Verfahrensgang
LG Paderborn (Urteil vom 07.06.2010) |
Tenor
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Paderborn vom 7. Juni 2010 wird verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Tatbestand
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen Untreue in vier Fällen und versuchten Betruges in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
I.
Rz. 2
Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Angeklagte im Tatzeitraum Vertriebsleiter der Firma R. GmbH (Firma R.), die Supermärkte, Handelsmärkte und Online-Shops mit Computern und Computerzubehör belieferte. In dieser Funktion war der Angeklagte insbesondere für das Aushandeln und den Abschluss von Geschäften mit Großkunden der Firma R. zuständig. Er war bevollmächtigt, im Außenverhältnis wirksam Verträge abzuschließen (UA 5). Im Innenverhältnis musste er die Vertragsangebote mit dem Geschäftsführer der Firma R., dem Zeugen K., abstimmen. Der Angeklagte schloss in den vier als Untreue abgeurteilten Fällen unter Missachtung der Vorgaben der Geschäftsleitung Kaufverträge mit zu geringen, unter dem Einkaufs- bzw. Herstellungspreis liegenden Verkaufspreisen ab (Fälle II. 2., 4., 6. und 8. der Urteilsgründe). Alle gegenständlichen Verträge wurden zu den vom Angeklagten ausgehandelten, unter dem Selbstkostenpreis liegenden Verkaufspreisen abgewickelt.
Rz. 3
Einer der Großkunden war die Firma … Ro. GmbH & Co L. KG (Firma Ro.), die unter dem Label „N.” eine Reihe von Supermärkten betreibt und im Rahmen von Aktionen auch jeweils größere Posten an Unterhaltungselektronik, Computern und Computerzubehörteilen bei der Firma R. kaufte. Als deren Vertreter schloss der Angeklagte am 24. Juli 2007 einen Kaufvertrag mit der Firma Ro. über 4.500 Computer zu einem Verkaufspreis von 303 EUR pro Stück, obwohl der Einkaufspreis bei 313,80 EUR lag (Fall II. 2. der Urteilsgründe). In der nachfolgend von der Firma Ro. übersandten Kaufbestätigung änderte der Angeklagte den Verkaufspreis handschriftlich auf 351 EUR pro Stück ab; sodann legte er die Bestätigung dem Geschäftsführer der Firma R., dem Zeugen K., zur Unterschrift vor. Das von diesem unterzeichnete Schriftstück sandte der Angeklagte allerdings nicht, wie von der Firma Ro. erbeten, an diese zurück. Die Firma Ro. behielt letztlich 2.700 Computer. Der Firma R. entstand durch den Verkauf unter dem Einkaufspreis ein Schaden in Höhe von 29.160 EUR.
Rz. 4
Auch in den anderen drei Fällen der Untreue ging der Angeklagte in vergleichbarer Weise vor. Im Fall II. 8. der Urteilsgründe verkaufte der Angeklagte der Firma Ro. 2.200 Media-Player, wobei die Käuferin nur 1.100 Geräte behielt, zu einem Preis von 125 EUR, obwohl der Einkaufspreis bei 131,80 EUR pro Stück lag. Die Firma G. AG kaufte 180 Einsteiger-PCs zu einem Preis von je 180 EUR, obwohl der Herstellungspreis 226,29 EUR betrug (Fall II. 4. der Urteilsgründe). Mit der Firma C. E. SE, die 600 LCD-Monitore kaufte, deren Einkaufspreis pro Stück bei 163,50 EUR lag, vereinbarte der Angeklagte einen Verkaufspreis von jeweils 157 EUR (Fall II. 6. der Urteilsgründe).
Rz. 5
Der Angeklagte erhielt neben seinem Festgehalt umsatzabhängige Provisionszahlungen. Ihm standen als Provision 8 % der Rohertragssumme zu, die jeweils im abgelaufenen Monat an seine Kunden fakturiert wurden; bei dem Rohertrag handelte es sich um die Differenz zwischen dem Bewertungspreis bzw. den Herstellungskosten und dem Verkaufspreis. Der Bewertungspreis ergibt sich aus dem Einkaufspreis zuzüglich eines Gemeinkostenzuschlags von 2 %. Für die Provisionsabrechnung führte die Firma R. eine Art Kontokorrentkonto.
