Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterhaltsbedarf bei § 528 Abs. 1 S. 1 BGB
Leitsatz (amtlich)
Bei regelmäßig wiederkehrendem Unterhaltsbedarf des Schenkers richtet sich der Anspruch aus § 528 Abs. 1 Satz 1 BGB auf wiederkehrende Leistungen des Beschenkten in einer dem angemessenen Unterhaltsbedarf entsprechenden Höhe, bis der Wert des Schenkungsgegenstandes erschöpft ist.
Normenkette
BGB § 528 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 21. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 26. April 1994 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Mit Vertrag vom 25. Oktober 1991 übertrug die Klägerin ihren Anteil von 1/4 am Nachlaß ihrer am 14. Oktober 1991 verstorbenen Mutter auf die Beklagte, ihre Tochter. Zum Nachlaß gehörte ein Hausgrundstück in B., das die Beklagte und die weiteren Miterben nach der Mutter der Klägerin mit Vertrag vom 16. März 1992 für 1.000.000 DM verkauften.
Mit Schreiben vom 24. August 1992 verlangte die Klägerin von der Beklagten die Herausgabe „der Hälfte des schon ausgezahlten Nachlasses”. Die Beklagte lehnte dies ab. Darauf erklärte die Klägerin mit Schreiben vom 4. November 1992 die Anfechtung des Erbteilsübertragungsvertrages wegen arglistiger Täuschung.
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung von 250.000 DM in Anspruch. Sie hat geltend gemacht, ihren Anteil am Nachlaß ihrer Mutter habe sie der Beklagten aufgrund eines Treuhandvertrages übertragen. Die Beklagte habe ihr bei der Sicherung des Anteils vor Zugriffen Dritter behilflich sein wollen. Sie habe ihr zugesagt, sich um die Angelegenheiten der Klägerin zu kümmern und das zu übertragende Vermögen zu verwalten.
Die Beklagte hat eine Treuhandabrede bestritten und behauptet, die Parteien seien über eine Schenkung des Nachlaßanteils einig gewesen. Daraufhin hat die Klägerin ihren Anspruch hilfsweise auf Herausgabe des Geschenks gestützt. Sie sei außerstande, ihren angemessenen Unterhalt zu bestreiten. Weil sie als Frührentnerin nur geringe Renteneinkünfte habe, müsse sie Sozialhilfeleistungen in Anspruch nehmen.
Das Landgericht hat der Klage bis auf einen Teil des geltend gemachten Zinsanspruchs stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist – nachdem die Klägerin die Klage in Höhe eines Betrages von 750,12 DM zurückgenommen hatte – erfolglos geblieben.
Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe
Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Das Berufungsgericht nimmt an, der Klägerin stehe gegen die Beklagte in Höhe der noch geltend gemachten 249.249,88 DM ein Rückforderungsanspruch wegen Notbedarfs (§§ 528 Abs. 1, 812 BGB) zu. Dazu führt es aus: Bilde – wie die Beklagte selbst vortrage – ein Schenkungsvertrag zwischen den Parteien den Rechtsgrund für die Erbteilsübertragung, könne die Klägerin von der Beklagten die Herausgabe des an die Stelle des Nachlaßanteils getretenen Geldbetrages verlangen. Die Klägerin benötige den (noch geltend gemachten) Betrag zur Deckung ihres angemessenen Unterhalts. Sie erhalte nur eine Rente von 303 DM monatlich und müsse im übrigen Sozialhilfeleistungen in Anspruch nehmen. Sie sei mithin außerstande, ihren angemessenen Unterhalt selbst zu bestreiten. Allerdings bestehe ein Anspruch auf Herausgabe des Geschenks oder des an seine Stelle getretenen Surrogats nur, soweit der Schenker nach der Schenkung außerstande sei, seinen angemessenen Unterhalt zu bestreiten. Ein Rückforderungsanspruch sei deshalb nur in dem Umfang anzuerkennen, in dem der Schenkungsgegenstand – hier der Betrag von noch 249.249,88 DM – zur Deckung des angemessenen Unterhalts erforderlich sei. Der angemessene Unterhalt der Klägerin mache monatlich wenigstens 2.000 DM aus. Die Zinseinkünfte aus dem Betrag von 249.249,88 DM reichten nicht aus, um diesen Bedarf zu decken; es sei ein Rückgriff auf die Substanz des Vermögens erforderlich. Die Klägerin könne deshalb Rückzahlung des gesamten Betrages verlangen. Von der Abwendungabefugnis des § 528 Abs. 1 Satz 2 BGB habe die Beklagte keinen Gebrauch gemacht. Das bloße – unbezifferte – Angebot, der Mutter angemessenen Unterhalt zu gewahren. genüge hierfür nicht.
