Entscheidungsstichwort (Thema)
Geltendmachung eines Anspruchs der Alleinerben auf Rückzahlung eines Guthabens auf eingerichteten Sparkonten gegen die Ehefrau des Erblassers
Leitsatz (amtlich)
- Durch Errichtung eines Oder-Kontos erwirbt der Beschenkte bereits zu Lebzeiten den hälftigen Anteil des Sparguthabens.
- Hat mit der Errichtung eines Oder-Kontos der Erblasser sicherstellen wollen, daß im Todesfall der Überlebende "problemlos" das gesamte Sparguthaben erhält, ist damit die Schenkung auch hinsichtlich der zweiten Hälfte des Guthabens vollzogen. Der Rechtsübergang insoweit tritt ein mit dem Tod des Erblassers.
Normenkette
BGB §§ 430, 518 Abs. 2, § 2301
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 15. Zivilsenats in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 16. August 1984 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.
Die Anschlußrevision des Klägers wird zurückgewiesen.
Auf die Anschlußberufung der Beklagten und unter Zurückweisung der Berufung des Klägers wird das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Marburg vom 9. März 1983 dahin abgeändert, daß die Klage insgesamt abgewiesen wird.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, wem die Guthaben auf den vom Erblasser eingerichteten Sparkonten - sogenannten Oder-Konten - nach dessen Tod zustehen.
Der Kläger und sein Bruder sind die erstehelichen Söhne und testamentarische Alleinerben des am 10. Mai 1982 verstorbenen Erblassers. Die Beklagte ist dessen zweite Ehefrau. 1971 kurz vor der Eheschließung hatte der Erblasser mit der Beklagten und seinen Söhnen einen notariellen Vertrag geschlossen, der unter anderem einen beiderseitigen Erbverzicht des Erblassers und der Beklagten und ein Rentenversprechen zu ihren Gunsten enthält. Im Jahre 1975 ließ der Erblasser sich von seinem in erster Instanz dazu als Zeugen vernommenen Nachbarn, der Vorstandsmitglied einer Bank ist, darüber beraten, auf welche Weise problemlos ein Sparkonto nach dem Tode des Erstversterbenden der Eheleute auf den Überlebenden übergehen könne. Auf Rat des Zeugen richtete der Erblasser insgesamt fünf Sparkonten als sogenannte Oder-Konten ein, bei denen er und die Beklagte als Berechtigte bezeichnet wurden. Nach den Bankbedingungen waren beide Berechtigte auch zur Kontenauflösung befugt.
In seinem Testament vom 23. Januar 1980 erwähnte der Erblasser die Oder-Konten nicht. Darin hatte er außer der Erbeinsetzung seiner Söhne Vermächtnisse zugunsten seiner Tochter und der Beklagten verfügt. Die Tochter sollte unter anderem ein Grundstück und für den Fall des Verkaufs zu Lebzeiten einen Geldbetrag in Höhe des Verkaufserlöses erhalten. Das Grundstück hatte der Erblasser bereits zuvor für 250.000,- DM verkauft. Vom Verkaufserlös überwies, er nach der Testamentserrichtung 40.000,- DM auf zwei der Oder-Konten, weitere 10.000,- DM auf ein anderes Sparkonto, das er mit weiteren Spar- und Giro-Guthaben der Beklagten vermächtnisweise zugewendet hatte, 50.000,- DM direkt an seine Tochter, die restlichen 150.000,- DM auf ein seiner Tochter als Vermächtnis zugedachtes Depositenkonto.
Als der Erblasser zweieinviertel Jahre später starb, wiesen die fünf Oder-Konten ein Gesamtguthaben von 211.106,44 DM auf. Dieses Guthaben ließ die Beklagte am 1. Juni 1982 auf sich umschreiben.
In erster Instanz hat der Kläger Zahlung des gesamten Guthabensbetrages nebst Zinsen an sich und seinen Bruder verlangt. Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung der aus dem Verkaufserlös stammenden 40.000,- DM verurteilt und die Klage im übrigen abgewiesen. Mit seiner Berufung verlangte der Kläger neben den ihm vorab zugesprochenen 40.000,- DM die Hälfte des danach verbleibenden Restbetrages, insgesamt also 125.553,22 DM. Das Oberlandesgericht hat unter Zurückweisung der Anschlußberufung der Beklagten, die völlige Klageabweisung begehrte, diese zur Zahlung der Hälfte der Gesamtguthaben in Höhe von 105.553,22 DM verurteilt.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten führt in vollem Umfang zur Klageabweisung, so daß die Anschlußrevision erfolglos bleiben muß. Die tatrichterlichen Feststellungen ergeben, daß der Erblasser den Bestand der Oder-Konten der Beklagten wirksam geschenkt hat.
1.
Das Berufungsgericht führt aus, die Beklagte sei weder zu Lebzeiten des Erblassers noch mit seinem Tode Alleinberechtigte geworden.