Rz. 6
In den jeweils als versuchten Betrug abgeurteilten Fällen II. 1., 3., 5. und 7. der Urteilsgründe spiegelte der Angeklagte nach Vertragsabschluss der Geschäftsführung der Firma R. vor, die Verträge mit höheren, über dem Bewertungspreis bzw. den Herstellungskosten liegenden Verkaufspreisen abgeschlossen zu haben, um auf diese Weise Provisionszahlungen zu erhalten, auf die er keinen Anspruch hatte. Es handelte sich hierbei um die bereits dargestellten Vertragsabschlüsse mit der Firma Ro. vom 24. Juli 2007 (Fall II. 3. der Urteilsgründe), der Firma G. AG – hier spiegelte der Angeklagte einen Verkaufspreis von 265 EUR vor – (Fall II. 5. der Urteilsgründe) und der Firma C. E. SE, wobei der Angeklagte wahrheitswidrig einen Verkaufspreis von 170,50 EUR erklärte (Fall II. 7. der Urteilsgründe). Der Fall II. 1. der Urteilsgründe betraf einen weiteren Vertragsabschluss mit der Firma Ro.. Der Angeklagte vereinbarte mit dem dort als Einkaufsleiter tätigen Zeugen F. die Lieferung von 3.600 LCD-TV-Geräten, wobei letztlich allenfalls 1.335 Geräte bei der Firma Ro. verblieben, zum Preis von je 181 EUR, obwohl der Bewertungspreis bei 181,88 EUR lag. In der von der Firma Ro. übersandten Kaufbestätigung änderte der Angeklagte handschriftlich den Verkaufspreis in 191 EUR pro Stück ab. Der Zeuge K., der die Kaufbestätigung unterschrieb, ging somit von einem gemäß seiner Vorgabe tatsächlich vereinbarten Kaufpreis von 191 EUR aus. Die Strafkammer konnte nicht feststellen, ob die in den vier Fällen zu Unrecht erstrebten Provisionen tatsächlich ausgezahlt oder auf andere Weise mit den Einkünften des Angeklagten verrechnet wurden.
Entscheidungsgründe
II.
Rz. 7
Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund der Sachrüge hat einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nicht ergeben.
Rz. 8
Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch. Der Angeklagte hat in den Fällen II. 2., II. 4., II. 6. und II. 8. der Urteilsgründe jeweils den Tatbestand der Untreue in der Alternative des Missbrauchstatbestandes verwirklicht. Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts hat er in diesen Fällen nicht als Vertreter ohne Vertretungsmacht, sondern im Rahmen des ihm nach außen hin möglichen Könnens gehandelt. Ebenso wenig ist die Annahme von Tatmehrheit zwischen Untreue und versuchtem Betrug in den Fällen II. 2./3., II. 4./5. und II. 6./7. der Urteilsgründe zu beanstanden.
Rz. 9
1. Der Missbrauchstatbestand gemäß § 266 Abs. 1 1. Alt. StGB erfasst Rechtsbeziehungen, durch die einem Beteiligten rechtliches Können gewährt wird, das über das rechtliche Dürfen hinausgeht (BGH, Urteil vom 27. Januar 1988 – 3 StR 61/87, BGHR StGB § 266 Abs. 1 Missbrauch 2).
Rz. 10
Nach den getroffenen Feststellungen konnte der Angeklagte auf Grund der ihm erteilten Vertretungsmacht die Firma R. im Außenverhältnis in rechtlich wirksamer Weise verpflichten. Er war als Vertriebsleiter für das Aushandeln und den Abschluss von Geschäften mit Großkunden der Firma R. zuständig. Die Verträge handelte er hinsichtlich des Liefergegenstandes, -umfangs und -zeitpunktes, des Verkaufspreises und der Möglichkeit zur Rückgabe nicht verkaufter Ware verbindlich aus. Der Zeuge K. – Geschäftsführer der Firma R. – sah sich dementsprechend in den abgeurteilten Fällen an die vom Angeklagten als Vertriebsleiter mündlich oder per E-Mail vereinbarten Konditionen gebunden.
