Leitsatz (amtlich)
Hängt die Kausalität für den Eintritt eines Schadens nicht nur von der notariellen Amtspflichtverletzung, sondern auch von weiteren Umständen ab, trägt der Geschädigte hierfür ebenfalls die Beweislast (Fortführung von BGH, Urteil vom 23. Januar 2020 - III ZR 28/19, WM 2020, 1176).
Normenkette
BeurkG § 17 Abs. 1 S. 1; BNotO § 19 Abs. 1 S. 1, § 24 Abs. 1; GBO § 15 Abs. 3
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 1. Dezember 2021 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Klägerin nimmt den Beklagten wegen notarieller Amtspflichtverletzungen auf Schadensersatz in Anspruch.
Rz. 2
Die Klägerin betreibt Leasinggeschäfte. Die f. GmbH aus Hannover (künftig: Leasingnehmerin), deren geschäftsführender Gesellschafter O. H. S. war, richtete über die B. F. S. GbR (künftig: Vermittlerin) eine Leasinganfrage an die Klägerin zur Finanzierung einer Digitaldruckmaschine. Die Klägerin teilte der Vermittlerin mit Schreiben vom 13. Oktober 2017 mit, der Leasingvertrag sei unter folgender Auflage genehmigt:
"...
BÜ H. O. S..
Eintragung einer Briefgrundschuld auf dem Wohnhaus eingetragen im GB von B., Blatt 12496, nach Vorl. Abt. III i.H.v. 281.210,53 €
Abtretung von Rangübertragungsansprüchen der Commerzbank
Zweckerklärung"
Rz. 3
Die Leasingnehmerin bestellte daraufhin mit Kaufvertrag vom 18. Oktober 2017 von der G. G. H. GmbH (künftig: Verkäuferin) die Druckmaschine zum Preis von 129.000 € netto. Sie unterzeichnete am selben Tag ein Vertragsformular der Klägerin, mit welchem sie ihr hinsichtlich der bestellten Maschine den Abschluss eines Leasingvertrags anbot. Zugleich unterschrieb O. H. S. die geforderte Bürgschaftserklärung. Die Klägerin teilte der Verkäuferin mit Schreiben vom 23. Oktober 2017 mit, dass sie unter folgenden Voraussetzungen in die Bestellung der Leasingnehmerin eintreten werde:
"…
- Leasingvertrag, BÜ v. H. O. S., SEPA, Zweckerklärung müssen in Original vorliegen
- Eintragung einer Briefgrundschuld auf dem Wohnhaus
…"
Rz. 4
Am 20. Oktober 2017 hatte der Sohn O. H. S., der Zeuge M. S., ein von der Klägerin verfasstes Dokument mit dem Titel
"Grundschuld
Zweckerklärung zur Sicherung der Geschäftsverbindung mit Abtretung der Rückgewähransprüche sowie Übernahme der persönlichen Haftung"
unterzeichnet. Dieses enthielt eine Zweckerklärung für eine Grundschuld über 100.000 €, mit welcher das Hausgrundstück des Zeugen in B. belastet werden sollte. Mit Übernahmeerklärung vom 1. November 2017 bestätigten die Leasingnehmerin und die Verkäuferin der Klägerin, dass die Leasingnehmerin die Druckmaschine erhalten hatte. Die Verkäuferin stellte der Klägerin mit Rechnung vom 2. November 2017 gemäß ihrem Bestelleintritt den Kaufpreis für die Maschine von 129.000 € netto in Rechnung. Die Klägerin teilte der Leasingnehmerin daraufhin mit Schreiben vom 8. November 2017 mit, dass sie den Leasingvertrag annehme. Am 9. November 2017 unterzeichnete sie den Leasingvertrag.
