Leitsatz (amtlich)
Es gibt keine allgemeine Auslegungsregel, daß rechtsgeschäftliche Vereinbarungen der Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft in Zweifel nur für die Dauer dieser Gemeinschaft gelten sollen. Die Dauer ist nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen für den Einzelfall festzustellen.
Normenkette
BGB §§ 705, 157
Verfahrensgang
LG Frankenthal (Pfalz) |
OLG Zweibrücken |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 11. Juli 1984 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Revisionsverfahrens – an den 2. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien standen in den Jahren nach 1970 in engen persönlichen Beziehungen; nach der Behauptung der Klägerin haben sie in einem eheähnlichen Verhältnis zusammengelebt. Aus der Verbindung stammt die im Jahre 1973 geborene Tochter M. Die Klägerin hat außerdem aus ihrer geschiedenen Ehe einen im Jahre 1965 geborenen Sohn E. Früher war sie als Vertreterin des Leiters der Auslandsabteilung der Filiale der B in M beruflich tätig; das hat sie nach der Geburt der Tochter aufgegeben.
Im Jahre 1977 oder 1978 endeten die Beziehungen der Parteien. Die Klägerin verlangt nunmehr von dem Beklagten Unterhalt. Dazu stützt sie sich auf eine von ihr und den Beklagten unterzeichnete Erklärung, in der es heißt:
„Ich H.H. (Beklagter), verpflichte mich, Frau H.B. (Klägerin) … jeden Monat 1.200 DM zu zahlen, jeweils am 1. und 15. eines jeden Monats, zur Unterhaltung der Kinder M und E sowie ihrer Lebenshaltungskosten bis 31. Dezember 1980. Frau H. B. verpflichtet sich, ihre Kinder zu jeder Zeit Herrn H.H. zu erlauben zu sehen. Nach dieser Zeit wird der Betrag je nach Wirtschaftlichkeit geändert.”
Entsprechend dieser Zusage zahlte der Beklagte nach Angabe der Klägerin zunächst regelmäßig 1.200 DM monatlich. Nachdem die Parteien auseinandergegangen waren, machte der Beklagte, der Beträge in der genannten Höhe nur hin und wieder entrichtet haben will, Anstalten, die Zahlung ganz einzustellen. Durch Anwaltsschreiben ließ die Klägerin ihn auffordern, seine Verpflichtungen aus der Vereinbarung weiterhin zu erfüllen. Der Beklagte kam dieser Aufforderung nach. Für Mai 1980 zahlte er jedoch lediglich 1.000 DM und gab zu erkennen, nicht mehr zahlen zu wollen. Darauf schaltete die Klägerin erneut Rechtsanwälte ein. Diese schrieben dem Beklagten unter anderem:
„Wir weisen zugleich darauf hin, daß auf Grund der Vereinbarung vom 12. Januar 1975 nach den 31. Dezember 1980 eine Erhöhung des Unterhaltsbetrages erfolgen muß. Es bedarf wohl keiner näheren Erörterungen, daß sich die Wirtschaftslage seit dieser Zeit so geändert hat, daß zumindest eine Erhöhung auf 1.500 DM monatlich angemessen sein dürfte.”
Der Beklagte zahlte daraufhin wieder monatlich 1.200 DM. Ob er ab 1. Januar 1981 1.500 DM gezahlt hat, ist streitig. Seit 1. Januar 1982 zahlte er jedenfalls nur noch 350 DM monatlich als Unterhalt für die Tochter.
Die Vorinstanzen haben die Klage auf Zahlung von monatlich 1.500 DM sowie von Rückständen abgewiesen. Mit der Revision, die der Beklagte zurückzuweisen beantragt, verfolgt die Klägerin ihre Anträge weiter, soweit der Beklagte nicht monatlich 350 DM zahlt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen, weil es eine Unterhaltsverpflichtung den Beklagten über die Dauer der Lebensgemeinschaft hinaus nicht feststellen zu können glaubte. Komme es nämlich zwischen den Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft überhaupt zu einer Unterhaltsabrede, dann gelte diese über die Beendigung der Gemeinschaft dann neu, wenn sich das aus der Vereinbarung eindeutig ergebe. Das sei aber hier nicht der Fall.
Mit dieser Begründung läßt sich – wie die Revision zutreffend geltend macht – die Klage nicht abweisen.
