Leitsatz (amtlich)
Eine Verletzung der Pflicht des behandelnden Arztes zur therapeutischen Aufklärung (Sicherungsaufklärung), die als grober Behandlungsfehler zu werten ist, führt regelmäßig zu einer Umkehr der objektiven Beweislast für den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Behandlungsfehler und dem Gesundheitsschaden, wenn sie geeignet ist, den eingetretenen Schaden zu verursachen; eine Wahrscheinlichkeit für ein Ergebnis einer Kontrolluntersuchung ist in einem solchen Fall nicht erforderlich (Fortführung von BGH, Urt. v. 27.4.2004 - VI ZR 34/03, BGHReport 2004, 1077 = GesR 2004, 290 = MDR 2004, 1055 = VersR 2004, 909).
Normenkette
BGB § 823; ZPO § 286
Verfahrensgang
OLG Braunschweig (Urteil vom 16.10.2003; Aktenzeichen 1 U 106/02) |
LG Braunschweig (Urteil vom 10.10.2002) |
Tenor
Auf die Rechtsmittel des Klägers werden das Urteil des 1. Zivilsenats des OLG Braunschweig v. 16.10.2003 aufgehoben und das Urteil der 4. Zivilkammer des LG Braunschweig v. 10.10.2002 abgeändert.
Der Anspruch des Klägers auf Zahlung eines Schmerzensgeldes und Ersatz des bezifferten materiellen Schadens des Klägers ist dem Grunde nach gerechtfertigt.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger jeden nach Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht aus der unterlassenen therapeutischen Aufklärung bei der Behandlung v. 6.1.2000 entstandenen und künftig entstehenden materiellen Schaden zu ersetzen, soweit der Ersatzanspruch nicht auf Sozialversicherungsträger übergegangen ist.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche weiteren aus der unterlassenen therapeutischen Aufklärung bei der Behandlung v. 6.1.2000 künftig entstehenden immateriellen Schäden zu ersetzen.
Zur Entscheidung über den Betrag des Zahlungsanspruchs wird der Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückverwiesen, das auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben wird.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger, der am 6.1.2000 abends Lichtblitze in seinem linken Auge bemerkt hatte, begab sich noch am selben Tag in den augenärztlichen Bereitschaftsdienst, den die Beklagte wahrnahm. Gesichtsfeldmessungen und Messungen des Augeninnendrucks ergaben keinen auffälligen Befund. Auch bei einer Untersuchung des Augenhintergrundes nach Erweiterung der Pupille stellte die Beklagte keine pathologischen Veränderungen fest. Am 11.1.2000 trat beim Kläger eine massive Ablösung der Netzhaut im linken Auge auf. Trotz zweier Operationen in der Universitätsklinik, bei denen die Netzhaut angelegt und stabilisiert wurde, ist die Sehfähigkeit des Klägers beeinträchtigt.
Der Kläger hält die Untersuchung durch die Beklagte für fehlerhaft; auch habe sie ihn nicht in gehöriger Weise darauf hingewiesen, dass er alsbald Kontrolluntersuchungen durchführen lassen müsse. Er begehrt Schmerzensgeld, Ersatz materiellen Schadens sowie die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihm sämtliche nach Schluss der mündlichen Verhandlung aus dem Behandlungsfehler der Beklagten v. 6.1.2000 entstehenden materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen. Seine Klage hatte in beiden Tatsacheninstanzen keinen Erfolg. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt er sein Klageziel weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Berufungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, es sei an die Feststellungen des LG gebunden, die Beklagte habe den Kläger nicht auf die Gefährdung der Netzhaut durch eine fortschreitende Glaskörper-Abhebung hingewiesen und ihn auch nicht aufgefordert, diesen Vorgang unbedingt weiter überwachen zu lassen. Da beim Kläger eine beginnende Glaskörper-Abhebung vorgelegen und die Beklagte das auch erkannt habe, habe sie den Kläger über diese mögliche Diagnose und das dabei bestehende vergleichsweise geringe Risiko einer Netzhautablösung unterrichten müssen. Sie habe den Kläger auffordern müssen, sich auch ohne Zunahme der Symptome zu einer Kontrolluntersuchung beim Augenarzt vorzustellen. Diese Unterlassungen seien als "einfache" Behandlungsfehler zu werten. Dass die Beklagte den Kläger nicht zusätzlich darauf hingewiesen habe, er müsse bei Fortschreiten der Symptome sofort einen Augenarzt aufsuchen, sei als ein grober Behandlungsfehler zu werten.
