Verfahrensgang
OLG Stuttgart (Urteil vom 12.11.1965) |
LG Heilbronn (Urteil vom 06.05.1965) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das an Verkündungs Statt am 12. November 1965 zugestellte Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart insoweit aufgehoben, als der Kläger mit seinen Ansprüchen auf Ruhegehalt abgewiesen worden ist.
Die Berufung der Beklagten zu 1 gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Heilbronn a.N. vom 6. Mai 1965 wird zurückgewiesen, soweit sie zur Zahlung von monatlich 1.377 DM Ruhegehalt seit dem 1. Juli 1964 verurteilt worden ist.
Auf die Berufung des Klägers wird dasselbe Urteil dahin abgeändert, daß die Beklagte zu 2 verurteilt wird, an den Kläger vom 1. Juli 1964 an ein Ruhegehalt von monatlich 91,80 DM zu zahlen, die Rückstände sofort, die künftig fällig werdenden Beträge jeweils am Monatsende.
Im übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsrechtszuges werden zu 1/80 dem Kläger, zu 74/80 der Beklagten zu 1 und zu 5/80 der Beklagten zu 2 auferlegt.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger war seit dem 1. Juli 1957 Vorstandsmitglied der Beklagten zu 1), einer Versicherungs-Aktiengesellschaft, und zugleich Geschäftsführer der Beklagten zu 2), einer GmbH, sowie zweier weiterer Tochterunternehmen der Beklagten zu 1). Nach Ablauf seiner bis zum 31. Dezember 1960 befristeten Bestellung berief ihn der Aufsichtsrat der Beklagten zu 1) für die Zeit vom 1. Januar 1961 bis zum 31. Dezember 1963 erneut zum Vorstandsmitglied. Der Anstellungsvertrag mit der Beklagten zu 1) billigte dem Kläger neben Gehalt und Tantieme ein Ruhegehalt zu folgenden Bedingungen zu:
„Der Anspruch auf das Ruhegehalt entsteht mit der Beendigung des Dienstverhältnisses. Der Anspruch entfällt, wenn die Losung des Dienstverhältnisses seitens der Gesellschaft aus einem von Herrn v. d. P. (Kläger) verschuldeten wichtigen Grunde erfolgt oder wenn Herr v. d. P. seinerseits das Dienstverhältnis ohne wichtigen Grund vor Vollendung seines 65. Lebensjahres löst.
Der entstandene Anspruch wird verwirkt, wenn Herr v. d. P. nach seinem Ausscheiden ohne Zustimmung der Gesellschaft dieser Konkurrenz machen, in ein Konkurrenzgeschäft als Angestellter, Mitglied des Vorstandes oder Aufsichtsrates eintreten oder sonst in einer ihre Interessen verletzenden Weise sich betätigen würde. Dagegen wird er durch eine sonstige geschäftliche Betätigung des Herrn v. d. P. nicht berührt”.
Ein schriftliches Abkommen mit der Beklagten zu 2) regelte das Ruhegehalt des Klägers wie folgt:
„Der Anspruch auf das Ruhegehalt entsteht mit der Beendigung des Dienstverhältnisses, sei es infolge von Krankheit oder hohen Alters. Es tritt unter allen Umstanden mit der Vollendung des 65. Lebensjahres im Dienst der Gesellschaft ein.
Der Anspruch entfällt jedoch, wenn die Lösung des Dienstverhältnisses aus einem von Herrn v. d. P. verschuldeten wichtigen Grund erfolgen würde”.
Die Verwirkung des Anspruchs ist im wesentlichen gleichlautend geregelt wie in dem Vertrag mit der Beklagten zu 1).
