmehr zu bedenken, daß ein Festhalten an bisherigen Regelungen zur teilweisen Aushöhlung des Urheberrechts führen könne (BT-Drucks. IV/270, S. 31 f.; BT-Drucks. 10/837, S. 9 ff.; auch Bericht der Bundesregierung über die Auswirkungen der Urheberrechtsnovellen, 1985, BT-Drucks. 11/4929, S. 5; BT-Drucks. 11/5958, S. 4).
Nicht nur die historische Betrachtung des Regelungsgehalts von § 53 UrhG, sondern auch dessen systematische Stellung als Ausnahmevorschrift innerhalb des 6. Abschnitts des ersten Teils des Urheberrechtsgesetzes „Schranken des Urheberrechts” grenzen die Reichweite der Erlaubnisfreiheit der Nutzung der urheberrechtlich geschützten Werke ein. Diese Bestimmung ist als Ausnahme vom Verbot der ungenehmigten Vervielfältigung und Verbreitung grundsätzlich – wie alle auf der Sozialbindung des Urheberrechts als geistigen Eigentums beruhenden Schranken der §§ 45 ff. UrhG – eng auszulegen (BGHZ 87, 126, 129 – Zoll- und Finanzschulen; 114, 368, 371 – Liedersammlung).
cc) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts geht das Verhalten der Beklagten über die mechanische Tätigkeit des Kopierens für einen (privilegierten) Nutzer hinaus. Die Dienstleistung der Beklagten beschränkt sich nicht auf eine Kopiertätigkeit. Die Beklagte bietet mit ihrer „CB-infobank” vielmehr themenbezogene Recherchen mit Kopierdienst in einem Servicepaket an. Sie überschreitet damit den gesetzlich zugelassenen Rahmen, der einer Hilfsperson bei der Vervielfältigung von Werkstücken für einen privilegierten Nutzer zugute kommen kann.
Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Recherche und die Kopiertätigkeit der Beklagten beruhten auf zwei selbständigen Aufträgen, welcher jeder für sich und damit auch in der Summe urheberrechtlich irrelevant sei, wird den tatsächlichen Gegebenheiten nicht gerecht. Die Revision weist zu Recht darauf hin, daß sich schon aus dem Formular für den Rechercheauftrag mit aller Deutlichkeit ergibt, daß Kopien nicht etwa deshalb hergestellt werden, weil der Kunde diese einzeln und gezielt in Auftrag gebe. Der Auftrag zur Vervielfältigung ist mit dem Erfolg der Recherche vielmehr untrennbar verknüpft. Dabei macht es keinen Unterschied, ob der Kunde den Wunsch, die recherchierten Artikel zu kopieren, schon von vornherein oder erst im Anschluß an die Recherche erteilt. Die Beklagte bietet die Fertigung von Kopien nicht ohne die Dienste der Recherche an. Die Vervielfältigung im Recherchedienst der Beklagten – nur darauf richtet sich der Klageantrag – geht, auch wenn die Recherche selbst urheberrechtlich nicht relevant ist, damit über das hinaus, was der Gesetzgeber als Herstellenlassen einzelner Kopierstücke im Rahmen des § 53 Abs. 1 oder Abs. 2 UrhG zugelassen hat. Denn sie erschließt eine urheberrechtsrelevante Nutzung in einem Ausmaß und einer Intensität, die sich mit den eine Privilegierung rechtfertigenden Erwägungen nicht mehr vereinbaren läßt.
Für diese Beurteilung bedarf es nicht der Erwägung der Revision, auch bei einem Kopierwunsch des Kunden entscheide allein die Beklagte darüber, welche Artikel kopiert werden sollten. Ebensowenig spielt es – anders als das Berufungsgericht anzunehmen scheint – für die rechtliche Bewertung der streitigen Vervielfältigungshandlung eine Rolle, ob die Fertigung der Vervielfältigungsstücke zu einem „eigenen erwerbswirtschaftlichen Gebrauch” der Beklagten erfolgt. Die Entgeltlichkeit der Kopiertätigkeit allein steht einer Privilegierung aus § 53 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 und Abs. 2 UrhG nicht entgegen (vgl. BGH, Urt. v. 21.11.1991 – I ZR 190/89, GRUR 1992, 382, 386 – Leitsätze, insoweit nicht in BGHZ 116, 136). Das ergibt die Systematik des Gesetzes. § 53 Abs. 1 Halbs. 2 UrhG macht die Privilegierung der Vervielfältigung nur bei einzelnen, hier nicht in Betracht kommenden Werkgattungen davon abhängig, daß sie unentgeltlich vorgenommen wird. Das bedeutet zugleich, daß aus einer Unentgeltlichkeit des Kopiervorgangs nicht schon auf die urheberrechtliche Unbedenklichkeit geschlossen werden darf. Die Erwägung, ob die beanstandete Verwertungshandlung gewerblichen Zwecken dient oder nicht, ist der urheberrechtlichen Betrachtung zudem grundsätzlich fremd und nur in den im Gesetz ausdrücklich geregelten Fällen anzustellen (vgl. z. B. § 17 Abs. 3, § 52 Abs. 1 UrhG). Folglich kann umgekehrt eine Privilegierung der Tätigkeit der Beklagten nicht damit begründet werden, diese fertige die Kopien ohne erwerbswirtschaftliche Absichten.
