Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 12. Dezember 1997 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an den 7. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
I.
Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Zahlung restlichen Werklohns für Rohbauarbeiten in Anspruch.
Der Geschäftsführer der Klägerin und der Beklagte waren befreundet. Sie kannten sich zum einen von einer größeren Baustelle in B., einem Parkhaus, an der die Klägerin Betonarbeiten durchführte und die der Beklagte in seiner Eigenschaft als Baudirektor eines Landkreises bauleitend betreute; zum anderen gingen sie gemeinsam zur Jagd. Die Klägerin war vom Beklagten mindestens zur Erstellung des Kellergeschosses seines Privathauses beauftragt und erfüllte diesen Auftrag ab April 1990 im wesentlichen. Unter dem 17. Oktober 1990 teilte sie dem Beklagten mit, „laut Baustellenkonto” seien für sein Bauvorhaben bisher Kosten in Höhe von 158.374,26 DM zzgl. MWSt angefallen, und forderte eine erste Abschlagszahlung in Höhe von 120.000 DM. Der Beklagte zahlte im Februar und Anfang April 1991 insgesamt 50.000 DM. Die Klägerin zog im April 1991 Personal und Maschinen von der Baustelle ab. Seitdem wurde der Bau nicht fortgeführt; der Beklagte forderte die Klägerin auch nicht dazu auf. Sie stellte am 11. Februar 1992 eine „zweite Abschlagsrechnung”, die sämtliche von ihr als erbracht behaupteten Leistungen aufführte und unter Berücksichtigung der gezahlten 50.000 DM eine Forderung von 244.676,33 DM auswies. Diesen Betrag macht sie mit der Klage geltend.
Die Klägerin hat behauptet, der Beklagte habe ihr im März 1990 zunächst nur den Auftrag zur Erstellung der Bodenplatte erteilt. Dabei sei die Vergütung nach dem in einem „Baustellenkonto” zu erfassenden tatsächlichen Aufwand der Klägerin vereinbart worden. Zudem sollten die Preise aus dem Bauvorhaben in B. gelten, soweit vergleichbare Leistungen zu erbringen seien. Für Materiallieferungen sollte sie einen Anspruch auf Erstattung der Kosten haben. Zu entsprechenden Bedingungen habe der Beklagte sukzessive während der Bauarbeiten drei Folgeaufträge erteilt.
Der Beklagte hat sich demgegenüber auf die Vereinbarung eines Pauschalpreises von 150.000 DM für den gesamten Rohbau, davon 50.000 DM für den Keller, berufen. Dabei habe es sich um eine Lohnpauschale für die Arbeit der Klägerin gehandelt.
Außerdem hat sich der Beklagte auf Mängel berufen und mit daraus hergeleiteten Ansprüchen hilfsweise aufgerechnet.
II.
Das Landgericht hat der Klägerin nach Vernehmung von Zeugen und Einholung eines Sachverständigengutachtens 165.954,73 DM nebst Zinsen zugesprochen.
Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht unter Zurückweisung der Anschlußberufung die Klage insgesamt abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihre Berufungsanträge weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hält die Klage für unbegründet, weil der Beklagte die Vereinbarung eines Festpreises von 150.000 DM für den Rohbau bewiesen habe. Seine als Zeugin vernommene frühere Ehefrau habe diese bestätigt. Die entgegenstehenden Bekundungen des Zeugen S. erschütterten diese Überzeugung nicht, sprächen doch auch die übrigen Umstände und die Lebenserfahrung für den Vortrag des Beklagten. Da der Beklagte 50.000 DM – den auf das Kellergeschoß entfallenden Teil der Pauschale – gezahlt habe, bestehe keine Werklohnforderung mehr.
II.
Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils weisen eine vollständige und sachgerechte Würdigung des Tatsachenstoffs, insbesondere der Beweisergebnisse, nicht aus (1.). Der auch vom Beklagten nicht in Abrede gestellte Anspruch auf Erstattung der Kosten für das von der Klägerin verarbeitete Material ist völlig übergangen worden (2.).
