Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der Zulässigkeit von Rückzahlungsklauseln in einem Handelsvertretervertrag für den Fall, daß der Handelsvertreter nach Beendigung des Vertreterverhältnisses eine Tätigkeit für ein Konkurrenzunternehmen aufnimmt.
Normenkette
HGB § 90a
Verfahrensgang
OLG Hamm (Urteil vom 27.01.1972) |
LG Dortmund |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Hamm vom 27. Januar 1972 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Beklagte, früher Bergmann und Packer, war seit dem 1. September 1968 hauptberuflich für die Klägerin als Versicherungsvertreter tätig. Außer den bei ihr üblichen Provisionen zahlte die Klägerin dem Beklagten gemäß ihren Schreiben vom 9. September 1968 und 8. Juli 1969 eine sogenannte Inkassoprovisionspauschale von monatlich 850, später 800 DM. In beiden Schreiben heißt es hierzu:
„Falls das Vertragsverhältnis von Ihnen gekündigt wird, oder der Gesellschaft ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung zusteht und Sie innerhalb eines Jahres nach Ablauf einer Vereinbarung über die Zahlung eines Pauschales, oder innerhalb eines Jahres nach einer etwa auf die Pauschalvereinbarung folgenden Garantievereinbarung eine Außendiensttätigkeit in der Versicherungswirtschaft aufnehmen, verpflichten Sie sich, das Pauschale wieder zurückzuerstatten. Diese Verpflichtung besteht jedoch nur für den 700,– DM monatlichen Durchschnittsverdienst überschreitenden Betrag. Für die Errechnung des monatlichen Durchschittsverdienstes werden sämtliche Einnahmen aus der Vertretung (ausgenommen Geschäftsplanbonifikationen) seit Beginn der Vertretung herangezogen.”
Der Beklagte kündigte das Vertragsverhältnis zum 31. Juli 1970 und trat anschließend in den Außendienst bei einer anderen Versicherungsgesellschaft ein.
Während der Vertragsdauer von 23 Monaten hat die Klägerin dem Beklagten insgesamt 28.798,54 DM gezahlt, davon 9.748,54 DM an Provisionen, das übrige im wesentlichen als Inkassoprovisionspauschale.
Mit der Klage hat die Klägerin vom Beklagten Zahlung von 5.798,54 DM nebst Zinsen begehrt, nämlich Rückerstattung der ihm gezahlten Inkassoprovisionspauschale, jedoch beschränkt auf den monatlich 1.000 DM übersteigenden Betrag seiner Gesamtbezüge.
Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen.
Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter. Der Beklagte bittet, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I.
Die Klägerin kann nach der Auffassung des Berufungsgerichts aus der Vereinbarung vom 9. September 1968 keinen Anspruch auf Rückzahlung eines Teiles der dem Beklagten gewährten Inkassoprovisionspauschale herleiten, weil diese Vereinbarung gemäß § 90 a Abs. 4 HGB unwirksam sei. Der Beklagte sei dadurch zwar nicht verpflichtet worden, nach seinem Ausscheiden bei der Klägerin keine Außendiensttätigkeit bei einer anderen Versicherungsgesellschaft zu übernehmen. Er habe aber ohne Begründung einer rechtlichen Verpflichtung dazu angehalten werden sollen, sich tatsächlich für die Dauer eines Jahres eines solchen Wettbewerbs zu enthalten, weil er sonst Gefahr lief, einen Teil der Inkassoprovisionspauschale zurückerstatten zu müssen. Es sei dadurch also ein starker wirtschaftlicher Druck auf ihn ausgeübt worden, sich einer Konkurrenztätigkeit zu enthalten. Ob die Klägerin mangels eines Anspruchs auf Unterlassung von Wettbewerb gegen den Beklagten an ihn eine Entschädigung zu zahlen gehabt hätte, sei zweifelhaft. Aber auch wenn man das bejahe, sei die Rückzahlungsvereinbarung der Parteien unwirksam. Der Schutzzweck des § 90 a HGB werde nur dann voll erfüllt, wenn Vereinbarungen zwischen Unternehmer und Handelsvertreter über Wettbewerbsbeschränkungen des Handelsvertreters nach Vertragsende so klar gefaßt seien, daß der Handelsvertreter unschwer erkennen könne, daß ihm ein gesetzlicher Entschädigungsanspruch zustehe. Daran fehle es hier. Die Klägerin habe den Beklagten darüber nicht aufgeklärt, vielmehr von ihm Rückzahlung der Inkassoprovisionspauschale ohne das Anbieten einer Entschädigung verlangt. Sie könne sich auch nicht darauf berufen, einen etwaigen Anspruch des Beklagten auf eine Entschädigung bereits durch Zahlung der Inkassoprovisionspauschale erfüllt zu haben. Diese sei dem Beklagten als Aufbauhilfe und zur Sicherung seiner Existenz in der Aufbauzeit gezahlt worden. Mit dieser Zweckbestimmung sei die weitere als Zahlung einer Entschädigung für künftige Enthaltung vom Wettbewerb unvereinbar. Abreden, die in dieser Weise zum Nachteil des Handelsvertreters vom gesetzlichen Leitbild des § 90 a HGB abwichen, seien nach dessen Abs. 4 unwirksam.
