Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 24. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 7. Oktober 1997 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin stand in Geschäftsbeziehungen zu der Handelsvertretung der Westgruppe der GUS-Streitkräfte bzw. zu deren Untervertretungen. Sie belieferte diese unter anderem mit Video-Kassetten. In dem vorliegenden Rechtsstreit nimmt sie die Beklagte als Prozeßstandschafterin der Russischen Föderation, der Nachfolgerin der Westgruppe der GUS-Streitkräfte, auf Kaufpreiszahlung in Höhe von 100.000 DM für eine Lieferung von 20.000 Video-Kassetten an eine Außenstelle der GUS-Streitkräfte mit der Bezeichnung „TBP 129” in Wünsdorf in Anspruch. Nach ihrer Darstellung ist diese Lieferung am 2. November 1990 vereinbart worden und im Januar 1991 erfolgt. Ferner begehrt die Klägerin die Erstattung von Rechtsanwaltskosten, die ihr für die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens mit der Russischen Föderation wegen dieser Lieferung entstanden sein sollen. Die Beklagte hat die Lieferung und ursprünglich auch den Vertragsschluß bestritten und die Einrede der Verjährung erhoben.
In einem vorausgegangenen Rechtsstreit mit der D. Bank AG ist die Klägerin rechtskräftig zur Rückzahlung eines Betrages von 100.000 DM verurteilt worden, den die D. Bank AG ihr von einem Konto der Westgruppe der GUS-Streitkräfte überwiesen hatte. Nach der Darstellung der Bank handelte es sich bei diesem Betrag um eine versehentliche, auf einen Codierfehler zurückgehende Doppelüberweisung für eine andere Kassettenlieferung an die Außenstelle „TBP 100” der GUS-Streitkräfte. Demgegenüber ordnete die Klägerin die betreffende Überweisung der hier in Rede stehenden angeblichen Lieferung an die Außenstelle „TBP 129” zu. Sie hat deshalb in jenem Rechtsstreit der Westgruppe der GUS-Streitkräfte mit einem am 15. Dezember 1993 bei Gericht eingegangenen, am 17. Januar 1994 zugestellten Schriftsatz den Streit verkündet.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Mit der Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin das Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
Die Klage scheitere nicht schon an der von der Beklagten erhobenen Einrede der Verjährung, weil die frühestens am 31. Dezember 1993 ablaufende Verjährungsfrist durch die Streitverkündung in dem Prozeß zwischen der Klägerin und der D. Bank AG unterbrochen worden sei. Die Streitverkündung sei zulässig gewesen, obgleich der in jenem Prozeß gegen die Klägerin erhobene und der hier von ihr geltend gemachte Anspruch einander nicht wechselseitig ausschlössen. Zur Zulässigkeit der Streitverkündung müsse es genügen, daß die Partei des Vorprozesses glaube, für den Fall des ihr ungünstigen Ausgangs desselben einen Anspruch gegen einen Dritten zu haben. Diese Voraussetzung sei aus der Sicht der Klägerin erfüllt.
Die Klage scheitere jedoch daran, daß es der Klägerin auch in der Berufungsinstanz nicht gelungen sei, die Lieferung der Kassetten an die Außenstelle „TBP 129” zu beweisen. Einen urkundlichen Nachweis könne die Klägerin nicht führen, weil sie einen quittierten Lieferschein über den Empfang der Ware nicht vorlegen könne und die Empfangsbestätigung auf dem die angebliche Lieferung betreffenden Abwicklungsschein keine Unterschrift, sondern nur eine Paraphe trage. Aus den übrigen von der Klägerin vorgelegten Unterlagen ergebe sich zwar eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit des Klagevortrags, zum Nachweis der Lieferung reichten sie indessen nicht aus. Schließlich sei auch die Beweisaufnahme unergiebig geblieben, weil die vernommenen Zeugen zur Frage der Lieferung der Kassetten keine Angaben hätten machen können.
II. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung in entscheidenden Punkten nicht stand.
1. Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob zwischen der Klägerin und der Handelsvertretung der Westgruppe der GUS-Streitkräfte ein Kaufvertrag über die Lieferung von 20.000 Video-Kassetten zum Preis von 100.000 DM an die Außenstelle „TBP 129” in Wünsdorf abgeschlossen worden ist. Nach dem Sachvortrag der Klägerin und den von ihr in Ablichtung vorgelegten Vereinbarungen ist dies der Fall. In Ermangelung abweichender tatsächlicher Feststellungen ist hiervon für die Revisionsinstanz auszugehen. Die Beklagte hat zudem den Abschluß der Einzelverträge vom 2. November 1990 mit dem Inhalt der von der Klägerin vorgelegten Ablichtungen mit Schriftsatz vom 17. Juni 1996 eingeräumt.
2. Damit ist jedenfalls für die Revisionsinstanz vom Bestehen eines Kaufpreisanspruchs der Klägerin in Höhe von 100.000 DM auszugehen. Soweit die Beklagte die Lieferung der gekauften Kassetten bestreitet, berührt dies den Kaufpreisanspruch als solchen nicht. Die mit diesem Einwand erhobene Einrede des nicht erfüllten Vertrages (§ 320 Abs. 1 Satz 1 BGB) könnte allenfalls gemäß § 322 Abs. 1 BGB dazu führen, daß die Beklagte zur Kaufpreiszahlung Zug um Zug gegen Lieferung der verkauften Kassetten zu verurteilen wäre.
3. Auch eine solche Einschränkung gemäß § 322 Abs. 1 BGB kommt indessen nicht in Betracht, falls die Klägerin die an die Außenstelle „TBP 129” zu liefernden Kassetten dem Spediteur oder Frachtführer zur Beförderung an den Adressaten ausgehändigt hat. In diesem Fall wäre nach § 447 Abs. 1 BGB die Gefahr auf die Käuferin übergegangen, und die Unaufklärbarkeit des Verbleibs der Kassetten könnte entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht zu Lasten der Klägerin gehen.
a) Das Berufungsgericht hat übersehen, daß es sich nach dem derzeitigen Sachstand bei dem der Klage zugrundeliegenden Rechtsgeschäft um einen Versendungskauf im Sinne des § 447 BGB handelt. Nach dem Rahmenvertrag und den ihn ausfüllenden Einzelverträgen hatte die Klägerin, die ihren Sitz in F. hat, für die Versendung der Ware an die in den jeweiligen Einzelverträgen genannten Außenstellen der Handelsvertretung der Westgruppe der GUS-Streitkräfte zu sorgen. Sitz der Außenstelle „TBP 129” war Wünsdorf, Erfüllungsort hingegen gemäß § 269 Abs. 1 BGB in Ermangelung abweichender Vereinbarungen oder entgegenstehender Umstände F. als der Ort, an welchem die Klägerin bei Vertragsabschluß ihren Sitz hatte. Der Umstand, daß die Klägerin nach Nr. 2 des Rahmenvertrages die Transportkosten zu tragen hatte und auf Rechnungen, Lieferscheinen und Frachtbriefen jeweils als Versandart „frei Bestimmungsort” angegeben hat, ist für die Frage des Gefahrübergangs unerheblich (§ 269 Abs. 3 BGB). Der Klausel „frei Bestimmungsort” kommt im Handelsverkehr kein typischer, eindeutiger Erklärungswert zu (Senat BGHZ 134, 201, 207 m.w.Nachw.). Daß die Vertragsparteien sich durch die Verwendung dieser Klausel seitens der Klägerin auf eine Bringschuld geeinigt hätten, stellt das Berufungsgericht nicht fest. Es kommt hinzu, daß Warenschulden im Handelsverkehr, denen die hier in Rede stehenden Lieferungen mindestens vergleichbar sind, im Zweifel Schickschulden darstellen, bei denen sich die Gefahrtragung nach § 447 BGB richtet (Senat BGHZ 113, 106, 111 m.w.Nachw.).