Rz. 5
Der Beklagte beglaubigte am 10. November 2017 die Unterschrift des Zeugen M. S. auf der Zweckerklärung der Klägerin. Mit E-Mail sowie Schreiben vom selben Tag teilte er der Klägerin mit, er übersende als Anlage eine beglaubigte Kopie der "Grundschuldbestellungsurkunde vom 10. November 2017 - UR.-Nr. 2811/2017". Das Original habe er dem Amtsgericht Hannover zum Vollzug eingereicht. Tatsächlich waren der E-Mail und dem Schreiben lediglich eine Kopie der Zweckerklärung mit Unterschriftsbeglaubigung sowie das Eintragungsersuchen an das Amtsgericht Hannover beigefügt.
Rz. 6
Am 13. November 2017 zahlte die Klägerin den Restkaufpreis von 130.483,50 € an die Verkäuferin aus. Das Grundbuchamt teilte dem Beklagten mit Verfügung vom 16. November 2017 mit, dass eine Eintragung der Grundschuld auf der Grundlage der vorgelegten Zweckerklärung nicht möglich sei, weil insbesondere ein entsprechender Antrag sowie eine Bewilligung der Eigentümer fehle. Der Beklagte entwarf deshalb eine Grundschuldbestellungsurkunde und bat den Zeugen M. S. mit E-Mail vom 28. November 2017, einen Termin zur Beurkundung zu vereinbaren. Dieser lehnte die Bestellung der Grundschuld jedoch ab.
Rz. 7
Im April 2018 geriet die Leasingnehmerin mit der Zahlung der Leasingraten in Verzug. Die Klägerin kündigte daraufhin den Leasingvertrag und forderte Schadensersatz von 124.876,33 €. Da über das Vermögen der Leasingnehmerin das Insolvenzverfahren eröffnet wurde und der Bürge O. H. S. im Februar 2018 verstorben war, nahm die Klägerin den Zeugen M. S. aus dem in der Zweckerklärung enthaltenen Schuldanerkenntnis in Anspruch. Das Landgericht Hannover wies ihre Klage ab. Die Berufung der Klägerin wurde vom Oberlandesgericht Celle zurückgewiesen. Die Klägerin verwertete die Druckmaschine, die zum Preis von 22.000 € netto an die Verkäuferin versteigert wurde.
Rz. 8
Die Klägerin hat geltend gemacht, der Beklagte habe seine Amtspflichten verletzt. Sie habe im Vertrauen darauf, dass die vermeintlich zur Eintragung eingereichte Grundschuld zur Eintragung kommen würde, den Leasingvertrag mit der Leasingnehmerin geschlossen und die Zahlung an die Verkäuferin geleistet. Die Versäumnisse des Beklagten seien kausal für den eingetretenen Schaden. Wäre die Grundschuld tatsächlich eingetragen worden, hätte sie sich in Höhe von mindestens 100.000 € befriedigen können.
Rz. 9
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat den Beklagten auf die Berufung der Klägerin verurteilt, an diese 100.000 € nebst Zinsen zu zahlen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision begehrt der Beklagte die Zurückweisung der Berufung der Klägerin.
Entscheidungsgründe
Rz. 10
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Rz. 11
Das Oberlandesgericht hat ausgeführt, der Klägerin stehe gegen den Beklagten ein Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 BNotO i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 1 BeurkG, § 15 Abs. 3 Satz 1 GBO zu. Der Beklagte habe, indem er unstreitig in Kenntnis des Umstands, dass der Zeuge M. S. ihn mit einer Grundschuldbestellung beauftragt habe, die Unterschrift des Zeugen unter der Zweckerklärung beglaubigt habe, ohne gemäß § 17 Abs. 1 BeurkG, § 15 Abs. 3 GBO zu prüfen, ob das Schriftstück alle für die Eintragung einer Grundschuld in das Grundbuch notwendigen Erklärungen enthalte, seine Amtspflichten verletzt. Diese hätten ihm auch gegenüber der Klägerin oblegen.
