Verfahrensgang
OLG Köln (Urteil vom 13.11.1975) |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 13. November 1975 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsrechtszuges zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin betreibt ein Reiseunternehmen. Sie veranstaltet u.a. Flugreisen, bei denen sie die Luftbeförderung, den Transfer der Reisenden von und zum Zielflughafen und die Unterbringung in einem Hotel am Zielort als einheitliche Leistung zu einem Pauschalpreis anbietet. Zur Durchführung der Luftbeförderung bedient sie sich selbständiger Fluggesellschaften.
Die beklagte Bundesrepublik unterhält auf allen inländischen Verkehrsflughäfen Flugsicherungsdienste, die organisatorisch in der nicht rechtsfähigen Bundesanstalt für Flugsicherung zusammengefaßt sind. Die Bediensteten in den Flugsicherungsstellen (Flugleiter oder auch Fluglotsen genannt) stehen überwiegend im Beamtenverhältnis. Oberste Dienstbehörde ist der Bundesminister für Verkehr.
In den letzten Jahren herrschte unter den Flugleitern große Unruhe, weil sie mit ihren Arbeitsbedingungen und mit ihrer Besoldung nicht zufrieden waren. Da sie die von der Beklagten zugesagten technischen und finanziellen Verbesserungen für unzureichend hielten, entschlossen sie sich im Frühjahr 1973 zu Kampfmaßnahmen. Ihr Ziel war es, die Bundesregierung unter Druck zu setzen, um sie zu veranlassen, ihren standespolitischen Forderungen nachzugeben. In der Zeit vom 31. Mai bis 23. November 1973 meldeten sich auffallend viele Flugleiter zu bestimmten Stichtagen krank („go sick”). Andere setzten über einen längeren Zeitraum ihre Arbeitsleistung herab („go slow”). Durch diese Maßnahmen wurde der zivile Luftverkehr erheblich gestört. Viele Flüge konnten nur mit erheblicher Verspätung durchgeführt werden, andere fielen ganz aus. Ende Juni 1973 erreichten die Störungen ein derartiges Ausmaß, daß sich die Beklagte gezwungen sah, einzelne Flughäfen, darunter den Flugplatz H. vorübergehend für den gesamten Flugverkehr zu sperren.
Von den Störungen des Flugverkehrs ist auch die Klägerin betroffen worden. Sie nimmt deshalb die Beklagte auf Schadensersatz in Anspruch. Im vorliegenden Verfahren macht sie einen Teil der Unkosten (45.000 DM) geltend, die ihr nach ihrem Vorbringen durch die Schließung des Flughafens H. in der Zeit vom 3. bis 5. Juli 1973 entstanden sind. Es handelt sich hierbei nach den Angaben der Klägerin um von ihr aufgewendete zusätzliche Transport-, Verpflegungs- und Übernachtungskosten für ihre Kunden sowie Personalkosten, die durch die Schließung des Flughafens H. zusätzlich entstanden sein sollen. Außerdem begehrt die Klägerin 5.000 DM Schadensersatz wegen angeblichen Rückgangs ihrer Kurzfristbuchungen.
Die Klägerin hat im wesentlichen vorgetragen: Die Beklagte habe gem. Art. 34 GG in Verb. mit § 839 BGB für die nachteiligen Folgen des sog. „Bummelstreiks” einzustehen, weil die Flugleiter mit diesen Kampfmaßnahmen ihre auch gegenüber der Klägerin bestehenden Amtspflichten verletzt hätten. Im übrigen treffe die leitenden Beamten der Bundesanstalt für Flugsicherung und den Bundesminister für Verkehr ein Organisationsverschulden. Obwohl die Überlastung der Flugleiter und das Fehlen von Planstellen seit langem bekannt gewesen sei, hätten die verantwortlichen Stellen nicht für Abhilfe gesorgt. Sie hätten es ferner versäumt, die Folgen des öffentlich angekündigten Arbeitskampfes durch rechtzeitigen Einsatz militärischer oder ausländischer Flugleiter abzuwenden.
Daneben hafte die Beklagte für das schuldhafte Verhalten der Flugleiter auch nach Grundsätzen des Vertragsrechts. Als Luftfrachtführer stehe sie, die Klägerin, zu der Bundesanstalt für Flugsicherung in einem öffentlich-rechtlichen, auf staatliche Leistung und Daseinsvorsorge ausgerichteten Benutzungsverhältnis. Wegen schuldhafter Schlecht- oder Nichterfüllung der sich aus dem Benutzungsverhältnis ergebenden Pflichten könne sie deshalb auch entsprechend § 278 BGB Schadensersatz verlangen.
Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie, die Klägerin, 50.000 DM nebst Zinsen zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat im wesentlichen ausgeführt: Die Kampfmaßnahmen der Flugleiter seien zwar rechtswidrig gewesen; die Klägerin könne hieraus aber gegen sie, die Beklagte, keine Schadensersatzansprüche herleiten, weil die Flugleiter keine Amtspflicht verletzt hätten, die gerade gegenüber der Klägerin zu erfüllen gewesen sei. Das Flugsicherungspersonal habe nur Amtspflichten gegenüber der Allgemeinheit. Aufgabe der Flugleiter sei es, für die Sicherheit des Flugverkehrs zu sorgen, nicht aber, die Anstaltsbenutzer vor Vermögensschäden zu bewahren. Eine Haftung des Dienstherrn scheide im übrigen deshalb aus, weil die Aktion der Flugleiter sich gegen diesen selbst gerichtet habe. Schließlich habe die Klägerin die Möglichkeit, den Verband der Flugleiter e.V. in Anspruch zu nehmen. Dieser Verband sei der Initiator des Arbeitskampfes gewesen. Zum mindesten habe er die Kampfmaßnahmen der Flugleiter nachhaltig unterstützt.
