Verfahrensgang
LG Darmstadt (Urteil vom 10.09.2004) |
Tenor
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 10. September 2004 wird verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 34 Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 13 Jahren und sechs Monaten verurteilt.
Der Angeklagte rügt mit seiner Revision die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
I.
Der Schuldspruch hält rechtlicher Überprüfung stand.
1. Die den Schuldspruch betreffenden Verfahrensrügen (II. der Revisionsbegründung vom 2. Mai 2005) sind aus den zutreffenden Erwägungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 15. Juli 2005 unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2. Auch die Sachrüge deckt keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Dies gilt insbesondere – – entgegen der Auffassung der Revision und des Generalbundesanwalts – – für die Annahme rechtlich selbständiger Taten für die Fälle II.3. bis II.33. der Urteilsgründe.
Zu Fall II.3. hat die Strafkammer festgestellt, dass der Angeklagte zusammen mit zwei anderen Personen Anfang des Jahres 2000 aus den Niederlanden ca. 30 kg Haschisch und ca. 1 kg Kokain eingeführt, in die Wohnung eines Bekannten verbracht und von dort je nach Bedarf zum Zwecke des Weiterverkaufs abgeholt hat. Zu den Fällen II.4. bis 33. teilt die Strafkammer mit, der Angeklagte habe von Anfang März 2000 bis zum 2. August 2000 mindestens alle fünf Tage, mithin in mindestens 30 Fällen jeweils mindestens 50 g Kokain an T. verkauft.
Die Strafkammer hat die Frage der Bewertungseinheit für diese Fälle nicht erörtert. Dies stellt unter den gegebenen Umständen keinen Rechtsfehler dar. Der Zweifelsgrundsatz gebietet es grundsätzlich nicht, eine einheitliche Tat im Sinne einer Bewertungseinheit anzunehmen, wenn sich in der Hauptverhandlung keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür ergeben, dass mehrere Fälle des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln dieselbe Rauschgiftmenge betreffen (BGHR StGB § 52 I in dubio pro reo 6; BtMG § 29 Bewertungseinheit 4, 5, 6, 8, 11, 12, 13). Konkret festgestellte Einzelverkäufe sind nicht zur Tateinheit zusammenzufassen, nur weil die nicht näher konkretisierte Möglichkeit besteht, dass die zugrunde liegenden Einzelmengen ganz oder teilweise aus einem – – als Gesamtmenge zum unerlaubten Handeltreiben angeschafften – Verkaufsvorrat stammen könnten. Angesichts des zeitlichen Abstands zwischen dem Erwerb des Kokains (Anfang 2000) und den Verkäufen an T. (März bis 2. August 2000) drängte es sich hier nicht auf, dass die verkauften Einzelmengen noch aus der Erwerbstat von Anfang des Jahres 2000 stammen könnten. Der Angeklagte hat von der zunächst bei dem Bekannten verwahrten Menge von 1 kg Kokain bereits nach fünf bis sechs Tagen – – wie die Zeugin B. bekundet hat (UA S. 35) – – ein halbes Kilogramm in die Wohnung der Zeugin gebracht und vor ihren Augen abgewogen. Dieser Umstand könnte dafür sprechen, dass diese Menge zum Verkauf an einen Abnehmer gedacht war. Dass der Angeklagte auch sonst in dieser Größenordnung verkauft hat, ergibt sich u.a. auch aus den Feststellungen zu Fall II.37. (Verkauf von 400 g Kokain an einen Abnehmer). Unter diesen Umständen fehlt es an hinreichenden Anhaltspunkten, die es nahe legen, alle Verkäufe an T. der von dem Angeklagten Anfang des Jahres erworbenen Gesamtmenge oder einer oder mehreren anderen bestimmten Erwerbsgeschäften im Sinne einer Bewertungseinheit zuzuordnen, so dass lediglich eine willkürliche Zusammenfassung in Betracht käme. Eine solche ist aber rechtlich nicht zulässig (BGH NStZ 1997, 137; BGH NJW 2002, 1810).
