Leitsatz (amtlich)
1. Terminoptionsvermittler haben optionsunerfahrene Kunden unmißverständlich, schriftlich und in auffälliger Form darauf hinzuweisen, daß Aufschläge auf die Börsenoptionsprämie das Chancen-Risiko-Verhältnis aus dem Gleichgewicht bringen und dazu führen, daß die verbliebene, bei höheren Aufschlägen geringe Chance, insgesamt einen Gewinn zu erzielen, mit jedem Optionsgeschäft abnimmt.
2. An der Rechtsprechung, daß „aufklärungsrichtiges” Verhalten vermutet wird, der Aufklärungspflichtige die Nichtursächlichkeit seiner Pflichtverletzung somit zu beweisen hat, wird festgehalten (Abgrenzung BGH, 1993-09-30, IX ZR 73/93, NJW 1993, 3259).
Tatbestand
Der Kläger fordert von den Beklagten Schadensersatz für Verluste aus Waren- und Devisenterminoptionsgeschäften an amerikanischen Börsen. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Beklagte zu 1), deren Geschäftsführer der Beklagte zu 2) bis Dezember 1990 war, vermittelt gewerbsmäßig Börsenterminoptionsgeschäfte. Im August 1989 rief ein Telefonverkäufer der Beklagten zu 1) den Kläger, einen Zahnarzt, an und empfahl ihm den Erwerb von Warenterminoptionen. Nach Erhalt einer Broschüre (Broschüre 1) der Beklagten zu 1) über solche Geschäfte erteilte der Kläger ihr mehrere Aufträge zum Kauf von Optionen und wandte dafür bis Ende Januar 1990 106.045,42 DM auf. Am 5. Februar 1990 übersandte die Beklagte zu 1) dem Kläger kommentarlos eine geänderte Fassung ihrer Broschüre (Broschüre 2) sowie eine gesonderte „Risikobelehrung”, die der Kläger nach Unterzeichnung zurückreichte. In der Folgezeit beauftragte er die Beklagte zu 1) unter Einsatz weiterer Beträge erneut mit dem Erwerb von Optionen. Für ihre Tätigkeit sowie die Provision des Brokers berechnete die Beklagte zu 1) Aufschläge von 81,82% auf die Börsenoptionsprämien.
Die Optionsgeschäfte des Klägers endeten insgesamt verlustreich. Von dem eingesetzten Gesamtbetrag, der vom Kläger mit 254.595,42 DM und von den Beklagten um 31.200 DM niedriger angegeben wird, erhielt der Kläger im Mai 1991 nur 16.644 DM zurück. Den Differenzbetrag verlangt er mit seiner Klage über 237.951,42 DM zuzüglich Zinsen ersetzt.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat ihr nur in Richtung auf die Beklagte zu 1) in Höhe von 89.401,42 DM zuzüglich Zinsen stattgegeben. Die Revision der Beklagten zu 1) hat der Senat nicht angenommen. Mit seiner selbständigen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit zum Nachteil des Klägers erkannt worden ist, zur Verurteilung der Beklagten zu 1), über den bereits rechtskräftig ausgeurteilten Betrag hinaus weitere 117.350 DM nebst 4% Zinsen seit Rechtshängigkeit an den Kläger zu zahlen, und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht im übrigen.
A.
In Richtung auf die Beklagte zu 1) bejaht das Berufungsgericht einen Schadensersatzanspruch des Klägers aus Verschulden bei Vertragsschluß in Höhe von 89.401,42 DM.
I.
Zur Begründung führt es im wesentlichen aus:
Die Beklagte zu 1) sei ihrer Aufklärungspflicht bei den Optionsgeschäften, die der Kläger vor Erhalt der Broschüre 2 abgeschlossen habe, schuldhaft nicht nachgekommen. In der Broschüre 1 fehlten eine verständliche Darstellung der wirtschaftlichen Zusammenhänge solcher Geschäfte, deutliche Hinweise auf die damit verbundenen spezifischen Gefahren sowie eine Aufklärung darüber, daß die Gewinnerwartung durch den von der Beklagten zu 1) beanspruchten Aufschlag auf die Börsenoptionsprämie maßgeblich reduziert werde.
