Leitsatz (amtlich)
a) Forschungs- und Entwicklungsleistungen können Gegenstand eines Dienstvertrags wie auch eines Werkvertrags sein.
b) Für die Abgrenzung von Dienst- und Werkvertrag ist der im Vertrag zum Ausdruck kommende Wille der Parteien maßgebend. Es kommt darauf an, ob auf dieser Grundlage eine Dienstleistung als solche oder als Arbeitsergebnis deren Erfolg geschuldet wird. Bei der tatrichterlichen Feststellung, was bei Fehlen einer ausdrücklichen Regelung Vertragsgegenstand ist, sind die gesamten Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen; die vertragliche Beschreibung eines Ziels ist allein kein hinreichendes Indiz für die Annahme eines Werkvertrags.
Normenkette
BGB § 631 Abs. 1, § 611 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das am 10. Januar 2001 verkündete Urteil des 8. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin entwickelt und vertreibt Diagnostika. Die Beklagte ist eine Stiftung bürgerlichen Rechts, die das H.-Institut für experimentelle Virologie und Immunologie an der Universität H. betreibt.
Die Klägerin wollte einen Immunoassay zur Diagnose einer Autoimmunerkrankung der Leber, der primär biliären Zirrhose (PBC), entwickeln. Zum Nachweis der bei PBC auftretenden Antikörper sollten rekombinante Antigene eingesetzt werden. Wegen der Herstellung solcher Antigene wandte sich die Klägerin an die Beklagte. Die Klägerin strebte eine Förderung im Rahmen des Programms „Förderung von Vorhaben zur Produkterneuerung in den neuen Bundesländern und Berlin (Ost)” des Bundesministeriums für Forschung und Technologie (BMFT) an, die ihr auch bewilligt wurde.
Mit Schreiben vom 21. August 1994 sandte die Beklagte eine von ihrem (späteren) Vorstandsmitglied Dr. W. erstellte „Grobskizze eines Projekts im Rahmen des Programms ‚Produkterneuerung’” an die Klägerin. In der Grobskizze wird ausgeführt, charakteristisch für PBC sei das Auftreten von Autoantikörpern. Deren Nachweis sei von großer Bedeutung für die Diagnostik. In neuerer Zeit seien einige der entsprechenden Antigene molekularbiologisch charakterisiert worden, was die Etablierung von spezifischeren Antikörpertests ermöglichen „sollte”. In dem nachfolgenden Abschnitt „Arbeitsplan” wird die Aufgabe dahin konkretisiert, daß bekannte PBC-spezifische Autoantigene wie Sp100, PML, Lamine, Laminrezeptor B und mitochondriale Autoantigene in Bakterien, Hefen und höheren Eukaryonten exprimiert werden sollten. Es sollten verschiedene Vektoren benutzt und diejenigen mit der höchsten Expressionseffizienz ausgewählt werden. Die Antigenität der gereinigten rekombinanten Autoantigene sollte mit vorhandenen PBC-Serumbanken getestet werden. Unter der Überschrift „Zeitplan und notwendige Personal- und Sachmittel” heißt es, „die Herstellung der cDNA und Expression der Antigene und die Prüfung der Eignung für ELISAs [= enzyme-linked immunosorbent assays] sollte innerhalb von zwei Jahren durchführbar sein”. Für die Arbeiten am HPI (Institut der Beklagten) seien eine Stelle für einen Wissenschaftler (BAT IIa) für zwei Jahre (ca. 70.000,– DM/Jahr) und Sachmittel von 30.000,– DM/Jahr notwendig.
Auf der Grundlage der Grobskizze erstellte die Klägerin einen Arbeitsplan (Anlage 2a zur Grobskizze) und ein mit „FuE-Aufträge” überschriebenes Dokument (Anlage 3 zur Grobskizze). Diese Unterlagen legte sie ihrem Fördermittelantrag zugrunde. Zumindest den Arbeitsplan überließ sie auch der Beklagten. Im Arbeitsplan werden sechs „Meilensteine” definiert; dabei ist für jeden Meilenstein ein Termin angegeben. Im Dokument „FuE-Aufträge” sind korrespondierend dazu sechs Aufträge unter Nennung eines Lieferdatums und der Kosten aufgelistet.