II.
Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg. Dem Berufungsgericht ist im Ergebnis und im wesentlichen auch in der Begründung beizutreten (a.A. Blomberg VersR 1968, 328).
1. Der Handelsvertreter hat zwar grundsätzlich das Risiko zu tragen, ob und in welchem Umfang es ihm gelingt, dem Unternehmer Geschäfte zu vermitteln und daraus Provisionen zu verdienen. Deren Habe unterliegt zudem der freien Vereinbarung zwischen Unternehmer und Handelsvertreter. Andererseits hat das Gesetz zum Schütze des Handelsvertreters eine Reihe von zwingenden Vorschriften aufgestellt (vgl. dazu für den Fall der sogenannten Vorwegerfüllung eines Ausgleichsanspruchs nach § 89 b HGB das Urteil des Senats BGHZ 58, 60, 64).
Hier sind der Vertragsfreiheit durch die zwingende Regelung des § 90 a HGB Grenzen gesetzt. Deren Zweck ist der Schutz des Handelsvertreters nach Beendung seines Vertragsverhältnisses. Es kann zwar vereinbart werden, daß er dann für eine gewisse Zeit in seiner gewerblichen Tätigkeit beschränkt sein soll; der Unternehmer muß ihm dafür aber eine angemessene Entschädigung zahlen.
2. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß der Beklagte durch die hier getroffene Rückzahlungsvereinbarung nicht verpflichtet worden ist, sich innerhalb eines bestimmten Zeitraums nach Vertragsende einer Konkurrenztätigkeit zu enthalten. Es läßt dahingestellt, ob der Beklagte ohne das Bestehen einer solchen Verpflichtung einen Anspruch auf Entschädigung gehabt hätte. Das ist nach der Überzeugung des Senats zu verneinen. Die Entschädigungspflicht des Unternehmers ist die Gegenleistung für die rechtliche Verpflichtung des Handelsvertreters zur Unterlassung von Wettbewerb.
Mit Recht mißt das Berufungsgericht aber dem Umstand wesentliche Bedeutung bei, daß der Beklagte durch die Rückzahlungsvereinbarung tatsächlich einem starken wirtschaftlichen Druck in der Richtung ausgesetzt wurde, sich während eines bestimmten Zeitraums nach Vertragsende einer Konkurrenztätigkeit zu enthalten. Daß ihm dies ohne Entschädigung zugemutet wurde, er sogar bei Aufnahme einer Konkurrenztätigkeit einen erheblichen Teil der ihm gezahlten Bezüge zurückzahlen sollte, ist mit dem Schutzzweck des § 90 a HGB nicht zu vereinbaren. Es ist darin eine von der zwingenden Regelung des § 90 a abweichende, für ihn nachteilige und deshalb gemäß § 90 a Abs. 4 unwirksame Vereinbarung zu finden.