Die Kausalität der Aufklärungspflichtverletzung für einen Schaden des Klägers werde vermutet und sei nicht widerlegt. Daß der Kläger trotz bereits erlittener Verluste nach Erhalt der Broschüre 2 und der „Risikobelehrung” weitere Aufträge zum Erwerb von Optionen erteilt habe, lasse nicht den Schluß zu, daß er solche Geschäfte auch bei gehöriger Aufklärung abgeschlossen hätte. Allerdings beschränke sich der Schadensersatzanspruch des Klägers auf die vor Zugang der Broschüre 2 und der „Risikobelehrung” eingesetzten Beträge von insgesamt 106.045,42 DM abzüglich bereits zurückerhaltener 16.644 DM. Von diesem Zeitpunkt ab habe die Beklagte zu 1) nämlich ihrer Aufklärungspflicht genügt. Die Zusammensetzung der Optionskosten und das Ausmaß der Reduzierung der Gewinnerwartungen durch die verlangten Aufschläge von 81,82% auf die Börsenoptionsprämien würden nunmehr auch für einen unkundigen Leser klar, auch wenn die Broschüre 2 weiterhin einige verharmlosende Hinweise enthalte.
II.
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand; auch die Broschüre 2 und die „Risikobelehrung” klären nicht hinreichend über die spezifischen Gefahren der von der Beklagten zu 1) vermittelten Optionsgeschäfte auf.
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, von der das Berufungsgericht ausgegangen ist, sind gewerbliche Vermittler von Terminoptionen verpflichtet, den Kaufinteressenten vor Vertragsschluß schriftlich die Kenntnisse zu vermitteln, die sie in die Lage versetzen, den Umfang des ihnen aufgebürdeten Verlustrisikos und die durch die Höhe der Vermittlungsprämie eingetretene Verringerung ihrer Gewinnchancen zutreffend einzuschätzen. Dazu gehört nicht nur die Bekanntgabe der Höhe der Optionsprämie, sondern auch die Aufklärung über die wirtschaftlichen Zusammenhänge des Optionsgeschäfts und die Bedeutung der Prämie sowie ihren Einfluß auf das mit dem Geschäft verbundene Risiko. So muß darauf hingewiesen werden, daß sich die Börsenoptionsprämie durch Annäherung von Gebot und Gegengebot bildet und deswegen den Rahmen eines vom Markt noch als vertretbar angesehenen Risikobereichs kennzeichnet, weil die Option nach Einschätzung der Kursentwicklung durch den Börsenfachhandel eine Gewinnchance hat, die den Optionspreis wert ist und somit die Höhe des Preises den noch als realistisch angesehenen, wenn auch weitgehend spekulativen Kurserwartungen des Börsenfachhandels entspricht. Es muß ferner dargelegt werden, ob und in welcher Höhe ein Aufschlag genommen wird und daß jeder Aufschlag auf die Börsenoptionsprämie die Gewinnerwartung verschlechtert, weil ein höherer Kursausschlag als der vom Börsenfachhandel als realistisch angesehene notwendig ist, um in die Gewinnzone zu kommen (vgl. BGHZ 105, 108, 110; BGH, Urteile vom 11. Januar 1988 – II ZR 134/87, WM 1988, 291, 293 und vom 6. Juni 1991 – III ZR 116/90, WM 1991, 1410, 1411).
a) Den vorgenannten Urteilen meinen, wie dem Senat aus einer Anzahl von Fällen bekannt ist, nicht wenige Optionsvermittler entnehmen zu können, alle zur Aufklärung von Kaufinteressenten erforderlichen Hinweise seien darin formuliert, zur Erfüllung der Aufklärungspflicht reiche es im wesentlichen aus, die Urteile in Werbebroschüren auszugsweise abzudrucken und den Kunden zu übersenden. Diese Sicht entbehrt jeder Grundlage.
Die erforderlichen Aufklärungshinweise sind in den zitierten Entscheidungen nicht abschließend aufgeführt. Vor allem aber dienen die in den Urteilen verwendeten Formulierungen nicht dem Zweck, den Text festzulegen, mit dem unerfahrene Optionsinteressenten ausreichend aufgeklärt werden könnten. Es geht vielmehr darum, die besonders bedeutsamen Risiken und Umstände zu bezeichnen, über die aufzuklären ist. Die Formulierung des Aufklärungstextes ist Sache der Optionsvermittler. Diese haben sich dabei an den Durchschnittserwartungen und -erkenntnismöglichkeiten des Publikums zu orientieren, das sie unaufgefordert anzurufen pflegen und für Optionsgeschäfte zu interessieren suchen. Sachkenntnisse oder gar Erfahrungen in Optionsgeschäften an ausländischen Börsen sind bei diesen Personen in aller Regel nicht vorhanden. Sie wissen deshalb insbesondere nicht, daß Aufschläge auf die Börsenoptionsprämie nicht nur zu einem höheren Preis für dasselbe Objekt führen, sondern das Verhältnis von Chancen und Risiken aus dem Gleichgewicht bringen (vgl. Senatsurteil vom 13. Oktober 1992 – XI ZR 30/92, WM 1992, 1935, 1936). Erst recht ist ihnen unbekannt, daß höhere Aufschläge vor allem Kunden, die mehrere verschiedene Optionen erwerben, aller Wahrscheinlichkeit nach im Ergebnis praktisch chancenlos machen. Diese Wirkung solcher Aufschläge widerspricht den berechtigten Durchschnittserwartungen des angesprochenen Personenkreises, der mit Hilfe von Optionsgeschäften steuerfreie Gewinne erzielen möchte, in extremer Weise. Auf die weitgehende Ausgrenzung der Gewinnchance haben Optionsvermittler, die solche Aufschläge verlangen, deshalb unmißverständlich hinzuweisen (vgl. BGH, Urteil vom 11. Januar 1988 – II ZR 134/87, WM 1988, 291, 293). Die Aussagekraft des Hinweises, der schriftlich und in auch für flüchtige Leser auffälliger Form zu erfolgen hat, darf weder durch Beschönigungen noch durch Werbeaussagen noch auf andere Weise beeinträchtigt werden.
b) Die Kritik, die die Beklagte zu 1) an dieser Rechtsprechung unter Hinweis auf weniger strenge Anforderungen an die Aufklärungspflicht der Vermittler von Bauherrenmodellen übt, ist unbegründet. Die verschieden hohen Anforderungen sind angesichts des unterschiedlichen Kenntnis- und Erfahrungsstandes der Interessenten von Bauherrenmodellen einer- und für Terminoptionsgeschäfte andererseits sowie der nicht vergleichbaren Risikolagen notwendig.
Bei Interessenten von steuersparenden Bauherrenmodellen ist grundsätzlich davon auszugehen, daß sie über die für eine solche Anlage notwendigen Kenntnisse und Erfahrungen entweder selbst verfügen oder sich der Hilfe von Fachleuten, etwa eines Rechtsanwalts für die Überprüfung des Vertragswerks und eines Bausachverständigen für die Beurteilung der Werthaltigkeit des Objekts, bedienen (vgl. Senatsurteile vom 31. März 1992 – XI ZR 70/91, WM 1992, 901, 902 und vom 28. April 1992 – XI ZR 165/91, WM 1992, 1310, 1311). Das Risiko eines Totalverlustes der eingesetzten Mittel besteht in aller Regel nur bei ungetreuem Verhalten oder Insolvenz eines Vertragspartners.
Die Situation des Personenkreises, den gewerbliche Vermittler von Terminoptionen wie die Beklagte zu 1) unaufgefordert anzurufen pflegen, ist demgegenüber eine wesentlich andere. Kenntnisse oder gar Erfahrungen in Optionsgeschäften an ausländischen Börsen sind, wie bereits dargelegt, bei diesen Personen typischerweise nicht vorhanden. Die Angesprochenen sind regelmäßig auch nicht in der Lage, sich vor Abschluß der angebotenen Geschäfte die dafür erforderlichen weitreichenden Fachkenntnisse zu verschaffen (vgl. BGHZ 80, 80, 81 f.; 105, 108, 110 f.; Senatsurteil vom 17. März 1992 – XI ZR 204/91, WM 1992, 770, 771). Die Risikolage ist dadurch gekennzeichnet, daß der Spekulant in kurzer Zeit den Verlust seines gesamten, oftmals hohen Einsatzes erleiden kann. Bei den von der Beklagten zu 1) vermittelten Geschäften war dieses Risiko durch den Aufschlag von 81,82% auf die Börsenoptionsprämie überdies so gesteigert, daß ein Gewinn des Klägers kaum zu erwarten war.