Der Ursachenzusammenhang zwischen diesem groben Behandlungsfehler und dem Körperschaden des Klägers sei zwar nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil der Kläger nach eigenen Angaben keine sich ausweitende oder verschlimmernde Symptomatik bemerkt habe. Es sei nämlich nicht ausgeschlossen, dass der Kläger bei zutreffender Information auch ohne Verschlechterung seines Zustandes zu einer augenärztlichen Kontrolle gegangen wäre und ein Augenarzt dann Anzeichen für eine beginnende Netzhautablösung festgestellt hätte. Möglicherweise hätte dann erfolgreich Vorsorge gegen die spätere Netzhautablösung getroffen werden können. Ein Ursachenzusammenhang könne jedoch nicht festgestellt werden. Es sei zwar davon auszugehen, dass der Kläger nach ordnungsgemäßer Beratung durch die Beklagte innerhalb von zwei oder drei Tagen zu einer Kontrolluntersuchung gegangen wäre. Es sei aber vorstellbar, dass die Glaskörper-Abhebung, die der Netzhautablösung vorangehe, sehr plötzlich und sehr massiv eingesetzt und dann sehr schnell eine erst am 11.1.2000 erkennbare Netzhautablösung nach sich gezogen habe. Daher sei völlig offen, ob es zuvor Anzeichen für eine solche Ablösung gegeben habe, die bei einer Kontrolluntersuchung erkennbar gewesen wären. Dem Kläger sei keine Beweislastumkehr für den Ursachenzusammenhang zuzubilligen. Es fehle an einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit dafür, dass bei einer augenärztlichen Kontrolle Anzeichen für die Netzhautablösung erkennbar gewesen wären. Dass eine solche Kontrolle Aufschluss darüber gegeben hätte, ob sich zu jenem Zeitpunkt Anzeichen für eine Netzhautablösung gezeigt hätten, sei keine ausreichende Grundlage für eine Beweislastumkehr. Zwar liege es nicht fern, das Gesamtverhalten der Beklagten ohne Differenzierung zu den einzelnen Unterlassungen als grob fehlerhaft anzusehen. Selbst dann aber sei es nicht gerechtfertigt, dem Kläger ohne jede Wahrscheinlichkeit in die eine oder die andere Richtung eine Beweislastumkehr hinsichtlich des Auftretens von Gefährdungsanzeichen bei der hypothetischen Kontrolluntersuchung zuzubilligen.
II.
Diese Ausführungen des Berufungsgerichts halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
1. Das Berufungsgericht wertet im Anschluss an die Ausführungen des Sachverständigen und im Einklang mit der Rechtsprechung des erkennenden Senats als grob fehlerhaft, dass die Beklagte den Kläger nach Abschluss der Notfalluntersuchung nicht darauf hingewiesen hat, er müsse bei Fortschreiten der Symptome sofort einen Augenarzt aufsuchen (BGH, Urt. v. 29.5.2001 - VI ZR 120/00, MDR 2001, 1115 = BGHReport 2001, 687 = VersR 2001, 1030; v. 3.7.2001 - VI ZR 418/99, BGHReport 2001, 683 = VersR 2001, 1116 [1117]; v. 28.5.2002 - VI ZR 42/01, BGHReport 2002, 827 = MDR 2002, 1120 = VersR 2002, 1026, jeweils m.w.N.). Die Revision nimmt dies als ihr günstig hin; auch die Revisionserwiderung erhebt insoweit keine Beanstandungen.
Beim Kläger lag eine beginnende Glaskörper-Abhebung als Vorstufe einer Netzhautablösung nahe und die Beklagte hatte dies erkannt. Sie war infolgedessen verpflichtet, dem Kläger ihre Erkenntnisse ebenso wie ihren Verdacht bekannt zu geben (Diagnoseaufklärung; BGHZ 29, 176 [183 f.]; OLG Nürnberg - AHRS 3130/108). Dementsprechend hatte sie den Kläger im Rahmen der ihr obliegenden therapeutischen Aufklärungspflicht darauf hinzuweisen, er müsse bei fortschreitenden Symptomen sofort einen Augenarzt einschalten und im Übrigen alsbald den Befund überprüfen lassen, damit der Kläger mögliche Heilungschancen wahrnehmen konnte. Das hat die Beklagte versäumt. Im Ansatz zutreffend hat das Berufungsgericht in dieser unterlassenen therapeutischen Aufklärung einen Behandlungsfehler gesehen (BGH, Urt. v. 27.6.1995 - VI ZR 32/94, MDR 1995, 1015 = VersR 1995, 1099 [1100]) und ihn als grob bewertet.