In der Folgezeit stellte die Beklagte alle zwei Monate jeweils 20.000,– DM in Rechnung. Die Klägerin zahlte für den Zeitraum von Februar 1995 bis Mai 1996 insgesamt 160.000,– DM.
Bis Juni 1996 stellte die Beklagte der Klägerin das im Auftrag 1 beschriebene Protein und geringe Mengen des in Auftrag 3 beschriebenen Proteins zur Verfügung. Nachdem die Beklagte auf Anfrage eine „kostenneutrale” Verlängerung des Projekts abgelehnt hatte, kündigte die Klägerin die Zusammenarbeit mit Schreiben vom 30. Juli 1996.
Die Klägerin hat die Rückzahlung von 120.000,– DM nebst Zinsen begehrt. Das Landgericht hat ihr 80.000,– DM zugesprochen. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben.
Mit der Revision verfolgt die Beklagte den Antrag auf vollständige Abweisung der Klage weiter. Die Klägerin bittet um Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. 1. Das Berufungsgericht hat angenommen, zwischen den Parteien sei ein Vertrag zustande gekommen, der nach Werkvertragsrecht zu beurteilen sei. Der von der Klägerin erstellte Arbeitsplan weise „bestimmte Entwicklungsziele” aus, die zu bestimmten Daten erreicht werden sollten. Dieser Darstellung der Zusammenarbeit durch die Klägerin habe die Beklagte nicht widersprochen. Die Darstellung beruhe – namentlich in ihren zeitlichen und finanziellen Dimensionen – auf der Grobskizze der Beklagten. Die Grobskizze lasse ernstliche Zweifel an der Realisierbarkeit des Projektes nicht erkennen.
In dem Schreiben der Klägerin vom 30. Juli 1996 liege eine Rücktrittserklärung. Die Beklagte habe nicht dargetan, daß sie mit den Meilensteinen 2 und 4 nicht im Rückstand gewesen sei. Sie habe daher die anteilige Vergütung für diese Meilensteine (je 40.000,– DM) zurückzuzahlen.
2. Die Revision meint demgegenüber, das Vertragsverhältnis sei nicht nach Werkvertragsrecht zu beurteilen. Die Beklagte habe sich gegenüber der Klägerin nicht verpflichtet, die in dem Arbeitsplan vorgesehenen rekombinanten Antigene herzustellen. In der Grobskizze habe sie weder die Realisierbarkeit des Projekts noch die Einhaltung einer Frist versprochen. Jedenfalls habe das Berufungsgericht versäumt, festzustellen, was als Werkerfolg habe geschuldet sein sollen. Die Beklagte sei zur Erforschung von Antigenen ohne spezifische Ergebnisvorgaben beauftragt worden. Diese Forschungsarbeit habe sie geleistet.
II. Die Angriffe der Revision haben im Ergebnis Erfolg.
1. Für die Abgrenzung von Dienst- und Werkvertrag ist der im Vertrag zum Ausdruck kommende Wille der Parteien maßgebend. Es kommt darauf an, ob auf dieser Grundlage eine Dienstleistung als solche oder als Arbeitsergebnis deren Erfolg geschuldet wird (Sen.Urt. v. 9.6.1984 – X ZR 93/83, NJW 1984, 2406 f.). Bei der tatrichterlichen Feststellung, was bei Fehlen einer ausdrücklichen Regelung Vertragsgegenstand ist, sind die gesamten Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen (MünchKomm./Soergel, BGB 3. Aufl., § 631 Rdn. 15; RGRK/Glanzmann, BGB, 12. Aufl., Vor § 631, Rdn. 3; Soergel/Teichmann, BGB, 12. Aufl., Vor § 631, Rdn. 12; Staudinger/F. Peters, BGB, Neubearb. 2000, Vorbem. zu § 631, Rdn. 24; vgl. auch BGH, Urt. v. 25.5.1972 – VII ZR 49/71, WM 1972, 947 f. unter I).