c) Den strengen Anforderungen an die Aufklärung des Klägers genügt die Broschüre 1 in formeller und materieller Hinsicht bei weitem nicht. Über die Auswirkungen des Aufschlags von 81,82% auf die Börsenoptionsprämie informiert die Broschüre 1 nur sehr unzureichend. Daß die Beklagte zu 1) 45% des Einsatzes für sich beansprucht, wird unter Verstoß gegen das Gebot, wichtige Informationen nicht durch die Plazierung in den Hintergrund treten zu lassen (BGHZ 105, 108, 114; Senatsurteil vom 17. März 1992 – XI ZR 204/91, WM 1992, 770, 772), erst nach mehrseitigen wenig bedeutsamen Informationen über einzelne Terminmärkte am Schluß der Broschüre 1 im Rahmen des Musters einer Auftragsbestätigung sowie unter der Überschrift „Technischer Ablauf” mitgeteilt. Zu den Auswirkungen der hohen Vermittlungsprovision heißt es lediglich, sie führe zu einer „verminderten Gewinnchance”. Daß ein solcher Aufschlag das Verhältnis von Chancen und Risiken aus dem Gleichgewicht bringt und die Gewinnerwartung entscheidend verändert, weil ein höherer Kursausschlag als der vom Börsenfachhandel für realistisch angesehene notwendig ist, um in die Gewinnzone zu kommen, wird nicht gesagt. Ein Hinweis darauf ist entgegen der Ansicht der Beklagten zu 1) nicht etwa deshalb entbehrlich, weil auf Seiten 2 und 3 der Broschüre 1 ein Auszug aus dem Urteil BGHZ 80, 80, 83 f. abgedruckt und darin ausgeführt ist, die Optionsprämie entspreche den – wenn auch bereits weitgehend spekulativen – Kurserwartungen des Börsenfachhandels und kennzeichne den Rahmen des Risikobereichs, dem vom Markt als vertretbar angesehen werde. Daß der sachkundige Leser daraus und aus dem mehrere Seiten weiter mitgeteilten Aufschlag von 81,82% auf die Optionsprämie auf eine erhebliche Steigerung des Verlustrisikos bei von der Beklagten zu 1) vermittelten Optionen hätte schließen können, ist ohne Belang. Die Aufklärungspflicht des Vermittlers von Terminoptionen soll das nicht sachkundige Publikum schützen. Die gebotene Rücksichtnahme auf dessen Durchschnittserwartungen und -erkenntnismöglichkeiten erfordert, wie bereits dargelegt, einen unmißverständlich formulierten Hinweis, daß infolge des verlangten Aufschlags von 81,82% eine Gewinnchance kaum noch gegeben ist und insbesondere Kunden, die mehrere verschiedene Optionsgeschäfte abschließen, im Ergebnis praktisch chancenlos sind. Auf diesen entscheidenden Gesichtspunkt wird in der Broschüre 1 an keiner Stelle hingewiesen.
d) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts entsprechen auch die Broschüre 2 und die gesonderte „Risikobelehrung” nicht den strengen Anforderungen, die an eine ordnungsgemäße Aufklärung über die Auswirkungen des verlangten Aufschlags zu stellen sind. Die gesonderte „Risikobelehrung” informiert zwar darüber, daß sich durch den Aufschlag von 81,82% auf die Börsenoptionsprämie die Gewinnerwartung verschlechtere, „weil ein höherer Kursausschlag notwendig ist, um in die Gewinnzone zu kommen”, und daß ein solcher Kursausschlag „vom Börsenfachhandel als unrealistisch angesehen wird”. Es fehlt aber der notwendige unmißverständliche Hinweis auf den entscheidenden Gesichtspunkt, daß wegen des verlangten hohen Aufschlags ein Gewinn kaum zu erwarten ist, und zwar um so weniger, je mehr Optionsgeschäfte abgeschlossen werden.