1. a) Die Beweiswürdigung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters, dessen Feststellungen das Revisionsgericht nach § 561 ZPO binden. Dieses hat nur zu prüfen, ob sich der Tatrichter entsprechend § 286 ZPO mit dem Prozeßstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Beweiswürdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (BGH, Urteil vom 11. Februar 1987 – IVb ZR 23/86, NJW 1987, 1557, 1558; vgl. auch BAG, Urteil vom 7. Oktober 1982 – 2 AZR 455/80, ZIP 1983, 719, 723).
b) Die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts genügt diesen Anforderungen nicht. Sie ist widersprüchlich und lückenhaft.
aa) Das Berufungsgericht begründet die Glaubwürdigkeit der Ehefrau des Beklagten unter anderem damit, diese habe widerspruchsfrei, sachlich und emotionslos ausgesagt. Das beanstandet die Revision zu Recht.
Die Aussagen der Zeugin vor dem Landgericht und dem Berufungsgericht widersprechen einander in einem zentralen Punkt, nämlich bei der Frage, ob die Parteien für den Keller einen besonderen Teilpreis vereinbart haben. Dazu hat sich die Zeugin vor dem Landgericht mit Nichtwissen erklärt; vor dem Berufungsgericht hat sie dies demgegenüber bejahen können. Mit diesem Widerspruch hätte sich das Berufungsgericht auseinandersetzen müssen (vgl. BGH, Urteil vom 22. November 1994 – XI ZR 219/93, NJW 1995, 966).
In Anbetracht der Äußerung der Zeugin, der Geschäftsführer der Klägerin sei „gerissen” und ein „verlogener Hund”, ist die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Zeugin habe ihre Aussage „sachlich” und „ohne jegliche Emotionen” gemacht, nicht nachvollziehbar.
bb) Die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts ist auch wegen unvollständiger Würdigung der sonstigen Umstände des Falls fehlerhaft. Die Revision rügt zu Recht, daß das Berufungsgericht den Klagevortrag zu Tatsachen übergangen hat, die gegen die Darstellung des Beklagten und der Zeugin sprechen könnten. Jedenfalls ein Teil der von der Klägerin vorgetragenen Indizien hätte vom Berufungsgericht gewürdigt werden müssen. Dem steht nicht entgegen, daß die von der Klägerin vorgetragenen Indizien nicht zwingend auf die Unrichtigkeit des Vortrags des Beklagten schließen lassen. Lückenhaft ist die Würdigung beispielsweise hinsichtlich der folgenden Umstände:
Zum angeblichen Baustellengespräch vom 11. Mai 1990 hat die Klägerin jeweils unter Beweisantritt vorgetragen, ihr Geschäftsführer sei den ganzen Tag im Büro gewesen, ihre ganztätig auf der Baustelle des Beklagten tätigen vier Arbeiter hätten an diesem Tag dort weder den Beklagten noch dessen Ehefrau gesehen.
Die Klägerin hat weiter unter Beweisantritt vorgetragen, der Beklagte habe im September 1991 auch von ihr ein Angebot über die weiteren Rohbauarbeiten eingeholt. Die indizielle Bedeutung dieser Behauptung liegt auf der Hand.
Wenn – so der Vortrag der Klägerin – der Beklagte Bauleistungen bei zahlreichen, ihm beruflich bekannten Personen und Unternehmen „organisiert” hat, erscheint die Beurteilung des Berufungsgerichts nicht gerechtfertigt, es erscheine „lebensfremd”, daß die Parteien Einzelaufträge für die jeweiligen Leistungen vereinbart hätten.
2. Das angefochtene Urteil kann auch deshalb keinen Bestand haben, weil der Klägerin nach dem unstreitigen Parteivorbringen ein vertraglicher Anspruch auf Erstattung der Materialkosten zusteht. Nach dem Vortrag des Beklagten war lediglich der Arbeitslohn pauschaliert; das von der Klägerin beschaffte Material sollte gesondert vergütet werden.
III.
Die Sache ist zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, wobei der Senat von der in § 565 Abs. 1 Satz 2 ZPO eingeräumten Möglichkeit Gebrauch macht.
Unterschriften
Ullmann, Thode, Wiebel, Kuffer, Kniffka
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 16.12.1999 durch Heinzelmann, Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 557120 |
BauR 2000, 768 |
NJW-RR 2000, 686 |
NZBau 2000, 248 |