b) Handelt es sich hiernach bei dem der Klage zugrundeliegenden Geschäft um einen Versendungskauf, so ist jegliche Gefahr, der die Ware auf dem Transport ausgesetzt war, mit deren Aushändigung an den Spediteur oder Frachtführer auf die Käuferin übergegangen. § 447 Abs. 1 BGB verlagert nicht nur die Gefahr des zufälligen Untergangs und der zufälligen Verschlechterung, sondern auch die anderer vom Verkäufer nicht verschuldeter Vorkommnisse auf den Käufer. Ihn trifft grundsätzlich auch der Nachteil, daß der Verbleib der an die Transportperson übergebenen Ware nicht aufgeklärt werden kann (Senatsurteil vom 24. März 1965 - VIII ZR 71/63 = NJW 1965, 1324 unter II 1).
c) Der Erfolg der Klage hängt mithin davon ab, ob die Klägerin die für die Außenstelle „TBP 129” bestimmten Video-Kassetten an die mit der Auslieferung betraute Person ausgehändigt hat. Ob dies geschehen ist, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Die Beweisaufnahme, die es durchgeführt hat, galt statt dessen der Frage, ob die verkauften Video-Kassetten Anfang Januar 1991 an die Außenstelle „TBP 129” ausgeliefert worden sind. Auch die von der Klägerin vorgelegten Dokumente hat das Berufungsgericht nur im Hinblick auf ihre Eignung als Indizien für die Ablieferung der Ware beim Empfänger gewürdigt und sie insoweit für nicht ausreichend erachtet. Die fehlenden tatsächlichen Feststellungen können in der Revisionsinstanz nicht nachgeholt werden, weil dem Tatsachenvortrag der Beklagten jedenfalls nicht sicher zu entnehmen ist, daß sie lediglich die Ablieferung der Ware an den Empfänger und nicht auch bereits deren Aushändigung an die Transportperson bestreiten will.
4. Das Berufungsurteil kann daher mit der gegebenen Begründung keinen Bestand haben. Es erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als zutreffend (§ 563 ZPO). Die Klageforderung ist nicht verjährt. Mit Recht hat das Berufungsgericht angenommen, daß die Verjährung, die frühestens mit Ablauf des 31. Dezember 1993 eingetreten wäre, durch die Streitverkündung in dem Verfahren zwischen der D. Bank AG und der Klägerin gemäß §§ 209 Abs. 1, 2 Nr. 4, 215 BGB unterbrochen worden ist. Die Streitverkündung war entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung zulässig. Dafür reicht es aus, daß aus der damaligen Sicht der Klägerin die Handelsvertretung der Westgruppe der GUS-Streitkräfte den Kaufpreis für die hier in Rede stehende Lieferung von Video-Kassetten weiterhin schuldete, falls die Klägerin die von der D. Bank AG nach deren Darstellung versehentlich doppelt überwiesenen 100.000 DM würde zurückzahlen müssen. Insoweit besteht die von der Revisionserwiderung zu Unrecht vermißte Alternativität (vgl. dazu BGHZ 85, 252, 254 f; 100, 257, 259) der Ansprüche, die Gegenstand einerseits des Vorprozesses zwischen der Klägerin und der D. Bank AG, andererseits des vorliegenden Rechtsstreits sind. Denn wenn die Klägerin im Prozeß gegen die D. Bank AG mit ihrer Auffassung durchgedrungen wäre, der dort herausverlangte Betrag sei zur Tilgung der im vorliegenden Rechtsstreit eingeklagten Kaufpreisschuld bestimmt gewesen, wäre es ihr nunmehr verwehrt, die Käuferin – bzw. die Beklagte als deren Prozeßstandschafterin – ein weiteres Mal auf Zahlung dieses Kaufpreises in Anspruch zu nehmen.
III. Das Berufungsurteil war somit aufzuheben. Eine eigene Sachentscheidung des Senats kommt nicht in Betracht, da es hierzu weiterer tatsächlicher Feststellungen bedarf. Die Sache war daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Im Zuge der erneuten Verhandlung und Entscheidung des Rechtsstreits wird das Berufungsgericht auch darüber zu befinden haben, ob die Klägerin, sofern ihr der Kaufpreisanspruch zusteht, darüber hinaus auch die geltend gemachten Rechtsverfolgungskosten als Verzugsschadensersatz beanspruchen kann.
Unterschriften
Dr. Zülch, Dr. Hübsch, Ball, Wiechers, Dr. Wolst
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 16.12.1998 durch Mayer Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen