Gründe
Das Landgericht verurteilte den Angeklagten C. wegen Nötigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten. Ferner verurteilte es jeweils wegen Nötigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit Freiheitsberaubung in fünf tateinheitlichen Fällen sowie wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen den Angeklagten R. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten sowie den Angeklagten G. zu einer solchen von fünf Jahren und sechs Monaten.
Nach den Feststellungen hatte der Angeklagte C. zusammen mit einem gewissen L. in Schwerin sowie in Gersthofen bei Augsburg jeweils eine Techno-Party veranstaltet, die nicht zu seiner Zufriedenheit abgerechnet wurde. Im ersten Fall richtete er eine Forderung von 3.000 DM an die Firma D. in Hannover, die mit dem Vorverkauf der Karten befaßt war, im zweiten Fall eine solche von 20.000 DM an K. in Augsburg, den Nebenkläger, der in diesem Fall Mitveranstalter war. Mit der gewaltsamen Eintreibung dieser Forderungen beauftragte er die Mitangeklagten R. und G.
Gegen dieses Urteil richten sich die jeweils auf die Sachrüge gestützten Revisionen der Angeklagten und der Staatsanwaltschaft. Das Rechtsmittel des Angeklagten C. greift das Urteil insgesamt an. Die Angeklagten R. und G. beanstanden nur die Verurteilung wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung im Fall II 2 der Urteilsgründe. Die Staatsanwaltschaft erstrebt mit ihrer zu Ungunsten der Angeklagten eingelegten Revision im vorbezeichneten Fall die Verurteilung jeweils wegen eines vollendeten Verbrechens. Die Rechtsmittel der Angeklagten R. und G. sind begründet, während diejenigen des Angeklagten C. und der Staatsanwaltschaft erfolglos bleiben.
I. Die Revision des Angeklagten C.
1. Soweit die Revision des Angeklagten C. seine Verurteilung im Fall II 1 der Urteilsgründe betrifft, hat sie keinen ihn beschwerenden Rechtsfehler aufgedeckt.
2. Soweit es sich um die Verurteilung dieses Angeklagten im Fall II 2 der Urteilsgründe handelt, ist sein Rechtsmittel ebenfalls unbegründet.
a) Der Schuldspruch wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung (in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung) hält der Nachprüfung stand. Rechtsfehlerfrei nimmt das Landgericht an, der Angeklagte habe eine rechtswidrige Bereicherung erstrebt.
Bei der Erpressung ist die Rechtswidrigkeit des erstrebten Vermögensvorteils ein normatives Tatbestandsmerkmal, auf das sich der - zumindest bedingte - Vorsatz des Täters erstrecken muß. Stellt er sich für die erstrebte Bereicherung eine Anspruchsgrundlage vor, die in Wirklichkeit nicht besteht, so handelt er in einem Tatbestandsirrtum i. S. v. § 16 Abs. 1 Satz 1 StGB (ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, vgl. BGHSt 4, 105; 32, 88, 91 f.; wistra 1983, 29; StV 1984, 422; NJW 1986, 1623; Herdegen in LK 11. Aufl. § 253 Rdn. 23). Was den Erpressungsvorsatz angeht, genügt es, daß der Täter für möglich hält und billigend in Kauf nimmt, daß die Forderung nicht oder nicht im Umfang des Nötigungsziels besteht oder aber von der Rechtsordnung nicht geschützt ist. Dieses Bewußtsein einer rechtswidrigen Bereicherung ist nur dann nicht gegeben, wenn der Täter klare Vorstellungen über Grund und Höhe des geltend gemachten Anspruchs hat. Für die Annahme eines Tatbestandsirrtums im dargelegten Sinne reichen vage Vorstellungen nicht aus (vgl. BGHR StGB § 253 Abs. 1 Bereicherungsabsicht 7). Aus den hier festgestellten Umständen durfte das Landgericht den Schluß ziehen, daß der Angeklagte keine feste Vorstellung vom Bestehen der beizutreibenden Forderung hatte, daß er vielmehr mit der Rechtswidrigkeit der erstrebten Bereicherung rechnete: Der Angeklagte "mutmaßte", daß der Geschädigte aus den Einnahmen der gemeinsam ausgerichteten Musikveranstaltung einen Betrag von 20.000 bis 30.000 DM unterschlagen habe.
