Leitsatz (amtlich)
Wird bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung eines Grundstückskaufvertrages ein Ausgleich für die vom Käufer durch Zahlungen an Dritte und entsprechende Aufwendungen veranlaßte Wertsteigerung der Kaufsache verlangt, steht einem derartigen Bereicherungsanspruch der Grundsatz der Subsidiarität der Eingriffskondiktion nicht entgegen.
Normenkette
BGB § 812 Abs. 1
Verfahrensgang
OLG Celle (Aktenzeichen 16 U 150/95) |
LG Stade (Aktenzeichen 5 O 272/94) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 9. Dezember 1997, soweit es die Beklagte zu einem 2.402,74 DM übersteigenden Betrag verurteilt, aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Mit notariellem Vertrag vom 2. August 1984 verkaufte die Beklagte dem Kläger für 83.479,93 DM eine Eigentumswohnung in einer zu sanierenden Wohnanlage. Im Grundbuch wurde zu seinen Gunsten eine Auflassungsvormerkung eingetragen. Am 12. September 1984 ging vereinbarungsgemäß die erste Kaufpreisrate von 36.312,50 DM auf dem Anderkonto ein. Im Einvernehmen mit der Beklagten leitete der Notar das Geld zur Ablösung einer Grundschuld an eine Bank weiter. Zur Sicherung eines von dem Kläger aufgenommen Darlehens wurde das an ihn verkaufte Wohnungseigentum mit einer Grundschuld belastet. Der Kläger wandte für die Sanierung durch einen Treuhänder 55.865,75 DM auf.
Die auf Zahlung des Restkaufpreises gerichtete Klage hat der Senat mit der Begründung abgewiesen, der Kaufvertrag sei formnichtig (Urt. v. 9. Juli 1993, V ZR 144/91, NJW-RR 1993, 1421). Als Bereicherungsausgleich verlangt der Kläger nunmehr Zahlung von 55.313,41 DM nebst Zinsen zusätzlich zu den vom Landgericht zugesprochenen 16.654,84 DM sowie Zinsvorteile aus 36.312,50 DM Zug um Zug gegen Löschung der Auflassungsvormerkung und der Grundschuld. Das Oberlandesgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 82.735,30 DM nebst Zinsen Zug um Zug gegen Bewilligung der Löschung der Auflassungsvormerkung und Bewirkung der Löschung der Grundschuld verurteilt. Auf die Widerklage ist der Kläger zur Bewilligung der Löschung der Auflassungsvormerkung und zur Bewirkung der Löschung der Grundschuld Zug um Zug gegen Zahlung des zugesprochenen Betrages verurteilt worden. Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten, soweit über einen Betrag von 2.402,74 DM hinaus zu ihrem Nachteil erkannt worden ist. Der Kläger beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht geht von der Nichtigkeit des Kaufvertrages aus und billigt dem Kläger einen Anspruch auf Rückzahlung der ersten Kaufpreisrate von 36.312,50 DM zu. Daneben sei im Rahmen des Bereicherungsausgleichs zu berücksichtigen, daß die Beklagte durch die Zahlung dieses Betrages einen Zinsvorteil von 35.486,38 DM erlangt habe und daß der Wert der Eigentumswohnung durch Aufwendungen des Klägers um etwa 40.000 DM gestiegen sei. Die sich danach errechnende Summe von 111.798,88 DM müsse im Rahmen der Saldierung um 22.910 DM, nämlich die vom Kläger eingezogenen Mieten (20.210 DM) und Mietnebenkosten (2.700 DM) gekürzt werden. Der mithin auf Zahlung von 88.888,88 DM gerichtete Bereicherungsanspruch des Klägers sei durch Aufrechnung der Beklagten in Höhe von 6.153,58 DM erloschen. Für die verbleibenden 82.735,30 DM habe die Beklagte die ausgeurteilten Verzugszinsen zu entrichten.
Dagegen wendet sich die Revision mit Erfolg.
II.
Das angefochtene Urteil kann schon insoweit keinen Bestand haben, als das Berufungsgericht dem Kläger hinsichtlich des von ihm geltend gemachten Zinsvorteils Verzugszinsen zugesprochen hat, die nicht beantragt waren. Hinzu kommt, daß über den Klageantrag hinaus auch (weitere) Zinsen hinsichtlich des schon vom Landgericht zugesprochenen Betrages zuerkannt worden sind. Als rechtsfehlerhaft erweist sich auch die Berechnung des Zinsschadens. Da das Berufungsgericht die – seiner Auffassung nach – der Beklagten erwachsenen Zinsvorteile bis 23. Oktober 1997 als Hauptforderung ausgeurteilt hat, durfte es dem Kläger insoweit Verzugszinsen nicht (nochmals) für die Zeit davor (ab 23. April 1996) zusprechen. Nicht frei von Rechtsfehlern ist auch die „Berichtigung” des Zinsantrages von 35.103,41 DM auf 82.735,30 DM, denn der vom Berufungsgericht angenommene Rechenfehler des Klägers beträgt allenfalls 20.210,00 DM.
III.
Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß der Kaufvertrag über die Eigentumswohnung nichtig ist und dies eine bereicherungsrechtliche Rückabwicklung erforderlich macht. Dabei sind die beiderseitigen Vor- und Nachteile gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1, § 818 BGB zu verrechnen. Der – von vornherein einheitliche – Bereicherungsanspruch ist nach den Grundsätzen der Saldotheorie auf den Überschuß des erlangten Vermögensvorteils über die Aufwendungen gerichtet (BGHZ 1, 75, 81; 53, 144, 145; 55, 128, 131; Urt. v. 24. Juni 1963, VII ZR 229/62, LM Nr. 11 zu § 818 Abs. 3 BGB; v. 11. November 1994, V ZR 116/93, WM 1995, 159, 160; v. 14. Juli 1995, V ZR 45/94, ZIP 1995, 1356, 1358).
1. Ohne Erfolg rügt die Revision, daß das Berufungsgericht im Rahmen des Bereicherungsausgleichs von einem Anspruch des Klägers auf Rückzahlung der ersten Kaufpreisrate in Höhe von 36.312,50 DM ausgegangen ist. In der Überweisung des Kaufpreises liegt auch dann eine Leistung des Käufers an den Verkäufer des Grundstücks, wenn die Zahlung auf Veranlassung des Käufers durch seine Bank erfolgt und vereinbarungsgemäß auf ein zu diesem Zweck eingerichtetes Notaranderkonto erbracht wird. In einem solchen Fall ist eine Leistung kraft Anweisung des Käufers gegeben, denn dieser verfolgt damit allein gegenüber dem Verkäufer einen eigenen Leistungszweck. Bei einer Leistung kraft Anweisung sind bereicherungsrechtliche Leistungsbeziehungen grundsätzlich in zwei Richtungen gegeben: Im Deckungsverhältnis erbringt die Bank durch die Überweisung des Geldbetrages eine Leistung an den Kontoinhaber, der seinerseits den zu Lasten seines Kontos gezahlten Betrag im Valutaverhältnis an den Empfänger leistet. Aus dessen maßgeblicher Sicht ist die Zahlung der Bank eine Leistung des Kontoinhabers und nicht eine solche der beauftragten Bank. Der Bereicherungsausgleich hat in solchen Fällen grundsätzlich innerhalb der jeweiligen Leistungsbeziehung zu erfolgen (BGHZ 61, 289, 291; 102, 152, 157; Urt. v. 9. Oktober 1975, III ZR 31/73, NJW 1977, 38, 40; v. 25. März 1983, V ZR 93/81, WM 1983, 792, 793 f.; v. 25. September 1986, VII ZR 349/85, NJW 1987, 185, 186; Urt. v. 31. Mai 1994, VI ZR 12/94, WM 1994, 1420, 1421; v. 15. Dezember 1994, IX ZR 252/93, WM 1995, 352, 355; v. 26. September 1995, XI ZR 159/94, NJW 1995, 3315), hier also im Valutaverhältnis zwischen den Parteien.
Unerheblich ist, daß die Beklagte selbst das Geld nicht erhalten hat. Richtig ist, daß die Zahlung auf ein Notaranderkonto grundsätzlich keine Erfüllung gemäß § 362 Abs. 2 BGB bewirkt und die zugrunde liegende Schuld im Zweifel erst mit der Auszahlung an den Gläubiger getilgt wird (BGHZ 87, 157, 162; 105, 60, 64). Gleichwohl ist hier eine Leistung an die Beklagte erfolgt. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Notar das Geld nämlich in ihrem Einvernehmen an eine Bank weitergeleitet. Weist der Gläubiger den Notar an, den Geldbetrag nicht an ihn auszuzahlen, sondern an einen Dritten weiterzuleiten, ist Leistungsempfänger nicht der Dritte, sondern der Gläubiger, hier also die Beklagte. Für den Bereicherungsausgleich zwischen den Parteien ist unerheblich, ob die Beklagte mit der Weiterleitung des Geldes an die Bank einen eigenen Leistungszweck verfolgt hat.