Diese Grundsätze gelten auch für Verträge, in denen sich der Auftragnehmer zur Erbringung von Forschungs- oder Entwicklungsleistungen verpflichtet. Beide Arten von Leistungen können Gegenstand eines Dienstvertrags wie auch eines Werkvertrags sein. Im ersteren Fall schuldet der Auftragnehmer lediglich ein den Regeln der Wissenschaft und Technik entsprechendes Vorgehen, im letzteren Fall die Herbeiführung eines Erfolgs. Dieser Erfolg kann in einem bestimmten Arbeitsergebnis oder auch nur in der ordnungsgemäßen Durchführung von Untersuchungen und der Anfertigung von Berichten bestehen. Was im Einzelfall geschuldet ist, unterliegt der Vereinbarung der Parteien.
Sofern der Vertrag hierzu keine ausdrückliche Regelung enthält, kann für dessen Auslegung eine Vielzahl von Umständen von Bedeutung sein. Für das Vorliegen eines Werkvertrags kann es sprechen, wenn die Parteien die zu erledigende Aufgabe und den Umfang der Arbeiten konkret festlegen (Ullrich, Festschrift Fikentscher, 1998, S. 298 ff., 305; Plander/Schliek, RdA 1990, 219, 223; vgl. auch Sen.Urt. v. 1.2.2000 – X ZR 198/97, NJW 2000, 1107, unter I) oder eine erfolgsabhängige Vergütung vereinbaren (Plander/Schliek, RdA 1990, 219, 226 f.; Möffert, Der Forschungs- und Entwicklungsvertrag, 2. Aufl. 2001, S. 39).
Für die Frage, ob der Auftragnehmer für den Eintritt eines Erfolgs einstehen will, kann auch von Bedeutung sein, mit welcher Wahrscheinlichkeit nach der Vorstellung der Parteien mit dem Eintritt eines Erfolgs gerechnet werden kann. Zwar ist es weder logisch noch rechtlich ausgeschlossen, daß der Werkunternehmer das Erfolgsrisiko auch dann übernimmt, wenn der Eintritt des Erfolgs ungewiß ist (so zutreffend Ullrich, aaO S. 309 f.; Staudinger/F. Peters, aaO Vorbem. zu § 631, Rdn. 24; a.A. Plander/Schliek, RdA 1990, 219, 223; RGRK/Glanzmann, aaO Vor § 631, Rdn. 3). Je größer die mit der Tätigkeit erkennbar verbundenen Unwägbarkeiten sind, um so ferner kann es aber auch aus Sicht eines verständigen Bestellers liegen, daß der Unternehmer das Erfolgsrisiko dennoch übernehmen will. Eine Regel, daß der Forschungsvertrag grundsätzlich als Dienstvertrag und der Entwicklungsvertrag grundsätzlich als Werkvertrag zu qualifizieren ist (so Möffert, aaO S. 37 f.), läßt sich dabei aber schon deshalb kaum aufstellen, weil die Grenzen zwischen Forschung und Entwicklung im Einzelfall fließend sein können (zum letzteren auch Möffert, aaO S. 38). Unabhängig davon steht es den Vertragsparteien im Einzelfall frei, trotz eines relativ hohen Risikos einen Werkvertrag zu schließen.
Ferner können weitere Regelungen der vertraglichen Vereinbarung die Vorstellungen der Parteien darüber widerspiegeln, wer das – größere und geringere – Risiko tragen soll, daß das erstrebte Forschungs- oder Entwicklungsziel nicht oder nicht mit dem bei Vertragsschluß erwarteten Aufwand erreicht wird. So kann die Vergütung eine „Risikoprämie” für den Unternehmer enthalten. Andererseits kann die Vergütung, insbesondere dann, wenn sie zeitaufwandsabhängig in Form von Raten oder regelmäßigen Abschlagszahlungen zu leisten ist, auch darauf hinweisen, daß der Unternehmer das Risiko eines Scheiterns des Forschungs- oder Entwicklungsvorhabens wirtschaftlich oder – etwa bei einem öffentlich-rechtlich gebundenen Werkunternehmer – rechtlich vernünftigerweise nicht übernehmen kann, was wiederum ein Indiz dafür sein kann, daß eine solche Risikoübernahme von den Vertragsparteien nicht gewollt ist.