2. Zuzustimmen ist dem Berufungsgericht auch darin, dass der Ursachenzusammenhang zwischen diesem groben Behandlungsfehler und dem entstandenen Körperschaden des Klägers nicht schon deshalb ausgeschlossen ist, weil der Kläger keine sich ausweitende oder verschlechternde Symptomatik bemerkt hat. Das OLG stellt ohne Rechtsfehler fest, dass nicht auszuschließen ist, ein zur Kontrolluntersuchung eingeschalteter Augenarzt hätte vom Kläger selbst noch nicht bemerkte, aber für den Facharzt erkennbare Anzeichen einer beginnenden Netzhautablösung entdecken und daraufhin eine erfolgreiche Therapie durchführen können.
3. Rechtsfehlerhaft verneint das Berufungsgericht jedoch eine Umkehr der Beweislast für den Ursachenzusammenhang zwischen der unterlassenen Aufklärung und dem Schaden des Klägers, weil eine solche Beweislastumkehr dem Kläger nicht "ohne jede Wahrscheinlichkeit in die eine oder andere Richtung" zugebilligt werden könne. Damit zieht das Berufungsgericht nicht die gebotenen Folgerungen aus dem Vorliegen eines groben Behandlungsfehlers.
a) Wie der Senat wiederholt ausgesprochen hat, führt ein grober Behandlungsfehler grundsätzlich zu einer Umkehr der objektiven Beweislast für den Ursachenzusammenhang zwischen dem Behandlungsfehler und dem Gesundheitsschaden.
aa) Eine Umkehr der Beweislast ist schon dann anzunehmen, wenn der grobe Behandlungsfehler geeignet ist, den eingetretenen Schaden zu verursachen; nahe legen oder wahrscheinlich machen muss der Fehler den Schaden dagegen nicht (BGH, Urt. v. 21.9.1982 - VI ZR 302/80, BGHZ 85, 212 [216 f.] = MDR 1983, 219; v. 24.9.1996 - VI ZR 303/95, MDR 1997, 148 = VersR 1996, 1535 [1537]; v. 1.10.1996 - VI ZR 10/96, MDR 1997, 147 = VersR 1997, 362 [363]; v. 27.4.2004 - VI ZR 34/03, BGHReport 2004, 1077 = GesR 2004, 290 = MDR 2004, 1055 = VersR 2004, 909 [911]).
Eine Verlagerung der Beweislast auf die Behandlungsseite ist nur ausnahmsweise ausgeschlossen, wenn ein haftungsbegründender Ursachenzusammenhang äußerst unwahrscheinlich ist (BGH v. 14.2.1995 - VI ZR 272/93, BGHZ 129, 6 [12] = MDR 1995, 698; v. 13.1.1998 - VI ZR 242/98, BGHZ 138, 1, 8; v. 1.10.1996 - VI ZR 10/96, MDR 1997, 147 = VersR 1997, 362 [363]; v. 27.4.2004 - VI ZR 34/03, BGHReport 2004, 1077 = GesR 2004, 290 = MDR 2004, 1055 = VersR 2004, 909 [911]). Gleiches gilt, wenn sich nicht das Risiko verwirklicht hat, dessen Nichtbeachtung den Fehler als grob erscheinen lässt (BGH, Urt. v. 16.6.1981 - VI ZR 38/80, MDR 1982, 132 = VersR 1981, 954 [955]), oder wenn der Patient durch sein Verhalten eine selbständige Komponente für den Heilungserfolg vereitelt hat und dadurch in gleicher Weise wie der grobe Behandlungsfehler des Arztes dazu beigetragen hat, dass der Verlauf des Behandlungsgeschehens nicht mehr aufgeklärt werden kann (BGH, Urt. v. 28.5.2002 - VI ZR 42/01, BGHReport 2002, 827 = MDR 2002, 1120 = VersR 2002, 1026 [1028]; v. 27.4.2004 - VI ZR 34/03, BGHReport 2004, 1077 = GesR 2004, 290 = MDR 2004, 1055 = VersR 2004, 909 [911]; KG v. 30.4.1990 - 20 U 1833/89, VersR 1991, 928, mit Nichtannahmebeschl. des BGH v. 19.2.1991 - VI ZR 224/90; OLG Braunschweig v. 10.4.1997 - 1 U 21/96, OLGReport Braunschweig 1998, 80 = VersR 1998, 459 [461], mit Nichtannahmebeschl. des BGH v. 20.1.1998 - VI ZR 161/97). Das Vorliegen einer solchen Ausnahme hat allerdings die Behandlungsseite zu beweisen (BGH v. 27.4.2004 - VI ZR 34/03, BGHReport 2004, 1077 = GesR 2004, 290 = MDR 2004, 1055 = VersR 2004, 909 [911]).