Seit Ende 1963 verhandelten der Vorsitzende und der Arbeitsausschuß des Aufsichtsrats der Beklagten zu 1) mit dem Kläger wegen eines neuen Anstellungsvertrags. Mit dem Entwurf eines solchen Vertrags erklärte sich der Kläger „im Prinzip” einverstanden. Im Verlauf der weiteren Verhandlungen ergaben sich jedoch Meinungsverschiedenheiten, die durch die Mitteilung des Klägers ausgelöst wurden, ein Prokurist der Gesellschaft habe bei einem Detektiv eine Auskunft über ihn eingeholt. Über die Frage, was in dieser Angelegenheit zu unternehmen sei, kam es zu keiner Einigung. In einer Sitzung vom 21. April 1964 beschloß der Aufsichtsrat der Beklagten zu 1), den Kläger nur noch für die Zeit vom 1. Januar bis zum 21. April 1964 zum Vorstandsmitglied zu bestellen und im übrigen die Bestellung nicht zu verlängern. Das Dienstverhältnis sollte „zum frühest möglichen Zeitpunkts spätestens zum 30. Juni 1964 gekündigt” und der Kläger „ab sofort beurlaubt” werden. Dieser Beschluß wurde dem Kläger noch am selben Tag mit einem ausdrücklichen Hinweis auf die Kündigung zugestellt. Für den Monat Juni 1964 und die spätere Zeit zahlten die Beklagten an den Kläger keine Bezüge mehr.
Mit seiner Klage verlangt der Kläger (neben der hier nicht interessierenden Tantieme) sein Gehalt für Juni 1964, und zwar von der Beklagten zu 1) in Höhe von 2.700 DM und von der Beklagten zu 2) in Höhe von 180 DM mit Zinsen, ferner seit dem 1. Juli 1964 von der Beklagten zu 1) ein monatliches Ruhegehalt von 1.377 DM und von der Beklagten zu 2) ein solches von 91,80 DM. Er sieht die Beklagten allein als verantwortlich dafür an, daß der neue Dienstvertrag nicht zustandegekommen ist.
Die Beklagten haben eingewandt, der Kläger habe ohne triftigen Grund keinen neuen Vertrag abgeschlossen. Deshalb stehe ihm auch kein Ruhegehalt zu. Überdies hätte der Kläger etwaige Ruhegehaltsansprüche verwirkt.
Das Landgericht hat den Klageanträgen auf Zahlung von Gehalt und Ruhegeld gegen die Beklagte zu 1) stattgegeben und sie gegenüber der Beklagten zu 2) abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat durch Teilurteil die Berufung des Klägers zurückgewiesen, soweit er von der Beklagten zu 2) Gehalt und Ruhegehalt fordert, und auf die Berufung der Beklagten zu 1) auch den gegen sie gerichteten Gehalts- und Ruhegeldanspruch abgewiesen. Mit der Revision, um deren Zurückverweisung die Beklagten bitten, verfolgt der Kläger diese Ansprüche gegen beide Beklagte weiter.
Entscheidungsgründe
I. Ein Gehaltsanspruch für Juni 1964 steht dem Kläger nicht zu, da sein Dienstverhältnis mit den Beklagten schon am 21. April 1964 zugleich mit seiner Bestellung zum Vorstandsmitglied der Beklagten zu 1) und zum Geschäftsführer der Beklagten zu 2) geendigt hat. Der Kläger kann sich nicht auf § 625 BGB stützen, wonach ein Dienstverhältnis als auf unbestimmte Zeit verlängert gilt, wenn es nach seinem Ablauf fortgesetzt wird und der Dienstherr in Kenntnis dieser Tatsache nicht unverzüglich widerspricht. Ob und inwieweit diese Bestimmung gegenüber den besonderen Vorschriften des § 75 AktG 1937 (vgl. jetzt auch § 84 AktG 1965) überhaupt anwendbar ist, braucht hier nicht entschieden zu werden. Ebenso kann offen bleiben, ob die gleichzeitige Beendigung von Bestellungs- und Dienstverhältnis in diesem Fall als eine notwendige Folge davon angesehen werden kann, daß der Anstellungsvertrag der Parteien die körperschaftsrechtliche Bestellung des Klägers „als selbstverständlich voraussetzt”, wie das Berufungsgericht im Anschluß an eine frühere Entscheidung des erkennenden Senats angenommen hat (BGHZ 3, 90, 93; vgl. aber auch BGH LM AktG § 75 Nr. 5; NJW 1954, 505, 507; WM 1958, 675). Eine Verlängerung des Dienstverhältnisses auf unbestimmte Zeit entfällt bei dem vorliegenden Sachverhalt schon aus einem anderen Grund.