2. Die Revision ist dagegen begründet, soweit sie sich gegen den bereicherungsrechtlichen Ansatz der Zinsvorteile in Höhe von 35.486,38 DM wendet.
Richtig ist, daß die Beklagte als Bereicherungsschuldnerin nicht nur den rechtsgrundlos erlangten Teilbetrag des Kaufpreises zurückzugewähren hat, sondern nach § 818 Abs. 1 BGB i.V.m. § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB auch die gezogenen Nutzungen, also die Sach- und Rechtsfrüchte und die sonstigen Gebrauchsvorteile (§ 100 BGB) herausgeben muß. Zu den Nutzungen zählen Zinserträge und sonstige Erträge aus einer kapitalvermehrenden Anlage des erlangten Geldbetrages. Hat der Bereicherungsschuldner das erlangte Geld zur Tilgung von Schulden verwandt, hat er die dadurch ersparten Zinszahlungen entsprechend § 818 Abs. 1 und 2 BGB als Vorteile aus dem Gebrauch des Geldes an den Bereicherungsgläubiger herauszugeben (BGHZ 138, 160, 164 ff).
Das Berufungsurteil enthält keine Feststellungen dazu, ob die Beklagte mit der ersten Kaufpreisrate (Zins-)Erträge erwirtschaftet oder durch die Verwendung des Geldes Zinszahlungen erspart hat. Das Berufungsgericht hat lediglich festgestellt, der auf dem Notaranderkonto eingegangene Geldbetrag sei an die Bank zur Ablösung einer ihr zustehenden Grundschuld weitergeleitet worden. Dadurch wäre eine herausgabepflichtige Bereicherung der Beklagten nur eingetreten, wenn sie ohne diese Zahlung Zinsen hätte aufwenden müssen. Das wäre zu bejahen, wenn die Beklagte selbst Darlehensnehmerin eines mit der abgelösten Grundschuld gesicherten Darlehens gewesen wäre oder wenn sie aus anderen Gründen persönlich für die Erfüllung der Darlehensschuld gehaftet hätte. Hierzu hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen. Durch die Ablösung der Grundschuld hätte die Beklagte aber nur dann Zinsen erspart, wenn sie ohne die Zahlung aufgrund ihrer dinglichen Haftung als Grundstückseigentümerin auf Zinsen in Anspruch genommen worden wäre. Auch dazu enthält das Berufungsurteil keine Feststellungen.
Hinsichtlich der Höhe der angenommenen Zinsvorteile geht das Berufungsgericht entsprechend dem Vortrag des Klägers von den Zinssätzen aus, die dieser für ein von ihm aufgenommenes Darlehen aufgewendet habe. Zu Recht rügt die Revision (§ 286 ZPO), das Berufungsgericht habe dabei die unter Beweisantritt vorgetragene Behauptung der Beklagten unberücksichtigt gelassen, mit der ersten Kaufpreisrate sei ein Darlehen der (anderen) Kreditnehmer abgelöst worden. Da sich der Zinssatz dieses Darlehens aus der von der Beklagten vorgelegten Kreditzusage der Bank ergibt, durfte das Berufungsgericht den Vortrag des Klägers zur Zinshöhe nicht mit der Begründung als unstreitig behandeln, die Beklagte sei ihm nicht ausreichend entgegengetreten.
3. Zu Recht billigt das Berufungsgericht dem Kläger im Rahmen des Bereicherungsausgleichs einen Anspruch auf Ersatz der Werterhöhung der Eigentumswohnung zu. Entgegen der Auffassung der Revision steht dem Bereicherungsanspruch der Grundsatz der Subsidiarität der Eingriffskondiktion (BGHZ 56, 228, 240) hier nicht entgegen.