Obwohl die Veranstaltung sehr gut besucht war und ein finanzieller Erfolg zu werden schien, war das Ergebnis enttäuschend. Eine Überprüfung der Einnahmen war wegen der chaotischen Verhältnisse am Einlaß nicht möglich: So gab es keine Eintrittskarten, sondern nur Stempel auf die Hände der Besucher. Die Kassierer wechselten ständig, so daß - worauf die Strafkammer hinweist - mögliche Unterschlagungen keineswegs auf den Nebenkläger beschränkt waren. Dem Angeklagten war - wie die Strafkammer hervorhebt - "in Kenntnis der chaotischen Organisation der Veranstaltung" klar, daß der gegenüber den Mitangeklagten behauptete Anspruch über 20.000 DM "weder dem Grunde noch der Höhe nach beweisbar und gerichtlich durchsetzbar war". Diese Wendung läßt im übrigen nicht besorgen, das Gericht könne verkannt haben, daß dafür, ob ein Vermögensvorteil rechtswidrig ist oder nicht, allein das sachliche Recht maßgebend ist (vgl. BGHSt 3, 160; 20, 136; BGHR aaO.). Wie sich aus dem angefochtenen Urteil ergibt, wußte der Angeklagte nicht einmal, welche Einnahmen erzielt worden waren. Den Umfang seines Anspruchs auf Herausgabe eines Drittels des Erlöses kannte er deshalb auch nicht. Zwar gab der Umstand, daß der Geschädigte den Tresorschlüssel hatte, dem Angeklagten Anlaß zu Argwohn. Doch handelte es sich nach Auffassung der Strafkammer um "einen reinen Verdacht". Am Tage nach der Veranstaltung hatte der Angeklagte die Wohnung des Geschädigten durchsuchen lassen, ohne daß dieser die Unterschlagung von Einnahmen zugegeben hätte oder Geld gefunden worden wäre. Gleichwohl beauftragte er später die Mitangeklagten, denen er als Erfolgshonorar die Hälfte des erlangten Betrags versprach, mit der gewaltsamen Eintreibung einer ganz bestimmten Forderung. Bei dieser Sachlage weist es keinen Rechtsfehler auf, daß das Landgericht - anders als im Fall II 1 der Urteilsgründe - einen Irrtum des Angeklagten über das Bestehen der geltend gemachten Forderung verneint hat.
b) Der Ausspruch über die wegen dieser Tat verhängte Einzelstrafe und die Gesamtstrafe ist ebenfalls nicht zu beanstanden.
II. Die Revisionen der Angeklagten R. und G.
Mit Recht wenden sich diese Angeklagten gegen ihre Verurteilung wegen eines tateinheitlich begangenen Verbrechens der versuchten schweren räuberischen Erpressung (Fall II 2 der Urteilsgründe).
Die Strafkammer hat allerdings festgestellt, bezüglich einer rechtswidrigen Bereicherung hätten die Angeklagten R. und G. mit bedingtem Vorsatz gehandelt: Die spärlichen Angaben des Mitangeklagten C. über ein unredliches Verhalten des Nebenklägers seien so vage gewesen, daß sie "ungeprüft nicht davon ausgehen konnten, daß diesem Begehren ein rechtlich geschützter Anspruch zugrunde liegt".
Hierbei sind jedoch drei Gesichtspunkte außer acht geblieben, die dafür sprechen könnten, daß die genannten Angeklagten an das Bestehen der geltend gemachten Forderung glaubten: Im ersten Fall (II 1 der Urteilsgründe) haben sie lediglich denjenigen Betrag - 3.000 DM - verlangt und angenommen, der ihnen als Forderung des Mitangeklagten C. genannt worden war und den sie, wovon die Strafkammer selbst ausgeht, als berechtigt ansahen. Weiteres Geld, das der Geschädigte ihnen anbot, lehnten sie ab.
Im zweiten Fall (II 2 der Urteilsgründe) sind sie nicht auf das Angebot des Nebenklägers eingegangen, 12.000 DM von seinem Girokonto abzuheben (und damit eine Teilleistung zu erbringen). Vielmehr beharrten sie auf der Bezahlung der vollständigen Summe, die ihnen mit 20.000 DM bezeichnet worden war; an die ihnen gesetzte Grenze hielten sie sich.
Obwohl der Mitangeklagte C. den unterschlagenen Betrag auf 20.000 bis 30.000 DM schätzte, nannte er ihnen gegenüber mit 20.000 DM einen exakt bestimmten Betrag, um den ihn der Geschädigte "beschissen" habe. Bei diesen Angeklagten stellt die Strafkammer nicht fest, ihnen sei die chaotische Organisation der Veranstaltung bekannt gewesen.
Der Senat kann nicht ausschließen, daß das Landgericht zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre, wenn es diese Gesichtspunkte in seine Beweiswürdigung einbezogen hätte.
Er hat daher die Verurteilung der Angeklagten R. und G. wegen dieser Tat mit den Feststellungen aufgehoben. Insoweit bedarf die Sache neuer tatrichterlicher Prüfung.