1. Unstreitig haben der Kläger und Mitglieder des Aufsichtsrats der Beklagten zu 1) schon seit Ende 1963 miteinander über den Abschluß eines neuen Anstellungsvertrags verhandelt, der zum Teil andere Bedingungen enthalten und wiederum auf die Dauer der Bestellung des Klägers zum Vorstandsmitglied befristet sein sollte. Hieraus konnte und mußte der Kläger erkennen, daß seine Verhandlungspartner nicht gewillt waren, einfach den alten Vertrag auf unbestimmte Zeit weiterlaufen zu lassen. Schon deshalb kann er sich gegenüber der Beklagten zu 1) nicht auf § 625 BGB berufen. Denn ein „unverzüglicher Widerspruch” im Sinne dieser Bestimmung kann auch darin liegen, daß der Dienstberechtigte kurz vor oder sofort nach Ablauf der Dienstzeit mit dem Verpflichteten über den Neuabschluß eines befristeten oder inhaltlich geänderten Vertrags verhandelt RGZ 140, 314, 317; BAG AP § 620 BGB – Befristeter Arb. Vertr. – Nr. 22 und § 15 AZO Nr. 9).
Hieraus folgt, daß der Kläger seine Tätigkeit als Vorstandsmitglied der Beklagten zu 1) nach dem 31. Dezember 1963 zunächst ohne vertragliche Grundlage fortgesetzt hat. Diesen Mangel hat der Beschluß des Aufsichtsrats vom 21. April 1964 lediglich für die Vergangenheit mit der Wirkung behoben, daß Bestellung und Dienstverhältnis nachträglich bis zum 21. April 1964 verlängert worden sind. Die gleichzeitige Kündigung des Dienstverhältnisses „zum frühest möglichen Zeitpunkt, spätestens zum 30. Juni 1964” ging ins Leere, da sie ein ohnehin schon beendetes Dienstverhältnis betraf. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Aufsichtsrat die Kündigung auch nur vorsorglich für den in Wirklichkeit nicht vorliegenden Fall ausgesprochen, daß die in erster Linie angestrebte Lösung des Vertrags schon zum 21. April 1964 nach dem Gesetz unmöglich war. Diese Auslegung ist entgegen den Ausführungen der Revision mit dem Wortlaut der Erklärung und der Interessenlage vereinbar. Das Berufungsurteil ist daher im Ergebnis richtig, soweit es dem Kläger einen Gehaltsanspruch gegen die Beklagte zu 1) für Juni 1964 versagt. Es kommt insoweit nur das vertragliche Ruhegeld in Betracht, das der Kläger aber für diesen Monat nicht geltend gemacht hat.
2. Was die Vertragsbeziehungen zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 2) betrifft, so fehlt insoweit eine ausdrückliche Stellungnahme des zuständigen Organs zur Frage der Vertragsverlängerung. Nach dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien war aber das Dienstverhältnis des Klägers zur Beklagten zu 2) so wesentlich mit seiner Tätigkeit für die Beklagte zu 1) verknüpft, daß es mit dieser stand und fiel (Schriftsätze des Klägers vom 28. Juni 1965 S. 5, 6, der Beklagten vom 9. September 1964 S. 23, 24 und vom 16. August 1965 S. 6, 8, 10). Aus dieser beiderseits gewollten Abhängigkeit des einen Rechtsverhältnisses vom anderen hat das Berufungsgericht fehlerfrei gefolgert, mit der Beendigung des Dienstverhältnisses zur Beklagten zu 1) am 21. April 1964 sei ohne weiteres auch dasjenige mit der Beklagten zu 2) erloschen. Mit ihren gegenteiligen Ausführungen setzt sich die Revision in Widerspruch zu dem unstreitigen Sachverhalt.