Auch die Broschüre 2 enthält einen solchen Hinweis nicht. Die sehr geringen Gewinnchancen und die hohen Verlustrisiken bei den von der Beklagten zu 1) vermittelten Optionen werden durch die Ausführungen unter der Überschrift „Warum schnelle Entscheidung” vielmehr verschleiert. Die auch schon in Broschüre 1 enthaltenen Sätze („Den Verlust Ihres gesamten Einsatzes müssen Sie ohne Schwierigkeiten verkraften können. Ist dieses der Fall, dann sind schnelle Entscheidungen angesagt. Um als Spekulant erfolgreich zu sein, muß dieser schnell reagieren können, da preisbildende Nachrichten sich durch unseren heutigen Stand der Technik in minutenschnelle weltweit verbreiten.”) erwecken beim unbefangenen Leser den Eindruck, das Risiko und der Erfolg einer Spekulation mit Terminoptionen seien vor allem von nachrichtentechnischen Verbindungen und schnellen Entscheidungen abhängig. Das trifft jedenfalls bei den von der Beklagten zu 1) vermittelten Optionen wegen des verlangten Aufschlags von 81,82% und der dadurch bedingten entscheidenden Veränderung des Verhältnisses von Chancen und Risiken nicht zu.
Den weiteren Ausführungen („Neben gewinnbringenden Transaktionen wird es auch immer wieder Verluste an der Börse geben. Somit gilt das Ziel für Warenterminspekulationen, daß die Gewinne unter dem Strich die Verluste ausgleichen.”) muß der unbefangene Leser entnehmen, daß die Erzielung eines insgesamt positiven Spekulationsergebnisses wesentlich von seinem Durchhaltevermögen bei Verlusten abhängt. Auch dies ist bei den von der Beklagten zu 1) vermittelten Optionen unrichtig. Wegen des hohen Aufschlages auf alle Optionsprämien nimmt die Wahrscheinlichkeit, insgesamt einen Gewinn zu erzielen, mit jedem weiteren Optionsgeschäft ab.
2. Die Angriffe der Beklagten zu 1) gegen die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Kausalität der Aufklärungspflichtverletzung für den Verlust der vom Kläger eingesetzten Beträge sind unbegründet.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, von der das Berufungsgericht und die Beklagten ausgehen, ist derjenige, der vertragliche oder vorvertragliche Aufklärungspflichten verletzt, dafür beweispflichtig, daß der Schaden auch eingetreten wäre, wenn er sich pflichtgemäß verhalten hätte, der Geschädigte also den Rat oder Hinweis nicht befolgt hätte (BGHZ 61, 118, 121 f.; 64, 46, 51 f.; 72, 92, 106; 89, 95, 103; BGH, Urteil vom 14. März 1988 – II ZR 302/87, WM 1988, 1031 f.; BGH, Urteil vom 11. Mai 1989 – VII ZR 12/88, WM 1989, 1286, 1288; BGH, Urteil vom 31. Mai 1990 – VII ZR 340/88, WM 1990, 1276, 1280; Senatsurteile vom 27. November 1990 – XI ZR 115/89, WM 1991, 127, 130, vom 17. März 1992 – XI ZR 204/91, WM 1992, 770, 773, vom 13. Oktober 1992 – XI ZR 30/92, WM 1992, 1935, 1937 und Senatsbeschluß vom 22. Juni 1993 – XI ZR 215/92, WM 1993, 1457, 1458). Die Vermutung, daß der Berechtigte sich gehöriger Beratung gemäß verhalten hätte, war bisher auch im Anwalts- und Steuerberatervertragsrecht anerkannt (BGH, Urteil vom 29. März 1983 – VI ZR 172/81, NJW 1983, 1665, 1666; BGH, Urteil vom 30. Oktober 1984 – IX ZR 6/84, VersR 1985, 83, 85; BGH, Urteil vom 17. Oktober 1989 – XI ZR 158/88, NJW 1990, 827, 828; BGH, Urteil vom 29. März 1990 – IX ZR 24/88, NJW 1990, 2127, 2128; BGH, Urteil vom 6. Februar 1992 – IX ZR 95/91, NJW 1992, 1159, 1160; BGH, Urteil vom 7. Mai 1992 – IX ZR 151/91, NJW-RR 1992, 1110).
