Leitsatz (amtlich)
Zur Auslegung einer „Abfindungs”-Klausel, welche die Rechtsfolgen des Endes der Zusammenarbeit der Vertragsparteien regeln soll.
Normenkette
BGB §§ 705, 133
Verfahrensgang
OLG Karlsruhe (Urteil vom 11.10.1996) |
LG Heidelberg |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 11. Oktober 1996 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Den Ehemann der Klägerin und den Beklagten verband eine jahrelange Freundschaft. Sie arbeiteten geschäftlich zusammen.
Der Beklagte war im Jahre 1991 Eigentümer einer in P. gelegenen, als „G.” bezeichneten Grundstücksfläche, die mehrere Hektar umfaßte. Der Plan, dort einen Ferien- und Seniorenpark zu errichten, scheiterte. Es wurden mehrere Betriebe angesiedelt, u.a. Tier- und Pflanzenzuchtanlagen und ein Unternehmen, das Holz verarbeitete. Wegen Geldmangels sollte das Objekt aufgegeben und verkauft werden. Am 2. August 1991 schlossen der Beklagte und der Ehemann der Klägerin eine maschinenschriftliche Vereinbarung, die auszugsweise lautet:
„§ 1
Herr H. erhält beim Verkauf der G. … eine Abfindung in Höhe von DM 200.000,–.
§ 2
…
§ 3
Die Auszahlung dieser Beträge an Herrn H. erfolgt jeweils nach Kaufabschluß und der Bezahlung.
§ 4 bis § 6
…
§ 7
Im Gegenzug vertritt Herr H. bis zum Verkauf der G. weiterhin die Interessen des Herrn P.”
Die Ehefrau des Beklagten hat aufgrund einer ihr von dem Beklagten erteilten Generalvollmacht im Jahre 1992 das Eigentum an dem Grundstück auf sich übertragen lassen. Der Ehemann der Klägerin hat gegen den Beklagten Klage auf Zahlung von 200.000,– DM erhoben. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Während des Berufungsverfahrens ist der Ehemann der Klägerin verstorben. Diese hat als Erbin den Rechtsstreit aufgenommen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt sie den Klageantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
A. Mit dem Berufungsgericht ist davon auszugehen, daß die Rechtslage nach deutschem Recht zu beurteilen ist. Diese Rechtswahl der Parteien ergibt sich mit hinreichender Sicherheit aus den Umständen des Falles (Art. 27 Abs. 1 Satz 1 EGBGB). Beide Vertragsparteien lebten bei dem Abschluß der Vereinbarung in Deutschland, haben sie in deutscher Sprache abgefaßt und legen ihren Rechtsausführungen ausschließlich deutsche Rechtsnormen zugrunde.
B. Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich, daß die Vereinbarung vom 2. August 1991 nicht der notariellen Beurkundung bedurfte.
Allerdings erfordert die schuldrechtliche Verpflichtung einer Partei, ein Grundstück zu veräußern, daß die Form des § 313 Satz 1 BGB gewahrt wird. Die Vereinbarung vom 2. August 1991 enthält eine solche Verpflichtung aber schon ihrem Wortlaut nach nicht. Dieser spricht dafür, daß dem Beklagten die Entscheidung, ob er das Grundstück veräußert, freigestellt bleibt. Entgegenstehende Feststellungen trifft das Berufungsgericht nicht. Demnach liegt eine Veräußerungsverpflichtung im Sinne des § 313 Satz 1 BGB nicht vor. Entsprechendes gilt für die dem Ehemann der Klägerin in § 7 der Vereinbarung erteilte Vollmacht, soweit diese nicht ohnehin formlos gültig wäre.
C. Das Berufungsurteil leidet an einem Verfahrensfehler und ist auch im übrigen nicht haltbar.
I. Nach Ansicht des Berufungsgerichts ließe sich der geltend gemachte Anspruch nicht begründen, selbst wenn man den Vortrag der Klägerin als richtig unterstelle, mit der Zahlung von 200.000,– DM habe die Mühewaltung ihres Ehemannes für das Objekt „G.”, der Verlust der beabsichtigten Nutzung als Alterssitz, die entgangene Gewinnaussicht sowie die Verpflichtung zur Vertretung nach § 7 der Vereinbarung abgegolten werden sollen. Hiergegen wendet sich die Revision mit Erfolg. Die Auslegung der Vereinbarung vom 2. August 1991 durch das Berufungsgericht ist widersprüchlich. Durch sie wird der Sachvortrag der Klägerin überdies verfahrensfehlerhaft nur unvollständig gewürdigt.