Die Revision ist daher auch insoweit zurückzuweisen, als der Kläger von der Beklagten zu 2) für Juni 1964 Gehalt fordert.
II. Die Ruhegehaltsansprüche des Klägers hängen zunächst davon ab, wie seine Verträge mit den Beklagten auszulegen sind.
1. Nach dem Anstellungsvertrag mit der Beklagten zu 1) entfällt der Ruhegehaltsanspruch des Klägers, wenn die Gesellschaft das Dienstverhältnis aus einem von ihm verschuldeten wichtigen Grund oder wenn der Kläger seinerseits das Dienstverhältnis ohne wichtigen Grund vor Vollendung seines 65. Lebensjahres löst. Aus der Berechnung des Ruhegehalts nach der Zahl der Dienstjahre, wobei verschiedene, über die Dauer des ersten Anstellungsvertrage erheblich hinausreichende Zeitabschnitte festgelegt worden sind, hat das Berufungsgericht entnommen, unter der „Lösung des Dienstverhältnisses” hätten die Parteien auch den Fall des Nichtabschlusses eines neuen Anstellungsvertrags nach Ablauf des vorausgegangenen verstanden. Diese Auslegung ist rechtlich einwandfrei. Sie entspricht vor allem auch der Verkehrsanschauung und der wirtschaftlichen Vernunft, da der Kläger nicht erwartet haben kann, die Beklagte zu 2) sei zur Zahlung eines Ruhegehalts auch für den Fall bereit, daß er schon nach Ablauf seines zunächst auf 3 1/2 Jahre befristeten Anstellungsvertrags ohne triftigen Grund eine Fortsetzung des Dienstverhältnisses ablehnen werde. Daß die Parteien die betreffenden Vertragsbestimmungen so, wie sie das Berufungsgericht aufgefaßt hat, tatsächlich auch gemeint und dies bei den Vertragsverhandlungen sogar ausdrücklich besprochen haben, war überdies schon im ersten Rechtszug unstreitig, wie sich aus den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils ergibt. Das übersieht die Revision, wenn sie dem Berufungsgericht eine fehlerhafte Vertragsauslegung vorwirft. Auch ist nicht ersichtlich, inwiefern diese Auslegung dem Grundgedanken des § 75 AktG 1937 zuwiderlaufen soll.
2. Das Ruhegehaltsabkommen des Klägers mit der Beklagten zu 2) ist anders gefaßt als die entsprechenden Bestimmungen in seinem Anstellungsvertrag mit der Beklagten zu 1). Mit Rücksicht auf das Abhängigkeitsverhältnis der beiden Dienstverträge hat das Berufungsgericht aber angenommen, die Voraussetzungen für die Gewährung oder Versagung des Ruhegehalts seien nach beiden Verträgen gleich. Auch diese Auslegung ist wirtschaftlich sinnvoll, rechtlich möglich und deshalb für das Revisionsgericht bindend.
III. Auf Grund dieser Auslegung verneint das Berufungsgericht einen Ruhegehaltsanspruch des Klägers, weil dieser ohne wichtigen Grund das Dienstverhältnis mit den Beklagten nicht erneuert habe. Hierbei geht es von folgendem Sachverhalt aus:
Nachdem der Kläger einer Anfang Dezember 1963 an ihn gerichteten Aufforderung, seine Wünsche für einen neuen Anstellungsvertrag schriftlich niederzulegen nicht nachgekommen war, übersandte ihm der Aufsichtsratsvorsitzende der Beklagten zu 1), Dr. N., mit Schreiben vom 31. Januar 1964 einen Vertragsentwurf, den er auf Wunsch des Klägers unter dem 12. Februar 1964 durch weitere Angaben ergänzte. Darauf schrieb der Kläger am 14. Februar 1964, er sei mit dem neuen Vertrag „im Prinzip einverstanden” und bitte für die nächsten Tage um eine persönliche Unterhaltung. Dr. N., antwortete, er nehme das prinzipielle Einverständnis des Klägers zur Kenntnis; eine weitere Unterredung, die sich wegen seines bevorstehenden Urlaubs zur Zeit nicht ermöglichen lasse, werde allerdings an dem Vertrag nichts ändern können.
