Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen der Zulässigkeit eines gemeinschaftlichen Testaments
Normenkette
BGB §§ 2265, 140
Tenor
Die Revision der Klägerinnen gegen das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen - 1. Zivilsenat - vom 4. März 1986 wird zurückgewiesen.
Die Klägerinnen tragen die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
Die Klägerinnen sind die Töchter des am 7. Juli 1979 verstorbenen Erblassers. Dessen Ehe mit der Mutter der Klägerinnen ist geschieden. Seit Herbst 1971 lebte er mit der Beklagten zusammen.
Der Erblasser hinterließ eine von ihm selbst eigenhändig geschriebene und unterschriebene letztwillige Verfügung vom 4. Juni 1979. Sie trägt die Überschrift
" Gemeinsames Testament der Partner der Lebensgemeinschaft ... (des Erblassers und der Beklagten) ...".
In dieser Erklärung ist unter anderem vorgesehen, daß der Erblasser und die Beklagte sich gegenseitig zu "Universalerben" einsetzen, daß der Erblasser die klagenden Töchter ausdrücklich enterbt und daß nach dem Tode des längstlebenden Teiles "der gesamte Nachlaß, der dann noch vorhanden ist", zwischen dem Sohn des Erblassers und dem Sohn der Beklagten aufgeteilt wird. Die Beklagte unterschrieb diese Erklärung trotz wiederholter Aufforderungen des Erblassers nicht.
Die Klägerinnen begehren die Feststellung, die letztwillige Verfügung des Erblassers vom 4. Juni 1979 sei nichtig, jedenfalls von ihnen wirksam angefochten; hilfsweise haben sie beantragt, die Beklagten für erbunwürdig zu erklären. Beide Vorinstanzen halten die Klage für unbegründet. Mit der zugelassenen Revision verfolgen die Klägerinnen ihren Hauptantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
1.
Wie das Berufungsgericht zutreffend zugrunde legt, hätte die Verfügung vom 4. Juni 1979 als gemeinschaftliches Testament nicht wirksam werden können, weil diese Form der Verfügung von Todes wegen gemäß § 2265 BGB nur solchen Personen offensteht, die miteinander verheiratet sind. Davon abgesehen liegt im vorliegenden Fall aber überhaupt kein (wirksames oder unwirksames) gemeinschaftliches Testament vor, weil die Beklagte die Erklärung nicht unterschrieben hat. Vielmehr handelt es sich - in erster Linie - um einen Entwurf, ein Vorstadium eines "gemeinschaftlichen Testaments".
Das Berufungsgericht hat die Verfügung des Erblassers auf dem Wege über eine Umdeutung gemäß § 140 BGB trotzdem als Einzeltestament des Erblassers aufrecht erhalten. Dabei stellt es fest, daß die vom Erblasser gewollte Erbeinsetzung der Beklagten zu seiner Universalerbin nicht wechselbezüglich, sondern in jedem Falle - auch bei Nichtunterzeichnung durch die Beklagte - habe wirksam sein sollen. Diesem Willen des Erblassers, so führt das Berufungsgericht aus, müsse möglichst weitgehend Rechnung getragen werden. Ein Konversionsverbot, wie es das Reichsgericht in RGZ 87, 33 angenommen habe, sei dem Gesetz nicht zu entnehmen und stehe der Wirksamkeit der Erbeinsetzung der Beklagten daher nicht entgegen.
2.
Auch nach der Auffassung des erkennenden Senats bestehen keine grundsätzlichen Hindernisse, die vom Erblasser eigenhändig geschriebene und unterschriebene Erklärung als dessen einseitiges Testament gelten zu lassen. Daß eben diese Urkunde (zugleich auch) als Entwurf für ein gemeinschaftliches Testament von Nichtehegatten gedacht war (und gemäß § 2265 BGB als solches daher nicht hätte wirksam werden können), steht dem nicht entgegen. Zwar hat das Reichsgericht in RGZ 87, 33 den Standpunkt eingenommen, § 2265 BGB lasse es nicht zu, gemeinschaftliche letztwillige Verfügungen von Nichtehegatten als Einzeltestament aufrecht zu erhalten (dagegen heute die einhellige Auffassung, z.B. Johannsen in BGB-RGRK, 12. Aufl. § 2265 Rdn. 15, 14 unter Verweisung auf BGH, Beschluß vom 14.12.1955 - IV ZR 289/55; Staudinger/Kanzleiter, BGB 12. Aufl. § 2265 Rdn. 6 bis 14; MK-Musielak, BGB § 2265 Rdn. 4; Lutter FamRZ 1959, 273, 275; v. Lübtow, Erbrecht Bd. I S. 490). Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor. Von einer gemeinschaftlichen letztwilligen Verfügung von Nichtehegatten in diesem Sinne kann nicht gesprochen werden, solange es sich nur um die Erklärung einer einzigen Person handelt und der als Mittestator vorgesehene andere Teil der letztwilligen Verfügung noch nicht beigetreten ist. Die Frage, ob in einem derartigen Vorstadium die Erklärung dessen, der das von ihm vorgesehene gemeinschaftliche Testament bereits unterschrieben hat, (schon) vor der Unterschrift des anderen Teiles ein wirksames Einzeltestament ist, kann sich nicht nur bei Nichtehegatten, sondern ebensogut bei miteinander verheirateten Personen stellen und wird hier wie dort nach den gleichen Grundsätzen zu entscheiden sein. In beiden Fällen ist gleichermaßen auf den Willen dessen abzustellen, der seine Erklärung bereits abgegeben hat. Dieser maßgebende Erblasserwille ist auch hier nach den allgemeinen Grundsätzen der Testamentsauslegung zu erforschen.