Die Klägerin habe zudem ihren Kunden gegenüber nicht für die rechtzeitige und ordnungsgemäße Ausführung der Luftbeförderung einzustehen. Sie trete nur als Vermittler zwischen dem Fluggast und dem Flugunternehmer auf und könne deshalb nicht als Benutzer der Bundesanstalt für Flugsicherung angesehen werden.
Die Klägerin hat erwidert, ein etwaiger Schadensersatzanspruch gegen den Verband der Flugleiter sei nicht durchsetzbar, weil dieser finanziell nicht in der Lage sei, den auf weit über 100 Millionen DM geschätzten Gesamtschaden auszugleichen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht hat sie dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Das Berufungsgericht hat den Klageanspruch aus dem Gesichtspunkt der Amtshaftung (Art. 34 GG i.V.m. § 839 BGB) im Ergebnis zutreffend dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.
I.
Das Berufungsgericht hat angenommen, die Flugleiter hätten in Ausübung eines ihnen anvertrauten öffentlichen Amtes (Art. 34 GG) gehandelt, als sie durch gehäufte Krankmeldungen („go sick”) und Herabsetzung ihrer Arbeitsleistung („go slow”) den Flugverkehr behinderten.
Die hiergegen gerichteten Angriffe der Revision haben keinen Erfolg.
1. Ob ein bestimmtes Verhalten einer Person als Ausübung eines öffentlichen Amtes anzusehen ist, bestimmt sich nach der ständigen Rechtsprechung des Senats danach, ob die eigentliche Zielsetzung, in deren Sinn die Person tätig wurde, hoheitlicher Tätigkeit zuzurechnen ist, und ob bejahendenfalls zwischen dieser Zielsetzung und der schädigenden Handlung ein so enger äußerer und innerer Zusammenhang besteht, daß die Handlung ebenfalls noch als dem Bereich hoheitlicher Betätigung angehörend angesehen werden muß (BGHZ 42, 176, 179; LM Nr. 23 § 839 [Ca] BGB). Hiervon ist das Berufungsgericht zutreffend ausgegangen.
2. Nach § 1 Abs. 1 LuftVG ist die Benutzung des Luftraums durch Luftfahrzeuge frei, soweit sie nicht durch das Luftverkehrsgesetz, das Gesetz über die Bundesanstalt für Flugsicherung und durch die zur Durchführung dieser Gesetze erlassenen Rechtsvorschriften beschränkt wird. Diese als „magna Charta” der Luftfahrt bezeichnete Regelung (vgl. Schleicher/Reymann/Abraham Das Recht der Luftfahrt 3. Aufl. Bd. 2 S. 15) stellt eine Konkretisierung der in Art. 2 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich als subjektives öffentliches Recht unter bestimmten Voraussetzungen gewährleisteten allgemeinen Handlungsfreiheit dar.
Nach den geltenden luftverkehrsrechtlichen Vorschriften ist Luftfahrt, Jedenfalls soweit sie im hier interessierenden Umfang betrieben wird, nur unter Inanspruchnahme des Flugsicherungsdienstes, den die Beklagte in Form eines staatlichen Monopolbetriebs zur Verfügung stellt, zulässig und möglich. Diese Regelung findet ihre Rechtfertigung darin, daß Aufgaben der Flugsicherung aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ihrer Natur nach staatliche Aufgaben sind und deshalb vom Staat wahrgenommen werden müssen. Nur so ist gewährleistet, daß Gefahren, die einerseits die Sicherheit des Luftverkehrs bedrohen und andererseits von der Luftfahrt ausgehen, wirksam abgewehrt werden.
Die Flugleiter erfüllen als Bedienstete der Bundesanstalt für Flugsicherung, einer dem Bundesminister für Verkehr unterstellten nicht rechtsfähigen Anstalt (vgl. Gesetz über die Bundesanstalt für Flugsicherung vom 23. März 1953, BGBl. I 70, BFSGes), Aufgaben der Luftaufsicht (§§ 29, 31 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Nr. 18 LuftVG). Diese besteht nach § 29 Abs. 1 Satz 1 LuftVG in der Abwehr von Gefahren für die Sicherheit des Luftverkehrs sowie für die Öffentliche Sicherheit oder Ordnung durch die Luftfahrt. Sie ist damit ihrer Rechtsnatur nach sonderpolizeilicher Art. Der Bundesanstalt für Flugsicherung mit ihren Außenstellen (vgl. Reuss Jahrbuch der Luft- und Raumfahrt 1975 S. 21 ff; Verwaltungsordnung für die Flugsicherung vom 24. Dezember 1953, VkBl 1954, 26) obliegt in diesem Rahmen u.a. die Durchführung des Flugsicherungsbetriebsdienstes, zu dem insbesondere die Luftverkehrskontrolle einschließlich der Bewegungslenkung im Luftraum und auf den Rollflächen der Flughäfen gehört (§§ 1, 2 BFSGes, §§ 1, 3, 6 ff AVV vom 8. April 1968, BAnz. Nr. 74). Der Flugverkehrskontrolldienst kann in Ausübung der Luftaufsicht Verwaltungsakte (Luftaufsichtsverfügungen) erlassen; er hat die von den Luftfahrzeugführern nach den Verkehrsvorschriften der Luftverkehrsordnung einzuholenden Flugverkehrsfreigaben zu erteilen (§ 29 Abs. 1 Satz 2 LuftVG, § 26 LuftVO, § 10 AVV). Dies alles ist Ausübung Öffentlicher Gewalt (Schleicher/Reymann/Abraham, a.a.O. Bd. 2 Vorb. 2 BFSGes S. 692; Hofmann Luftverkehrs-Verordnungen, Vorb. 3 BFSGes S. 515; Soergel/Glaser BGB 10. Aufl. § 839 Bem. 134; Bodenschatz BFSGes § 2 Anm. 1; ders., VersW 1960, 217, 220 Fn. 10; Wegerdt, ZLR 1953, 127, 134; Darsow, ZLR 1953, 295, 297 ff; Vierheilig, Die Polizei 1964, 363, 367).