Die Zuordnung eines konkreten Vertrags ist nur unter Berücksichtigung und Abwägung aller insoweit bedeutsamen Gesichtspunkte des Einzelfalls möglich.
2. Das Berufungsgericht hat hierzu keine ausreichenden Feststellungen getroffen. Das Berufungsurteil läßt nicht hinreichend erkennen, was das Berufungsgericht als von der Beklagten vertraglich geschuldet ansieht. Ohne eine nähere Bestimmung der Vertragsleistung läßt sich diese nicht rechtlich qualifizieren. Damit fehlt eine hinreichende tatsächliche Grundlage für die Schlußfolgerung, die Beklagte habe im Sinne des § 631 Abs. 1 BGB einen Erfolg versprochen.
a) Das Berufungsgericht zieht zur Bestimmung der geschuldeten Leistung nicht nur die „Grobskizze”, sondern auch die von der Klägerin ergänzend dazu erstellten Unterlagen heran. Dies ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Im Berufungsurteil wird in diesem Zusammenhang allerdings nur der mit „Anlage 2a” bezeichnete Arbeitsplan erwähnt. Dieser Plan ist als Grundlage für die Bestimmung dessen, was die Beklagte schuldete, ungeeignet. Die darin aufgeführten Meilensteine betreffen, soweit hier von Interesse, jeweils den „Aufbau eines Enzymimmunoassays” zum Nachweis bestimmter Antikörper. Daß die Beklagte Immunoassays, d.h. Immunitätstests, zu entwickeln hatte, hat das Berufungsgericht aber nicht festgestellt und ist auch von der Klägerin nicht behauptet. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sollte der Beklagten nur die Herstellung von „Grundstoffen” obliegen. Diese Aufgabe ist nicht im Arbeitsplan, sondern in der mit „FuE-Aufträge” überschriebenen Anlage 3 beschrieben, wo von der Herstellung von näher bezeichneten Antigenen die Rede ist.
Das Landgericht, auf dessen Urteil das Berufungsgericht einleitend Bezug nimmt, ist zu dem Ergebnis gelangt, daß auch das mit „Anlage 3” bezeichnete Dokument zur Vertragsgrundlage geworden ist. Es hat dies daraus geschlossen, daß die Parteien das Projekt auf der Basis dieser Unterlagen tatsächlich durchgeführt haben. Diese tatrichterliche Würdigung ist möglich und läßt keine Rechtsfehler erkennen.
Die Revision wendet ein, die Klägerin habe den Arbeitsplan und die Liste der FuE-Aufträge nach der Behauptung der Beklagten allein zur Beantragung von Fördermitteln erstellt. Mit dieser Behauptung hat sich das Landgericht, dem sich das Berufungsgericht angeschlossen hat, auseinandergesetzt. Einen revisionsrechtlich beachtlichen Fehler der Tatsachenwürdigung der Vorinstanzen zeigt die Revision nicht auf.
b) Das Berufungsgericht hat im Anschluß an das Landgericht aus dem Umstand, daß der Arbeitsplan und die Liste der FuE-Aufträge konkrete Entwicklungsziele bzw. „Meilensteine” enthalten, gefolgert, daß die Beklagte für die Erreichung dieser Ziele einzustehen hat. Diese Beurteilung ist, wie die Revision zu Recht rügt, nicht frei von Rechtsfehlern.