Die Zeugenaussage - der das Berufungsgericht wie schon das Landgericht uneingeschränkt folgen will - ergebe nur, daß die Beklagte im Innenverhältnis zum Erblasser schon zu dessen Lebzeiten entsprechend § 430 BGB einen hälftigen Anteil an den Guthaben erworben habe, für welche beide Gesamtgläubiger gewesen seien. Weil beide gewollt hätten, daß das Konto zu Lebzeiten beiden als Forderungsinhabern zustehen sollte, sei hinsichtlich des halben Anteils das Schenkungsversprechen durch eine den Formmangel nach § 518 Abs. 2 BGB heilende Vorausabtretung vollzogen worden. Der vom Erblasser geäußerte Wille, das Konto solle zu Lebzeiten beiden Eheleuten zustehen, stehe einer Schenkung des gesamten Guthabens unter der auflösenden Bedingung des Erstversterbens der Beklagten entgegen.
Den Anteil des Erblassers habe die Beklagte auch nicht mit dessen Tod erworben. Zwar seien beide einig gewesen, daß der Längstlebende alleiniger Kontoinhaber sein sollte.
Das Sparkonto habe nach den Äußerungen des Erblassers problemlos auf den Überlebenden übergehen sollen. Damit sei die Beklagte ersichtlich einverstanden gewesen. Dieses Schenkungsversprechen sei jedoch nicht vollzogen worden. Aufgrund der Zeugenaussage könne nicht festgestellt werden, daß der Erblasser seinen Anteil abgetreten habe, da er erklärtermaßen zumindest über diesen habe weiter verfügen wollen. Der Aussage sei nicht zu entnehmen, daß der Erblasser und die Beklagte überhaupt den Willen gehabt hätten, ihren jeweiligen Anteil aufschiebend bedingt durch den eigenen Todesfall abzutreten. Über die Notwendigkeit der Abtretung trotz Einrichtung von Oder-Konten sei nämlich nicht gesprochen worden. Der Erblasser habe einen Übergang auf den Längstlebenden ohne großen Papierkrieg gewollt. Der Zeuge habe die Eheleute ersichtlich nur über die banktechnische Seite belehrt, daß bei einem Oder-Konto mit dem Antrag auf Umschreibung nur das Sparbuch und der Todesnachweis vorzulegen seien. Da es an einer Belehrung über die materiell-rechtliche Seite fehle, hätten die Eheleute nicht wissen können, daß eine aufschiebend bedingte Abtretung erforderlich gewesen sei.
Mangels einer anderen Bestimmung im Sinne des § 430 BGB habe das Gesamtgläubigerverhältnis über den Tod des Erblassers hinaus fortbestanden. Deshalb stehe seinen Erben in Höhe der Hälfte der Guthaben ein Ausgleichsanspruch zu.
Das gelte auch für den aus dem Verkaufserlös stammenden Betrag von 40.000,- DM. Bei der schenkungsweisen Übertragung des Hälfteanteils sei nur von Oder-Konten die Rede gewesen, ohne daß konkrete Guthaben bezeichnet worden seien. Das müsse so ausgelegt werden, daß alle künftigen Einzahlungen auf die Oder-Konten von der Abtretung hätten erfaßt sein sollen. Schon der Zeitraum von mehr als zwei Jahren zwischen Einzahlung und Tod stehe der Annahme entgegen, daß der Verkaufserlösanteil nur vorübergehend auf die Konten gelangt sei. Daß der Erblasser auf die betreffenden Überweisungsträger rechts oben den Namen seiner Tochter geschrieben habe, könne auch ein Vermerk über die Herkunft sein, müsse nicht bedeuten, daß diese Beträge der Tochter zustehen sollten. Auch der Beleg für die 10.000,- DM, die auf das vermächtnisweise der Beklagten zugewendete Sparkonto überwiesen worden seien, trage diesen Vermerk.
2.
Die entscheidende Frage des Rechtsstreits ist, ob der Erblasser der Beklagten die zweite Hälfte des Guthabensbetrages der Oder-Konten von Todes wegen wirksam geschenkt hat (§ 2301 Abs. 2 BGB).
a)
Den Ausführungen des Berufungsgerichts zur rechtlichen Bedeutung der Oder-Konten und der daraus folgenden Gesamtgläubigerstellung der Beklagten und des Erblassers zu dessen Lebzeiten ist zu folgen (BGHZ 93, 315 und 95, 185). Auf die daraus sich möglicherweise ergebende und in der Berufungsbegründung des Klägers in den Vordergrund gestellte Frage nach dem Ausgleich unter Gesamtgläubigern gemäß § 430 BGB kommt es jedoch nicht an. Diese Frage könnte erst Bedeutung gewinnen, wenn die nach den Feststellungen des Berufungsgerichts vom Erblasser und von der Beklagten gewollte Schenkung auch der zweiten Guthabenhälfte tatsächlich daran gescheitert wäre, daß der die Eheleute beratende Zeuge nur den banktechnischen Vorgang, nicht aber die rechtlich erforderliche Konstruktion dafür dargestellt hat. Aus der fehlenden Kenntnis der Eheleute von der materiell-rechtlichen Konstruktion hat das Berufungsgericht geschlossen, beide hätten den für den Vollzug der Schenkung erforderlichen rechtsgeschäftlichen Abtretungswillen nicht gehabt. Dieser Schluß ist rechtsfehlerhaft. Er steht in Widerspruch zu den Feststellungen des Berufungsgerichts dazu, was der Erblasser und die Beklagte nach der Beratung durch den Zeugen wollten und wie sie sich dementsprechend verhalten haben. Er steht auch nicht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (Senatsurteil vom 11.1.1984 - IVa ZR 30/82 - FamRZ 1985, 693 m.w.N.).