In seiner Entscheidung vom 30. September 1993 – IX ZR 73/93 (NJW 1993, 3259 f., zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt) hat es der IX. Zivilsenat für notwendig erachtet, diese Rechtsprechung, beschränkt auf Verträge mit rechtlichen Beratern, zu modifizieren. Danach bewirkt die Vermutung, daß der Mandant beratungsgemäß gehandelt hätte, keine Beweislastumkehr, sondern bildet einen Anwendungsfall des Anscheinsbeweises. Dem liegt die Erwägung zugrunde, eine auf die Typizität eines bestimmten Geschehensablaufs gegründete Beweisregel rechtfertige keine volle Beweislastumkehr; denn die Beweiserleichterung beruhe hier auf Erfahrungssätzen, die im Einzelfall erschüttert werden könnten, wenn die konkrete Möglichkeit eines anderen Kausalverlaufs dargetan und bewiesen werde.
Diese Erwägungen treffen, wovon auch der IX. Zivilsenat ausgeht, bei Aufklärungspflichten, die dazu bestimmt sind, dem Partner eine sachgerechte Entscheidung über den Abschluß bestimmter Geschäfte zu ermöglichen, nicht zu. Der Zweck solcher Pflichten wird nur erreicht, wenn Unklarheiten, die durch eine Aufklärungspflichtverletzung bedingt sind, zu Lasten des Aufklärungspflichtigen gehen, dieser die Nichtursächlichkeit seiner Pflichtverletzung also zu beweisen hat (vgl. BGHZ 61, 118, 121 f.; 64, 46, 51 f.; 89, 95, 103; BGH, Urteil vom 11. Mai 1989 – VII ZR 12/88, WM 1989, 1286, 1288). An der Rechtsprechung, daß für „aufklärungsrichtiges” Verhalten eine vom Aufklärungspflichtigen zu widerlegende Vermutung besteht, wird deshalb festgehalten.
b) Der Kläger war danach nicht gehalten, Anhaltspunkte dafür vorzutragen, daß er bei ordnungsgemäßer Aufklärung von Optionsgeschäften mit der Beklagten zu 1) abgesehen hätte. Für ihre insoweit gegenteilige Ansicht kann sich die Beklagte zu 1) nicht mit Erfolg auf ihren Beweisnotstand und die Rechtsprechung des VI. Zivilsenats berufen, wonach ein Arzt mit der Beweislast für seine Behauptung, daß der Patient bei ordnungsgemäßer Aufklärung in den Eingriff eingewilligt haben würde, nur zu belasten ist, wenn der Patient zur Überzeugung des Tatrichters plausibel macht, daß er, wären ihm die Risiken der Operation rechtzeitig verdeutlicht worden, vor einem echten Entscheidungskonflikt gestanden hätte (BGH, Urteil vom 7. April 1992 – VI ZR 192/91, NJW 1992, 2351, 2353). Die Beklagte zu 1) übersieht, daß die Kausalitätsvermutung bei einer Aufklärungspflichtverletzung voraussetzt, daß es für den anderen Teil, wie hier, nur eine bestimmte Möglichkeit „aufklärungsrichtigen” Verhaltens gibt, ein Entscheidungskonflikt in dem angesprochenen Sinne also nicht vorliegt (vgl. Senatsurteile vom 19. Dezember 1989 – XI ZR 29/89, WM 1990, 681, 683 und vom 13. November 1990 – XI ZR 268/89, WM 1991, 9, 10).
c) Die Feststellung des Berufungsgerichts, die Kausalitätsvermutung sei von der Beklagten zu 1) nicht widerlegt worden, ist nicht zu beanstanden. Die zugrundeliegende Erwägung, die Fortsetzung der Spekulation trotz eingetretener Verluste lasse nicht den Schluß zu, daß der Kläger die geleisteten Beträge auch bei gehöriger Aufklärung durch die Broschüre 1 eingesetzt hätte, hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 17. März 1992 – XI ZR 204/91 (WM 1992, 770, 773) gebilligt.
3. Die Höhe der eingesetzten Beträge ist streitig. Der Kläger beziffert sie auf insgesamt 254.595,42 DM, die Beklagte zu 1) auf 223.395,42 DM. Feststellungen zu der Differenz von 31.200 DM hat das Berufungsgericht – von seinem Standpunkt aus konsequent – nicht getroffen, insbesondere den vom Kläger in Fotokopie vorgelegten Posteinlieferungsschein nicht gewürdigt. Insoweit ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 ZPO).