Die vertragliche Beschreibung eines Ziels ist allein kein hinreichendes Indiz für die Annahme eines Werkvertrags. Zwar ist eine konkrete Beschreibung des zu erreichenden Erfolgs, wie bereits dargelegt, ein typisches Merkmal eines Werkvertrags. Auch bei einem Dienstvertrag kann aber die geschuldete Tätigkeit der Erreichung eines bestimmten Ziels dienen. Die konkrete Beschreibung dieses Ziels im Vertragstext ist dann lediglich ein Mittel, um näher einzugrenzen, in welche Richtung die vom Auftragnehmer zu erbringende Tätigkeit gehen soll. Deshalb ist im Einzelfall unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände zu ermitteln, welche Bedeutung einer im Vertrag enthaltenen Aufgabenbeschreibung zukommt. Dies ist bislang nicht geschehen. Bei der Auslegung des Vertrags hätten hier vor allem folgende Gesichtspunkte berücksichtigt werden müssen:
aa) In der „Grobskizze”, auf deren Inhalt nach den Feststellungen der Vorinstanzen die weiteren zur Auslegung herangezogenen Unterlagen beruhen, wird die Erreichbarkeit eines hinreichend PBC-spezifischen Testverfahrens nicht als sicher hingestellt. Das entspricht dem Umstand, daß Aussagen über Spezifität und Sensitivität eines Antikörpertests nicht möglich waren, solange dieser Test nicht vorlag und hierauf getestet werden konnte. Die Grobskizze ist demgemäß in dem Anschreiben der Beklagten auch als „Grobskizze über das gemeinsame Projekt” bezeichnet. Der Umschreibung des angestrebten Erfolgs in der Grobskizze kann daher für sich noch nicht entnommen werden, daß im Verhältnis der Parteien die Beklagte für den Erfolg einstehen sollte.
In diesem Zusammenhang kann auch Bedeutung erlangen, wie der Begriff „Meilenstein” bei Forschungs- und Entwicklungsprojekten der in Rede stehenden Art üblicherweise verstanden wird. Die Beklagte hat, wie die Revision zutreffend rügt, hierzu unter Beweis gestellt, daß dieser allgemein übliche Begriff lediglich die Richtung der Forschung und die Verpflichtung festlege, regelmäßig über deren Stand zu berichten. Hiermit hat sich das Berufungsgericht nicht auseinandergesetzt.
bb) Weder die Grobskizze noch die weiteren Unterlagen enthalten eine genaue Festlegung, wie die Antikörpertests zusammengesetzt sein sollen. Das wird schon daran deutlich, daß es heißt, es sollten bekannte PBC-spezifische Antigene „wie” Sp100, PML usw. hergestellt werden. Zudem war vorgesehen, für die Expression in E. coli die – teils als vorhanden bezeichneten, teils erst durch Polymerase-Kettenreaktion und entsprechende synthetische Oligonukleotide herzustellenden – cDNA sowohl in voller Länge als auch in Teilen in prokaryontische Vektoren zu klonieren, wobei wiederum verschiedene Vektoren verwendet und die effizientesten ausgewählt werden sollten. Das deutet darauf hin, daß sich durch die Untersuchungen der Beklagten erweisen sollte, welche Kombination der bekannten Antigene die besten Ergebnisse versprach und welche Wirkungen sich bei der Verwendung bestimmter, möglicherweise spezifischerer Teile der betreffenden Sequenzen und bei der Verwendung unterschiedlicher Vektoren ergaben. Dementsprechend wird etwa in dem Bericht der Beklagten vom 4. Juni 1995 angeregt, gemeinsam über die Herstellung von Teilfragmenten des Sp100-Proteins nachzudenken, da es durchaus möglich sei, daß diese eine höhere Antigenität (als das von der Beklagten zu diesem Zeitpunkt hergestellte rekombinante Sp100-Protein) aufwiesen. In dem Bericht vom 4. Februar 1996 heißt es, daß es gelungen sei, eine cDNA, die für einen Teil des mitochondrialen Antigens M2 kodiere, zu isolieren, die jedoch von der publizierten Sequenz abweiche und auf eine bisher in der Literatur nicht beschriebene Variante des M2-Gens hindeute; mit ihr konnte nach dem Schreiben offenbar der gewünschte autoantigene Bereich nicht exprimiert werden.
Das Landgericht hat dies im Ansatz gesehen und daraus den Schluß gezogen, die von ihm angenommene „Ergebnisbezogenheit” des Projekts besage nichts darüber, in welcher Quantität und Qualität die Beklagte die im Arbeitsplan aufgeführten Antigene herstellen mußte. Die Beklagte sei aber jedenfalls dazu verpflichtet gewesen, zunächst wenigstens Teile der Proteine zu entwickeln und der Klägerin zu übergeben, damit diese habe testen können, ob bereits diese Proteinteile ausreichende Wirkungen erzielten.