3. Das Berufungsgericht hat darüber hinaus zu Recht angenommen, daß zwischen dieser Tätigkeit und den von der Klägerin beanstandeten Maßnahmen der Flugleiter nicht nur ein äußerer, sondern auch ein innerer Zusammenhang besteht.
a) Das Berufungsgericht hat insoweit, von der Revision nicht beanstandet, festgestellt, daß in dem hier fraglichen Zeitraum des Jahres 1973 ein Großteil der Flugleiter verabredungsgemäß entweder sich grundlos krank meldete („go sick”) oder seine Arbeitsleistung über einen längeren Zeitraum hinweg erheblich herabsetzte („go slow”), so daß die vom Luftverkehrskontrolldienst zu treffenden Entscheidungen, insbesondere die Flugverkehrsfreigaben gem. § 26 LuftVO, erheblich verzögert wurden und zum Teil sogar ganz unterblieben sind. Diese Aktionen der Flugleiter sind entgegen der Annahme der Revision nicht nur „bei Gelegenheit” ihrer dienstlichen Verrichtungen erfolgt, sondern sie waren derart eng mit der Dienstausübung verbunden, daß sie als ihr zugehörig angesehen werden müssen. Das eine ist von dem anderen schon rein tatsächlich nicht zu trennen. Das beanstandete Vorgehen der Flugleiter (Krankmeldungen und Herabsetzung der Arbeitsleistung) steht zu der unmittelbaren Verwirklichung des hoheitlichen Ziels, der Sicherung des Flugverkehrs, in einer solchen Beziehung, daß es mit dieser als ein einheitlicher Lebensvorgang anzusehen ist (vgl. insoweit Senatsentscheidung LM Nr. 25 GrundG Art. 34). Erst recht ist der erforderliche Zusammenhang mit der aufgetragenen amtlichen Tätigkeit zu bejahen, soweit sich das beanstandete Verhalten der Flugleiter als amtspflichtwidrige Unterlassung gebotener Amtstätigkeit darstellt (Bender Staatshaftungsrecht 2. Aufl. Rdn. 432; Senatsurteil LM Nr. 5 § 839 [Fg] BGB).
b) Art. 34 GG findet grundsätzlich auch Anwendung, wenn mit der Ausübung hoheitlicher Gewalt betraute Bedienstete zum Zwecke der Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen in streikähnlicher Weise ihre Amtstätigkeit einstellen oder verzögern und hierdurch Dritte vorsätzlich schädigen, für die – was auf den Betrieb der Klägerin zutrifft, vgl. dazu nachst. unter II 4 d – nach ihrer betrieblichen Organisation und Planung die Amtstätigkeit eine rechtliche oder tatsächliche Voraussetzung der Unternehmensbetätigung bildet.
Es bedarf nicht der Erörterung, ob über diese Grenze hinaus der „Beamtenstreik” dem Dienstherrn nach Art. 34 GG schlechthin zuzurechnen ist (so offenbar Nipperdey in Festschrift für Sitzler S. 82). Jedenfalls für den hier vorliegenden Sachverhalt ist der für eine Haftungsübernahme erforderliche innere Zusammenhang zwischen der Zielsetzung der streikähnlichen Aktion und dem öffentlichen Amt der Flugleiter zu bejahen.
c) Die beabsichtigten Störungen im Ablauf der Flugsicherung betrafen im Kern die (polizeiliche) Aufgabe, die der Flugleiter als Amtsträger zu erfüllen hat. Soweit der Ausfall der Flugsicherung sich nachteilig auf Gewerbebetriebe wie den der Klägerin ausgewirkt hat, drückt sich in diesen Folgen die funktionelle Abhängigkeit solcher Unternehmen von dem öffentlichen Amt aus. Die planmäßige Vernachlässigung eines öffentlichen Amtes der beschriebenen Art durch den Amtsträger stellt sich nicht so dar, als habe der Beamte lediglich eine durch die Amtsausübung geschaffene Lage zur Gewinnung persönlicher Vorteile ausgenutzt (was den Zusammenhang mit dem Amt aufheben würde, vgl. Maunz/Dürig/Herzog GG Art. 34 Rdn. 18). Vielmehr hält sich eine solche Aktion nach Zielrichtung und verwendetem Mittel (noch) im Bereich des anvertrauten öffentlichen Amtes.
d) Daß hier die Flugleiter sich letztlich gegen den eigenen Dienstherrn wandten, hebt den Zusammenhang zwischen ihrem „Bummelstreik” und der Ausübung des anvertrauten öffentlichen Amtes nicht auf. Die Flugleiter haben ihre Aktion innerhalb des ihnen aufgetragenen Wirkungskreises und unter Ausnutzung ihrer amtlichen Stellung durchgeführt. Es lag ihnen fern, dem Staat allgemein und grundsätzlich den Gehorsam zu verweigern und sich aus der Bindung zum Dienstherrn schlechthin zu lösen. Nur bei einer solchen Sachlage, die sich durch die einseitige Aufkündigung der übertragenen Stellung als Organ des Staates kennzeichnet, könnte erwogen werden, die Haftung des Staates für seine Beamten einzuschränken oder auszuschließen (vgl. dazu RGZ 104, 257, 263).
