Verfahrensgang
LG Oldenburg (Urteil vom 16.07.2014) |
Tenor
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 16. Juli 2014 werden verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. Die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter räuberischer Erpressung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt und ihn im Übrigen freigesprochen. Die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft haben keinen Erfolg.
Rz. 2
Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen erklärte der deutlich angetrunkene Angeklagte dem Betreiber einer Gaststätte, dem Zeugen G., er – der Angeklagte – sei dort der Chef, und forderte die Zahlung von 300 EUR. Nachdem der Zeuge das Ansinnen abgelehnt hatte, drohte der Angeklagte, er werde mit Freunden die Gaststätte „plattmachen” und versetzte dem Zeugen zwei Schläge mit der Hand ins Gesicht, die zu einer Rötung der Wange führten. Wenige Minuten später äußerte der Angeklagte erneut, der Zeuge solle zahlen, fragte, ob dieser ihn verstanden habe, langte über die Theke und versetzte ihm eine weitere Ohrfeige. Anschließend drängten anwesende Familienangehörige des Zeugen den Angeklagten nach draußen, wo er erklärte, man solle ihm zeigen, wer hier der Boss sei, der müsse 300 EUR zahlen. Danach entfernte er sich. Kurz darauf erschienen herbeigerufene Polizeibeamte. Einige Zeit nach der Tat erhielt der Zeuge einen Drohanruf und eine SMS, ohne dass dies dem Angeklagten zugerechnet werden konnte.
Rz. 3
I. Revision des Angeklagten
Rz. 4
Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Die durch eine rechtsfehlerfreie Beweiswürdigung getragenen Feststellungen belegen insbesondere, dass der Taterfolg aus der Sicht des Angeklagten mit den bereits eingesetzten oder zur Hand liegenden Mitteln nicht mehr erreicht werden konnte, ohne dass eine neue Handlungs- und Kausalkette in Gang gesetzt werden musste, so dass der Versuch der räuberischen Erpressung fehlgeschlagen war. Danach war für einen strafbefreienden Rücktritt (§ 24 Abs. 1 StGB) kein Raum.
Rz. 5
II. Revision der Staatsanwaltschaft
Rz. 6
Die wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte, mit sachlichrechtlichen Beanstandungen begründete Revision der Staatsanwaltschaft hat ebenfalls keinen Erfolg.
Rz. 7
1. Soweit sich die Revision gegen die Strafzumessung als solche wendet, gilt Folgendes:
Rz. 8
Der Wertungsakt, welcher der Zumessung der Strafe zugrunde liegt, ist grundsätzlich Aufgabe des Tatgerichts. Eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle durch das Revisionsgericht findet nicht statt; dieses prüft nur nach, ob dem Tatrichter ein Rechtsfehler unterlaufen ist, etwa weil er den Strafrahmen unzutreffend bestimmt, rechtlich anerkannte Strafzwecke außer Betracht gelassen oder einzelnen Strafzumessungsgründen erkennbar ein zu hohes oder zu geringes Gewicht beigemessen hat oder weil sich die Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein, also unvertretbar hoch oder niedrig ist. Die Begründung des Urteils muss erkennen lassen, dass die wesentlichen Gesichtspunkte gesehen und in ihrem Zusammenwirken vertretbar gewürdigt worden sind. Das Ergebnis der Zumessung muss zu den bestimmenden Strafzumessungsgesichtspunkten in einem nachvollziehbaren und vertretbaren Zusammenhang stehen. In Zweifelsfällen hat das Revisionsgericht die Wertung des Tatgerichts zu respektieren (st. Rspr.; vgl. schon BGH, Urteil vom 17. September 1980 – 2 StR 355/80, BGHSt 29, 319, 320).
Rz. 9
Hieran gemessen liegt ein durchgreifender Rechtsfehler nicht vor. Soweit die Revision insbesondere die Milderung des Strafrahmens gemäß § 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB beanstandet, dringt sie aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts nicht durch. Auch die weiteren Einwände zeigen keinen Rechtsfehler auf. Insbesondere ist mit Blick auf den Drohanruf und die SMS, die der Zeuge einige Zeit nach der Tat erhielt und die dem Angeklagten nicht zugeordnet werden konnten, nicht zu beanstanden, dass die Strafkammer zu dessen Lasten in die Abwägung lediglich eingestellt hat, dieser habe durch sein Verhalten „zumindest dazu beigetragen”, dass der Betrieb der Gaststätte aufgegeben wurde. Auch entspricht die Wertung der Strafkammer, es habe sich lediglich um eine leichte Körperverletzung gehandelt, den getroffenen Feststellungen.
Rz. 10
2. Der Revision bleibt der Erfolg auch versagt, soweit sie sich gegen die Aussetzung der erkannten Freiheitsstrafe zur Bewährung wendet. So wie die Strafzumessung ist auch diese Entscheidung grundsätzlich Sache des Tatgerichts. Gelangt dieses auf Grund der Besonderheiten des Falles zu der Überzeugung, dass die Strafaussetzung trotz des Unrechts- und Schuldgehalts der Tat nicht als unangebracht erscheint und nicht den allgemeinen vom Strafrecht geschützten Interessen zuwiderläuft, so ist dies vom Revisionsgericht grundsätzlich auch dann hinzunehmen, wenn eine gegenteilige Würdigung möglich gewesen wäre (BGH, Urteil vom 17. Januar 2002 – 4 StR 509/01, NStZ 2002, 312).