Im übrigen kann der Senat über die Klage gegen die Beklagte zu 1) in der Sache selbst entscheiden (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO). Ausgehend von dem unstreitig erhaltenen Betrag von 223.395,42 DM ist die Beklagte zu 1) unter Berücksichtigung der bereits zurückgezahlten 16.644 DM und der ausgeurteilten 89.401,42 DM zur Zahlung weiterer 117.350 DM zuzüglich der beantragten Rechtshängigkeitszinsen zu verurteilen.
B.
In Richtung auf den Beklagten zu 2) hat das Berufungsgericht das klageabweisende Urteil erster Instanz bestätigt.
I.
Zur Begründung hat es ausgeführt:
Die Berufung des Klägers sei zwar auch insoweit zulässig. Daß in der Berufungsschrift nur die im Rubrum des landgerichtlichen Urteils an erster Stelle stehende Beklagte zu 1), nicht aber der Beklagte zu 2) als Rechtsmittelgegner aufgeführt sei, sei unschädlich.
Die Berufung habe jedoch keinen Erfolg. Für einen Anspruch aus § 826 BGB, der allein in Betracht komme, habe der Kläger kein Verhalten des Beklagten dargetan, welches als so grob anstößig zu werten wäre, daß es gegen das allgemeine Anstands- und Billigkeitsgefühl verstoße. Die Übersendung der unzureichenden Broschüre 1 reiche insoweit nicht aus. Deren Inhalt verletze die Aufklärungspflicht nicht in krasser Form. Daß der Beklagte zu 2) durch unseriöse Geschäftspraktiken wie die Vorspiegelung falscher Tatsachen durch Telefonverkäufer seine besondere Unerfahrenheit ausgenutzt habe, habe der Kläger nicht behauptet bzw. nicht unter Beweis gestellt.
II.
Auch diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht in allem stand.
1. Rechtsfehlerfrei sind entgegen der Ansicht des Beklagten zu 2) allerdings die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Zulässigkeit der Berufung. An die Bezeichnung des Rechtsmittelgegners in der Berufungsschrift (§ 518 Abs. 2 ZPO) sind keine strengen Anforderungen zu stellen. Eine uneingeschränkt eingelegte Berufung gegen ein klageabweisendes Urteil richtet sich im Zweifel gegen alle erfolgreichen Streitgenossen. Ist, wie hier, nur der an erster Stelle des Urteilsrubrums stehende Streitgenosse als Berufungsbeklagter genannt, so ist das Urteil auch gegenüber den anderen angefochten, außer wenn die Berufungsschrift eine Beschränkung erkennen läßt (BGH, Urteil vom 19. März 1969 – VIII ZR 63/67, NJW 1969, 928 f.; BGH, Urteil vom 21. Juni 1983 – VI ZR 245/81, NJW 1984, 58 f.; BGH, Urteil vom 29. Oktober 1993 – V ZR 136/92). Anhaltspunkte für eine solche Beschränkung sind hier nicht vorhanden.
2. Nicht zu beanstanden ist auch, daß das Berufungsgericht nur einen Schadensersatzanspruch des Klägers aus § 826 BGB in Betracht gezogen hat. Die Rüge der Revision, es habe vorrangig einen Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 89 BörsG prüfen müssen, ist unbegründet. Der Vortrag des Klägers gab dazu keinen Anlaß. Der Kläger hat nicht behauptet, der Beklagte zu 2) selbst habe ihn in Kenntnis und unter Ausnutzung seiner Unerfahrenheit in Terminoptionsgeschäften durch Anrufe zum Kauf von Optionen verleitet. Auch für eine Anstiftung der Telefonverkäufer der Beklagten zu 1), die dem Kläger den Erwerb von Optionen empfohlen haben, durch den Beklagten zu 2) fehlt ausreichendes Vorbringen des Klägers.