e) Dieses Verständnis des Art. 34 GG entspricht auch dem rechtsstaatlichen Anliegen der Vorschrift. Die Schadensersatzpflicht der öffentlichen Hand ist ein wichtiges Mittel zum Schutz des Bürgers vor Einwirkungen der öffentlichen Gewalt (vgl. BGHZ 11, 192, 198; 22, 383, 388). Besonders dann, wenn – wie hier – der (durch die Verwaltungsgerichte zu gewährende) unmittelbare Rechtsschutz gegen rechtswidrige Maßnahmen staatlicher Amtsträger wegen der Eigenart der Verwaltungstätigkeit im wesentlichen ausfällt, das Verhalten der Amtsträger jedoch zu erheblichen Einbußen des einzelnen führt, gewinnt der durch Art. 34 GG vermittelte subsidiäre (mittelbare) Schutz in rechtsstaatlicher Sicht besondere Bedeutung (Bettermann in Bettermann/Nipperdey/Scheuner, Die Grundrechte III/2 S. 781, 852/3; Dagtoglou, Bonner Komm. GG Art. 34 – Zweitbearbeitung – Rdn. 3, 4). Unterstrichen wird dies durch die Erwägung, daß der Bürger im hoheitlichen Bereich auf den Staat in besonderer Weise angewiesen ist, ohne sich einzelne Beamte „aussuchen” zu können. Hingegen stehen dem Dienstherrn die rechtlichen Mittel des öffentlichen Dienstrechts zu Gebote, die es ihm erlauben, die ordnungsgemäße Erfüllung der Amtspflichten – gegebenenfalls durch Abberufung einzelner Amtsträger und Einsatz von Ersatzkräften – sicherzustellen.
Schließlich entspricht die Anwendung des Art. 34 GG auf den vorliegenden Sachverhalt auch dem sozialstaatlichen Anliegen, den Bürger, der sich einem stetigen Anwachsen staatlicher Tätigkeit im hoheitlichen Bereich gegenüber sieht, einen immer leistungsfähigen Schuldner zu gewährleisten (RGZ 96, 148; Bender a.a.O. Rdn. 381).
II.
1. Eine Haftung der Beklagten für die von der Klägerin geltend gemachten Schäden setzt weiter voraus, daß die Flugleiter eine ihnen gegenüber der Klägerin als „Dritte” bestehende Amtspflicht schuldhaft verletzt haben (Art. 34 GG, § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB). Das Berufungsgericht hat offen gelassen, ob die Flugleiter verpflichtet waren, die Klägerin – ggfs. in deren Eigenschaft als Luftfrachtführer – vor geschäftlichen Nachteilen zu bewahren, die sich aus einer gestörten, nicht zügigen Abwicklung des Flugreiseverkehrs ergeben konnten. Eine Amtspflichtverletzung zum Nachteil der Klägerin, so hat das Berufungsgericht weiter ausgeführt, sei schon deshalb zu bejahen, weil das Verhalten der Flugleiter gegen § 826 BGB verstoßen habe und daher als Amtsmißbrauch aufzufassen sei; dies verpflichte zum Ersatz aller bei den Betroffenen eingetretenen Nachteile einschließlich der Vermögensschäden.
Die Revision macht geltend, auch bei Annahme eines Amtsmißbrauchs könne die Klägerin nicht Ersatz ihres Vermögens Schadens verlangen. Die Amtspflichten der Flugleiter beschränkten sich darauf, Leben, Gesundheit und Eigentum der unmittelbaren Flugbeteiligten vor bestimmten Gefahren des Luftverkehrs zu schützen. Das Interesse eines nicht überschaubaren Kreises von Personen an dem pünktlichen Starten, Landen oder Verkehren von Flugzeugen sei dagegen durch die Amtstätigkeit nicht geschützt.
Im Ergebnis bleibt die Revision auch insoweit ohne Erfolg.
2. a) Inhalt und Umfang der Amtspflichten eines Beamten bestimmen sich nach den seinen Aufgaben- und Pflichtenkreis regelnden Vorschriften, seien sie Gesetz oder Verordnung, Verwaltungsvorschrift oder dienstliche Einzelweisung, auch aus der Art der wahrzunehmenden Aufgaben selbst (vgl. RGRK-BGB 11. Aufl. § 839 Anm. 32).
Ob der Geschädigte (hier: die Klägerin) im Sinne des § 839 BGB „Dritter” ist, richtet sich danach, ob die Amtspflicht – wenn auch nicht notwendig allein, so doch auch – den Zweck hat, gerade sein Interesse wahrzunehmen. Nur wenn sich aus den die Amtspflicht begründenden und sie umreißenden Bestimmungen sowie aus der besonderen Natur des Amtsgeschäfts ergibt, daß der Geschädigte zu dem Personenkreis zählt, dessen Belange nach dem Zweck und der rechtlichen Bestimmung des Amtsgeschäfts geschützt und gefördert werden sollen, besteht ihm gegenüber bei schuldhafter Pflichtverletzung eine Schadensersatzpflicht. Hingegen ist anderen Personen gegenüber, selbst wenn die Amtspflichtverletzung sich für sie mehr oder weniger nachteilig ausgewirkt hat, eine Ersatzpflicht nicht begründet. Es muß mithin eine besondere Beziehung zwischen der verletzten Amtspflicht und dem geschädigten „Dritten” bestehen (Senatsentscheidungen BGHZ 56, 40, 45; 63, 35, 39; 65, 196, 198; stRspr.).