Gegenstand der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung sind im Streitfall weder die Zahlungen an den Treuhänder, noch die Leistungen des Generalunternehmers. Der Kläger begehrt Ausgleich für die von ihm veranlaßte Wertsteigerung der Eigentumswohnung. Die dadurch eingetretene Vermögensvermehrung auf seiten der Beklagten ist ohne deren Zutun allein durch den Kläger herbeigeführt worden. Es handelt sich hierbei um eine Bereicherung in sonstiger Weise, die durch Aufwendungen des Klägers entstanden ist (MünchKomm-BGB/Lieb, 3. Aufl., § 812 Rdn. 186). Diese Eingriffskondiktion wird durch die Leistungskondiktion hier nicht verdrängt, weil sie einen anderen Gegenstand, nämlich nicht die Geldleistung des Klägers oder die Werkleistung des Generalunternehmers, sondern die Wertsteigerung der Eigentumswohnung betrifft, die sich jedenfalls der Beklagten gegenüber nicht als Leistung darstellt.
4. Im Rahmen der bereicherungsrechtlichen Saldierung hat das Berufungsgericht zu Lasten des Klägers 22.910 DM (eingezogene Mieten und Mietnebenkosten) in Ansatz gebracht.
5. Ohne Erfolg verlangt die Revision darüber hinaus die Berücksichtigung eines Finanzierungsvorteils. Der Kläger hat keine Zinsen erspart. Dabei kommt es nicht darauf an, ob er für das Darlehen ohne die Bestellung der Grundschuld höhere Zinsen hätte aufwenden müssen. Um einen etwaigen Zinsvorteil ist der Kläger nicht bereichert. Eine Bereicherung setzt eine Verbesserung der Vermögenslage voraus. Daran fehlt es hier. Der Kläger hat das Darlehen nicht zur Schuldentilgung verwandt, sondern zur Finanzierung des Kaufpreises aufgenommen. Die von ihm gezahlten Darlehenszinsen gehören zu den Aufwendungen, die er im Vertrauen auf die Wirksamkeit des Kaufvertrages gemacht hat. Durch die Vereinbarung eines niedrigen Zinssatzes hat der Kläger keinen bereicherungsrechtlich relevanten Vermögensvorteil erlangt.
6. Zu Recht hat das Berufungsgericht entschieden, daß der Bereicherungsanspruch des Klägers in Höhe von 6.153,58 DM durch Aufrechnung erloschen ist. Den nach Grund und Höhe unstreitigen Anspruch auf Rückzahlung zuviel gezahlten Architektenhonorars von 13.509,11 DM hat die Beklagte nur in Höhe von 3.159,09 DM zur Aufrechnung gestellt. Die Berücksichtigung weiterer Teilbeträge dieser Gegenforderung war dem Berufungsgericht deshalb verwehrt. Entgegen der Auffassung der Revision mußte das Berufungsgericht die Beklagte nicht gemäß § 139 ZPO auf die Möglichkeit einer weitergehenden Aufrechnung hinweisen. Zwar ist im Rechtsstreit grundsätzlich über alles aufzuklären, was im Sinn einer umfassenden Entscheidung des Streitstoffes und Verwirklichung der materiellen Gerechtigkeit der Klärung bedarf (Zöller/Greger, ZPO, 21. Aufl., § 139 Rdn. 9), doch legt § 139 ZPO dem Gericht keine allgemeine Beratungs- oder gar Fürsorgepflicht auf (Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 21. Aufl., § 139 Rdn. 23). Zurückhaltung ist insbesondere dort geboten, wo das materielle Recht Gestaltungsrechte (wie z.B. Anfechtung, Rücktritt oder Aufrechnung) bietet. Ebenso, wie es nicht Aufgabe des Gerichts sein kann, den Kläger auf die Möglichkeit einer Klageerweiterung hinzuweisen, ist das Gericht im allgemeinen nicht verpflichtet, dem Beklagten die Möglichkeit einer (weitergehenden) Aufrechnung vor Augen zu führen.
IV.
Das Berufungsgericht wird nach Maßgabe vorstehender Erwägungen – bezüglich der Hauptforderung und des Zinsanspruchs – eine neue Saldierung der beiderseitigen Vermögensvorteile vorzunehmen haben. Dabei wird eine etwaige Minderung der Zahlungsverpflichtung der Beklagten eine entsprechende Änderung der auf die Widerklage erfolgten Zug-um-Zug-Verurteilung zur Folge haben.
Unterschriften
Wenzel, Vogt, Lambert-Lang, Tropf, Schneider
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 16.07.1999 durch Kanik, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 538954 |
NJW 1999, 2890 |
BGHR |
EBE/BGH 1999, 287 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 1999, 1891 |
ZAP 1999, 909 |
ZfIR 1999, 737 |
MDR 1999, 1255 |
ZNotP 1999, 400 |