3.
Das Berufungsgericht sieht als erwiesen an, daß die Erbeinsetzung der Beklagten im "Gemeinsamen Testament" vom 4. Juni 1979 nach dem Willen des Erblassers unabhängig von seiner eigenen Erbeinsetzung durch die Beklagte wirksam sein sollte. Zur Begründung führt es aus: Der Erblasser bezeichne die Beklagte in dem fraglichen Testament als die ihm am nächsten stehende Person, der er in hohem Maße für Pflege und Fürsorge dankbar sei und die er deswegen zu seiner "Universalerbin" einsetzen wolle. Auch bestätige er durch die Anordnung im Testament vom 4. Juni 1979 nur seinen Willen zu einer unbedingten Testierung. In einer früheren privatschriftlichen Verfügung vom 12. März 1974 habe er sie nämlich ebenfalls bereits - einseitig - als seine "Universalerbin" bedacht gehabt. Vollends überzeuge den Senat schließlich die Parteivernehmung der Beklagten. Denn danach stehe fest, daß der Erblasser - nachdem die Beklagte auch mehrere Tage nach dem 4. Juni 1979 trotz seiner Aufforderungen das "Gemeinsame Testament" noch nicht unterschrieben hatte - geäußert habe, "ihm sei das letztlich egal, da er davon ausgehe, daß auf jeden Fall sein letzter Wille wirksam niedergelegt sei".
Die hiergegen gerichteten Angriffe der Revision haben im Ergebnis keinen Erfolg. Die ausdrückliche Enterbung (§ 1938 BGB) der Klägerinnen in dem "gemeinschaftlichen Testament" wird durch die hier im Streit befindlichen Fragen ohnehin nicht berührt; sie bliebe auch dann gültig, wenn die Einsetzung der Beklagten zur Erbin ungültig wäre.
a)
Wechselbezüglich (korrespektiv) sind Verfügungen, von denen anzunehmen ist, daß die Verfügung des einen nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen sein würde (vgl. RGZ 170, 163, 172). In einem solchen Verhältnis können auch die in einem unwirksamen gemeinschaftlichen Testament enthaltenen Verfügungen von Todes wegen stehen (vgl. MK-Musielak, a.a.O. § 2270 Rdn. 2). Da über die Wechselbezüglichkeit der Wille der Testierenden entscheidet, muß er in Zweifelsfällen mit dem Mittel der Auslegung nach allgemeinen Grundsätzen erforscht werden (vgl. BGH, Urteil vom 13.2.1957 - IV ZR 243/56 - LM BGB § 2270 Nr. 2; MK-Musielak, a.a.O. § 2270 Rdn. 6; Palandt/Edenhofer, BGB 46. Aufl. § 2270 Anm. 1 b; Johannsen, a.a.O. § 2270 Rdn. 1, 7; vgl. ferner Senatsurteil vom 28.1.1987 - IVa ZR 191/85 - FamRZ 1987, 475). Diesen Ausgangspunkt hat das Berufungsgericht nicht verkannt.