Im übrigen muß eine Person, der gegenüber eine Amtspflicht zu erfüllen ist, nicht in allen ihren Belangen immer als „Dritter” anzusehen sein. Vielmehr ist jeweils zu prüfen, ob gerade das im Einzelfall berührte Interesse nach dem Zweck und der rechtlichen Bestimmung des Amtsgeschäfts geschützt werden soll (Senatsentscheidungen BGHZ 63, 35, 41 ff; 65, 196, 198; BGH NJW 1976, 103/104). Es kommt demnach auf den Schutzzweck der verletzten Amtspflicht an.
b) Die nach § 29 Abs. 1 LuftVG den Luftfahrtbehörden zugewiesene Abwehr von Gefahren für die Sicherheit des Luftverkehrs sowie für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung durch die Luftfahrt ist auf dem Gebiet der Flugsicherung Aufgabe der Bundesanstalt für Flugsicherung (§§ 1, 2 BFSGes). Diese führt – neben einer Reihe anderer Aufgaben – auf allen deutschen Verkehrsflughäfen den sog. Flugsicherungsbetriebsdienst durch (§ 2 Abs. 1 Nr. 9 BFSGes). Zu diesem gehört (§ 2 Abs. 2 BFSGes, § 1 AVV) insbesondere der Flugverkehrskontrolldienst, der die Bewegungslenkung im Luftraum und auf den Rollflächen der Flugplätze durchzuführen hat (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 BFSGes; §§ 6 ff AVV). Die im Flugverkehrskontrolldienst eingesetzten Flugleiter haben nach § 6 AVV namentlich eine dreifache Aufgabe: Einmal, Zusammenstöße zwischen Luftfahrzeugen in der Luft und auf dem Rollfeld der Flugplätze zu verhindern; zum anderen, Zusammenstöße zwischen Luftfahrzeugen und anderen Fahrzeugen sowie sonstigen Hindernissen auf dem Rollfeld der Flugplätze zu verhindern; schließlich, den Luftverkehr möglichst schnell und flüssig abzuwickeln. § 26 Abs. 2 LuftVO bestimmt darüber hinaus, daß die von den Luftfahrzeugführern einzuholenden und nach § 10 Nr. 2 AVV vom Flugverkehrskontrolldienst zu erteilenden sog. Flugverkehrsfreigaben Schnelligkeit, Wirtschaftlichkeit und Regelmäßigkeit des Luftverkehrs berücksichtigen sollen, soweit es die öffentliche Sicherheit oder Ordnung, insbesondere die Sicherheit des Luftverkehrs, zulassen.
Diese Regelung der Flugsicherung ist den einheitlichen internationalen Richtlinien nachgebildet, wie sie von der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation nach Art. 37 des in Chicago am 7. Dezember 1944 unterzeichneten Abkommens über die Internationale Zivilluftfahrt (BGBl II 1956, 411) herausgegeben werden (vgl. hierzu Schleicher/Reymann/Abraham a.a.O. Bd. 1 S. 54/55; Bd. 2 S. 173; Hofmann Luftverkehrs-Verordnungen BFSGes § 1 Rdn. 1 S. 516; Darsow, ZLR 1953, 295, 296).
Daß die einzelnen Flugleiter, als sie durch grundlose Krankmeldungen („go sick”) oder erhebliche Herabsetzung ihrer Arbeitsleistung („go slow”) den Flugverkehr behinderten, gegen ihre vorbezeichneten Amtspflichten verstießen, insbesondere gegen die Pflicht zur zügigen Abwicklung des Luftverkehrs, wie sie in § 26 Abs. 2 LuftVO und § 6 Nr. 3 AVV (siehe auch §§ 13, 19 Nr. 1, 23 AVV für den Fluginformations-, Flugberatungs- und Flugfernmeldedienst) ausdrücklich niedergelegt ist, kann nicht zweifelhaft sein (vgl. insoweit BDiszG DVBl 1974, 820 = ZBR 1974, 369; NJW 1975, 1905).
3. Es spricht vieles dafür, daß die im vorliegenden Rechtsstreit von der Klägerin geltend gemachten Vermögensinteressen auch in den Schutzbereich der den Flugleitern insoweit obliegenden Amtspflichten fallen.
Wie sich aus § 1 Abs. 1 BFSGes, § 29 Abs. 1 Satz 1 LuftVG, § 26 Abs. 2 LuftVO und § 3 AVV ergibt, dient allerdings die Flugsicherung in erster Linie der Gefahrenabwehr im polizeilichen Sinne. Diesem Ziel ist die Tätigkeit der Flugleiter grundsätzlich zugeordnet. Dies schließt es indessen nicht aus, daß sie auch vermögensrechtliche Belange solcher Personen zu schützen hat, die durch ihre Teilnahme an einem organisierten Flugreisedienst auf die regelmäßige und wirtschaftliche Abwicklung des Flugverkehrs angewiesen sind. Dafür könnte sprechen, daß eine zügig arbeitende Flugsicherung regelmäßig sowohl Gefahren abwehren als auch einen wirtschaftlichen Flugbetrieb gewährleisten wird und eine Aufspaltung dieses einheitlichen Ordnungsbereichs der Lebenswirklichkeit widersprechen würde. Diese Frage bedarf jedoch nicht der abschließenden Erörterung, weil das Begehren der Klägerin sich aus einer anderen – vom Berufungsgericht nicht aufgestellten – Überlegung rechtfertigt.