Entscheidungsgründe
II.
Der Strafausspruch ist aus Rechtsgründen ebenfalls nicht zu beanstanden.
1. Die den Strafausspruch betreffenden Verfahrensrügen haben keinen Erfolg. Der Generalbundesanwalt hat zutreffend ausgeführt, dass die Rüge des Art. 6 Abs. 1 MRK bereits unzulässig ist. Die Revision verschweigt, dass die Strafkammervorsitzende mit der weiträumigen Terminierung der Hauptverhandlungstage entgegen ihrer ursprünglichen Terminierungsabsicht und ihrem ernsthaften Bemühen um eine engere Terminierung dem ausdrücklichen Wunsch der Verteidiger folgte.
Auch die im Zusammenhang mit dieser Rüge erhobene, vom Beschwerdeführer als „gemischt formell-materiellrechtlich” bezeichnete weitere Rüge, mit der – unabhängig von der Verletzung des Beschleunigungsgebots – die Nichtberücksichtigung der extrem langen Hauptverhandlungsdauer und der damit verbundenen Widrigkeiten der Untersuchungshaft für den Angeklagten bei der Strafzumessung beanstandet wird, greift nicht durch.
Die Revision trägt insoweit vor, dass sich die Hauptverhandlung über zwei Jahre erstreckte. Dabei sei an den insgesamt 91 Hauptverhandlungstagen an 57 Tagen (abzüglich etwaiger Verhandlungspausen) maximal eine Stunde verhandelt worden. Der Angeklagte habe die sitzungsfreie Zeit zwischen dem Transport von der Justizvollzugsanstalt zum Landgericht gegen 7.00 Uhr morgens bis zum Rücktransport zwischen 14.00 Uhr und 16.00 Uhr in der Vorführzelle verbringen müssen, er habe deshalb am Hofgang nicht teilnehmen können. Auch habe es in der Vorführzelle weder Lesestoff noch Radio oder Fernsehen gegeben.
Die Rüge, mit der der Sache nach eine Verletzung des Art. 5 Abs. 3 MRK beanstandet wird, ist unzulässig, soweit es um einen behaupteten Verfahrensverstoß geht. Die Revision versäumt es, die Gründe für die vereinbarten Kurztermine zu benennen. Diese beruhten jedenfalls teilweise auf einer Vereinbarung aller Verfahrensbeteiligten.
Die Rüge wäre zudem auch als materiell-rechtliche Rüge unbegründet. Entgegen der Auffassung der Revision und des Generalbundesanwalts – – letzterer nur für die Gesamtstrafenzumessung – – handelt es sich bei den von der Revision vorgetragenen Umständen nicht um einen bestimmenden Strafzumessungsgrund im Sinne von § 267 Abs. 3 StPO, der der Erörterung in den Urteilsgründen bedurfte. Zwar kann aus dem Rechtsgedanken des § 51 Abs. 4 StGB gefolgert werden, dass besonders schweren Haftbedingungen Rechnung zu tragen ist. Die von der Revision geschilderten Umstände gehen aber nicht über das hinaus, was im Rahmen der Untersuchungshaft üblicherweise als zumutbar angesehen wird.
2. Auch bedurfte weder die noch im Rahmen des Üblichen liegende Zeitdauer zwischen Tat und Aburteilung noch die Verfahrensdauer als solche besonderer Erörterung. Die mit der Verfahrensdauer verbundene psychische Belastung hat die Strafkammer mit der ausdrücklich strafmildernd gewerteten „langen Dauer der bereits erlittenen Untersuchungshaft” berücksichtigt. Die Erörterung dieses Umstands nur bei den Zumessungserwägungen zur Gesamtstrafe lässt nicht besorgen, dass er bei der Bemessung der Einzelstrafen übersehen wurde.
Unterschriften
Rissing-van Saan, Bode, Otten, Rothfuß, Roggenbuck
Fundstellen
Haufe-Index 2556580 |
NStZ-RR 2006, 55 |