Rz. 12
Die Klägerin habe den Subsidiaritätsgrundsatz des § 19 Abs. 1 Satz 2 BNotO gewahrt. Ihr sei durch die Amtspflichtverletzung des Beklagten ein Schaden von 100.000 € entstanden. Nach dem hypothetischen Kausalverlauf wäre ohne die Pflichtverletzung des Beklagten zugunsten der Klägerin eine Grundschuld auf dem Grundstück des Zeugen S. eingetragen worden, aus der sich die Klägerin hätte befriedigen können, da dieser nach dem unstreitigen Vortrag der Parteien gerade zwecks Bestellung einer Grundschuld an seinem Grundstück beim Beklagten erschienen sei. Der Beklagte habe eine Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs dergestalt, dass der Zeuge im Falle des Entwurfs einer Grundschuldbestellungsurkunde durch den Beklagten und der Belehrung über den Inhalt der Urkunde und die Folgen einer Grundschuldbestellung nicht mehr bereit gewesen sei, eine entsprechende Erklärung abzugeben, nicht bewiesen. Beweisbelastet für eine Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs sei der Beklagte. Immer wenn sich der Schädiger - wie hier - bei einer grundsätzlich feststehenden Kausalität auf einen abweichenden Kausalverlauf und damit auf eine Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs stütze, sei er für die dahingehenden Tatsachen beweisbelastet.
Rz. 13
Den ihm obliegenden Beweis habe der Beklagte nicht erbracht. Zwar habe der Zeuge S. ausgesagt, er glaube nicht, dass er eine Grundschuldbestellung unterschrieben hätte, wenn der Beklagte noch am 10. November 2017 eine solche vorbereitet hätte, insbesondere nicht, wenn er darüber aufgeklärt worden wäre, dass der Gläubiger einer Grundschuld das Grundstück versteigern könne. Die Ausführungen des Zeugen seien für den Senat jedoch nicht überzeugend. Die Aussage lasse auch unter Berücksichtigung aller weiteren Umstände keine Überzeugungsbildung nach § 287 ZPO dahingehend zu, dass der Zeuge am 10. oder später nicht bereit gewesen sei, eine Grundschuldbestellung vornehmen zu lassen.
II.
Rz. 14
Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat die Beweislast für die haftungsausfüllende Kausalität notarieller Amtspflichtverletzungen verkannt.
Rz. 15
1. Auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen lässt sich ein Kausalzusammenhang zwischen der vom Berufungsgericht angenommenen Amtspflichtverletzung des Beklagten und dem von der Klägerin geltend gemachten Schaden nicht bejahen.
Rz. 16
a) Das Berufungsgericht sieht die Verletzung einer auch gegenüber der Klägerin bestehenden Amtspflicht des Beklagten darin, dass dieser in Kenntnis des Umstands, dass der Zeuge S. ihn mit einer Grundschuldbestellung beauftragt hatte, dessen Unterschrift unter der Zweckerklärung beglaubigte, ohne zu prüfen, ob die Zweckerklärung alle für die Eintragung einer Grundschuld in das Grundbuch notwendigen Erklärungen enthielt (Seite 11 des Berufungsurteils). Dies lässt Rechtsfehler nicht erkennen und wird von der Revision auch nicht angegriffen.
Rz. 17
b) Ebenfalls zutreffend hat das Berufungsgericht ausgeführt, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Senats die Ursächlichkeit der Amtspflichtverletzung eines Notars für den geltend gemachten Schaden von der Beantwortung der Frage abhängt, wie die Dinge verlaufen wären, wenn der Notar pflichtgemäß gehandelt hätte, und wie sich die Vermögenslage des Betroffenen in diesem Fall darstellen würde (vgl. nur Senat, Urteil vom 23. August 2018 - III ZR 506/16, WM 2019, 557 Rn. 25 mwN).