4. a) Jeder Beamte darf die mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbundenen Mittel nur in den durch das Amt gezogenen Grenzen gebrauchen; ihm obliegt kraft seines Amtes die Fürsorgepflicht, bei der Amtsausübung in keiner Weise in den Bereich Unbeteiligter einzugreifen (RGZ 158, 83, 94). Hiernach ist der hoheitlich handelnde Beamte namentlich verpflichtet, sich bei der Amtsausübung aller Eingriffe in fremde Rechte zu enthalten, die eine unerlaubte Handlung im Sinne des bürgerlichen Rechts, so auch des § 823 Abs. 1 BGB darstellen. Ein Beamter, der in Ausübung seines öffentlichen Amtes in diesem Sinne eine unerlaubte Handlung begeht, verletzt dadurch zugleich eine ihm dem Träger des Rechts oder Rechtsguts gegenüber obliegende Amtspflicht (BGHZ 16, 111, 113; 23, 36, 47; RGZ 154, 117, 123; 158, 83, 94; RGRK-BGB a.a.O. § 839 Anm. 36; Soergel/Glaser BGB a.a.O. § 839 Bem. 33, 185).
b) Zu den durch § 823 Abs. 1 BGB geschützten „sonstigen Rechten” gehört nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch der eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb (BGHZ 29, 65; RGRK-BGB 11. Aufl. § 823 Anm. 27). Der Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs bildet allerdings einen „Auffangtatbestand”, der nur zur Anwendung kommen soll, wenn andere Schutzvorschriften nicht durchgreifen (BGHZ 36, 252, 256 f; 38, 200, 204; 45, 296, 307; BGH NJW 1971, 886; MDR 1974, 921). Diese Auffassung steht hier einer Anwendung des § 823 Abs. 1 BGB nicht deshalb entgegen, weil möglicherweise die Voraussetzungen des § 826 BGB vorliegen. Der richterrechtlich entwickelte Schutz des Gewerbebetriebs als „sonstiges Recht” im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB ist nicht zuletzt deshalb eingeführt worden, weil die Bestimmung des § 826 BGB insbesondere im Hinblick auf das Erfordernis eines vorsätzlichen Handelns den Bedürfnissen der Praxis nicht genügte (BGHZ 36, 252, 256). Diese Vorschrift ist – anders als wettbewerbsrechtliche Sonder vor schritten – nicht speziell auf den Unternehmensschutz ausgerichtet. Sie gewährt namentlich gegenüber fahrlässigen Eingriffen in den Gewerbebetrieb keinen Schutz. Nicht zuletzt insoweit stellt die Anerkennung des Gewerbebetriebs als „sonstiges Recht” im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB einen erweiterten Vermögensschutz vor allem im Verhältnis zu § 824 BGB dar. Schon deshalb gilt der Rechtssatz, daß auf § 823 Abs. 1 BGB als Schutznorm erst zurückzugreifen ist, wenn keine andere Bestimmung zutrifft, bei vorsätzlichen Eingriffen in den fremden Gewerbebetrieb nicht. Auf eine Prüfung der strengeren Voraussetzungen des § 826 BGB kann bei einem solchen Sachverhalt verzichtet werden (Staudinger/Schäfer BGB 10./11. Aufl. § 823 Rz. 9; im Ergebnis ebenso BGHZ 59, 30, 34).
Der Schutz des Gewerbebetriebs durch § 823 Abs. 1 BGB beschränkt sich jedoch auf Eingriffe, die betriebsbezogen sind (BGHZ 29, 65, 74), Die Bezogenheit zum Gewerbebetrieb kann sich (u.a.) aus der Tendenz des Eingriffs ergeben, wenn es etwa in der Willensrichtung des Verletzers liegt, durch bestimmte Maßnahmen den Betrieb zu beeinträchtigen (BGHZ 59, 30, 35; BGH LM Nr. 36 zu BGB § 823 [Ai] = NJW 1969, 1207; Anm. Hauß bei LM Nr. 16 zu BGB § 823 [Ai]; H. Lehmarm, NJW 1959, 670; Larenz Schuldrecht II 11. Aufl. § 72 III 7 b; Staudinger/Schäfer a.a.O. Rz. 134).
c) Die für den Flughafen H. zuständigen Flugleiter haben durch die Störung des Flugverkehrs, die zur vorübergehenden Schließung des Flughafens führte, unter Verletzung der ihnen gegenüber der Klägerin bestehenden Amtspflicht deren Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb in rechtswidriger Weise beeinträchtigt.
Wie teils vom Oberlandesgericht bindend (§ 561 ZPO) festgestellt, teils unstreitig ist, stellten die gehäuften Krankmeldungen („go sick”) und der sog. Dienst nach Vorschrift („go slow”) eine verabredete Maßnahme kollektiver Verweigerung geordneter Amtstätigkeit der Flugleiter dar, die darauf abzielte, Druck auf die Bundesregierung auszuüben, um sie zu veranlassen, den standespolitischen Forderungen der Flugleiter nachzugeben. Die Besonderheit dieser Aktion bestand darin, daß sie grundsätzlich gegen Unbeteiligte geführt wurde, die ihrerseits nicht in der Lage waren, die standespolitischen Forderungen der Flugleiter zu erfüllen. Anders als bei einem Streik in der Wirtschaft richtete sich die streikähnliche Aktion der Flugleiter nicht gegen ein Betriebspotential ihres Dienstherrn, sondern unmittelbar gegen die wirtschaftliche Organisation von Dritten, deren unternehmerische Tätigkeit funktionell mit der Amtstätigkeit der Flugleiter eng verbunden und von ihr abhängig war. Es lag ganz wesentlich in der Willensrichtung der Flugleiter, diese (bestimmten) Unternehmen in ihrer betrieblichen Abhängigkeit von der Flugsicherung zu beeinträchtigen, um die Bundesregierung wegen der bei diesen Dritten eintretenden Schadensfolgen ihren Forderungen gefügig zu machen.