Dies steht im Widerspruch zum Inhalt der „Grobskizze”. Dieser deutet darauf hin, daß die Untersuchung der Eignung der Autoantigene Sache der Beklagten war. Der Klägerin ist dort lediglich die Aufgabe der Etablierung und Evaluierung der Tests für die klinische Routinediagnostik in Form von marktreifen Testsystemen zugewiesen. Im übrigen ergäbe eine Verpflichtung der Beklagten zur Herstellung irgendwelcher nicht näher definierter Teilsequenzen auch weder einen fachlichen noch einen wirtschaftlichen Sinn. Das spricht dagegen, daß nach dem Willen der Parteien hierin der von der Beklagten vertraglich geschuldete Erfolg liegen sollte.
cc) Schließlich begründet die Grobskizze das angegebene „Gesamtfinanzvolumen” damit, daß für die Arbeiten am Institut eine Stelle für einen Wissenschaftler (BAT IIa) für zwei Jahre und Sachmittel von 30.000,– DM/Jahr notwendig seien. Tatsächlich sind die Parteien so verfahren, daß die Beklagte der Klägerin regelmäßig Rechnungen übersandt hat, die jeweils unter dem Betreff „Kostenerstattung für BMFT-geförderte Zusammenarbeit” auf die Erstattung von in zwei Monaten entstandenen Personal- und Sachkosten von 20.000,– DM gerichtet waren und von der Klägerin beglichen worden sind. Auch diese rein personal- und zeitaufwandsbezogene abschnittsweise Vergütungszahlung kann Bedeutung für die Bestimmung der vertraglich geschuldeten Leistung gewinnen.
3. Das Berufungsgericht wird daher die erforderlichen Feststellungen nachzuholen haben, welche vertraglichen Leistungen die Beklagte nach den Vorstellungen der Parteien erbringen sollte und worin gegebenenfalls ein von der Beklagten geschuldeter Erfolg im einzelnen bestehen sollte. Bei der Beurteilung dieser Fragen wird es zu prüfen haben, ob es sachverständiger Beratung bedarf.
Sollte das Berufungsgericht erneut zu dem Ergebnis gelangen, die Beklagte habe einen bestimmten Erfolg, wie etwa die Zurverfügungstellung für einen hinreichend spezifischen und empfindlichen Antikörpertest geeigneter rekombinanter Antigene, geschuldet, so wird es zu berücksichtigen haben, daß dies nicht notwendigerweise auch bedeutet, daß die Beklagte gegen eine Vergütung von jeweils 40.000,– DM innerhalb bestimmter Fristen bestimmte einzelne Antigene herzustellen hatte.
Der Grobskizze ist das nicht ohne weiteres zu entnehmen. Sie spricht lediglich davon, daß die Herstellung der cDNA, die Expression der Antigene und die Prüfung der Eignung für ELISAs innerhalb von zwei Jahren durchführbar sein „sollte”. Das angegebene, auf bestimmte Personal- und Sachkosten und einen Zeitraum von zwei Jahren bezogene „Gesamtfinanzvolumen” läßt sich auch so verstehen, daß die Beklagte eine (zeit-)aufwandsbezogene Vergütung erhalten sollte, die mit 200.000,– DM veranschlagt worden ist. Auch in diesem Zusammenhang kann gegebenenfalls die tatsächlich praktizierte Form der Vergütungszahlung Rückschlüsse auf den Vertragswillen der Parteien zulassen.
Unterschriften
Melullis, Scharen, Keukenschrijver, Mühlens, Meier-Beck
Fundstellen
BGHZ |
BGHZ, 330 |
BB 2002, 2039 |
DB 2002, 2715 |
NJW 2002, 3323 |
NWB 2002, 4232 |
NWB 2003, 737 |
BGHR 2002, 961 |
BauR 2003, 143 |
EBE/BGH 2002, 324 |
CR 2003, 244 |
EWiR 2002, 1039 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2003, 1373 |
ZIP 2003, 442 |
JA 2003, 265 |
JZ 2003, 369 |
MDR 2003, 144 |
ZfBR 2003, 24 |
ITRB 2003, 24 |
MPR 2003, 101 |
JURAtelegramm 2003, 180 |
LL 2003, 16 |
LMK 2003, 59 |