Rz. 18
c) Rechtsfehlerhaft ist das Berufungsgericht jedoch anschließend von einer "grundsätzlich feststehenden" Kausalität der Pflichtverletzung des Beklagten für den Schaden der Klägerin ausgegangen mit der Folge, dass es - unter Heranziehung des Senatsurteils vom 23. Januar 2020 (III ZR 28/19, WM 2020, 1176 Rn. 13) - eine Beweislast des Beklagten für solche Tatsachen angenommen hat, die einen abweichenden Kausalverlauf und eine Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs begründen.
Rz. 19
Bei der Würdigung, ob ein adäquater Kausalzusammenhang zwischen einer Pflichtverletzung und einem Schaden besteht beziehungsweise der Zurechnungszusammenhang unterbrochen wurde, handelt es sich zwar um eine im Wesentlichen dem Tatrichter vorbehaltene Würdigung. Deshalb darf das Revisionsgericht die in diesem Zusammenhang angestellten Erwägungen der Vorinstanz nur darauf überprüfen, ob sie auf grundsätzlich falschen rechtlichen Überlegungen beruhen, entscheidungserhebliches Vorbringen außer Acht lassen oder gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen (zB Senat, Urteil vom 21. Januar 2021 - III ZR 70/19, VersR 2021, 1298 Rn. 23 mwN).
Rz. 20
Die Erwägungen des Berufungsgerichts sind indes auch unter Berücksichtigung dieses eingeschränkten Prüfungsmaßstabs rechtsfehlerhaft.
Rz. 21
aa) Die "grundsätzlich feststehende" Kausalität hat das Berufungsgericht daraus hergeleitet, dass nach dem hypothetischen Kausalverlauf ohne die Pflichtverletzung des Beklagten zugunsten der Klägerin eine Grundschuld für das Grundstück des Zeugen S. eingetragen worden wäre, aus der sich die Klägerin hätte befriedigen können. Denn der Zeuge sei gerade zwecks Bestellung einer Grundschuld an seinem Grundstück beim Beklagten erschienen. Es hat weiter angenommen, der Beklagte habe eine Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs dergestalt, dass der Zeuge im Falle des Entwurfs einer Grundschuldbestellungsurkunde durch den Beklagten und der daraus resultierenden Belehrung über den Inhalt der Urkunde und die Folgen einer Grundschuldbestellung nicht mehr bereit gewesen sei, eine entsprechende Erklärung abzugeben, nicht beweisen können.
Rz. 22
bb) Diese Ausführungen beruhen auf unzutreffenden rechtlichen Überlegungen.
Rz. 23
(1) Das Berufungsgericht hat sich im Hinblick auf den von ihm aufgestellten Rechtssatz, immer dann, wenn sich der Schädiger bei einer grundsätzlich feststehenden Kausalität auf einen abweichenden Kausalverlauf und damit auf eine Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs stütze, sei er für die dahingehenden Tatsachen beweisbelastet, auf das Senatsurteil vom 23. Januar 2020 (aaO) bezogen. Dieses enthält indes nicht einen derart allgemein formulierten Rechtssatz. Vor allem aber betrifft die Senatsentscheidung eine andere, vorliegend nicht gegebene Fallkonstellation.
Rz. 24
(a) Gegenstand der jüngeren Senatsrechtsprechung zur Notarhaftung waren, soweit die Frage der Beweislast für die Kausalität behandelt wurde, zumeist Fälle einer Beurkundung und des Vollzugs von Grundstückskaufverträgen trotz unwirksamer Fortgeltungsklausel (betreffend das getrennt beurkundete Kaufangebot des Grundstückskäufers; zB Senat, Urteile vom 23. Januar 2020 aaO; vom 24. August 2017 - III ZR 558/16, NJW 2017, 3161 und vom 21. Januar 2016 - III ZR 159/15, BGHZ 208, 302) oder trotz fehlenden Ablaufs der Wartefrist gemäß § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG (in der bis zum 30. September 2013 geltenden Fassung; zB Senat, Urteile vom 28. Mai 2020 - III ZR 58/19, BGHZ 226, 39 und vom 25. Juni 2015 - III ZR 292/14, BGHZ 206, 112).