Eine solche vorsätzliche Störung der gewerblichen Betätigung eines Reiseunternehmens, das für die reibungslose Abwicklung seiner geplanten und organisierten Flugreisen auf die ordnungsmäßige Durchführung der Flugsicherung angewiesen ist, stellt einen betriebsbezogenen Eingriff in den geschützten Bereich dieses Gewerbebetriebs dar.
d) Dieser Eingriff war auch rechtswidrig, weil das schädigende Vorgehen nach seinem Zweck und seiner Ausführung zu mißbilligen war (vgl. BGHZ 45, 296, 307).
Das streikähnliche Verhalten der Flugleiter verstieß gegen ihre besondere beamtenrechtliche Treuepflicht gegenüber dem Dienstherrn und war daher amtswidrig (BVerfGE 8, 1, 17; weitere Nachweise bei Isensee Beamtenstreik S. 53 Fn. 1; ders. JZ 1971, 73 Fn. 2; gegen ein generelles Streikverbot u.a. Ramm Koalitionsrecht und Streikrecht der Beamten, m.w.Nachw. S. 32 Fn. 36, 37). Diese Verletzung beamtenrechtlicher (Innen-)Pflichten kennzeichnet indessen das Verhalten der Flugleiter noch nicht als unzulässige Einwirkung auf einen fremden Gewerbebetrieb. Denn ein ersatzbewehrter Eingriff in den Gewerbebetrieb liegt nur bei Verletzung einer Norm vor, die den (einzelnen) Betrieb schützen soll (v. Caemmerer, Wandlungen des Deliktsrechts in: Festschrift z. 100-jährigen Bestehen des DJT Band 2 S. 49 ff, 96; Nikisch ArbRecht 2. Aufl. Band 2 S. 133; Ramm a.a.O. S. 156). Das Treueverhältnis des Beamten zum Staat bestimmt jedoch ausschließlich die dienstrechtlichen Beziehungen zwischen dem Dienstherrn und dem Beamten; es begründet als solches keinen Individualrechtsschutz bestimmter Betriebe. Abzustellen ist vielmehr auf die Eigenart der jeweiligen Amtstätigkeit und auf die Folgen, die ihr Fehlgebrauch für bestimmte, der Amtsausübung verbundene Betriebe haben kann.
In diesem Zusammenhang ist es vor allem zu mißbilligen, daß die Flugleiter ihre polizeilichen Aufgaben planmäßig vernachlässigt und die ihnen für die Hoheitsverwaltung in die Hand gegebenen Mittel dazu gebraucht haben, unbeteiligte, auf ihre Amtstätigkeit angewiesene und gegen diese Aktion wehrlose Unternehmen zu schädigen, um hierdurch den Staat, den eigentlichen sozialen Gegenspieler, mittelbar unter Druck zu setzen.
Die Flugsicherung ist, wie bereits ausgeführt, eine notwendige Voraussetzung jedes geordneten und sicheren Luftverkehrs. Störungen der Flugsicherung bringen erhebliche Gefahren für Leben, Gesundheit und Eigentum mit sich. Gefährdet sind damit in erster Linie höchstpersönliche Rechtsgüter, die als solche nicht ersetzbar sind. Wegen dieser drohenden Schadensfolgen erscheint eine geordnete Flugsicherung unverzichtbar. Eine planmäßige Störung der Flugsicherung erschüttert aber auch das Vertrauen der Reisenden in die gefahrenfreie Teilnahme am Luftverkehr. Sie muß zum – zeitweisen – Zusammenbruch jedes geordneten Luftverkehrs führen.
Reiseunternehmen, die – wie die Klägerin – das Flugreisegeschäft im Wege vorausschauender Planung betreiben, richten sich auf das ungestörte Funktionieren der Flugsicherung ein. Dieses Vertrauen ist schutzwürdig, weil die Übernahme der Flugsicherung in die Hoheitsverwaltung ihnen eine entsprechende unternehmerische Betätigung, die das Risiko des Ausfalls dieser für den Luftreiseverkehr notwendigen Dienstleistung begrenzen oder ausschließen könnte, verwehrt. Die Beamten der Flugsicherung erfüllen bei einer solchen Sicht eine Aufgabe, deren Besorgung für Betriebe der beschriebenen Art Voraussetzung der gewerblichen Betätigung ist, eine Aufgabe also, die dem unternehmerischen Zweck besonders eng verbunden ist. Die vorsätzliche Störung der geordneten Flugsicherung bereitet solchen Betrieben ein unüberwindbares Hindernis, das sich als widerrechtlicher Eingriff in den geschützten Betriebsablauf darstellt.
Dieser den Flugleitern zuzurechnende Eingriff entfällt im übrigen nicht etwa deshalb, weil die Beklagte den Flugverkehrskontrolldienst H. vorübergehend eingestellt hat. Diese Maßnahme trug ersichtlich der durch den „Bummelstreik” entstandenen Lage angemessen Rechnung. Sie ist also als durch die Aktion der Flugleiter adäquat mitverursachte Notmaßnahme anzusehen. Daß sie aus Gründen der Gefahrenabwehr im Interesse der zu schützenden Rechtsgüter geboten war, schließt die Rechtswidrigkeit der sie veranlassenden streikähnlichen Aktion nicht aus.