3. Rechtsfehlerhaft erheblich überspannt sind dagegen die Anforderungen, die das Berufungsgericht an einen Schadensersatzanspruch des Klägers gegen den Beklagten zu 2) aus § 826 BGB gestellt hat. Der Beklagte zu 2) war nicht lediglich Telefonverkäufer, sondern der für das Geschäftsgebaren der Beklagten zu 1) verantwortliche Geschäftsführer. Als solcher hatte er dafür Sorge zu tragen, daß die Beklagte zu 1) ihrer Pflicht nachkam, unmißverständlich über die Auswirkungen des hohen Aufschlags auf die Börsenoptionsprämie aufzuklären. Ein Geschäftsführer, der Optionsgeschäfte ohne eine solche Aufklärung abschließt, den Abschluß veranlaßt oder bewußt nicht verhindert, mißbraucht seine geschäftliche Überlegenheit auf grob anstößige Weise und handelt sittenwidrig. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs haftet der Geschäftsführer einer Optionsvermittlungs-GmbH deshalb gemäß § 826 BGB auf Schadensersatz, wenn er eine Broschüre verfaßt und verteilen läßt, in der er den Optionserwerbern vorsätzlich Tatsachen vorenthält, deren Kenntnis diese erst in die Lage versetzt hätte, die Auswirkungen des Aufschlags auf die Optionsprämie, d.h. die erhebliche Steigerung der Verlustrisiken und die entsprechende Verkürzung der Gewinnchancen zutreffend einzuschätzen (vgl. BGHZ 105, 108, 109 f.; BGH, Urteil vom 17. Mai 1982 – II ZR 9/82, WM 1982, 738, 740; BGH, Urteil vom 7. Februar 1983 – II ZR 285/81, WM 1983, 300, 301; BGH, Urteil vom 17. Mai 1984 – II ZR 275/83, WM 1984, 961, 962; BGH, Urteil vom 11. Januar 1988 – II ZR 134/87, WM 1988, 291, 292; Senatsurteil vom 13. Oktober 1992 – XI ZR 30/92, WM 1992, 1935 f.).
a) Die vorgenannten objektiven Voraussetzungen liegen hier entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts vor. Als alleiniger Geschäftsführer der Beklagten zu 1) hatte der Beklagte zu 2) auf Inhalt, Gestaltung und Übersendung der Broschüren 1 und 2 entscheidenden Einfluß. Ein ernsthafter Versuch, über die Auswirkungen des Aufschlags von 81,82% auf die Börsenoptionsprämie gehörig aufzuklären, wurde, wie bereits dargelegt, nicht unternommen. Vielmehr wurde die Unerfahrenheit des telefonisch geworbenen Klägers in Optionsgeschäften unter Mißbrauch der geschäftlichen Überlegenheit auf grob anstößige Weise zu Geschäften ausgenutzt, bei denen er kaum Gewinnchancen hatte. Daß der Kläger die verlustreichen Optionen bei gehöriger Aufklärung nicht erworben hätte, wird vermutet. Der Beklagte zu 2) steht insoweit nicht besser als die Beklagte zu 1) (BGH, Urteil vom 28. November 1983 – II ZR 72/83, WM 1984, 221, 222; BGH, Urteil vom 17. Mai 1984 – II ZR 199/83, WM 1984, 960, 961).
b) Die Schadensersatzhaftung des Beklagten zu 2) aus § 826 BGB hängt danach davon ab, ob er dem Kläger, wie dieser behauptet, die zur Einschätzung des sehr erheblich gesteigerten Verlustrisikos bedeutsamen Tatsachen vorsätzlich vorenthalten hat. Feststellungen des Berufungsgerichts dazu fehlen. Dies macht die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Zurückverweisung der Sache auch insoweit an das Berufungsgericht erforderlich.
c) Bei der Nachholung der fehlenden Feststellungen wird das Berufungsgericht außer den dargelegten schwerwiegenden Aufklärungsmängeln zu berücksichtigen haben, daß ein Irrtum des Beklagten zu 2) über die Reichweite der Aufklärungspflicht, wie er in der Berufungserwiderung geltend gemacht worden ist, vorsätzliches Handeln nicht ohne weiteres ausschließt (BGH, Beschluß vom 19. September 1983 – II ZR 248/82, WM 1983, 1235).
Fundstellen
Haufe-Index 650404 |
BGHZ, 151 |
BB 1994, 305 |
NJW 1994, 512 |
ZIP 1994, 116 |
ZBB 1994, 61 |