2. Diese Erwägungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht in vollem Umfang stand.
a) Ein Anspruch der Klägerin auf Herausgabe des Geschenks gemäß § 528 Abs. 1 BGB setzt zunächst voraus. daß die Klägerin außerstande ist, ihren angemessenen Unterhalt (vgl. § 1610 BGB) zu bestreiten. Das stellt das Berufungsgericht – entgegen der Auffassung der Revision – rechtsfehlerfrei fest.
Unstreitig erhält die Klägerin als Frührentnerin nur eine geringe Rente. Die Beklagte selbst hat vorgetragen, das Sozialamt erstatte der Klägerin die Miete und zahle ihr darüber hinaus Kohle-, Kleider- und Diabetesgeld. Zwar ist bei der Feststellung des Unterhaltsbedarfs grundsätzlich auch zu berücksichtigen, ob der Schenker zu dessen Deckung sonstiges Vermögen einsetzen kann, unter Umständen auch, ob er fehlende Mittel durch zumutbare Erwerbstätigkeit zu beschaffen vermag (vgl. RGRK/Mezger, BGB 12. Aufl. § 528 Rdn. 2). Für solche Möglichkeiten der Bedarfsdeckung besteht hier – auch unter Berücksichtigung der Behauptungen der Beklagten – aber kein Anhalt. Demgemäß war schon nach dem Vortrag der Parteien davon auszugehen, daß die Klägerin zur Deckung des angemessenen Unterhalts regelmäßig auf Leistungen des Sozialhilfeträgers angewiesen ist. Schon dieser Umstand (vgl. MünchKomra/Kollhosser, BGB 3. Aufl. § 528 Rdn. 4) bot hier eine ausreichende Grundlage für die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin sei außerstande, ihren angemessenen Unterhalt zu bestreiten. Darauf, ob die Klägerin – wie das Berufungsgericht zusätzlich ausführt – über die genannten Sozialhilfeleistungen hinaus nunmehr laufende Hilfe zum Lebensunterhalt erhält kam es nicht mehr an. Es kann deshalb auf sich beruhen. ob das Berufungsgericht eine solche Feststellung verfahrensfehlerfrei den Prozeßkostenhilfeunterlagen der Klägerin entnehmen konnte.
Daß die Klägerin schon vor übertragung des Nachlaßanteils Sozialhilfeleistungen erhalten hat, stellt die Anwendbarkeit des § 528 Abs. 1 BGB nicht in Frage. Ohne schenkweise Übertragung des Nachlaßanteils wäre sie in der Lage gewesen, nach Veräußerung des Grundstücks ihren angemessenen Unterhalt aus dein Erlösanteil zu bestreiten. Die Vollziehung der Schenkung hat demgemäß dazu geführt, daß sie dazu nunmehr außerstande ist.
b) Das Berufungsgericht nimmt an, der angemessene Unterhaltsbedarf der Klägerin sei auf wenigstens 2.000 DM zu beziffern. Da dieser Bedarf durch Zinsen aus dem Schenkungskapital nicht gedeckt werden könne, sei ein Rückgriff auf die Substanz des Vermögens unvermeidbar. Die Klägerin habe deshalb Anspruch auf Herausgabe des Gesamtbetrages.