Auch der von der Revisionserwiderung aufgegriffene Gedanke des Berufungsgerichts, die Beklagte verhalte sich nicht anders als Bibliotheken, deren Kopierdienst nach allgemeiner Ansicht privilegiert sei, vermag eine Freistellung vom geltend gemachten Vervielfältigungsverbot nicht zu tragen. Zunächst ist festzuhalten, daß die beanstandete Tätigkeit der Beklagten im Rahmen ihres Informationsdienstes weiter reicht als der Versand von Kopien von Zeitschriftenartikeln durch die Bibliotheken, welche der Gesetzgeber des Jahres 1965 in dem damals vorhandenen Ausmaß für zulässig erachtet hatte. Zudem ist zu bemerken, daß dem Gesetz kein Rechtssatz zu entnehmen ist, daß Bibliotheken, wenn sie über einen reinen Kopierdienst Informationsdienstleistungen etwa im streitgegenständlichen Umfang erbringen sollten, vom urheberrechtlichen Verwertungsrecht freigestellt seien (vgl. zu den Grenzen des Bibliotheksprivilegs z. B. Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht, 3. Aufl., S. 300 f.; Katzenberger, GRUR 1973, 629, 634 f.; Raczinski/Rademacher, GRUR 1989, 324, 328; Pannier, Festschrift Havekost [1995], S. 345, 351 f., 354; Loewenheim, aaO S. 58 Fn. 246). Der Umfang der Freistellung der Bibliotheken vom Verwertungsrecht des Urhebers ist nämlich wesentlich von den tatsächlichen Gegebenheiten abhängig und bedarf hier keiner Festlegung. Wie bereits ausgeführt, hat der Gesetzgeber selbst bei der Begründung der Privilegierungstatbestände des § 53 UrhG und der Vergütungsregelung nach § 54 UrhG keinen Zweifel daran gelassen, daß die zur persönlichen Nutzung geschaffene Vergünstigung nicht jede neue Nutzungsmöglichkeit zulasse, vielmehr der Gefahr der Aushöhlung des Urheberrechts begegnet werden müsse. Die Erwägung der Revisionserwiderung, die angegriffene Tätigkeit der Beklagten, welche – wie dargelegt – außerhalb der Schrankenbestimmung des § 53 Abs. 2 Nr. 4 a UrhG liegt, sei schon deshalb als gerechtfertigt anzusehen, weil sie nicht über die Tätigkeit von Bibliotheken hinausreiche, ist rechtlich nicht zutreffend. Sie erstreckt nämlich auf einen festgestellten Sachverhalt eine rechtliche Wertung, deren Richtigkeit in Anbetracht der Unklarheit des verglichenen Sachverhalts noch offen ist. Bei dieser Sachlage vermag sich die Beklagte also nicht mit Erfolg auf das Gebot der Gleichbehandlung in der Rechtsanwendung (Art. 3 Abs. 1 GG) zu berufen.
III. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, das weitere Feststellungen zur Nutzungsberechtigung der Klägerin zu treffen hat.
Entgegen der Ansicht der Revision vermag § 1 UWG das begehrte Unterlassungsgebot nicht zu tragen. Die Anwendung des § 1 UWG ist neben den sondergesetzlichen Regelungen des Urheberrechtsgesetzes zwar grundsätzlich nicht ausgeschlossen. Es müssen allerdings besondere, außerhalb der Sonderschutztatbestände des Urheberrechtsgesetzes liegende Umstände hinzutreten, welche die beanstandete Handlung als unlauter im Sinne des § 1 UWG erscheinen lassen (BGHZ 44, 288, 295 f. – Apfel-Madonna; BGH, Urt. v. 20.11.1986 – I ZR 188/84, GRUR 1987, 814, 816 – Die Zauberflöte; Urt. v. 21.11.1991 – I ZR 190/89, GRUR 1992, 382, 386 – Leitsätze). Solche hat das Berufungsgericht in verfahrensrechtlich nicht zu beanstandender Weise indessen nicht für gegeben erachtet.
Unterschriften
Erdmann, Ullmann, Starck, Bornkamm, Pokrant
Fundstellen
Haufe-Index 884730 |
BGHZ |
BGHZ, 251 |
NJW 1997, 1363 |
NWB 1997, 334 |
GRUR 1997, 459 |
Nachschlagewerk BGH |
ZIP 1997, 749 |
AfP 1997, 624 |
JZ 1997, 791 |
MDR 1997, 870 |
Kröger / Hanken 2003 2003, 357 |