Mit Schreiben vom 5. März 1964 teilte der Kläger dem Aufsichtsrat zu Händen seines Vorsitzenden mit, es sei ihm zur Gewißheit geworden, daß ein Angestellter der Firma, der Prokurist Dr. H., über ihn bei einem Detektiv eine Auskunft eingeholt habe. Dr. H. habe dies bestritten und eine schriftliche Erklärung hierzu verweigert. Unter diesen Umständen halte er, der Kläger, es im Interesse von Anstand und Disziplin innerhalb des Unternehmens nicht länger für vertretbar, Dr. H. als Prokuristen zu beschäftigen. Er erbitte dazu die Stellungnahme des Aufsichtsrats. Am 12. März 1964 befragten Dr. N. und ein weiteres Mitglied des Aufsichtsrats Dr. H. der die Beauftragung des Detektivs einräumte. Am selben Tag hatten die beiden Aufsichtsratsmitglieder mit dem Kläger eine Unterredung, deren Ergebnis dem Kläger am 18. März 1964 schriftlich dahin bestätigt wurde, er habe es abgelehnt, über den Neuabschluß eines Vertrags zu sprechen, sofern sich der Aufsichtsrat nicht auf den Standpunkt stelle, Dr. H. sei sofort zu entlassen. Hierauf schrieb der Kläger unter dem 20. März 1964, er halte es für richtig, klarzustellen, daß er in jener Unterredung, nachdem ihm die rascheste Zustellung eines Rechtsgutachtens zugesagt worden sei, zum Ausdruck gebracht habe, weitere Vertragsverhandlungen sollten bis zur Klärung der Angelegenheit durch die Stellungnahme des Aufsichtsrats zurückgestellt werden. Demgegenüber hielt Dr. N. in einem Brief vom 3. April 1964 seine Darstellung vom 18. März 1964 aufrecht. Nach einer Schilderung, was bisher zur Verlängerung des Anstellungsvertrags geschehen sei, stellte er fest, es seien inzwischen über drei Monate ergebnislos verstrichen, ohne daß der Aufsichtsrat wisse, ob er die aktienrechtlich notwendige Weiterbestellung des Klägers vornehmen könne; er müsse nunmehr dem Gesamtaufsichtsrat über den Stand der Dinge berichten. Gleichzeitig teilte er dem Kläger mit, nach dem Gutachten der Juristen ergebe der vom Kläger vorgetragene Tatbestand keinen wichtigen Grund, um Dr. H. zu kündigen. Auch vom Geschäftlichen her sehe der danach befragte Vorsitzende des Vorstands keinen Grund für eine Entlassung. Unter dem 14. April 1964 antwortete der Kläger, er sehe in Übereinstimmung mit seinen Anwälten die Voraussetzungen für eine fristlose Kündigung als gegeben an. Doch habe er in seinem Schreiben vom 5. März 1964 nicht von fristloser Entlassung gesprochen, sondern es nur als nicht vertretbar bezeichnet, den betreffenden Herrn als Prokuristen zu beschäftigen. Er bitte darum, ihm eine passende Lösung zu überlassen, nachdem die Koppelung zwischen Prokuristen- und Akquisitionstätigkeit in jedem Fall außergewöhnlich sei. Es gehe dabei nicht um eine persönliche Angelegenheit, sondern um eine Grundsatzfrage. Er bitte, ihm die Stellungnahme des Aufsichtsrats möglichst bald mitzuteilen. Hierauf folgte der Beschluß des Aufsichtsrats vom 21. April 1964.