Rz. 11
Dem Angeklagten ist danach zumindest schlüssig (vgl. BGH, Urteil vom 25. Februar 1982 – VII ZR 268/81, NJW 1982, 1389, 1390; Baumbach/ Hopt/Hopt, HGB, 34. Aufl. 2010, § 54 Rn. 8) Handlungsvollmacht gemäß § 54 Abs. 1 HGB für die Erledigung aller mit dem Vertrieb üblicherweise verbundenen Geschäfte erteilt worden. Der Handlungsbevollmächtigte gemäß § 54 HGB ist Befugnisinhaber im Sinne des § 266 Abs. 1 1. Alt. StGB (Wittig in von Heintschel-Heinegg, StGB, § 266 Rn. 7, 8.3; Schünemann in Leipziger Kommentar, 11. Aufl., § 266 Rn. 49; MünchKommStGB/Dierlamm § 266 Rn. 29). § 54 HGB regelt in Absatz 1 eine widerlegbare Vermutung für einen bestimmten typisierten Umfang der erteilten Handlungsvollmacht (Ebenroth/Boujong/Joost/ Strohn/Weber, HGB, 2. Aufl., § 54 Rn. 8; Baumbach/Hopt/Hopt aaO § 54 Rn. 9). Soweit die Auslegung der erteilten Vollmacht ergibt, dass eine der in Absatz 1 geregelten typisierten Formen vorliegt, ist auf die gesetzliche Vermutung zurückzugreifen (Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Weber aaO § 54 Rn. 9). Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen besaß der Angeklagte eine so genannte Arthandlungsvollmacht. Er war als Leiter des Vertriebs zur Vornahme einer bestimmten, zu einem Handelsgewerbe gehörigen Art von Geschäften ermächtigt (vgl. Baumbach/Hopt/Hopt aaO § 54 Rn. 10). Die Handlungsvollmacht erstreckt sich auf alle Geschäfte und Rechtshandlungen, welche die Vornahme derartiger Geschäfte gewöhnlich mit sich bringt. Was gewöhnlich ist, bestimmt sich etwa nach der Branche sowie der Art und Größe des Unternehmens (Baumbach/Hopt/Hopt aaO § 54 Rn. 10). Bei einem Großunternehmen wie der Firma R. sind selbst Vertragsabschlüsse von erheblicher finanzieller Tragweite noch zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb zu rechnen (BGH, Urteil vom 19. März 2002 – X ZR 157/99, BGHR HGB § 54 Abs. 3 Beschränkung 1).
Rz. 12
Angesichts der Vertretungsmacht des Angeklagten ist das Schweigen auf die schriftlichen Kaufbestätigungen der Firma Ro. in den abgeurteilten Fällen II. 2. und 8. der Urteilsgründe für die Frage der Wirksamkeit der Verträge nicht von Bedeutung. Die Kaufbestätigungen enthielten außer den vom Angeklagten und dem Zeugen F. – Einkaufsleiter der Firma Ro. – ausgehandelten Konditionen insbesondere ein Vertragsstrafenversprechen und eine Gerichtsstandsvereinbarung. Die dem Zeugen K. in den Fällen II. 2. und 8. der Urteilsgründe vorgelegten und unterzeichneten Kaufbestätigungen wurden vom Angeklagten nicht an die Firma Ro. zurückgesandt; dies war für die Durchführung der Verträge nach der Übung der Vertragsparteien auch nicht erforderlich. Warenlieferung sowie Bezahlung erfolgten ungeachtet der Nichtrücksendung der Kaufbestätigung entsprechend der per E-Mail oder mündlich zuvor zwischen dem Zeugen F. und dem Angeklagten getroffenen Vereinbarung. Der jeweilige Vertrag ist demnach im Vorfeld des Bestätigungsschreibens bereits mündlich bzw. im Rahmen des E-Mail-Kontakts zum Abschluss gebracht worden, so dass den Kaufbestätigungen nur noch die Bedeutung eines Beweismittels zukommt (BGH, Urteil vom 18. März 1964 – VIII ZR 281/62, NJW 1964, 1269, 1270; Baumbach/Hopt/Hopt aaO § 346 Rn. 17). Zudem kann entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts von einer Wirksamkeit der Verträge in den als Untreue abgeurteilten Fällen II. 2. und II. 8. der Urteilsgründe erst aufgrund des nachfolgenden Schweigens auf die Kaufbestätigungen auch deshalb nicht ausgegangen werden, da die Firma Ro. jeweils um eine Gegenbestätigung gebeten hat. Derjenige, der um eine Gegenbestätigung bittet, verfasst grundsätzlich kein Bestätigungsschreiben, das bei Schweigen des Empfängers verbindlich ist (BGH, Urteil vom 18. März 1964 – VIII ZR 281/62, NJW 1964, 1269, 1270; MünchKommHGB/Karsten Schmidt, 2. Aufl., § 346 Rn. 151; Heymann/Horn, HGB, 2. Aufl., § 346 Rn. 51).