Rz. 11
a) Nach diesem Maßstab sind zunächst die Erwägungen, mit denen das Landgericht dem Angeklagten eine positive Sozialprognose gestellt hat, rechtlich nicht zu beanstanden. Das Landgericht hat sich auf die familiären Bindungen des Angeklagten, seine feste Arbeitsstelle sowie den Umstand, dass er bereits eine frühere Bewährungszeit durchgestanden hat, und damit insgesamt – auch mit Blick auf die zu diesen Gesichtspunkten festgestellten konkreten Umstände – auf eine tragfähige Grundlage gestützt. Die Beschwerdeführerin zeigt keine tatsächlichen Umstände auf, die diese tatgerichtliche Würdigung als rechtsfehlerhaft erscheinen lassen. Die Ausführungen des Landgerichts lassen auch nicht besorgen, es sei im Rahmen der nach § 56 Abs. 1 StGB zu treffenden Prognose von einem rechtlich fehlerhaften Maßstab (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 13. August 1997 – 2 StR 363/97, BGHR StGB § 56 Abs. 1 Sozialprognose 30) ausgegangen. Dem Generalbundesanwalt ist zwar insoweit im Ansatz dahin zuzustimmen, dass es für die Annahme einer günstigen Prognose nicht genügt, dass diese sich nur nicht ausschließen lässt, oder dass die Möglichkeit, der Angeklagte werde in Zukunft keine Straftaten mehr begehen, nicht verneint werden kann. Die Wendung in den schriftlichen Urteilsgründen, die Strafkammer habe bei der Entscheidung über die Aussetzung der Strafe zur Bewährung erhebliche Bedenken zurückgestellt, lässt jedoch nicht erkennen, dass das Landgericht eine ihr zweifelhafte günstige Sozialprognose lediglich nicht hat ausschließen wollen. Sie ist vielmehr als Hinweis darauf zu verstehen, dass es in seine Bewertung auch Umstände hat einfließen lassen, die gegen eine Strafaussetzung zur Bewährung sprechen und insgesamt die nach zutreffendem Maßstab ermittelten Voraussetzungen als gerade noch erfüllt angesehen hat. Hiergegen ist rechtlich nichts zu erinnern.
Rz. 12
b) Die Bejahung besonderer Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB hält schließlich ebenfalls revisionsrechtlicher Prüfung stand.
Rz. 13
Besondere Umstände sind Milderungsgründe von besonderem Gewicht, die eine Strafaussetzung trotz des Unrechts- und Schuldgehalts, der sich in der Strafhöhe widerspiegelt, als nicht unangebracht erscheinen lassen. Dazu können auch solche gehören, die schon für die Prognose nach § 56 Abs. 1 StGB zu berücksichtigen waren. Wenn auch einzelne durchschnittliche Milderungsgründe eine Aussetzung nicht rechtfertigen, verlangt § 56 Abs. 2 StGB jedoch keine „ganz außergewöhnlichen” Umstände. Vielmehr können dessen Voraussetzungen sich auch aus dem Zusammentreffen durchschnittlicher Milderungsgründe ergeben (BGH, Beschluss vom 29. Juli 1988 – 2 StR 374/88, BGHR StGB § 56 Abs. 2 Umstände, besondere 7). Bei der Prüfung ist eine Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten in einer für das Revisionsgericht nachprüfbaren Weise vorzunehmen. Eine erschöpfende Darlegung aller Erwägungen ist weder möglich noch geboten; nachprüfbar darzulegen sind lediglich die wesentlichen Umstände. Die Entscheidung steht im pflichtgemäßen Ermessen des Tatgerichts; das Revisionsgericht hat dessen, ganz maßgeblich auf dem in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck beruhende Wertungen bis zur Grenze des Vertretbaren zu respektieren (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 12. Juni 2001 – 5 StR 95/01, StV 2001, 676; Urteil vom 28. Mai 2008 – 2 StR 140/08, NStZ-RR 2008, 276).
Rz. 14
Nach diesem weiten Prüfungsmaßstab genügen die Urteilsgründe den an sie zu stellenden Anforderungen, wenn auch der Hinweis auf die Alkoholisierung des Angeklagten für sich betrachtet bedenklich erscheint. Das Landgericht hat jedoch über die im Rahmen der Prüfung des § 56 Abs. 1 StGB herangezogenen Umstände hinaus mit den getroffenen Feststellungen im Einklang stehend maßgebend auf die Spontaneität des Tatentschlusses abgestellt und die alkoholbedingte Enthemmung des Angeklagten vor allem in diesem Zusammenhang berücksichtigt. Damit hat es in insgesamt zulässiger Weise aus den näheren Umständen der Tat Schlüsse auf die Persönlichkeit des Angeklagten gezogen (vgl. S/S-Stree/Kinzig, 29. Aufl., § 56 Rn. 29).
Unterschriften
Becker, RiBGH Hubert befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschfeiben. Becker, Schäfer, Mayer, Spaniol
Fundstellen