Diesem Schriftwechsel entnimmt das Berufungsgericht, es sei die Schuld des Klägers, daß der ihm angetragene neue Anstellungsvertrag nicht zustandegekommen ist. Einen wichtigen Grund, warum er die längst fällige Annahmeerklärung zu dem günstigen Vertragsangebot der Beklagten zurückgehalten habe, habe der Kläger nicht geltend machen können. In der Angelegenheit Dr. H. und ihrer Behandlung durch den Aufsichtsrat liege kein solcher Grund. Nach seinem eigenen Vortrag habe der Kläger den Entzug der Prokura des Dr. H. auch selbst nicht als eine unerläßliche Bedingung für die Erneuerung des Anstellungsvertrags ansehen können und angesehen. Umso weniger sei zu verstehen, warum er auf die dringenden Vorhaltungen in dem Schreiben des Aufsichtsratsvorsitzenden vom 3. April 1964, wonach von ihm eine baldige Entscheidung erwartet worden sei, nicht eingegangen sei, gleichzeitig aber den Fall Dr. H. in ein anderes Licht gerückt habe. Daraus habe der Aufsichtsrat entnehmen müssen, der Kläger wolle das Vertragsangebot nicht vorbehaltlos annehmen, und er habe den Fall Dr. H. nur als Vorwand für sein verzögerliches Verhalten benutzt.
IV. Diese Würdigung wird der Rechtslage, von der das Berufungsgericht selbst ausgegangen ist, nicht gerecht. Nach den Pensionsvereinbarungen der Parteien entfällt ein Ruhegehaltsanspruch des Klägers nur dann, wenn er selbst den Abschluß eines neuen Anstellungsvertrags zu ihm zumutbaren Bedingungen verweigert hat, ohne hierfür einen triftigen Grund zu haben, oder wenn die Beklagten ihrerseits einen wichtigen Grund hatten, die Fortsetzung des Dienstverhältnisses mit dem Kläger abzulehnen. Beides ist nach dem unstreitigen Sachverhalt nicht der Fall.
1. Auf die vom Berufungsgericht in den Vordergrund gestellte Frage, ob der Kläger die Entlassung des Dr. H. aus wichtigem Grund oder den Widerruf seiner Prokura verlangen und eine Fortsetzung seines eigenen Dienstverhältnisses ablehnen durfte, wenn diesem Verlangen nicht entsprochen wurde, kommt es nach Lage der Sache nicht an. Sie wäre nur dann erheblich, wenn der Kläger eine solche Maßnahme gegen Dr. H. tatsächlich zur Bedingung für sein Verbleiben in den Diensten der Beklagten gemacht hätte. Eine solche Erklärung konnte der Aufsichtsrat den brieflichen Äußerungen des Klägers bei verständiger, Treu und Glauben und der Verkehrssitte entsprechender Beurteilung nicht entnehmen.