bb) Hiernach war es Sache der Beklagten darzulegen und zu beweisen, dass ein ordnungsgemäßer Hinweis an den Kläger, er solle bei Befundverschlechterung umgehend eine Kontrolluntersuchung durchführen lassen, eine Netzhautablösung mit den eingetretenen Folgen weder verhindert noch abgemildert hätte. Wie auch das Berufungsgericht nicht verkennt, war ein solcher Hinweis geeignet, den Kläger zu einer kurzfristigen Kontrolluntersuchung zu veranlassen; eine solche wäre geeignet gewesen, Anzeichen einer beginnenden Netzhautablösung erkennbar zu machen und frühzeitiger Behandlungsmaßnahmen durchzuführen, die ihrerseits die später eingetretene Netzhautablösung verhindern oder feststellbar hätten vermindern können.
cc) Dass ein haftungsbegründender Ursachenzusammenhang äußerst unwahrscheinlich wäre, hat das Berufungsgericht nicht feststellen können. Solches ergibt sich nicht aus den gutachtlichen Äußerungen des Sachverständigen; das wird auch von der Revisionserwiderung nicht geltend gemacht. Soweit diese darauf abstellt, das Berufungsgericht habe keine Wahrscheinlichkeit für Anzeichen einer beginnenden Netzhautablösung feststellen können, ist das nicht gleich bedeutend damit, dass ein Ursachenzusammenhang zwischen der unterlassenen Aufklärung des Patienten und der Netzhautablösung äußerst unwahrscheinlich war.
dd) Einer Umkehr der Beweislast steht auch nicht entgegen, dass der Kläger weiter gehende Anzeichen als die bis dahin aufgetretenen Lichtblitze nicht bemerkt hat. Die Beklagte hätte den Kläger durch einen Hinweis auf die Gefahr einer Netzhautablösung, die infolge der Glaskörperabhebung drohte, zu einer baldigen Kontrolle des Augenhintergrundes veranlassen müssen, um das eingetretene Risiko möglichst gering zu halten. Das hat sie versäumt. Die Netzhautablösung ist eingetreten und hat zu einer Verringerung des Sehvermögens auf dem Auge geführt. Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass der Kläger auch ohne Fortschreiten der Symptome alsbald eine Kontrolluntersuchung hätte durchführen lassen, wäre er ordnungsgemäß über die Diagnose und die Gefahr für sein Sehvermögen aufgeklärt und auf die Notwendigkeit einer sofortigen Kontrolluntersuchung bei Verschlechterung hingewiesen worden. Das hätte, wie bereits ausgeführt, zur Vermeidung des Gesundheitsschadens führen können. Ohnehin ist die vom Berufungsgericht vorgenommene Aufspaltung in eine "einfache" und eine "grobe" Pflichtwidrigkeit verfehlt, weil insoweit eine Gesamtbetrachtung der geschuldeten therapeutischen Aufklärung geboten ist, die sich als insgesamt grob fehlerhaft erweist, ohne dass es hierzu weiterer tatsächlicher Feststellungen bedarf.
b) Das Berufungsgericht hat den Ursachenverlauf in seine einzelnen Bestandteile aufgespalten und dann Anzeichen für eine Netzhautablösung vor dem 11.1.2000 sowie für den Erfolg einer vorbeugenden Behandlung vermisst. Eine Umkehr der Beweislast zu Gunsten des Klägers hat es verneint, weil zu den genannten Umständen auch keine Wahrscheinlichkeiten feststellbar seien. Das widerspricht den Grundsätzen des erkennenden Senats zu den Rechtsfolgen eines groben Behandlungsfehlers.
