Entscheidungsstichwort (Thema)
Pfändung eines GmbH-Anteils
Leitsatz (amtlich)
Läßt der Gläubiger des Gesellschafters einer GmbH dessen Geschäftsanteil pfänden, nachdem der Gesellschafter den Anspruch auf die Abfindung oder das Auseinandersetzungsguthaben einem Dritten abgetreten hat, und ziehen nunmehr die Gesellschafter den Geschäftsanteil des Vollstreckungsschuldners ein, so erwirbt der Dritte den an die Stelle des Anteils tretenden Abfindungsanspruch belastet mit dem Pfändungspfandrecht.
Orientierungssatz
(Zitierung)
Vergleiche BGH, 1983-09-19, II ZR 12/83, BGHZ 88, 205 und WM IV 1983, 1235, 1237, insoweit in BGHZ 88, 205 nicht abgedruckt.
Normenkette
ZPO § 857 Abs. 5, § 844 Abs. 1
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, wem das Abfindungsguthaben des Kaufmanns L. zusteht, nachdem dieser als Gesellschafter der R. W. GmbH ausgeschlossen und sein Geschäftsanteil eingezogen worden ist.
L. trat am 3. September 1984 seinen Anspruch auf Auszahlung seines künftigen Abfindungsguthabens an die E. S. GmbH für den Fall ab, daß er aufgrund Veräußerung, Einziehung, Verpfändung oder sonstiger Maßnahmen aus der W. GmbH ausscheiden sollte. Am 20. Mai 1985 trat wiederum die E. S. GmbH diesen Anspruch an den Beklagten ab.
Durch Beschlüsse vom 9. Oktober 1985, 25. Oktober 1985 und 1. November 1985 ließ die Klägerin wegen einer Forderung in Höhe von 383.724,25 DM L.'s Geschäftsanteil an der W. GmbH pfänden und sich zur Einziehung überweisen. Am 21. November 1985 schlossen die Gesellschafter L. daraufhin als Gesellschafter der GmbH aus und zogen seinen Geschäftsanteil ein. Die Abfindung in Höhe von ca. 990.000 DM wird ab 31. März 1986 in zehn Vierteljahresraten ausgezahlt. Gemäß einer Vereinbarung der Parteien sind die beiden ersten Raten je zur Hälfte an sie ausgekehrt worden.
Die Klägerin ist der Ansicht, die Pfändung des Geschäftsanteils gehe der Abtretung des Anspruchs auf Abfindung im Range vor. Sie nimmt den Beklagten auf Erstattung der beiden an diesen ausgezahlten ersten Raten in Höhe von insgesamt 99.000 DM nebst Zinsen in Anspruch. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben; das Berufungsgericht hat sie abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Antrag weiter, die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen, weil nach seiner Ansicht unter dem Gesichtspunkt der Priorität in dem Zeitpunkt, in dem L. aus der GmbH ausschied und sein Abfindungsanspruch entstand, die zeitlich frühere Abtretung des (künftigen Anspruchs auf die Abfindung) der vom Kläger veranlaßten späteren Pfändung des Geschäftsanteils vorgeht. Gegen diese Ansicht wendet die Revision sich mit Erfolg; die sofort wirksame Pfändung des Geschäftsanteils geht der erst mit der Entstehung des Anspruchs auf die Abfindung wirksam gewordenen Abtretung vor, so daß dieser Anspruch belastet mit dem Pfändungspfandrecht auf den Beklagten übergegangen ist.
Nach der Rechtsprechung des Senats handelt es sich bei dem Anspruch des GmbH- Gesellschafters auf Abfindung oder das Auseinandersetzungsguthaben nicht um einen bereits bestehenden, nur noch nicht fälligen, also betagten, sondern um einen künftigen Anspruch, der erst mit dem Ausscheiden des Gesellschafters oder der Auflösung der GmbH entsteht (BGHZ 88, 205, 206), allerdings seit Beginn der Mitgliedschaft in der Person des Gesellschafters im Kern vorhanden ist. Verfügt der Gesellschafter mehrfach über diesen künftigen Anspruch, so wird nach dem Grundsatz der Priorität in dem Zeitpunkt, in dem der Anspruch in seiner Person entsteht, von den Verfügungen, soweit sie einander widersprechen, nur die frühere wirksam (BGHZ 30, 149, 151; 32, 361, 363). Aber auch diese Rechtsfolge tritt nur ein, falls der vorausverfügende Gesellschafter der GmbH noch angehört, wenn die Forderung entsteht; anderenfalls hätte er eine Forderung voraus abgetreten, die im Zeitpunkt der Verfügung noch nicht entstanden war und später – selbst wenn man vom Veräußerungstatbestand absieht – in seiner Hand nicht mehr entstehen kann. Die Vorausabtretung der Abfindungsforderung wird somit regelmäßig hinfällig, wenn der Gesellschafter seinen Geschäftsanteil an einen Dritten abtritt, bevor in seiner Person die Abfindungsforderung entstanden ist. Aufgrund dieser Anteilsübertragung erwirbt der Dritte die Forderung als nunmehriger Inhaber des ihr zugrundeliegenden Geschäftsanteils zu vollem Recht, sobald die gesetzlichen und satzungsmäßigen Voraussetzungen hierfür bei ihm selbst verwirklicht sind (vgl. BGHZ 88, 205, 208).