Rz. 25
In solchen Konstellationen steht die Kausalität des amtspflichtwidrigen Tuns des Notars für den Schaden des Klägers - in Gestalt des (vollzogenen) Kaufvertrags - bereits fest und muss vom Kläger nicht mehr bewiesen werden. Denn der Kaufvertrag beziehungsweise der Anschein eines wirksamen Kaufvertrags kam unmittelbar durch die amtspflichtwidrige Handlung des Notars zustande, das heißt, ohne dass das Dazwischentreten weiterer Umstände erforderlich war. Ob der Urkundsbeteiligte auf die Belehrung des Notars über die mögliche Unwirksamkeit der verwendeten Fortgeltungsklausel oder auf die Ablehnung der vorzeitigen Beurkundung hin erneut ein Kaufangebot abgegeben hätte, durch dessen Annahme der Vertrag (verfahrensfehlerfrei) zustande gekommen wäre, ist dementsprechend nicht mehr eine Frage des - vom jeweiligen Kläger zu beweisenden - Ursachenzusammenhangs, sondern des - vom beklagten Notar zu beweisenden - Bestehens eines hypothetischen, anderen Verlaufs, der bei wertender Betrachtung geeignet wäre, die haftungsrechtliche Zurechnung des eingetretenen Schadens zu unterbrechen (vgl. Senat, Urteile vom 23. Januar 2020 aaO und vom 25. Juni 2015 aaO Rn. 21).
Rz. 26
(b) Eine solche Fallgestaltung ist vorliegend nicht gegeben. Vielmehr handelt es sich hier um eine notarielle Amtspflichtverletzung allein in Gestalt eines pflichtwidrigen Unterlassens, und zwar der unterbliebenen Prüfung, ob die Zweckerklärung alle für die Eintragung einer Grundschuld in das Grundbuch notwendigen Erklärungen enthielt, und damit der Umsetzung des Auftrags des Zeugen S., eine Grundschuld zu bestellen, dienen konnte. In derartigen Fällen genügt für den vom Geschädigten zu beweisenden Kausalzusammenhang nicht die amtspflichtwidrige Handlung (hier eine Unterlassung) selbst. Ob diese überhaupt zu einem Schaden geführt hat, hängt vielmehr von dem weiteren Zwischenschritt ab, ob der Zeuge nach Kenntnis des Ergebnisses einer solchen - unterstellt amtspflichtgemäß durchgeführten - Prüfung und der gegebenenfalls erforderlichen Belehrung über die rechtliche Tragweite einer Grundschuld diese bestellt hätte. Wie sich der Auftraggeber des Notars bei amtspflichtgemäßem Handeln verhalten hätte, gehört mithin in der vorliegenden Konstellation vollständig zu dem vom Kläger zu beweisenden Ursachenzusammenhang, während er beim amtspflichtwidrigen, unmittelbar zum Schaden führenden Tun teilweise der Frage nach einer - vom Notar zu beweisenden - beachtlichen Reserveursache zuzuordnen ist (vgl. Senat, Urteil vom 23. Januar 2020 aaO). Dabei wird vorliegend zu berücksichtigen sein, dass den Beklagten nach pflichtgemäßer Prüfung der Zweckerklärung gemäß § 15 Abs. 3 GBO und der Erkenntnis, dass diese nicht alle zur Eintragung der Grundschuld erforderlichen Erklärungen enthielt, über § 24 Abs. 1 BNotO dem Inhalt nach die gleiche Belehrungspflicht wie bei der Beurkundung der Erklärung (§ 17 Abs. 1 BeurkG) getroffen hätte, wenn er im Anschluss die Unterschrift des Zeugen S. unter einen von ihm, dem Beklagten, hergestellten Urkundsentwurf beglaubigt hätte (vgl. Senat Urteil vom 14. März 1963 - III ZR 178/61, BeckRS 2013, 94 [unter IV.]; BGH, Urteil vom 18. Januar 1996 - IX ZR 81/95, DNotZ 1997, 51, 52; Tebben in Armbrüster/Preuß, BeurkG, 9. Aufl., § 40 Rn. 34: gleiche Belehrungspflicht wie bei Beurkundung bei Urkundsentwurf des Notars oder Beratung bei Textabfassung und anschließender Beglaubigung der Unterschrift).
