Entscheidungsstichwort (Thema)
Diebstahl
Tenor
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 13. April 2000 wird verworfen.
Die Kosten der Revision und die dem Angeklagten durch dieses Rechtsmittel entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.
Von Rechts wegen
Gründe
Die Strafkammer hat den Angeklagten wegen gemeinschaftlichen Diebstahls zu sechs Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Die Revision der Staatsanwaltschaft ist nach Maßgabe ihrer Begründung (vgl. BGHR StPO § 344 Abs. 1 Antrag 3) auf die Nichtanordnung von Sicherungsverwahrung beschränkt. Das auf die Sachrüge gestützte Rechtsmittel bleibt erfolglos.
1. Folgendes ist festgestellt:
Der insbesondere wegen Vermögensdelikten und Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz erheblich vorbestrafte Angeklagte war am 23. Dezember 1994 aus vorläufiger Unterbringung im Bezirkskrankenhaus entwichen. Um seinen Lebensunterhalt und seinen Drogenkonsum bestreiten zu können, führte er am 12. Februar 1995 gemeinsam mit zwei Mittätern einen von ihm geplanten und organisierten Einbruch in ein Schloß aus, wobei ihnen 258 Kunstgegenstände im Gesamtwert von über 1,1 Millionen DM in die Hände fielen. Die Erwartungen des Angeklagten hinsichtlich des aus der Beute zu erzielenden Erlöses erfüllten sich nur in geringem Umfang. Über 160 Einzelstücke konnten wieder sichergestellt werden, der überwiegende Teil davon war an verdeckt ermittelnde Polizeibeamte verkauft worden.
Am 21. März 1995 wurde der Angeklagte festgenommen; er konnte aber schon am 28. April 1995 wieder fliehen.
Am 3. Juli 1995 kam es zu einem weiteren (hier nicht abgeurteilten) Einbruch in Frankfurt, bei dem dem Angeklagten und seinem Mittäter Kupferstiche und alte Waffen in die Hände fielen; aus dieser Tat erzielte der Angeklagte letztlich 400 DM.
In der Folgezeit war der Angeklagte zunächst in Frankfurt (in Schwarzarbeit) für eine Gebäudereinigungsfirma, dann als Polier in Berlin tätig. Nach etwa sechs Monaten machte er sich dort unter falschem Namen selbständig. Er war z. B. für eine Wohnungsbaugesellschaft und den Denkmalschutz tätig, entfernte Graffiti und führte Kleintransporte und Umzüge durch. Zu Verurteilungen ist es seither nicht mehr gekommen. Allerdings konsumierte der Angeklagte in der gesamten Zeit Drogen, die er aus seinen beruflichen Einnahmen finanzierte. Als er schließlich im Februar 1998 festgenommen wurde, befanden sich 400 g Amphetamin in seinem Besitz, die zum Eigenverbrauch bestimmt waren. Nach seiner Festnahme gelang es dem Angeklagten zunächst noch, in der Haftanstalt sein Bedürfnis nach Rauschgift zu befriedigen, wie mehrere positive Drogenscreenings belegen. Im letzten halben Jahr vor der Hauptverhandlung waren jedoch wiederholte weitere Drogenproben negativ; außerdem hat sich der Angeklagte einer „Drogengruppe” angeschlossen.
2. Wie die Strafkammer zutreffend ausführt, liegen die formellen Voraussetzungen von § 66 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 StGB vor. Die Strafkammer konnte aber nicht die Überzeugung gewinnen, daß der Angeklagte zum maßgeblichen Zeitpunkt der Hauptverhandlung (st. Rspr., vgl. d. N. bei Lackner/Kühl StGB 23. Aufl. § 66 Rdn. 15) gefährlich i.S.d. § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB war. Diese Entscheidung des Tatrichters ist (wie jede Prognose) vom Revisionsgericht nur in begrenztem Umfang nachprüfbar (BGH StV 1981, 621; Urteil vom 20. Juli 1995 – 1 StR 295/95; Lackner/Kühl aaO Rdn. 17).