1. Der schriftliche Vortrag enthält für die Verpflichtungen des Beklagten keinen Auslaufzeitpunkt. Für die Frage, wie lange er unter diesen Umständen gelten soll, gibt es auch in der nichtehelichen Lebensgemeinschaft keine Auslegungsregel, wie sie das Berufungsgericht angenommen hat. Rechtsgeschäftlich verbindliche Regelungen sind in einer solchen Gemeinschaft allgemein ungewöhnlich (BGHZ 77, 55, 58). Werden sie dennoch – wie hier – getroffen, so ist das so wenig typisch, daß sich tatsächliche Vermutungen, was bei Unklarheiten in Vertragstext im Einzelfall gewollt sein könnte, nicht aufstellen lassen. Das gilt gerade auch dann, wenn sich ein Partner zum Unterhalt verpflichtet. Denn Unterhaltsvereinbarungen werden hier im allgemeinen schon deshalb nicht getroffen, weil das Zusammenleben der Partner von der für selbstverständlich gehaltenen und nicht regelungsbedürftigen Solidarität füreinander bestimmt wird.
Die in Vertrage ungeregelt gebliebene Frage, wie lange der Beklagte verpflichtet sein soll, ist daher nach allgemeinen Grundsätzen (§§ 1339 157 BGB) unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles im Wege der Auslegung zu bestimmen. Da das in der Berufungsinstanz nicht geschehen ist, kann das angefochtene Urteil nicht bestehenbleiben.
2. Die Entscheidungsgründe des Berufungsgerichts gehen in übrigen ganz daran vorbei, daß es sich bei der Vereinbarung nicht um eine bloße Unterhaltsverpflichtung des einen Partners für den anderen ohne jede Besonderheit handelt. Der Beklagte hat, wie es in seiner Erklärung heißt, der Klägerin einen Anspruch „zur Unterhaltung der Kinder M. und E. sowie ihrer Lebenshaltungskosten” eingeräumt. Er hat daher eine einheitliche Regelung, die nicht zwischen Mutter- und Kindesunterhalt trennt, getroffen. Das allein wirft schon die Frage auf, ob hier tatsächlich nur etwas mit Rücksicht auf das – vom Beklagten zudem bestrittene Zusammenleben geregelt oder ob nicht vielmehr die Vereinbarung von der Überlegung geleitet wurde, daß die Klägerin, die nach der Geburt der gemeinsamen Tochter ihren Beruf aufgegeben hatte, unabhängig vom künftigen Zusammenleben der Partner zur häuslichen Betreuung dieser Tochter in der Lage sein sollte. Das könnte über das mögliche Ende der Lebensgemeinschaft hinausweisen und insoweit zu dem weiteren Satz passen, daß die Klägerin dem Beklagten jederzeit den Kontakt mit den Kindern erlauben solle – eine Vereinbarung, die, wenn sie nur bis zur Beendigung der Gemeinschaft hätte gelten sollen, keinen rechten Sinn gehabt hätte, weil der Beklagte bis dahin die ständige Kontaktmöglichkeit besaß. Man kommt daher möglicherweise nach Sinn und Zweck der Vereinbarung von 12. Januar 1975 dem beiderseitigen Parteiwillen am nächsten, wenn man annimmt, daß unter Einbeziehung des Kindesunterhalts eine Regelung zugunsten der Klägerin getroffen werden sollte, wie sie § 1570 BGB zugunsten eines geschiedenen Ehegatten trifft, solange und soweit von diesem wegen der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes keine eigene Erwerbstätigkeit erwartet werden kann (vgl. zur Auslegung dieser Vorschrift insbesondere Lohmann, Neue Rechtsprechung den Bundesgerichtshofs zum Familienrecht, 3. Aufl. S. 44.7 ff.). Das kann aber in der Revisionsinstanz nicht abschließend entschieden, sondern muß der tatrichterlichen Beurteilung durch das Berufungsgericht überlassen werden.
3. Die insbesondere im ersten Rechtszuge erörterte Frage, ob die Verpflichtung den Beklagten mangels notarieller Beurkundung gemäß §§ 518e 125 BGB nichtig sei, kann ebenfalls nicht abschließend beurteilt werden, solange der Vertragszweck nicht feststeht. Ein Rechtsgeschäft ist jedenfalls nicht schon immer dann eine Schenkung, wenn sich der eine der beiden Vertragspartner, wie hier die Klägerin, zu keiner Gegenleistung verpflichtet; die in § 516 BGB vorausgesetzte Einigung der Vertragspartner über die Unentgeltlichkeit eines Rechtsgeschäfts kann schon dann nicht angenommen werden, wenn die Zahlungen in Hinblick auf künftige Leistungen des anderen Partners versprochen worden, die von diesem auch ohne rechtsgeschäftliche Verpflichtung zu erwarten sind. Einen solchen Fall anzunehmen liegt nahe, wenn einer Frau mit Rücksicht auf die Betreuung des gemeinsamen Kindes Unterhalt zugesagt wird.
4. Bei der Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht macht der Senat von der Möglichkeit des § 565 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch.
Fundstellen