Rz. 27
(2) Das Berufungsgericht hat zwar zutreffend erkannt, dass vorliegend zur Bejahung des Ursachenzusammenhangs zwischen notarieller Pflichtverletzung und Schaden der hypothetische Kausalverlauf ohne die Pflichtverletzung festzustellen ist. Es hat jedoch den - in der hier gegebenen Konstellation, dass die amtspflichtwidrige (Nicht-)Handlung nicht unmittelbar den geltend gemachten Schaden herbeigeführt hat - von der Klägerin zu beweisenden hypothetischen Kausalverlauf verkürzt betrachtet, ihn in zwei Abschnitte aufgespalten und rechtsfehlerhaft hinsichtlich des zweiten Abschnitts die Beweislast dem Beklagten zugewiesen.
Rz. 28
(a) Das Berufungsgericht hat gemeint, bereits auf der Grundlage, dass der Zeuge S. am 10. November 2017 beim Beklagten zwecks Bestellung einer Grundschuld an seinem Grundstück erschienen war, feststellen zu können, dass ohne die Pflichtverletzung des Beklagten eine Grundschuld eingetragen worden wäre. Eine solche Betrachtungsweise verkürzt indes den Sachverhalt, der zur Feststellung des hypothetischen Kausalverlaufs in den Blick zu nehmen ist.
Rz. 29
Zu dem von der Klägerin zu beweisenden hypothetischen Kausalverlauf gehört aus den vorstehenden Gründen der gesamte Sachverhalt, wie er sich ereignet hätte, wenn der Beklagte am 10. November 2017 pflichtgemäß gehandelt hätte. Er umfasst die Vorbereitung aller zur Eintragung einer Grundschuld in das Grundbuch notwendigen Erklärungen des Zeugen S., die gegebenenfalls gemäß § 17 Abs. 1 BeurkG oder - über § 24 Abs. 1 BNotO - wie bei einer Beurkundung vom Beklagten vorzunehmende Belehrung über die rechtliche Tragweite der Bestellung einer Grundschuld an dem Grundstück des Zeugen (wie etwa die Möglichkeit einer Zwangsversteigerung des Grundstücks) und das Verhalten des Zeugen nach ordnungsgemäßer Belehrung. Von der Klägerin war mithin zu beweisen, dass der Zeuge S. auch nach notarieller Belehrung über die rechtliche Tragweite der Bestellung einer Grundschuld an seinem Grundstück (als Sicherheit für eine fremde Schuld) die - unterstellt - vom Beklagten hierzu vorbereiteten Erklärungen abgegeben hätte. Dabei wird zu beachten sein, dass die notarielle Belehrung eine Entscheidung der Beteiligten für oder gegen das Geschäft in Kenntnis von dessen rechtlicher Tragweite und Folgen ermöglichen soll.