1. Wenn das Berufungsgericht davon spricht, es könne unterstellt werden, daß mit der Zahlung von 200.000,– DM Tätigkeiten und Gewinnaussichten des Ehemannes der Klägerin „abgegolten” werden sollten, so kann dies nur heißen, daß dieser vorher vertragsrechtlich relevante Leistungen erbracht hat. Ist das aber der Fall, dann erweist sich die Begründung des Berufungsgerichts als unhaltbar, denn dann hätte der Ehemann der Klägerin – entgegen der Unterstellung des Berufungsgerichts – mit der Übereignung des Grundstücks des Beklagten auf dessen Ehefrau nicht nur seinen vertraglich vereinbarten Anspruch verloren, sondern jahrelang umsonst Leistungen zugunsten des Beklagten erbracht. Diese Konsequenz zeigt, daß die Auslegung des Berufungsgerichts mit der Interessenlage, wie sie redlicherweise aus der Sicht beider Parteien zu qualifizieren ist, im Widerspruch steht (vgl. zur Interessenlage auch BGH, Urt. v. 27. Februar 1985 – IVa ZR 121/83, NJW 1986, 1035 f.). Dies gilt insbesondere dann, wenn man den Vortrag der Klägerin zugrunde legt, für die Tätigkeit ihres Ehemannes sei eine Gewinnbeteiligung von 50 Prozent vereinbart worden. Im Juli 1991 hätten sich die Parteien darauf geeinigt, ihre Zusammenarbeit zu beenden und das Grundstück zu verkaufen. Um in dieser Situation ihren Ehemann für seine Mühewaltung, die entgangene Nutzungsmöglichkeit des Anwesens, die entgangene Gewinnaussicht und nicht zuletzt für die in der Vereinbarung selbst übernommene Verpflichtung der weiteren Vertretung des Beklagten zu entschädigen, hätten die Parteien den Vertrag vom 2. August 1991 geschlossen. Die Klägerin hat als Beweismittel für ihre Darstellung die Zeugin Dr. L. H. benannt (GA II 95). Damit drängt sich die Folgerung geradezu auf, der Ehemann der Klägerin habe durch § 1 der Vereinbarung vom 2. August 1991 einen selbständigen – lediglich hinsichtlich der Fälligkeit Besonderheiten unterliegenden – Anspruch erhalten sollen.
2. Dieser Vortrag der Klägerin ist nicht unsubstantiiert. Eine Partei genügt ihrer Darlegungslast, wenn sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als entstanden erscheinen zu lassen, wobei unerheblich ist, wie wahrscheinlich die Darstellung ist und ob sie auf eigenem Wissen oder einer Schlußfolgerung aus Indizien besteht. Der Pflicht zur Substantiierung ist mithin nur dann nicht genügt, wenn das Gericht aufgrund der Darstellung nicht beurteilen kann, ob die gesetzlichen Voraussetzungen der an eine Behauptung geknüpften Rechtsfolge erfüllt sind (vgl. BGH, Urt. v. 29. September 1992 – X ZR 84/90, BGHR ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2 – Substantiierung 5 m.w.N.). Ein solcher Fall liegt nicht vor. Die Zeugin Dr. L. H. hätte deshalb vernommen werden müssen.
Entgegen den Darlegungen der Revisionserwiderung kann die Vernehmung der Zeugin auch nicht mit der Begründung abgelehnt werden, der Beweisantrag erstrecke sich jedenfalls nicht auf eine Vereinbarung über Entschädigungen des Ehemannes der Klägerin. Aus dem Gesamtzusammenhang ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit, daß auch dieser Teil des klägerischen Vortrags unter Beweis gestellt wird, soweit hier nicht ohnehin die Wahrunterstellung des Berufungsgerichts greift.
II. Unabhängig hiervon liegt es nach dem Sachvortrag der Klägerin nahe, die Rechtsbeziehungen zwischen ihrem Ehemann und dem Beklagten als Gesellschaftsvertrag im Sinne des § 705 BGB zu werten. Hatten beide Parteien ursprünglich die Absicht, einen Alters- und Seniorenpark zu errichten, verwirklichten sie, nachdem dieser Plan gescheitert war, ihren dann gefaßten Entschluß, Gewerbebetriebe anzusiedeln, und vereinbarten sie eine Gewinnbeteiligung des Ehemannes der Klägerin in Höhe von 50 Prozent, so spricht dies für einen gemeinsamen Zweck, wie er der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (und anderen Personengesellschaften) eigen ist. Die Vereinbarung vom 2. August 1991 wäre dann als Auflösung der Gesellschaft zu verstehen, denn durch § 1 wäre ihr die Grundlage für ihre Existenz, nämlich die Nutzung des Grundstücks „G.”, entzogen worden.
1. Damit würde sich ein Auseinandersetzungsanspruch des Ehemannes der Klägerin gemäß §§ 730 ff. BGB ergeben (vgl. zur Einbringung von Grundstücken quoad sortem und zu deren Behandlung in der Liquidation der Gesellschaft MünchKomm. – Ulmer, BGB, 3. Aufl. § 732 Rdnr. 6 f.), wobei die dispositiven gesetzlichen Bestimmungen durch die Vereinbarung vom 2. August 1991 ersetzt worden wären.