b)
Allerdings reichen für den Vollzug der Schenkung auf den Todesfall vorbereitende und sichernde Handlungen nicht aus. Hier geht es aber nicht um eine bloße, wenn auch unwiderrufliche Vollmacht zur Verfügung über versprochene Bankguthaben, die keine Anderung in der Zuordnung der Sparguthaben bewirkte (dazu BGHZ 87, 19, 25 f.). Hier ging es dem Erblasser nach den Feststellungen des Berufungsgerichts darum, seinen Entschluß, die Beklagte mit dem an seinem Todestag vorhandenen gesamten Bestand der Sparkonten zu bedenken, schon zu seinen Lebzeiten so durchzusetzen, daß dieser Bestand "problemlos auf den Überlebenden übergehen" sollte. Sein Wille - mit dem die Beklagte festgestelltermaßen ersichtlich einverstanden war - ging endgültig dahin, den Rechtsübergang mit seinem Tode eintreten zu lassen und dafür bereits bei der Errichtung der Konten alles Erforderliche zu veranlassen. Auf diese Weise sollte die Beklagte als diejenige, die ihn seiner Vorstellung nach überleben würde, "ohne großen Papierkrieg" im Todesfall sofort die Alleinberechtigung erhalten. Daß der Erblasser der Beklagten schon zu Lebzeiten die Mitverfügungsbefugnis über den gesamten jeweiligen Bestand einräumte, stellt ein schon zu Lebzeiten erbrachtes Vermögensopfer dar.
Diesem Willen darf der Erfolg nicht versagt werden, gerade weil es auf die demgegenüber untergeordneten Vorstellungen der Beteiligten über die rechtliche Einkleidung ihres Handelns nicht entscheidend ankommen kann (Senatsurteil vom 11.1.1984 a.a.O. unter I. 5. b; Johannsen, WM 1985 Sonderbeilage S. 11). Die einem Laien ohnehin, insbesondere im Hinblick auf das Abstraktionsprinzip, nur schwer verständliche materiell-rechtliche Konstruktion der aufschiebend bedingten Abtretung als der für den Schenkungsvollzug erforderlichen dinglichen Übertragung brauchte den Eheleuten nicht im einzelnen erklärt zu werden. Ihr Wille dahin, daß die Forderung im Todeszeitpunkt auf die Beklagte als dann Alleinberechtigte übergehen sollte, und ihre Kenntnis darüber, daß für diesen Rechtsübergang ihr auf die Forderung gegenüber der Bank bezogenes, bereits bei Kontenerrichtung vorhandenes Einverständnis notwendig war, genügten in diesem Zusammenhang. Sowohl der Erblasser als auch die Beklagte hatten die Möglichkeit der dinglich wirkenden Übertragung einer Forderung durch Vertrag (§ 398 BGB) in ihr Bewußtsein aufgenommen. Das zeigt die Feststellung des Berufungsgerichts zur Vorausabtretung als Vollzug der Schenkung der ersten Hälfte der Guthaben.
Danach fallen die vom Berufungsgericht als entscheidend angesehenen Bedenken, daß der rechtsgeschäftliche Wille zur Abtretung angeblich gefehlt habe, in sich zusammen. Dem Erblasser ging es wie ausgeführt darum, den im Zeitpunkt seines Todes vorhandenen Bestand der Oder-Konten auf die Beklagte zu übertragen, auch wenn er zu Lebzeiten sich die Mitverfügungsbefugnis vorbehielt. Weil danach die Schenkung der zweiten Hälfte von Todes wegen mit der Folge der Heilung des Formmangels vollzogen worden ist, muß die Revision zur Klageabweisung führen.
c)
Unter diesen Umständen kann die Anschlußrevision keinen Erfolg haben. Da der Erblasser und die Beklagte sich bereits 1975 darüber einig waren, daß die erste Hälfte des Gesamtguthabens sofort und die andere Hälfte mit dem Tode des Erblassers schenkweise der Beklagten zustehen sollten, und da diese Schenkungen beide vollzogen wurden, muß sich das Einigsein der Eheleute hinsichtlich der (aufschiebend bedingten) Vorausabtretung von vornherein auf den gesamten Bestand der Guthaben beim Todesfall bezogen haben. Davon konnte der Erblasser nicht einseitig durch Vermerke auf Überweisungsträgern wieder abrücken.
Unterschriften
Dr. Hoegen
Dr. Lang
Dehner
Dr. Zopfs
Dr. Ritter
Fundstellen