Das erweist sich im Ergebnis auch dann als rechtsfehlerhaft, wenn das Berufungsgericht den Unterhaltsbedarf der Klägerin zutreffend bemessen hat.
aa) Nach 5528 Abs. 1 Satz 1 BGB hat der Schenker Anspruch auf Herausgabe des Geschenks nach den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung, allerdings nur, „soweit” er außerstande ist, seinen angemessenen Unterhalt zu bestreiten. Der Rückforderungsanspruch besteht mithin lediglich in dem Umfang, in welchem der Schenkungsgegenstand zur Deckung des angemessenen Unterhalts erforderlich ist. Bedarf der Schenker nur eines Teils des Geschenks, so kann bei teilbaren Schenkungsgegenstand auch nur ein diesem Bedürfnis entsprechender realer Bruchteil herausverlangt werden; selbst wenn der Schenkungsgegenstand nicht teilbar ist, richtet sich der Anspruch aus § 528 Abs. 1 Satz 1 BGB von vornherein auf Zahlung in Höhe des der Bedürftigkeit des Schenkers entsprechenden Wertteils des Geschenks (BGHZ 94, 141, 143f.).
bb) Dieser Begrenzung des Rückforderungsanspruchs ist auch dann Rechnung zu tragen, wenn ein wiederkehrender Unterhaltsbedarf des Schenkers besteht, wie dies etwa bei anfallenden Heimunterbringungs- oder Pflegekosten aber auch dann der Fall sein kann, wenn der Schenker – wie hier – voraussichtlich auf Dauer nicht in der Lage sein wird, seinen angemessenen Unterhalt ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen zu sichern. In einem solchen Falle regelmäßig wiederkehrenden Bedarfs richtet sich der Anspruch aus § 528 Abs. 1 Satz 1 BGB deshalb auf wiederkehrende Leistungen des Beschenkten in einer dem angemessenen Unterhaltsbedarf entsprechenden Höhe, bis der Wert des Schenkungsgegenstandes erschöpft ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juni 1992 – 5 C 37/88 – NJW 1992, 3312; MünchKona/Kollhosser, aao, Rdn. 5). Denn nur mit einer solchen Begrenzung des Anspruchs kann auch in Fällen wiederkehrenden Bedarfs gesichert werden, daß das Geschenk nur in dem Maße („soweit”) in Anspruch genommen wird, wie dies dem Bedarf des Schenkers entspricht. Zugleich werden dadurch mögliche Rückforderungsansprüche des Beschenkten vermieden, die diesem nach Herausgabe des Gesamtwertes des Geschenks und späterem Wegfall des Unterhaltsbedarfs zustehen könnten (vgl. RGRK/Mezger, aao, Rdn. 5).
Ist aber der Rückforderungsanspruch nach § 528 Abs. 1 Satz 1 BGB bei wiederkehrendem Bedarf von vornherein in dieser Weise begrenzt, bleibt für die Anwendung der Ersetzungsbefugnis in § 528 Abs. 1 Satz 2 BGB kein Raum. Der Anspruch des Schenkers ist in diesem Falle von vornherein ohnehin nur auf das gerichtet, was der Beschenkte in Ausübung der Ersetzungsbefugnis zu leisten hätte.
Demgemäß schuldet die Beklagte entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht die Herausgabe des gesamten – aus dem ihr übertragenen Nachlaßanteil erlösten – Geldbetrages, sondern nur regelmäßig wiederkehrende Leistungen in Höhe des zur Deckung des angemessenen Unterhalts der Klägerin erforderlichen Betrages.
3. a) Das Berufungsgericht hat den angemessenen Unterhalt der Klägerin auf „wenigstens” 2.000 DM monatlich beziffert. Diese Wortwahl läßt die Möglichkeit offen, daß das Berufungsgericht damit nur eine in jedem Falle erreichte untere Grenze bezeichnet hat, weil es nach seiner Rechtsauffassung auf die Bestimmung des genauen monatlichen Bedarfs nicht ankam. Sollte es im neuerlichen Verfahren darauf ankommen, ob der Klägerin ein Anspruch gemäß § 528 Abs. 1 BGB zusteht, wird das Berufungsgericht festzustellen haben, welcher Betrag zur Deckung des angemessenen Unterhalts der Klägerin erforderlich ist. Dazu wird der insoweit beweisbelasteten Klägerin Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu geben sein.
b) Das Berufungsgericht wird auch zu beachten haben, daß die Klägerin ihren Anspruch auf Rückzahlung der gesamten (noch geltend gemachten) 249.249,88 DM auch auf andere Rechtsgründe und nur hilfsweise auf § 528 Abs. 1 BGB gestützt hat.
Unterschriften
Dr. Schmitz, Römer, Dr. Schlichting, Terno, Seiffert
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 17.01.1996 durch Dietz Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 604905 |
NJW 1996, 987 |
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