Bereits in seinem Schreiben vom 14. Februar 1964 hatte sich der Kläger mit einer Fortsetzung des Dienstverhältnisses zu den neuen Bedingungen, die ihm der Vorsitzende des Aufsichtsrats zunächst noch unverbindlich vorgeschlagen hatte, „im Prinzip” einverstanden erklärt. Es war daher nicht zu erwarten, daß es über die endgültige Fassung des Vertrags noch zu wesentlichen Meinungsverschiedenheiten kommen werde. Allerdings hat dann der Vorsitzende des Aufsichtsrats aus den Äußerungen des Klägers zuerst den Eindruck gewonnen, dieser wolle sein Einverständnis mit dem neuen Anstellungsvertrag von der Entlassung des Prokuristen Dr. H. abhängig machen. Aber schon in seinem Brief vom 20. März 1964 und mehr noch in seinem letzten Schreiben vom 14. April 1964 hat der Kläger klargestellt, daß dies nicht der Fall sei. Wie das Berufungsgericht darüber hinaus festgestellt hat, hat der Kläger mit seinem letzten Brief auch nicht mehr den Entzug der Prokura oder eine sonstige Maßregelung Dr. H. zur unbedingten Voraussetzung für einen neuen Anstellungsvertrag erklärt, sondern nur noch eine Stellungnahme des Aufsichtsrats zu der grundsätzlichen Frage einer Koppelung von Prokuristen- und Akquisitionstätigkeit erbeten. Unter diesen Umständen konnte der Aufsichtsrat der Beklagten zu 1) allein aus der Tatsache, daß der Kläger trotz der dringenden Vorhaltungen des Aufsichtsratsvorsitzenden vom 3. April 1964 auf die Frage der Vertragsverlängerung nicht mehr eingegangen und statt dessen noch einmal auf die Angelegenheit Dr. H. zurückgekommen war, nicht herleiten, der Kläger verweigere jetzt den Abschluß des neuen Anstellungsvertrags, mit dem er sich ja bereits grundsätzlich einverstanden erklärt hatte. Wenn in dieser Hinsicht Zweifel bestanden, so wären sie durch eine abschließende Rückfrage beim Kläger, verbunden mit der Bestimmung einer letzten Äußerungsfrist und einem Hinweis auf die Folgen ihresfruchtlosen Ablaufs, leicht zu klären gewesen. Ein solches Vorgehen hätte auch allein der erheblichen Bedeutung entsprochen, die einer Beendigung des Anstellungsverhältnisses angesichts der vertraglich vorgesehenen Folgen für beide Seiten zukam.
2. Ein wichtiger Grund, aus dem die Beklagten ihrerseits eine Weiterbeschäftigung des Klägers hätten ablehnen können, ist ebenfalls nicht ersichtlich.
a) Ein solcher Grund liegt nicht schon darin, daß der Kläger während der Verhandlungen über den neuen Anstellungsvertrag die Angelegenheit Dr. H. zur Sprache gebracht und dadurch den Abschluß dieser Verhandlungen verzögert hat. Mit Recht konnte der Klägerin darin, daß sich ein Angestellter der Gesellschaft wegen einer Auskunft über ihn an einen Detektiv gewandt hatte, eine grobe Ungehörigkeit und eine Vertrauensverletzung sehen, die ihn nicht nur persönlich kränken mußte, sondern auch geeignet war, die Zusammenarbeit im Unternehmen zu stören; daß die Beauftragung des Detektivs im Interesse des Unternehmens dringend geboten gewesen sei, haben die Beklagten nicht behaupten können. Es war dem Kläger daher nicht zu verübeln, wenn er sich in dieser Sache an den Aufsichtsrat wandte, mag er vielleicht auch den Zeitpunkt schlecht gewählt und sich vorher nicht genügend um eine Abstimmung mit dem Vorstandsvorsitzenden bemüht haben. Auch wenn die Forderung nach einer Entlassung Dr. H. oder nach einem Widerruf seiner Prokura zu weit ging und rechtlich undurchführbar erschien, durfte der Kläger erwarten, der Aufsichtsrat werde wenigstens für seinen Standpunkt Verständnis aufbringen und nach einem anderen Weg suchen, um ihm eine gewisse Genugtuung zu verschaffen und vor allem seine Autorität als Vorstandsmitglied zu wahren. Statt dessen beschränkte sich der Vorsitzende des Aufsichtsrats in seinem Schreiben vom 3. April 1964 darauf, eine fristlose Entlassung des Dr. H. aus rechtlichen und geschäftlichen Gründen abzulehnen, ohne auch nur in irgend einer Weise zum Ausdruck zu bringen, daß er dessen Verhalten mißbillige. Wenn sich der Kläger mit einer solchen Antwort noch nicht zufriedengab, sondern eine Stellungnahme des Gesamtaufsichtsrats erbat und darüber allerdings versäumte, noch einmal seine Bereitschaft zum Abschluß eines neuen Anstellungsvertrags zu erklären, so lag hierin kein hinreichender Grund für die Annahme der Kläger versuche nur, die Vertragsverhandlungen ungebührlich in die Länge zu ziehen, und deshalb sei der Beklagten zu 1) eine Fortsetzung dieser Verhandlungen nicht mehr zuzumuten.
