Verfahrensgang
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten G. wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung und wegen Diebstahls zur Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil richtet sich die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte, vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft mit der Rüge der Verletzung sachlichen Rechts. Die Beschwerdeführerin erstrebt die Verurteilung des Angeklagten wegen schweren Raubes, begangen in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, hilfsweise die Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung und wegen Diebstahls in einem besonders schweren Fall. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
I. Die Verurteilung des Angeklagten G. kann nicht bestehenbleiben, weil die rechtliche Würdigung durch die Strafkammer besorgen läßt, daß sie insbesondere die rechtlichen Voraussetzungen der sukzessiven Mittäterschaft verkannt hat.
1. Das Landgericht stellt dazu u.a. fest: Der Angeklagte G. und der bisherige Mitangeklagte R. faßten nachts nach Verlassen einer Gaststätte in angetrunkenem Zustand den Entschluß, W. H., über dessen Äußerungen sie sich geärgert hatten, zu verprügeln. R. fragte G., ob er H. auch das Geld wegnehmen wolle. Der Angeklagte verneinte das. Beide fuhren auf einem Mofa hinter H. her und erreichten ihn. Während R. das Mofa abstellte, ging G. auf H. zu und schlug wahllos mit Fäusten auf ihn ein. Kurz danach kam R. hinzu. Beide schlugen H. nunmehr so heftig mit Fäusten zusammen, daß er mehrfach zu Boden fiel und das Bewußtsein verlor. Dabei war ihnen klar, daß sie das Opfer durch ihre Schläge in Todesgefahr brachten.
Während des Zuschlagens bemerkte R., daß H. eine Geldbörse in der Jackentasche trug. Er entschloß sich, diese herauszuziehen und sich ihren Inhalt anzueignen. Diesen Entschluß verwirklichte er alsbald. Als H. bewußtlos am Boden lag, öffnete R. die Geldbörse, zeigte sie dem Angeklagten G., erkannte, daß sich darin 120 DM befanden, händigte 60 DM an G. aus und behielt den Restbetrag. Der Angeklagte G. wollte das Geld zunächst nicht annehmen, steckte es dann jedoch ein, um es für sich zu behalten. Danach schleiften beide das schwerverletzte Opfer über die Straße und legten es neben einem Müllcontainer ab. Auf Veranlassung des G. entkleideten sie H. vollständig und ließen ihn so liegen. H. erlitt durch die Mißhandlungen erhebliche Verletzungen.
2. Auf der Grundlage dieser Feststellungen gelangt das Landgericht zu der Annahme, G. habe sich der gemeinschaftlichen gefährlichen Körperverletzung und des Diebstahls schuldig gemacht. Da er den Vorsatz, das Geld des H. an sich zu nehmen, erst gefaßt habe, als die Gewaltanwendung gegen H. beendet gewesen sei, entfalle eine Verurteilung des G. wegen schweren Raubes, vielmehr sei lediglich Diebstahl gegeben, weil die Gewalt nicht auch der Wegnahme gedient habe. Auch Hehlerei scheide aus, weil die Tat des R. bei Annahme des Geldes durch G. noch nicht vollendet gewesen sei. Die Zueignung habe für R. in der Teilung des Geldes bestanden.
3. Gegen diese Erwägungen bestehen rechtliche Bedenken.
a) Sukzessive Mittäterschaft liegt vor, wenn jemand in Kenntnis und Billigung des bisher Geschehenen in eine bereits begonnene Ausführungshandlung als Mittäter eintritt. Sein Einverständnis bezieht sich dann auf den Gesamtplan und hat die Wirkung, daß ihm das gesamte Verbrechen strafrechtlich zugerechnet wird. "Nur für das, was schon vollständig abgeschlossen vorliegt, vermag das Einverständnis ... die strafbare Verantwortlichkeit nicht zu begründen" (BGHSt 2, 344 [346]). Das bedeutet, daß der die Mittäterschaft begründende Eintritt noch möglich ist, solange der zunächst allein Handelnde die Tat noch nicht beendet hat, mag sie strafrechtlich auch schon vorher vollendet gewesen sein.
b) Diese Möglichkeit war für den Angeklagten gegeben. Unzutreffend ist die Annahme des Landgerichts, daß die Gewaltanwendung des R. gegen H. bereits beendet war, als R. die Geldtasche an sich nahm. H. lag zu dieser Zeit infolge der Schläge, die er durch beide Angeklagte erlitten hatte, bewußtlos am Boden. Die gegen ihn ausgeübte Gewalt wirkte fort. Entscheidend ist unter diesen Umständen, ob auch die in Zueignungsabsicht vollzogene Wegnahme der Geldbörse beendet war. Das ergeben die Feststellungen nicht mit hinreichender Klarheit. Der Angeklagte kann bei der Wegnahmehandlung durch Entgegennahme des auf ihn entfallenden Teilbetrages der Beute mitgewirkt haben. Das ist dann der Fall, wenn R. die Geldbörse dem Opfer von vornherein in der Absicht aus der Tasche zog, den Inhalt mit dem Angeklagten zu teilen und wenn der Angeklagte dies erkannte und - nachträglich - billigte. Dafür spricht in gewisser Hinsicht die Feststellung, daß "die Zueignung für R. in der Teilung des Geldes bestand" (UA S. 35). Die Wegnahmehandlung wäre dann gemeinschaftlich begangen. In dem Ansichbringen des Betrages von 60 DM könnten dann zugleich das bewußte Ausnutzen der von beiden Angeklagten geschaffenen, noch fortdauernden Gewaltsituation für die Wegnahme und die Billigung des bisher Geschehenen auch unter dem Gesichtspunkt der gewaltsamen Wegnahme liegen. Die Strafkammer geht darauf nicht ein. Sie erwähnt das Rechtsinstitut der sukzessiven Mittäterschaft nicht.
c) War außer der Gewaltanwendung auch die Wegnahme vollendet, so entfällt eine Verurteilung des Angeklagten G. wegen Diebstahls, vielmehr kommt eine Bestrafung wegen Hehlerei in Betracht. Bis zur Vollendung des Raubes liegt die Herrschaftsgewalt an den weggenommenen Sachen beim Räuber. Der Nachtäter erlangt sie in diesem Falle erst, wenn die für ihn fremde, allein der Tatherrschaft des Vortäters unterliegende Raubtat bereits abgeschlossen ist (vgl. dazu BGHSt 13, 403 [406]). Er bricht nicht fremden Gewahrsam, sondern leitet den eigenen Gewahrsam vom Vortäter ab, wenn ihm die Sachen von diesem nunmehr zur eigenen Verfügungsgewalt übertragen werden. Damit sind die äußeren Tatbestandsmerkmale der Hehlerei, nicht aber des Diebstahls gegeben.
d) Selbst auf der Grundlage der Annahme des Landgerichts, der Angeklagte G. habe sich durch das Ansichbringen der 60 DM des Diebstahls schuldig gemacht, war zu prüfen, ob die Voraussetzungen des Diebstahls unter Ausnutzung der Hilflosigkeit eines anderen (§ 243 Abs. 1 Nr. 6 StGB) erfüllt sind. Eine solche Erörterung ist zu vermissen.
II. Welche der aufgezeigten Möglichkeiten hier in Betracht kommt, kann das Revisionsgericht anhand der bisherigen Feststellungen nicht abschließend beurteilen. Das angefochtene Urteil muß deshalb, soweit es den Angeklagten G. betrifft, aufgehoben werden.
Fundstellen
Haufe-Index 2992710 |
JZ 1981, 596 |
MDR 1981, 265 |
MDR 1981, 265 (Holtz) |