III. Die Revision der Staatsanwaltschaft
Keinen Erfolg hat das Rechtsmittel, mit dem die Staatsanwaltschaft geltend macht, im Fall II 2 der Urteilsgründe falle den Angeklagten ein vollendetes Verbrechen der schweren räuberischen Erpressung oder des schweren Raubes zur Last.
In diesem Fall war es zu einer Zahlung nicht gekommen.
Nach dem Scheitern des Erpressungsvorhabens nahmen die Angeklagten R. und G. eine Geldbörse mit einer Kreditkarte und einem unbedeutenden Kleingeldbetrag an sich. Sie verließen dann das Anwesen des Geschädigten und warfen die Geldbörse samt Inhalt in ein Gebüsch. Mit ihrer Revision wendet sich die Staatsanwaltschaft gegen die Annahme des Landgerichts, insoweit habe keine Zueignungsabsicht der Angeklagten bestanden.
1. Selbst wenn die Angeklagten R. und G. in der Absicht gehandelt hätten, sich die weggenommene Geldbörse mit Inhalt zuzueignen, könnte ihr Vorgehen dem Angeklagten C., der bei der Tatausführung nicht zugegen war, nicht zugerechnet werden, weil es sich gegenüber der in Auftrag gegebenen Eintreibung eines bestimmten Geldbetrags um einen Exzeß der Mittäter handelt. Ihm fällt deshalb keine weitere Gesetzesverletzung zur Last.
2. Auf der Grundlage der landgerichtlichen Feststellungen scheidet aber auch bei den Angeklagten R. und G. ein vollendetes Verbrechen des schweren Raubes aus.
Allerdings kann der Diebstahl oder Raub auch dann vollendet sein, wenn der Täter ein Behältnis wegnimmt, in dem er Brauchbares vermutet, sich vom Tatort entfernt und dann nach Überprüfung auf seinen Inhalt hin das Behältnis wegwirft; denn die Aneignungskomponente setzt nicht notwendig voraus, daß der Täter die Sache auf Dauer behalten will (vgl. BGH NJW 1985, 812 sowie BGHR StGB § 242 Abs. 1 Zueignungsabsicht 7). Vollendet war die Tat z. B. in einem Fall, in dem der Täter einen Taxifahrer "um sein Geld" berauben wollte und in dessen Geldbörse tatsächlich Geld vorfand, wenn es sich auch nur um Münzen handelte (BGH NStZ 1996, 599). Von Bedeutung kann etwa auch sein die Benutzung als Transportmittel.
Maßgebend sind die im Einzelfall gegebenen Umstände (Ruß in Festschrift für Pfeiffer 1988 S. 64 bis 66). Bei der insoweit vorzunehmenden Wertung ist dem Tatrichter ein Beurteilungsrahmen eröffnet, dessen Grenzen hier nicht überschritten sind: Ersichtlich konnte das Landgericht nicht feststellen, mit welcher Vorstellung und welcher Intention die Angeklagten handelten, als sie die Geldbörse des Geschädigten an sich nahmen. "Unwiderlegt" haben sie vorgetragen, "daß sie mit der Kreditkarte nichts anfangen konnten und an dem geringen Bargeldbetrag nicht interessiert waren". Aus dem späteren Verhalten der Angeklagten durfte die Strafkammer den Schluß ziehen, es sei nicht erweislich, daß sie im (maßgeblichen) Augenblick der Wegnahme mit Zueignungsabsicht handelten, was den Inhalt der Geldbörse angeht (vgl. auch BGHR StGB § 253 Abs. 1 Bereicherungsabsicht 4 sowie BGH StV 1990, 205 f.; 1994, 128). Bei der Beurteilung dieser Frage verweist sie darauf, daß die Angeklagten bei der zuvor begangenen Tat weiteres Geld (das über den beizutreibenden Betrag hinausging) unberührt ließen. Ausschlaggebend durfte ins Gewicht fallen, daß der Mitangeklagte C. sie nur mit der Eintreibung eines bestimmten - hohen - Betrags (von 20.000 DM) beauftragt hatte, der in der mitgenommenen Geldbörse nicht enthalten war.
Daß sie auch in diesem Zusammenhang den ihnen erteilten Auftrag nicht überschreiten wollten, konnte daraus hergeleitet werden, daß sie im vorliegenden Fall das Angebot des Geschädigten, für sie einen Teilbetrag von 12.000 DM von seinem Girokonto abzuheben, zurückgewiesen hatten.
Letztlich handelt es sich um eine tatrichterliche Wertung, die der Senat auch dann hinzunehmen hat, wenn eine andere Beurteilung möglich gewesen wäre.
Fundstellen
Haufe-Index 2993512 |
JR 1999, 336 |
NStZ-RR 1999, 6 |