5. Durch diesen widerrechtlichen Eingriff in den Gewerbebetrieb der Klägerin haben die Flugleiter zugleich Amtspflichten verletzt, die ihnen gegenüber der Klägerin als einem „Dritten” oblagen (§ 839 Abs. 1 Satz 1 BGB; vgl. dazu oben II 4 a).
Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise auch festgestellt, daß die Flugleiter ihre Amtspflichten gegenüber der Klägerin vorsätzlich verletzt haben. Der Vorsatz wäre allerdings zu verneinen, wenn die Beamten ihre streikähnliche Maßnahme in der Auswirkung auf Gewerbebetriebe der beschriebenen Art tatsächlich für rechtmäßig gehalten hätten (Senatsurteile in BGHZ 34, 375, 381 und in VersR 1963, 339, 341; 1966, 875, 876; 1973, 443, 445). Das hat das Berufungsgericht aber nicht festgestellt.
Soweit das Berufungsgericht die Rechtslage für den Fall erörtert, daß ein möglicher Bewertungsirrtum der an der Aktion beteiligten Flugleiter etwa auf grober Fahrlässigkeit beruht habe (S. 16 des Berufungsurteils), handelt es sich ersichtlich nur um eine Hilfsbegründung, mit der das Berufungsgericht seinen in erster Linie getroffenen Feststellungen zur inneren Tatseite nicht ihre tragende Bedeutung hat nehmen wollen. Diese Feststellungen gehen dahin, die Flugleiter hätten spätestens in dem hier kritischen Zeitpunkt (Ende Juni 1973) mit der Möglichkeit (positiv) gerechnet, daß ihre einen für die Volkswirtschaft wesentlichen Verkehrsbereich nachhaltig störende Aktion gegen ihre Amtspflichten verstoße (S. 15, 16 a.a.O.). Dem Zusammenhang der Gründe des angefochtenen Urteils ist auch die weitere Feststellung zu entnehmen, daß die Beamten die Möglichkeit, mit der Aktion ihre Amtspflichten zu verletzen, gebilligt haben. Das ergibt sich einmal aus dem vom Berufungsgericht ausgewerteten unstreitigen Umstand, daß die Flugleiter alle Erklärungen des zuständigen Bundesministers über die Rechtswidrigkeit ihres Verhaltens und die Kritik ihrer Aktion durch die Massenmedien unbeachtet gelassen haben, zum anderen daraus, daß sie ihren Arbeitskampf nicht offen, sondern in verschleierter Form geführt haben und damit dem Dienstherrn die Möglichkeit genommen haben, rechtzeitig die erforderlichen Gegenmaßnahmen zu ergreifen (S. 14 a.a.O.). Dem fügt sich die weitere Feststellung des Berufungsgerichts ein, der Plan der Flugleiter, die Bundesregierung politisch unter Druck zu setzen, habe geradezu darauf aufgebaut, alle diejenigen, die mit dem Luftverkehr wirtschaftlich verflochten seien, durch die Störungen zu beeinträchtigen (S. 18 a.a.O.).
Die Revision zeigt nicht auf, daß das Berufungsgericht tatsächliches Vorbringen der Beklagten, das den Schluß auf fehlendes Bewußtsein der Pflichtwidrigkeit rechtfertigen könnte, übergangen hat. Dies wirkt sich gegen die Beklagte aus, weil sie bei dem gegebenen Sachverhalt für das Vorliegen eines besonderen Umstandes, wie ihn der vorsatzausschließende Rechtsirrtum darstellt, darlegungs- und beweispflichtig ist (Staudinger/Schäfer a.a.O. § 823 Rz 424 a.E.; Palandt/Heinrichs BGB 36. Aufl. § 276 Anm. 3 b; Leipold Beweislastregeln und gesetzliche Vermutungen [1966] S. 155 m.w.Nachw. in Fn. 16; vgl. auch BGH NJW 1968, 1279, 1281 unter III; Musielak Grundlagen der Beweislast im Zivilprozeß [1975] S. 159).
6, Bei dieser Rechtslage bedarf es nicht der Erörterung, ob die Klägerin als Luftfrachtführer anzusehen war und insoweit in einem öffentlich-rechtlichen Benutzungsverhältnis zur Bundesanstalt für Flugsicherung stand. Es kann auch dahinstehen, ob – wie das Berufungsgericht angenommen hat – in Richtung gegen die Klägerin ein Amtsmißbrauch wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung (§ 826 BGB) zu bejahen war.
III.
Die geltend gemachten Schäden sind nach dem Vortrag der Klägerin solche, die auf der Grundlage eines widerrechtlichen und schuldhaften Eingriffs in den geschützten Gewerbebetrieb zu ersetzen sind (§§ 249, 252 BGB). Das schließt den behaupteten Ausfall von Kurzfristbuchungen ein. Diese Buchungen wären, wie die Klägerin vorträgt, nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge (§ 252 BGB) noch kurz vor Reisebeginn erfolgt, wenn die Störungen der Flugsicherung die Reisenden nicht von der beabsichtigten Teilnahme abgehalten hätten.
Hiernach erweist sich das Grundurteil als gerechtfertigt.
Unterschriften
Nüßgens, Krohn, Peetz, Lohmann, Boujong
Fundstellen
Haufe-Index 1235872 |
BGHZ, 128 |
NJW 1977, 1875 |
JR 1977, 466 |
VerwRspr 1978, 186 |