aa) Eine Unterteilung des Ursachenzusammenhangs in unmittelbare und mittelbare Ursachen ist dem Haftungsrecht fremd (BGH, Urt. v. 11.11.1997 - VI ZR 146/96, MDR 1998, 159 = VersR 1998, 200 f.; v. 26.1.1999 - VI ZR 374/97, MDR 1999, 546 = VersR 1999, 862; v. 27.6.2000 - VI ZR 201/99, MDR 2000, 1247 = VersR 2000, 1282 [1283]). Beim groben Behandlungsfehler umfasst die in Betracht stehende Umkehr der Beweislast den Beweis der Ursächlichkeit des Behandlungsfehlers für den haftungsbegründenden Primärschaden, der ohne die Beweislastumkehr dem Patienten nach § 286 ZPO obläge. Auf die haftungsausfüllende Kausalität, d.h. den Kausalzusammenhang zwischen körperlicher oder gesundheitlicher Primärschädigung und weiteren Gesundheitsschäden des Patienten wird die Beweislastumkehr nicht ausgedehnt, es sei denn, der sekundäre Gesundheitsschaden wäre typisch mit dem Primärschaden verbunden und die als grob zu bewertende Missachtung der ärztlichen Verhaltensregel sollte gerade auch solcherart Schädigungen vorbeugen (BGH, Urt. v. 21.10.1969 - VI ZR 82/68, VersR 1969, 1148 [1149]; v. 9.5.1978 - VI ZR 81/77, VersR 1978, 764 [765]). Eine Zerlegung des Kausalzusammenhangs in seine einzelnen logischen Bestandteile im Übrigen kommt nicht in Betracht.
bb) Nach diesen Grundsätzen durfte das Berufungsgericht hier eine Umkehr der Beweislast nicht verneinen. Die Parteien streiten nicht um einen Sekundärschaden des Klägers. Vielmehr beruht die Schädigung des Sehvermögens auf dem Primärschaden der Netzhautablösung, die der Kläger als Schädigung geltend macht (vgl. zur Abgrenzung zwischen Primär- und Sekundärschaden BGH, Urt. v. 28.6.1988 - VI ZR 210/87, MDR 1988, 1045 = VersR 1989, 145; v. 21.7.1998 - VI ZR 15/98, MDR 1998, 1165 = VersR 1998, 1153 [1154]).
4. Nach allem ist die Klage zum Zahlungsanspruch dem Grunde nach gerechtfertigt (§§ 823 Abs. 1, 847 BGB a.F.; 304 Abs. 1, 555 Abs. 1 S. 1 ZPO).
Die Feststellungsklage hat im Rahmen des gestellten Antrags ebenfalls Erfolg. Sie ist zulässig. Die Beklagte hat ihre haftungsrechtliche Verantwortlichkeit in Abrede gestellt und Verjährung droht; die Möglichkeit eines weiteren Schadenseintritts kann nicht verneint werden, das erforderliche Feststellungsinteresse ist daher gegeben (BGH, Urt. v. 16.1.2001 - VI ZR 381/99, MDR 2001, 448 = BGHReport 2001, 234 = VersR 2001, 874). Der Feststellungsantrag ist auch begründet, denn Gegenstand der Feststellungsklage ist ein befürchteter Folgeschaden aus der Verletzung eines deliktsrechtlich geschützten absoluten Rechtsguts (BGH, Urt. v. 16.1.2001 - VI ZR 381/99, MDR 2001, 448 = BGHReport 2001, 234 = VersR 2001, 874). Auch der Vorbehalt hinsichtlich künftiger noch ungewisser und bei der Ausurteilung der Zahlungsklage auf Schmerzensgeld noch nicht berücksichtigungsfähiger immaterieller Schäden ist zulässig (BGH, Urt. v. 20.1.2004 - VI ZR 70/03, MDR 2004, 701 = BGHReport 2004, 683 = GesR 2004, 176 = NJW 2004, 1243 [1244]).
Zum Betrag der Zahlungsklage ist die Sache nicht entscheidungsreif. Insoweit ist sie an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, das auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben wird.
Fundstellen
Haufe-Index 1283902 |
NJW 2005, 427 |
BGHR 2005, 290 |
ZAP 2005, 271 |
ArztR 2006, 63 |
MDR 2005, 572 |
MedR 2005, 159 |
MedR 2005, 226 |
VersR 2005, 228 |
VuR 2005, 116 |
VuR 2005, 69 |
GesR 2005, 68 |
PA 2005, 44 |
JT 2005, 159 |