Ein durchgreifender Rechtsfehler liegt nicht vor:
a) Allerdings bestehen, wie der Generalbundesanwalt in seinem Terminsantrag vom 11. Oktober 2000 im einzelnen zutreffend ausgeführt hat, gegen die Würdigung früherer Verurteilungen Bedenken. So ist etwa nicht ersichtlich, wieso es gegen die Bewertung früherer, noch nach Jugendrecht erfolgter Verurteilungen als Symptomtaten sprechen könnte, daß sich der Angeklagte bei den damals abgeurteilten Einbrüchen den Anweisungen eines Mittäters untergeordnet hatte, während er bei der hier abgeurteilten Tat Initiator und Organisator war. Ebenso wenig spricht es gegen die Gefährlichkeit des Angeklagten, daß es einmal deshalb bei einem versuchten Einbruch mit geringem Sachschaden blieb, weil der Angeklagte noch am Tatort festgenommen werden konnte. Auch daraus, daß von den zahlreichen Vorverurteilungen des Angeklagten nur eine wegen schwerer räuberischer Erpressung erfolgte, können sich keine für den Angeklagten günstigen Gesichtspunkte ergeben.
b) Trotzdem hat das Urteil im Ergebnis Bestand. Die Strafkammer stellt im Ergebnis wesentlich darauf ab, daß es nicht mehr zu Taten kam, die für eine fortdauernde Gefährlichkeit des Angeklagten i. S. d. § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB sprechen würden, nachdem es ihm gelungen war, im Arbeitsleben Fuß zu fassen. Dies ist ein rechtlich zutreffender Ansatz. Änderungen der Lebensverhältnisse zwischen Tatbegehung und Urteil können dazu führen, daß der Täter nicht mehr als gefährlich anzusehen ist (Hanack in LK 11. Aufl. § 66 Rdn. 150a m. w. N. in Fußnote 114). Die entsprechende Annahme der Strafkammer knüpft an tatsächliche Feststellungen an. Rechtsfehler in diesem Zusammenhang sind nicht ersichtlich:
aa) Es liegt zwar nahe, daß es im Zusammenhang mit Schwarzarbeit und selbständiger Tätigkeit unter falschem Namen zu Straftaten wie etwa der Hinterziehung von Steuern und Sozialabgaben gekommen ist. Allein hieraus ergibt sich hier jedoch nichts, was für eine fortdauernde Gefährlichkeit des Angeklagten i. S. d. § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB sprechen könnte. Entsprechende Erörterungen durch die Strafkammer waren nicht geboten.
bb) Allerdings war der Angeklagte bei seiner Festnahme im Besitz von 400 g Amphetamin, das nach den den Senat bindenden Feststellungen der Strafkammer zum Eigenverbrauch bestimmt war. Der Besitz von Rauschgift in nicht geringer Menge (zur nicht geringen Menge von Amphetamin vgl. BGHSt 33, 169; Körner BtMG 4. Aufl. § 29a Rdnrn. 60, 61, 88, 89 m. w. N.) erfüllt jedoch auch dann den Verbrechenstatbestand von § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, wenn sie zum Eigenverbrauch bestimmt ist (Körner aaO Rdn. 34 m. w. N.). Der Senat braucht aber der Frage nicht nachzugehen, wie es sich auf die Beurteilung der Gefährlichkeit des Angeklagten auswirken würde, wenn auch künftig mit derartigen Delikten zu rechnen wäre. Die Strafkammer hat nämlich festgestellt, daß sich der Angeklagte vom Rauschgiftkonsum gelöst hat. Sie stützt dies auf die genannten Feststellungen zur Änderung des Verhaltens des Angeklagten während seiner gegenwärtigen Inhaftierung. Dies sind konkrete, vom Tatrichter zu gewichtende Umstände und nicht lediglich bloße Vermutungen über die künftige Entwicklung.
3. Nach alledem ist die Annahme der Strafkammer, der Angeklagte sei nicht mehr als gefährlich i. S. d. § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB anzusehen, möglich und daher vom Revisionsgericht hinzunehmen.
Unterschriften
Schäfer, Wahl, Schluckebier, Kolz, Schaal
Fundstellen
Haufe-Index 547351 |
StV 2002, 479 |