b) Gegen die Geschäftsführung des Klägers haben die Beklagten eine Reihe von Beanstandungen erhoben, die im wesentlichen schon in einem Schreiben des Aufsichtsratsvorsitzenden vom 11. Januar 1964 zusammengefaßt waren und vor allem die Berichterstattung an den Aufsichtsrat und die Zusammenarbeit mit dem Vorsitzenden des Vorstands der Beklagten zu 1) betrafen. Darin hat die Beklagte zu 1) aber unstreitig keinen Grund gesehen, eine Fortsetzung des Dienstverhältnisses mit dem Kläger abzulehnen. Sie hat vielmehr in Kenntnis dieser Beanstandungen mit dem Kläger über einen neuen Anstellungsvertrag verhandelt und diese Verhandlungen erst abgebrochen, nachdem der Kläger die Angelegenheit Dr. H. zur Sprache gebracht hatte und es darüber mit dem Aufsichtsrat zu keiner Verständigung gekommen war. Diesen Entschluß kann sie nicht nachträglich mit jenen anderen Gründen rechtfertigen, die sie seinerzeit selbst nicht als schwerwiegend genug empfunden hat, um das Dienstverhältnis zu lösen oder auslaufen zu lassen.
V. Hiernach ist davon auszugehen, daß der Kläger mit der Beendigung seines Anstellungsverhältnisses zur Beklagten zu 1) den vertraglichen Ruhegehaltsanspruch erworben hat. Dasselbe gilt gegenüber der Beklagten zu 2), da auch insoweit die Voraussetzungen für eine Versagung des Ruhegehalts nicht vorgelegen haben. Es kommt daher nach den Verträgen weiter darauf an, ob der Kläger den Ruhegehaltsanspruch nachträglich dadurch verwirkt hat, daß er den beklagten Gesellschaften Konkurrenz gemacht oder „sonst in einer ihre Interessen verletzenden Weise sich betätigt” hat. Angesichts der lebenswichtigen Bedeutung der Pension für den heute 57jährigen Kläger ist diese Klausel gemäß § 157 BGB so aufzufassen, daß nur solche Handlungen des Klägers, die bei Berücksichtigung aller Umstände das Interesse der Beklagten erheblich verletzen, die schwere Folge einer Entziehung der Pension rechtfertigen können. Einen solchen Sachverhalt haben die Beklagten nicht vorgetragen.
Hierbei kann nicht außer Betracht bleiben, daß die Beklagten ihrerseits dem Kläger objektiv vertragswidrig die Pension vorenthalten und ihn hierdurch vor die Zwangslage gestellt haben, seinen Lebensunterhalt vorerst aus anderen Quellen bestreiten, gleichzeitig aber befürchten zu müssen, durch jede Tätigkeit auf seinem früheren Arbeitsgebiet seinen Pensionsanspruch endgültig zu verlieren. Jedenfalls unter solchen Umständen reicht die Tatsache, daß der Kläger gelegentlich auch für eine belgische Versicherungsagentur in einer Weise tätig geworden sein mag, welche die Interessen der Beklagten, wenn überhaupt, dann nur unwesentlich berührt haben kann, für eine Verwirkung des Ruhegehaltsanspruchs nicht aus.
VI. Der Ruhegehaltsanspruch des Klägers ist daher gegen beide Beklagte begründet. In diesem Umfang ist das Berufungsurteil aufzuheben und der Klage auch insoweit stattzugeben, als ihr nicht schon das Landgericht entsprochen hat. Im übrigen ist die Revision zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92, 97, 100 Abs. 2 ZPO.
Unterschriften
Dr. Fischer, Dr. Kuhn, Dr. Schulze, Fleck, Stimpel
Fundstellen