Rz. 13
Im Außenverhältnis konnte der Angeklagte demnach den Verkaufspreis verbindlich festlegen. Das Verhalten des Angeklagten, der Abschluss von Kaufverträgen unter Missachtung der Vorgaben der Geschäftsleitung mit zu geringen, unter dem Einkaufs- oder Herstellungspreis liegenden Verkaufspreisen, war jedoch im Innenverhältnis nicht durch die verliehene Befugnis gedeckt (vgl. zur überschießenden Rechtsmacht im Außenverhältnis bei der Handlungsvollmacht Joost in: Großkomm. HGB, 5. Aufl., § 54 Rn. 41 f., 73).
Rz. 14
Die weiteren Voraussetzungen des § 266 Abs. 1 1. Alt. StGB sind erfüllt.
Rz. 15
2. Die Annahme von Tatmehrheit zwischen dem Tatbestand der Untreue und dem des versuchten Betruges lässt hier entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts ebenso wenig einen Rechtsfehler erkennen. Die Bewertung des Konkurrenzverhältnisses hält sich vorliegend im Rahmen des insoweit dem Tatrichter eröffneten Beurteilungsspielraums (BGH, Urteil vom 25. September 1997 – 1 StR 481/97, NStZ-RR 1998, 68, 69; Beschluss vom 19. April 2007 – 4 StR 572/06, NStZ-RR 2007, 235). Auch unter Berücksichtigung der Grundsätze der natürlichen Handlungseinheit war die Annahme nur einer Tat zwischen Untreue und versuchtem Betrug in den Fällen II. 2./3., II. 4./5. und II. 6./7. der Urteilsgründe nicht geboten. Eine solche liegt vor, wenn zwischen einer Mehrheit strafrechtlich relevanter Verhaltensweisen ein derart unmittelbarer räumlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht, dass das gesamte Handeln des Täters auch für einen Dritten objektiv als einheitliches zusammengehöriges Tun erscheint, und wenn die einzelnen Betätigungen auf einer einzigen Willensentschließung beruhen (BGH, Beschlüsse vom 18. Mai 2010 – 4 StR 182/10, wistra 2010, 345; vom 3. August 2010 – 4 StR 157/10 und vom 14. September 2010 – 4 StR 422/10). Nach den Feststellungen des Landgerichts spiegelte der Angeklagte jeweils nach Vertragsschluss der Geschäftsleitung der Firma R. vor, die Verträge mit höheren, über dem Bewertungs- bzw. Herstellungspreis liegenden Verkaufspreisen abgeschlossen zu haben. Damit liegt der Untreue durch Abschluss der Kaufverträge und dem (versuchten) Betrug durch Täuschung des Arbeitgebers schon kein einheitlicher Tatentschluss zu Grunde.
Unterschriften
Ernemann, Ri'inBGH Solin-Stojanović Cierniak befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Ernemann, Franke, Mutzbauer
Fundstellen
Haufe-Index 2601603 |
NStZ 2011, 280 |
wistra 2011, 141 |