3. Dem Berufungsgericht ist auch darin beizutreten, daß die Klägerin sich nicht darauf berufen kann, sie habe eine etwa von ihr geschuldete Karenzentschädigung durch Gewährung der Inkassoprovisionspauschale bereits im voraus gezahlt. Der Beklagte hatte keinen Anlaß, die ihm als Inkassoprovisionspauschale gewährten Zahlungen als Vorausleistungen auf eine ihm etwa nach seinem Ausscheiden bei der Klägerin gemäß § 90 a HGB zustehende Entschädigung anzusehen. Diese soll den Lebensbedarf des Handelsvertreters für die Dauer der ihm auferlegten Wettbewerbsbeschränkung sichern. Diesen Zweck können Zahlungen nicht erfüllen, die dem Handelsvertreter während der Vertragsdauer mit ganz anderer Zweckbestimmung geleistet worden sind, nämlich nach der Feststellung des Berufungsgerichts als Aufbauhilfe und zur Sicherung der Existenz in der Aufbauphase. Dem Urteil des Senats vom 30. April 1962 (LM Nr. 2 zu § 90 a HGB) ist nichts Gegenteiliges zu entnehmen. Es ist auch regelmäßig nicht zu erwarten, daß der Handelsvertreter aus den ihm zum Aufbau der Vertretung und zur Existenzsicherung gegebenen Bezügen hinreichende Mittel für die Zeit nach Vertragsende zurücklegen kann. Ersichtlich ist es der Zweck des Gesetzes, den Handelsvertreter durch die zwingende Regelung des § 90 a HGB vor derartigen Gefahren nach Beendigung eines Vertreterverhältnisses zu schützen.
4. Die Rückzahlungsabrede kann, wenn sie nach § 90 a Abs. 4 HGB unwirksam ist, auch nicht als selbständiges Strafversprechen aufrechterhalten werden, da sonst der Schutzzweck der zwingenden gesetzlichen Regelung vereitelt würde.
5. Das Berufungsgericht (BU 10) hat ferner mit Recht einen Anspruch der Klägerin aus ungerechtfertigter Bereicherung verneint.
Wie der Senat in BGHZ 40, 235 ausgesprochen hat, ergibt sich aus der Fassung einer Reihe von zwingenden Vorschriften des Handelsvertreterrechts, u.a. auch des § 90 a HGB, eindeutig, daß gegen diese verstoßende Einzelvereinbarungen die Rechtswirksamkeit eines Vertrages im ganzen nicht in Frage stellen sollen; vielmehr erhält der Vertrag den diesen zwingenden Bestimmungen entsprechenden Inhalt ohne Rücksicht auf den insoweit abweichenden Willen der Parteien. An diesem Grundsatz ist festzuhalten.
Für den vorliegenden Fall folgt daraus, daß die mit den Vorschriften des § 90 a HGB nicht zu vereinbarende Rückzahlungsvereinbarung der Parteien entfällt. Die Klägerin hat aber deshalb dem Beklagten die Inkassoprovisionspauschale nicht ohne. Rechtsgrund geleistet. Diese sollte dem Aufbau der Vertretung des Beklagten dienen und hat ihm auch gedient. Sie war eine weitere Vergütung für die Tätigkeit des Beklagten; darin liegt ihr Rechtsgrund.
Die Rückzahlungsvereinbarung ist aus denselben Erwägungen nicht zu beachten, wenn man mit der Revision eine mit dem Wechsel des Beklagten zu einer anderen Versicherungsgesellschaft eintretende auflösende Bedingung für die Gewährung der Inkassoprovisionspauschale annimmt. Auch eine solche auflösende Bedingung ist mit dem Sinn und Zweck der zwingenden gesetzlichen Vorschriften unvereinbar und daher unwirksam.
6. Die Unzulässigkeit und Nichtigkeit einer Rückzahlungsvereinbarung der hier vorliegenden Art ergibt sich hiernach aus § 90 a HGB, ohne daß es auf die Umstände des Einzelfalles ankommt. Es ist daher unerheblich, daß die Klägerin ihr Rückzahlungsbegehren auf den 1.000 DM monatlich übersteigenden Betrag der Gesamtbezüge des Beklagten beschränkt hat. Das Berufungsgericht konnte es auch dahingestellt sein lassen, ob die objektiven und subjektiven Voraussetzungen des § 138 BGB vorliegen oder ob das Klagebegehren etwa gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstößt.
7. Die Revision der Klägerin ist hiernach mit Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.
Unterschriften
Vogt, Finke, Schmidt, Girisch, Recken
Fundstellen