2. Vor diesem Hintergrund verlöre die von dem Berufungsgericht vorgenommene Auslegung des § 1 dieser Vereinbarung vollends jeden Sinn. Betrachteten die Parteien die Gesellschaft bürgerlichen Rechts als aufgelöst und trafen sie deshalb Auseinandersetzungsregelungen, so wird der Gebrauch des Begriffs „Abfindung” dagegen ohne weiteres verständlich. Geschäftlich erfahrene Vertragspartner benutzen ihn nicht, wenn eine unentgeltliche Zuwendung vorliegt. „Abfindung” bedeutet, daß dem eine Leistung des Abzufindenden zugrunde liegt oder vorausgegangen ist. In diesem Sinne wird der Begriff „Abfindung” auch durchgängig im Gesetz verwendet (vgl. z.B. §§ 330, 843 ff. BGB; §§ 29 ff., 34 UmWG; §§ 9 f., 13 KSchG; §§ 16 f. GrdstVG).
3. Der Anspruch des Gesellschafters auf Abfindung oder auf das Auseinandersetzungsguthaben entsteht mit dem Ausscheiden des Gesellschafters aus der Gesellschaft oder mit der Auflösung der Gesellschaft. Den Rechtsgrund dieses Anspruchs bildet der Gesellschaftsvertrag. Mit seinem Abschluß ist der Anspruch daher bereits vorhanden (vgl. Sen. Urt. v. 11. Juli 1988 – II ZR 281/87, WM 1988, 1800, 1801).
Dies spricht dafür, die Vereinbarung vom 2. August 1991 dahin auszulegen, daß mit ihr ein unbedingter Zahlungsanspruch des Ehemannes der Klägerin gegen den Beklagten in Höhe von 200.000,– DM begründet und lediglich die Fälligkeit dieses Anspruchs auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags über das Grundstück und die Bezahlung des dort ausbedungenen Kaufpreises hinausgeschoben wurde. Diese Frage wird im Prozeß nicht näher problematisiert. Möglicherweise spielten beim Abschluß der Vereinbarung Liquiditätsprobleme des Beklagten eine erhebliche Rolle; es mag auch sein, daß ohne diesen Zusatz der Auseinandersetzungsanspruch des Ehemannes der Klägerin niedriger ausgefallen wäre.
III. Nach dem in der Revisionsinstanz zu unterstellenden Sachverhalt kann der geltend gemachte Anspruch nicht mangels Fälligkeit als (derzeit) unbegründet behandelt werden.
Das Grundstück befindet sich nunmehr zwar im Eigentum der Ehefrau des Beklagten, welches sie sich aufgrund der ihr eingeräumten Generalvollmacht verschaffte. Doch hat der Beklagte dazu zunächst vorgetragen, er habe seiner Frau das Grundstück „geschenkt”, da er dieser und deren Geschwistern gegenüber Verbindlichkeiten gehabt habe. Ist dies zutreffend, so hat er durch die Übereignung des Grundstücks diese Verbindlichkeiten getilgt. Das ist wirtschaftlich und rechtlich einem „Verkauf” des Grundstücks gleichzustellen. Die Folge ist, daß die Klägerin gegen den Beklagten in Höhe der erloschenen Verbindlichkeiten (beschränkt auf 200.000,– DM) einen Zahlungsanspruch hat.
Folgt man der Aussage der Ehefrau des Beklagten, sie habe das Grundstück an sich gebracht, weil ihr Ehemann eine Freundin habe, so fehlt für die kostenlose Übertragung des Grundstücks vom Beklagten auf seine Ehefrau ein rechtfertigender Grund. Hat der Beklagte gegen diesen Übertragungsakt nichts unternommen, so könnte das dahin gewertet werden, daß er das Vorgehen seiner Ehefrau jedenfalls nachträglich gebilligt hat (vgl. auch BGH, Urt. v. 24. Juni 1982 – III ZR 178/80, NJW 1982, 2552 f., zur Frage, wie die Anpachtung eines Jagdbezirks durch die Ehefrau im Rahmen des § 162 BGB zu beurteilen ist). An dieser Rechtslage ändert der Umstand, daß der Beklagte nicht zur Veräußerung des Grundstücks verpflichtet war, nichts. Er war zwar in seiner Entscheidung, ob er das Grundstück überhaupt veräußern sollte, frei, hatte jedoch aufgrund der Vereinbarung vom 2. August 1991 die Pflicht, die Möglichkeit des Eintritts der Bedingung offenzuhalten. Diese Pflicht verletzte er in zurechenbarer Weise, wenn er – wozu bisher Feststellungen fehlen – es bewußt zuließ, daß seine Ehefrau sich das Eigentum an dem Grundstück unter Ausnutzung der ihr von dem Beklagten erteilten Generalvollmacht verschaffte, ohne hierfür eine Gegenleistung zu erbringen.
D. Damit die Parteien Gelegenheit erhalten, ihren Vortrag erforderlichenfalls zu ergänzen, und das Berufungsgericht die notwendigen weiteren Feststellungen treffen kann, ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Unterschriften
Röhricht, Dr. Hesselberger, Prof. Dr. Henze, Dr. Kapsa, Kraemer
Fundstellen
Haufe-Index 1130418 |
BB 1998, 1279 |
DB 1998, 1276 |
DStR 1998, 1105 |
NJW-RR 1998, 1488 |
NZG 1998, 500 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 1998, 1131 |
ZIP 1998, 956 |
MDR 1998, 914 |
ZNotP 1998, 334 |