Rz. 30
(b) Für den Fall, dass das Berufungsgericht in dem neuen Verfahren das Erscheinen des Zeugen S. beim Beklagten am 10. November 2017 in Kenntnis der von ihm schon am 20. Oktober 2017 unterzeichneten, wesentliche Details der zu bestellenden Grundschuld enthaltenden Zweckerklärung als ein zur Überzeugungsbildung ausreichendes Indiz dafür werten sollte, dass der Zeuge auch nach Belehrung durch den Beklagten eine entsprechende Grundschuldbestellungsurkunde unterzeichnet hätte, weist der Senat vorsorglich auf Folgendes hin: Auch dies hätte nicht zur Folge, dass das Gegenteil - im Sinne eines Hauptbeweises für einen abweichenden Kausalverlauf - nunmehr vom Beklagten zu beweisen wäre. Allenfalls obläge ihm der Gegenbeweis, für den indes ein anderes Beweismaß gilt (vgl. Thole in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl., § 284 Rn. 6 mwN).
Rz. 31
2. Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig dar (§ 561 ZPO). Die Revisionserwiderung macht in diesem Zusammenhang geltend, wenn der Zeuge S. am 10. November 2017 nach Belehrung die Grundschuldbestellung verweigert hätte, hätte der Beklagte die Klägerin auch nicht von der erfolgten Antragstellung in Bezug auf die Grundschuldeintragung informiert. Dann hätte die Klägerin nicht die Zahlung an den Lieferanten ausgelöst und es wäre nicht zu dem geltend gemachten Schaden gekommen.
Rz. 32
Hiervon kann auf der Grundlage des bisherigen Sach- und Streitstands nicht ausgegangen werden.
Rz. 33
Das Berufungsgericht hat mit Beschluss vom 16. September 2019 darauf hingewiesen, die Klägerin habe gegen den Beklagten keinen Schadensersatzanspruch wegen der unrichtigen Mitteilungen vom 10. November 2017, weil es insoweit an einem kausalen Schaden fehle. Der Leasingvertrag zwischen der Klägerin und der Leasingnehmerin sei bereits am 8. November 2017 zustande gekommen. Das von der Klägerin für den Abschluss des Leasingvertrages verwendete Formular habe weder eine aufschiebende noch eine auflösende Bedingung enthalten, die die Leasingnehmerin verpflichtet habe, die Grundschuld auf dem Grundstück des Sicherungsgebers M. S. beizubringen. Eine mündliche Nebenabrede mit diesem Inhalt habe gemäß Nummer 14 Abs. 4 Satz 1 der Allgemeinen Leasingbedingungen ebenfalls nicht bestanden. Die Klägerin habe ihrer Verpflichtung gegenüber der Leasingnehmerin nur durch Zahlung des Kaufpreises an die Verkäuferin nachkommen können. Etwaige Vereinbarungen zwischen der Verkäuferin und der Klägerin über den Eintritt der Bestellung seien insoweit nicht relevant, weil sie die Klägerin nicht von ihren Pflichten gegenüber der Leasingnehmerin hätten befreien können.
Rz. 34
Diese Würdigung lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Danach war die Klägerin unabhängig von einer Beurkundung der zur Bestellung einer Grundschuld erforderlichen Erklärungen des Zeugen S. aufgrund des am 8. November 2017 mit der Leasingnehmerin geschlossenen Leasingvertrages zur Entrichtung des Kaufpreises an die Verkäuferin verpflichtet. Dies gilt mithin auch für den Fall, dass der Zeuge am 10. November 2017 die Abgabe der zur Bestellung einer Grundschuld erforderlichen Erklärungen verweigert hätte und dementsprechend eine Mitteilung des Beklagten an die Klägerin über die Beurkundung solcher Erklärungen unterblieben wäre.
III.
Rz. 35
Das angefochtene Urteil ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da der Rechtsstreit nicht zur Endentscheidung reif ist, ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 ZPO).
Herrmann |
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Remmert |
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Arend |
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Böttcher |
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Liepin |
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Fundstellen
Haufe-Index 15639069 |
BB 2023, 770 |
NJW 2023, 8 |
MittBayNot 2023, 626 |
WM 2024, 321 |
ZfIR 2024, 207 |
JZ 2023, 279 |
JZ 2023, 283 |
MDR 2023, 699 |
ZNotP 2023, 189 |
r+s 2023, 410 |