Diese Rechtsfolge, daß nämlich die Vorausabtretung des künftigen Abfindungsanspruchs ins Leere geht, ist nicht auf den Fall beschränkt, daß der Gesellschafter selbst später seinen Geschäftsanteil einem Dritten abtritt. Sie tritt auch dann ein, wenn ein Gläubiger des Gesellschafters dessen Geschäftsanteil nach § 857 ZPO pfänden und dann auf gerichtliche Anordnung (§§ 857 Abs. 5, 844 Abs. 1 ZPO) hin entweder versteigern oder freihändig verkaufen läßt. Wird der gepfändete Geschäftsanteil auf diese Weise verwertet, so kann der Anspruch auf die Abfindung oder das Auseinandersetzungsguthaben (auch ohne dessen Abtretung) in der Person des Vollstreckungsschuldners nicht mehr entstehen; damit wird die Vorausabtretung wirkungslos. Der Erwerber erlangt einen vollwertigen Geschäftsanteil und der Vollstreckungsgläubiger aus dessen Verwertung einen entsprechend hohen Erlös.
Hieran ändert sich auch dann nichts, wenn die Satzung der GmbH für den Fall, daß der Geschäftsanteil gepfändet wird oder der Anteilsinhaber in Konkurs fällt, die Einziehung des Geschäftsanteils vorsieht und die Gesellschafter diese nunmehr beschließen. Zwar entsteht, wenn das Beteiligungsrecht des Gesellschafters erlischt, die Forderung auf die Abfindung infolge der Vorausabtretung in der Person des Zessionars; dieser erwirbt sie aber belastet mit dem Pfändungspfandrecht, das am Gesellschaftsanteil begründet worden ist und sich an die Forderung als dessen Surrogat fortsetzt.
Rechtlich unterscheiden sich die Vorausabtretung des Abfindungsanspruchs und die Verfügung über den Geschäftsanteil insofern, als letztere nicht ein künftiges, sondern ein bereits bestehendes Recht betrifft, also sofort und damit zeitlich früher als die Vorausabtretung wirksam wird. Da die Pfändung oder Verpfändung des Anteils abgeschlossen und das Pfandrecht in Kraft ist, bevor sich mit Entstehung des Abfindungsanspruchs dessen vorausverfügte Zession vollzieht, konkurrieren in diesem Zeitpunkt nicht zwei gleichzeitig wirksam werdende, einander widersprechende Verfügungen, sondern setzt sich ein schon früher entstandenes Pfandrecht an der erst jetzt entstehenden und damit auf den Zessionar übergehenden Forderung fort.
Dieses Ergebnis ist auch sachgerecht. Der Zessionar des Abfindungsanspruchs hat keine gesicherte Rechtsposition, weil der Gesellschafter sie ihm jederzeit entziehen kann, indem er den Geschäftsanteil einem Dritten abtritt. Der Anteil verkörpert auf diese Weise in der Hand des Gesellschafters noch einen Wert, der auch dessen Gläubiger zugänglich sein muß. Die Möglichkeit dazu hat dieser ohne weiteres, wenn er den Geschäftsanteil pfänden und dann aufgrund einer gerichtlichen Anordnung veräußern lassen kann. Ist in der Satzung die Einziehung zugelassen und wird sie von den Gesellschaftern beschlossen, so gilt nichts anderes. Zwar mag im Einzelfall auch der Gläubiger daran gebunden sein, daß die allgemein für den Fall der Einziehung in der Satzung vorgesehene Abfindung niedriger ist als der Verkehrswert des Anteils; um den Wert und damit um den Erfolg seiner Vollstreckungsmaßnahme kann er aber nicht dadurch gebracht werden, daß an die Stelle des Erlöses aus einer Veräußerung die Abfindung tritt. Ebenso wie am Erlös setzt sich das Pfandrecht deshalb auch an der Abfindungsforderung fort.
Etwas anderes würde allerdings gelten, wenn in Verkennung der wahren Rechtslage die Pfändung in den Gesellschaftsanteil in einem Zeitpunkt erfolgt, in dem der Anspruch auf die Abfindung bereits entstanden ist; diese Pfändung wäre eine solche des Abfindungsanspruchs, der nicht mehr dem Gesellschafter als dem Pfändungsschuldner, sondern aufgrund der inzwischen wirksamen Vorausabtretung dem neuen Gläubiger zusteht. Was für die Pfändung gilt, gilt auch für die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des Gesellschafters zu einem Zeitpunkt, in dem die Forderung auf Abfindung bereits entstanden und aufgrund der Vorausabtretung schon aus dem Vermögen des Gesellschafters und Gemeinschuldners ausgeschieden ist (vgl. Sen.Urt. v. 19. September 1983 – II ZR 12/83, WM 1983, 1235, 1237; insoweit in BGHZ 88, 205 nicht abgedruckt). Sollte in dem damals entschiedenen Fall, in dem auf die hier erörterte Problematik nicht näher eingegangen worden ist, der Abfindungsanspruch erst nach Konkurseröffnung entstanden sein, wäre an der Ansicht, daß es auf die Vorausabtretung ankäme, nicht festzuhalten.
Da nach alledem das Landgericht der Klage mit Recht stattgegeben hat, ist auf die Revision der Klägerin die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 649125 |
BGHZ, 351 |
NJW 1989, 458 |
ZIP 1988, 1546 |
DNotZ 1989, 380 |
JZ 1989, 252 |