b)
Seine Auslegung ist auch nicht etwa deswegen rechtsfehlerhaft, weil das Berufungsgericht - so die Revision - nicht auf den bei Testamentserrichtung am 4. Juni 1979 vorhandenen, sondern auf einen späteren Willen des Erblasser abstellen würde (zur Maßgeblichkeit des Errichtungszeitpunktes vgl. BGH Urteil vom 22.3.1972 - IV ZR 134/70 - WM 1972, 780, 781). Das Berufungsgericht fragt vielmehr zutreffend, ob "die Tatsache, daß er (der Erblasser) nunmehr ein gemeinschaftliches Testament mit der Beklagten errichten wollte", zu dem Schluß zwingt, "daß seine jetzige Erbeinsetzung der Beklagten nur erfolgen sollte, weil diese ihn ihrerseits als Erbin bedenken sollte". Ebensowenig verstößt seine Prüfung gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze, weil es einen unbedingten Willen des Erblassers zur Erbeinsetzung der Beklagten bei Testamentserrichtung bejaht, obgleich der Erblasser - jedenfalls in erster Linie - ein gemeinschaftliches Testament errichten wollte. Das in § 2270 Abs. 1 BGB beschriebene Verhältnis bezieht sich nämlich - was die Revision übersieht - nicht "auf das Testament als solches", sondern immer nur auf darin enthaltene einzelne Verfügungen (vgl. RGZ 170, 163); d.h. aus dem Willen des Erblassers zur gemeinsamen Testierung folgt nicht bereits, daß die von ihm vorgenommene Erbeinsetzung in Abhängigkeit von der Testierung seiner Lebensgefährtin zu seinen Gunsten gewollt war. Auch stellte sich für das Berufungsgericht richtigerweise die Frage nicht, ob § 2270 Abs. 2 BGB, sei es - wie die Revision meint - als Satz der Lebenserfahrung (so MK-Musielak, a.a.O. § 2270 Rdn. 9) oder als Auslegungsregel (so Staudinger/Kanzleiter, a.a.O. § 2270 Rdn. 26; Palandt/Edenhofer, a.a.O. § 2270 Anm. 2; Johannsen, a.a.O. § 2270 Rdn. 6; Soergel/Wolf, BGB 11. Aufl. § 2270 Rdn. 9) auf das Nichtehegattenverhältnis übertragbar ist (dagegen Lutter FamRZ 1959, 273, 275; v. Lübtow, a.a.O. S. 483, 484). Denn die Vorschrift gilt nur "im Zweifel", also wenn die tatrichterliche Auslegung - anders als hier - weder die gegenseitige Abhängigkeit noch die gegenseitige Unabhängigkeit der beiderseitigen Verfügungen ergibt (vgl. RGZ 116, 148, 150).
c)
Die Revision rügt allerdings mit Recht, daß das Berufungsgericht möglicherweise bei seinen Überlegungen nur die gegenseitige Erbeinsetzung der "Partner der Lebensgemeinschaft" vor Augen hat. Das wäre unzureichend. Für die Frage der Wechselbezüglichkeit kann nämlich auch die "gemeinsame Verfügung über die weitere Erbfolge" im "Gemeinschaftlichen Testament" vom 4. Juni 1979 von Bedeutung sein, wonach "nach dem Tode des Letztüberlebenden der Lebensgemeinschaft ... der gesamte Nachlaß ... zwischen den Söhnen aufgeteilt werden" soll; das Berufungsgericht behandelt sie nicht.
d)
Das ist indessen unschädlich. Denn weitere tatsächliche Feststellungen, die für die Auslegung, soweit sie hier erforderlich wird, Bedeutung haben könnten, sind nicht zu erwarten. Der Senat ist daher nicht gehindert, die "Gemeinsame Verfügung über die weitere Erbfolge" selbst auszulegen. Dies führt nicht zu einem für die Klägerinnen günstigeren Ergebnis.
Nach dem Testamentswortlaut soll nur der beim Tode des Letztversterbenden "noch vorhandene Nachlaß" zwischen den Söhnen aufgeteilt werden. Der Erblasser hat diese Einschränkung zusätzlich durch Unterstreichung in ihrer Bedeutung für ihn hervorgehoben. Auf der anderen Seite hat er - wie bereits in anderem Zusammenhang ausgeführt worden ist - ausdrücklich betont, daß die Beklagte die ihm am nächsten stehende Person war, der er in hohem Maße für Pflege und Fürsorge dankbar war und die er deswegen, ebenso wie schon in seinem früheren Testament vom 12. März 1974, zu seiner "Universalerbin" einsetzen wollte. Ihm ging es mithin erkennbar vor allem anderen darum, seine Lebensgefährtin uneingeschränkt sicherzustellen und zu versorgen. Dabei hielt er es ersichtlich für möglich und nahm es in Kauf, daß sein ehelicher Sohn bei seinem Vorversterben und dem Verbrauch der Erbschaft durch die Beklagte im Ergebnis "leer ausging". Das wird auch durch den Aufbau des "gemeinschaftlichen Testaments" vom 4. Juni 1979 bestätigt. Unter diesen Umständen ist die Feststellung des Berufungsgerichts, daß der Erblasser die Beklagte unabhängig von deren Unterschrift zu seiner Erbin einsetzen wollte, auch bei Berücksichtigung der vom Erblasser gewünschten Zuwendung an die beiden Söhne unbedenklich.
Unterschriften
Rottmüller
Dr. Lang
Dr. Schmidt-Kessel
Dr. Zopfs
Dr. Ritter
Fundstellen
Haufe-Index 1456305 |
DNotZ 1988, 178 |